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Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912].

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Staaten angestrebt werden soll, sondern daß der Ausdruck "politisch" im
weiteren Sinne, im Gegensatz zu den "sonstigen" Stimmrechten,
wie sie vereinzelt für Krankenkassen etc. existieren, aufzufassen ist. Da
auf all den letzten Tagungen immer wieder die Frage des kommunalen
Wahlrechts angeschnitten wurde, ohne daß auch nur mit einer Silbe
erwähnt wurde, daß es in den Satzungen heißt: politische Gleich-
berechtigung, Ausübung der politischen Rechte - so dürfen wir mit vollem
Recht folgern, daß unter diesen politischen Rechten das kommunale
Wahlrecht mit einbegriffen ist. Bei dem Ausdruck "politische Rechte"
müssen wir also jedenfalls, und zwar in allererster Linie, an das kommunale
Wahlrecht denken, das ja auch in allen Aufsätzen, Zeitschriften, Vor-
trägen usw. in den letzten Jahren stets als nächstes und erstrebenswertestes
Ziel hingestellt wird. Dies wird aber auch im Schlußsatz des § 3 aus-
drücklich betont und unterstrichen.

§ 3 lautet: "Grundsätze. Der Verband steht nicht auf dem Boden
einer bestimmten politischen Partei, oder einer bestimmten Richtung der
Frauenbewegung.

Der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime
aktive sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetz-
gebenden Körperschaften und den Organen der Selbstver-
waltung!
"

Dieser § 3 steht also nicht nur, wie wir eben gesehen haben, im
Widerspruch mit § 2, sondern, wie wir gleich sehen werden, stehen der erste
und zweite Absatz desselben Paragraphen in einem merkwürdigen Gegensatz
zueinander, so daß sie sich direkt widersprechen. Jm ersten Absatz heißt es:

Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten
Partei - im zweiten Absatz aber fordert er einzig und allein das
Wahlrecht, das ganz bestimmte politische Parteien als einen der wesent-
lichen Punkte ihres Partei-Programms aufgestellt haben, nämlich die
Sozialdemokratie und die bürgerliche Linke, die demokratische Vereinigung
und die Fortschrittliche Volkspartei. - Denn wir müssen uns doch auch
hier an den eigentlichen Sinn der Worte, an ihren geistigen Jnhalt
halten, wenn wir nicht in leere Wortplänkeleien verfallen wollen. Ebenso
gut wie wir eben bei § 2 sahen, daß unter politische Rechte nicht nur das
Reichstagswahlrecht, sondern auch die kommunalen Wahlrechte zu ver-
stehen sind, ebenso gut müssen wir hier sagen: Wenn man im allgemeinen
auch mit dem Ausdruck "auf dem Boden einer Partei stehen" bezeichnet,
daß man alle Forderungen, das ganze Programm dieser Partei
anerkennt, so tut der Verband das allerdings nicht, aber es kann doch
nicht geleugnet werden, daß das allgemeine, gleiche Wahlrecht der

Staaten angestrebt werden soll, sondern daß der Ausdruck „politisch“ im
weiteren Sinne, im Gegensatz zu den „sonstigen“ Stimmrechten,
wie sie vereinzelt für Krankenkassen ꝛc. existieren, aufzufassen ist. Da
auf all den letzten Tagungen immer wieder die Frage des kommunalen
Wahlrechts angeschnitten wurde, ohne daß auch nur mit einer Silbe
erwähnt wurde, daß es in den Satzungen heißt: politische Gleich-
berechtigung, Ausübung der politischen Rechte – so dürfen wir mit vollem
Recht folgern, daß unter diesen politischen Rechten das kommunale
Wahlrecht mit einbegriffen ist. Bei dem Ausdruck „politische Rechte“
müssen wir also jedenfalls, und zwar in allererster Linie, an das kommunale
Wahlrecht denken, das ja auch in allen Aufsätzen, Zeitschriften, Vor-
trägen usw. in den letzten Jahren stets als nächstes und erstrebenswertestes
Ziel hingestellt wird. Dies wird aber auch im Schlußsatz des § 3 aus-
drücklich betont und unterstrichen.

§ 3 lautet: „Grundsätze. Der Verband steht nicht auf dem Boden
einer bestimmten politischen Partei, oder einer bestimmten Richtung der
Frauenbewegung.

Der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime
aktive sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetz-
gebenden Körperschaften und den Organen der Selbstver-
waltung!

