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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 32. Köln, 2. Juli 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 32. Köln, Sonntag 2. Juli 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen.

Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexandre, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Amtliche Nachrichten.

Des Königs Maj. haben dem kaiserlich brasilianischen Brigade-General Paulo Barboza da Silva am 24. d. M. im Schloße Sanssouci eine Privat-Audienz ertheilt und aus dessen Händen das Schreiben seines Souveräns entgegengenommen, wodurch derselbe als kaiserlich brasilianischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am hiesigen Hofe beglaubigt worden ist.

Dem Polizei-Präsidenten v. Minutoli ist der Rang eines Rathes erster Klasse verliehen worden.

Deutschland.
* Köln, 1. Juli.

Der Bombardier Funck in der siebenten Artillerie-Brigade, wurde vor einigen Tagen zwangsweise nach Luxemburg versetzt, während es bisher immer Sitte war, bei nöthig werdenden Versetzungen Einzelne der Avancirten zur freiwilligen Meldung aufzufordern.

Damit nicht genug, hat man den Bombardier Funck, als er in Saarlouis ankam, sofort verhaftet "wegen hochverrätherischer Umtriebe."

Der Bombardier Funck ist einer der ausgezeichnetsten Avancirten der ganzen Brigade, nach dem Zeugniß nicht nur seines Kompagnieführers sondern auch anderer Kompagniechefs. Seine Führung war, nach denselben Aussagen, durchaus untadelhaft im Dienst wie außer dem Dienst. Worin besteht aber das Verbrechen des Herrn Funck?

Darin, daß er seit längerer Zeit Mitglied des Comite's der Stollwerck'schen Versammlung war!

Wir wissen positiv, daß weiter durchaus nichts gegen Hrn. Funck vorliegt. Seine Verhaftung ist eine Maßregel unverfälschter altpreußischer Militärwillkühr.

Wir fordern die rheinischen Abgeordneten der linken Seite auf, den Kriegsminister unverzüglich wegen dieser Verhaftung zu interpelliren.

Berlin, 29. Juni.

Hier hat ein jüngst-gebildeter Verein praktischer Aerzte an den Kultus- und Medizinal-Minister Rodbertus eine Adresse gerichtet, worin beantragt wird, daß "zur Erledigung der Medizinalreform ein allgemeiner Kongreß, hervorgehend aus direkten Wahlen aller Aerzte und Wundärzte des preußischen Staates baldmöglichst einberufen werde."

(B. Z.-H.)
*Posen, 26. Juni.

Held Ahlemann aus Samter wollte seinem ersten Feldzugsplane nach schon heute gegen Berlin rücken. Die wahrscheinliche Stärke seines Heeres gab er in seiner justiz-kommissarischen Bescheidenheit auf mindestens 22,000 Mann an. Leider hält dieser Ritter von der traurigen Gestalt sein Wort nicht in Ehren. Er hat in der heutigen Zeitung ein Bülletin erlassen, welches kund thut, daß heute der Feldzug noch nicht beginnen kann. Was werden die 20,000 Tapfern von ihrem General sagen, der ihnen die bereits verassekurirten Siegeslorbeeren auf unbestimmte Zeit entrückt.

"Lebt wohl Ihr tapfern Brüder,
In einer bessern Welt wieder!"
Leipzig, 27. Juni.

Der bisherige Lektor der slavischen Sprachen, M. J. P. Jordan, ist in Folge der von ihm eingestandenen Theilnahme an dem Slavenkongresse in Prag durch Beschluß des Kultusministeriums seiner Stellung als Docent an unserer Universität enthoben worden. Der akademische Senat bringt diesen Ministerialbeschluß mittelst Anschlags am schwarzen Brett zur Kenntniß der Studirenden. - Das ist die Lehrfreiheit der christlich-germanischen Musterkonstitutionen.

LHannover, 28. Juni.

Die Polizei entfaltet ihre Macht gegen die Demokraten. Am 26. wurde der vom demokratischen Kongreß zurückkehrende Deputirte des Arbeitervereins, Buchdrucker Steegen, wegen Hochverrath (!) verhaftet. Steegen ist Präsident des Arbeitervereins. Schon früher wurde er durch gemeinsamen Beschluß der hiesigen Buchdruckereibesitzer als gefährliches Subjekt in die Acht erklärt und lange Zeit außer Arbeit gesetzt; das Stadtgericht will nun streng untersuchen, woher Steegen die Subsistenzmittel zu seinen Lebensunterhalt hergenommen hat. Eben so hat das Postamt Befehl bekommen, alle an Steegen adressirten Briefe dem Stadtgericht auszuliefern. Wahrscheinlich wird die Regierung jetzt jedem Arbeiter Unterhalt geben, dem dte Bourgois Arbeit verweigern.

Frankfurt a. d. O., 28. Juni.

