Berlin,24. October 1869.
Zwei Freuden hatte ich gestern
Abend, zu denen noch eine dritte
kam. Ich will die letzte zuerst
berichten. Ich hörte F.Friedrich Spielhagen
aus seinen Romanen öffentlich
vorlesen u.und wer von der Begründung
seines Unternehmens wie von
der Ausführung desselben vollkom̃en
befriedigt. Ich werde wahrscheinlich
öffentlich ein Wort drüber
sagen u.und Ihnen, liebenswerther
Herr Dr., das dann zusenden.
Mir war die Sache noch von
besondrem' persönlichem Belang,
da ich schon vor zwei Jahren u.und seitdem
fortgesetzt von deutschen Gesell-
schaften verschiedener Städte in
Amerika aufgefordert war, nach
dem Vorgange von Boz Dickens
wie auch in die neue Welt zu
kom̃en u.und durch Vorlesung meiner
Erzählungen das deutsche Element
zu verdanken.
Die Aufforderung war u.und ist mir
sehr lohnend, u.und ich hoffe, daß
die Ausführung sich entsprechend
verwirklichen lasse.
Die Wirkung, die Spielhagen
gestern hatte, weckte den Gedanken
aufs Neue u.und mir gewisse Zuversicht
des Gelingens.
Nun aber die zwei anderen Freuden.
Ich traf Professor Werder im Saal
vor Beginn der Vorlesung. Sie keñen
wohl den feinsiñigen u.und
Mann, u.und ich kann Ihnen eins sagen,
die Art wie er sich über Composition
u.und Durchführung meines neuen Buches
„Das Landhaus“Auerbach, Berthold: Das Landhaus am Rhein. Stuttgart 1869. [ Erster Band online verfügbar: Internet Archive abgerufen am 04.03.2019.](https://archive.org/details/bub_gb_71g6AAAAcAAJ) aussprach, erquickte
mir die Seele im Tiefsten. Er
war gerade den Abend vorher fertig
geworden, es Wort für Wort seinen
Verwandten u.und Faustgenossen, dem General
Fiedler u.und dessen Frau vorzulesen.
Er war besonders über die jüdische
Manier, in der May Ring mein Buch in
der Moss. Ztg.Mossaische Zeitung rezensiert u.und dem Som̃erkranz
eine Episode gemacht hatte. Auf meine
Bemerkung, daß man sich eben von solchen
Menschen müsse beurtheilen lassen
u.und nicht ernste u.und tiefe Inhalte alles
Wort annehmen – schwieg er. Sie wissen,
dass Werder nicht schreibt.
Wie noch anders wurde mir nun, da ich mein
Freud Oppenheim traf, der mir sagte, dass
Sie das Buch mit Wohlgefallen gelesen
u.und dass für Ihre Beurtheilung Ihnen
RaumRäume in der National-Zeitung gegeben sind.
Ich bin nun weit entfernt, Ihnen ein
Wort ins In erliche zu sagen, ich weiss,
dass auch wo Sie Ausstellungen zu machen
haben mögen, Sie das auf Grund des Wohl-
wollens u.und im Geiste der Kunstgesetze thun.
Nur das glaube ich bitten zu dürfen, dass
Sie sich ausführlich u.und im Zusam̃enhange
meiner Arbeiten halten möchten, u.und dass
Sie Ihre Eingebung recht bald einweihen,
denn sie mir stim̃unggebend sind.
Ihr mit herzlicher Hochachtung
erg.ergebenster
Berthold Auerbach.
(Königin Auguste Str.Straße 3)