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Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912].

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§ 2 und 3 der Satzungen des
Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht.

§ 2.

Zweck. Der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht verfolgt den Zweck:

1. für die deutschen Frauen die politische Gleichberechtigung zu er-
kämpfen und den Frauen die Ausübung der politischen Rechte
zu sichern;
2. die Frauen derjenigen deutschen Länder, Gemeinden und Berufs-
klassen, welche im Besitz politischer oder sonstiger Stimmrechte
sind, zur Ausübung derselben zu veranlassen.

§ 3.

Grundsätze. Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten politischen
Partei oder einer bestimmten Richtung der Frauenbewegung.

Der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime
aktive, sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetzgebenden
Körperschaften und den Organen der Selbstverwaltung.



Wir Frauen, die wir mitten in der Frauenbewegung stehen, das
heißt mitten im Kampf um die "Gleichberechtigung der Geschlechter"
auf allen Gebieten des Lebens, mag es sich um die Lohnarbeiterin oder
um die studierende Frau handeln, für die diese "Gleichberechtigung mit
dem Manne" erkämpft werden soll, gerade wir müßten die Forderung
des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes, wie sie in
dem § 3 der Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht
enthalten ist, eigentlich als selbstverständlichste Forderung der Gerechtigkeit
empfinden und darum auch mit der Beibehaltung des § 3 in den
Satzungen einverstanden sein! Aber man kann meiner Meinung nach
sehr wohl das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, wie wir
es für den Reichstag haben, für das beste und gerechteste Wahlrecht
zurzeit halten und trotzdem seine Verquickung mit der Frauenstimmrechts-
frage, wie es in dem § 3 der Satzungen geschieht, nicht wünschen, da
sie unlogisch, unberechtigt, ungerecht und unzweckmäßig ist.

Sehen wir uns kurz die historische Entwicklung der deutschen
bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung an.

Der 1899 gegründete Verband fortschrittlicher Frauenvereine machte
die in Stuttgart im Jahre 1897 wohl ziemlich zuerst von Frau Marie
Hecht gestellte Forderung der politischen Gleichberechtigung der Frau zu

§ 2 und 3 der Satzungen des
Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht.

§ 2.

Zweck. Der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht verfolgt den Zweck:

1. für die deutschen Frauen die politische Gleichberechtigung zu er-
kämpfen und den Frauen die Ausübung der politischen Rechte
zu sichern;
2. die Frauen derjenigen deutschen Länder, Gemeinden und Berufs-
klassen, welche im Besitz politischer oder sonstiger Stimmrechte
sind, zur Ausübung derselben zu veranlassen.

§ 3.

Grundsätze. Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten politischen
Partei oder einer bestimmten Richtung der Frauenbewegung.

Der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime
aktive, sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetzgebenden
Körperschaften und den Organen der Selbstverwaltung.



Wir Frauen, die wir mitten in der Frauenbewegung stehen, das
heißt mitten im Kampf um die „Gleichberechtigung der Geschlechter“
auf allen Gebieten des Lebens, mag es sich um die Lohnarbeiterin oder
um die studierende Frau handeln, für die diese „Gleichberechtigung mit
dem Manne“ erkämpft werden soll, gerade wir müßten die Forderung
des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes, wie sie in
dem § 3 der Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht
enthalten ist, eigentlich als selbstverständlichste Forderung der Gerechtigkeit
empfinden und darum auch mit der Beibehaltung des § 3 in den
Satzungen einverstanden sein! Aber man kann meiner Meinung nach
sehr wohl das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, wie wir
es für den Reichstag haben, für das beste und gerechteste Wahlrecht
zurzeit halten und trotzdem seine Verquickung mit der Frauenstimmrechts-
frage, wie es in dem § 3 der Satzungen geschieht, nicht wünschen, da
sie unlogisch, unberechtigt, ungerecht und unzweckmäßig ist.

Sehen wir uns kurz die historische Entwicklung der deutschen
bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung an.

Der 1899 gegründete Verband fortschrittlicher Frauenvereine machte
die in Stuttgart im Jahre 1897 wohl ziemlich zuerst von Frau Marie
Hecht gestellte Forderung der politischen Gleichberechtigung der Frau zu

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[3/0002] § 2 und 3 der Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht. § 2. Zweck. Der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht verfolgt den Zweck: 1. für die deutschen Frauen die politische Gleichberechtigung zu er- kämpfen und den Frauen die Ausübung der politischen Rechte zu sichern; 2. die Frauen derjenigen deutschen Länder, Gemeinden und Berufs- klassen, welche im Besitz politischer oder sonstiger Stimmrechte sind, zur Ausübung derselben zu veranlassen. § 3. Grundsätze. Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten politischen Partei oder einer bestimmten Richtung der Frauenbewegung. Der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime aktive, sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetzgebenden Körperschaften und den Organen der Selbstverwaltung. Wir Frauen, die wir mitten in der Frauenbewegung stehen, das heißt mitten im Kampf um die „Gleichberechtigung der Geschlechter“ auf allen Gebieten des Lebens, mag es sich um die Lohnarbeiterin oder um die studierende Frau handeln, für die diese „Gleichberechtigung mit dem Manne“ erkämpft werden soll, gerade wir müßten die Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes, wie sie in dem § 3 der Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht enthalten ist, eigentlich als selbstverständlichste Forderung der Gerechtigkeit empfinden und darum auch mit der Beibehaltung des § 3 in den Satzungen einverstanden sein! Aber man kann meiner Meinung nach sehr wohl das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, wie wir es für den Reichstag haben, für das beste und gerechteste Wahlrecht zurzeit halten und trotzdem seine Verquickung mit der Frauenstimmrechts- frage, wie es in dem § 3 der Satzungen geschieht, nicht wünschen, da sie unlogisch, unberechtigt, ungerecht und unzweckmäßig ist. Sehen wir uns kurz die historische Entwicklung der deutschen bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung an. Der 1899 gegründete Verband fortschrittlicher Frauenvereine machte die in Stuttgart im Jahre 1897 wohl ziemlich zuerst von Frau Marie Hecht gestellte Forderung der politischen Gleichberechtigung der Frau zu

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Zitationshilfe: Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912], S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahnson_satzungen_1912/2>, abgerufen am 19.04.2024.