Dieser § 3 steht also nicht nur, wie wir eben gesehen haben, im
Widerspruch mit § 2, sondern, wie wir gleich sehen werden, stehen der erste
und zweite Absatz desselben Paragraphen in einem merkwürdigen Gegensatz
zueinander, so daß sie sich direkt widersprechen. Jm ersten Absatz heißt es:

Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten
Partei – im zweiten Absatz aber fordert er einzig und allein das
Wahlrecht, das ganz bestimmte politische Parteien als einen der wesent-
lichen Punkte ihres Partei-Programms aufgestellt haben, nämlich die
Sozialdemokratie und die bürgerliche Linke, die demokratische Vereinigung
und die Fortschrittliche Volkspartei. – Denn wir müssen uns doch auch
hier an den eigentlichen Sinn der Worte, an ihren geistigen Jnhalt
halten, wenn wir nicht in leere Wortplänkeleien verfallen wollen. Ebenso
gut wie wir eben bei § 2 sahen, daß unter politische Rechte nicht nur das
Reichstagswahlrecht, sondern auch die kommunalen Wahlrechte zu ver-
stehen sind, ebenso gut müssen wir hier sagen: Wenn man im allgemeinen
auch mit dem Ausdruck „auf dem Boden einer Partei stehen“ bezeichnet,
daß man alle Forderungen, das ganze Programm dieser Partei
anerkennt, so tut der Verband das allerdings nicht, aber es kann doch
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[6/0005] Staaten angestrebt werden soll, sondern daß der Ausdruck „politisch“ im weiteren Sinne, im Gegensatz zu den „sonstigen“ Stimmrechten, wie sie vereinzelt für Krankenkassen ꝛc. existieren, aufzufassen ist. Da auf all den letzten Tagungen immer wieder die Frage des kommunalen Wahlrechts angeschnitten wurde, ohne daß auch nur mit einer Silbe erwähnt wurde, daß es in den Satzungen heißt: politische Gleich- berechtigung, Ausübung der politischen Rechte – so dürfen wir mit vollem Recht folgern, daß unter diesen politischen Rechten das kommunale Wahlrecht mit einbegriffen ist. Bei dem Ausdruck „politische Rechte“ müssen wir also jedenfalls, und zwar in allererster Linie, an das kommunale Wahlrecht denken, das ja auch in allen Aufsätzen, Zeitschriften, Vor- trägen usw. in den letzten Jahren stets als nächstes und erstrebenswertestes Ziel hingestellt wird. Dies wird aber auch im Schlußsatz des § 3 aus- drücklich betont und unterstrichen. § 3 lautet: „Grundsätze. Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten politischen Partei, oder einer bestimmten Richtung der Frauenbewegung. Der Verband erstrebt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime aktive sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetz- gebenden Körperschaften und den Organen der Selbstver- waltung!“ Dieser § 3 steht also nicht nur, wie wir eben gesehen haben, im Widerspruch mit § 2, sondern, wie wir gleich sehen werden, stehen der erste und zweite Absatz desselben Paragraphen in einem merkwürdigen Gegensatz zueinander, so daß sie sich direkt widersprechen. Jm ersten Absatz heißt es: Der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten Partei – im zweiten Absatz aber fordert er einzig und allein das Wahlrecht, das ganz bestimmte politische Parteien als einen der wesent- lichen Punkte ihres Partei-Programms aufgestellt haben, nämlich die Sozialdemokratie und die bürgerliche Linke, die demokratische Vereinigung und die Fortschrittliche Volkspartei. – Denn wir müssen uns doch auch hier an den eigentlichen Sinn der Worte, an ihren geistigen Jnhalt halten, wenn wir nicht in leere Wortplänkeleien verfallen wollen. Ebenso gut wie wir eben bei § 2 sahen, daß unter politische Rechte nicht nur das Reichstagswahlrecht, sondern auch die kommunalen Wahlrechte zu ver- stehen sind, ebenso gut müssen wir hier sagen: Wenn man im allgemeinen auch mit dem Ausdruck „auf dem Boden einer Partei stehen“ bezeichnet, daß man alle Forderungen, das ganze Programm dieser Partei anerkennt, so tut der Verband das allerdings nicht, aber es kann doch nicht geleugnet werden, daß das allgemeine, gleiche Wahlrecht der

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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-05T18:44:52Z)

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Zitationshilfe: Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912], S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahnson_satzungen_1912/5>, abgerufen am 19.04.2024.