Am heutigen Tage fand die neue Wahl eines Abgeordneten und Stellvertreters für die konstituirende Nationalversammlung in Berlin Statt. Der demokratische Verein hatte den Lehrer Lück als Kandidaten aufgestellt, während von der anderen Seite für den Minister-Präsidenten Auerswald geworben war. Von 55 Wahlmännern erhielt Auerswald 28 Stimmen, er siegte also mit einer Majorität von vier Stimmen. Hören Sie aber, auf welche Weise diese Majorität erlangt ist. Der Minister Herr Hansemann hatte mündlich zu einigen Vätern der Stadt den dringenden Wunsch geäußert, man möge doch dahin wirken, daß Herr Auerswald gewählt werde, weil es dem Ministerium eine größere Kraft verleihe. Der Herr Finanz-Minister soll auch die guten Väter der Stadt haben erkennen lassen, wie das Wohl der Stadt wesentlich von dieser Wahl abhänge. Frankfurt wünscht einen Wollmarkt, nun, es wird dafür gesorgt werden. Die Stadtherren haben redlich gewirkt, Sie haben Hrn. Hansemann's leutseliges Benehmen den guten Wahlmännern in Ihrem Sinne mitgetheilt, ihnen sogar erzählt, daß Herr Hansemann sich das Prädikat Exzellenz verbeten habe. Daher die Wahl des Herrn Minister Präsidenten mit vier Stimmen Majorität, gegen einen schlichten Volksschullehrer.

(B. Z.-H.)
Frankfurt, 28. Juni

Kapp hat folgenden Brief an seine Wähler erlassen. Sie ersehen aus nachfolgendem Briefe, daß ich aus der Nationalversammlung ausgetreten bin. Bei Ihnen werde ich mich wegen dieses Schrittes nicht rechtfertigen müssen, ich glaube vielmehr ganz in Ihrem Sinne gehandelt zu haben. Sie haben mich gewählt in eine Versammlung, deren Lebensgrund die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Kraft das lebendige Wort der Wahrheit, die Sprache der Thatsachen, deren Gesetz die Freiheit der Rede ist. Diese Versammlung existirt aber nicht mehr. Das Prinzip ihres Ursprungs, die Souveränetät des Volkes, hat sie aufgegeben und den Mund des Volkes verschlossen, indem sie seinen freisinnigsten Vertretern das Wort verkümmerte.

Ich habe das Vertrauen, daß die Stärke Ihres Unwillens über die Gründe meines Austritts jene großartige Ruhe auch bei Ihnen nicht stören wird, die das sicherste Zeichen siegender Kraft selbst in Tagen der Noth ist. Eigene Erfahrung hat Sie schon überzeugt, welche Macht in Ihrer Haltung, welche Thatkraft in Ihrer Einsicht liegt.

Frankfurt, den 28. Juni 1548.

Frankfurt, 29. Juni.

In Folge der heute von der National-Versammlung vorgenommenen Wahl eines Reichsverwesers faßte die Bundesversammlung einstimmig den Beschluß, folgendes Schreiben an Seine Kaiserliche Hoheit den Erzherzog Johann von Oestreich zu richten:

Durchlauchtigster Erzherzog!

In würdigem, feierlichem Akte wurden so eben Eure Kaiserliche Hoheit von der deutschen National-Versammlung zum Reichsverweser unseres großen Vaterlandes erwählt.

Die Bundesversammlung theilt mit der ganzen Nation die Verehrung für Eure Kaiserliche Hoheit, und die erhebenden patriotischen Gefühle, die sich an dieses große Ereigniß knüpfen, so wie das feste Vertrauen, daß diese Wahl heilverkündend, und die beste Bürgschaft für die Einheit und Kraft, für die Ehre und Freiheit unseres Gesammt-Vaterlandes sei.

Sie beeilt sich, Eurer Kaiserlichen Hoheit diese Ueberzeugungen und Gesinnungen Glück wünschend, auszudrücken.

Ganz besonders aber gereicht es den in der Bundes-Versammlung vereinigten Bevollmächtigten der deutschen Regierungen zur höchsten Genugthuung, Eurer kaiserl. Hoheit die Versicherung ausdrücken zu dürfen, daß sie schon vor dem Schlusse der Berathungen über die Bildung einer provisorischen Centralgewalt von ihren Regierungen ermächt waren, für eine Wahl Eurer kaiserl. Hoheit zu so hohem Berufe sich zu erklären.

Die deutsche Bundes-Versammlung ist in dieser eben so großen als ernsten Zeit von dem wärmsten Wunsche belebt, Eurer kaiserl. Hoheit möge dem allseitigen Vertrauen und der Berufung zu der erhabenen Würde baldmöglichst entsprechen, und dadurch unsere Hoffnungen bestärken, die Vorsehung werde die deutsche Nation zu neuen Zeiten des Heils und der Größe hinführen.

Frankfurt, 29. Juni 1848.

Die deutsche Bundes-Versammlung, und in deren Namen: der Präsident: Ritter v. Schmerling.

ppFrankfurt, 29. Juni.

Die Räume der Paulskirche waren bei der heutigen Sitzung der Nationalversammlung dergestalt mit Zuschauern belagert, daß es selbst den Deputirten mit Mühe gelang, ihre Plätze zu gewinnen. Sie kennen bereits das Resultat des Tages: Erzherzog Johann ist zum Verweser des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, zum vorläufigen Kaiser erwählt worden. Die guten Bürger jauchzten und weinten vor Rührung bei dem erhebenden Gedanken, bald nun auch eine Hofhaltung in ihrer bürgerlichen Mitte zu haben; Kanonendonner und Glockengeläute verherrlichten den schönen, an die Romantik des Mittelalters mahnenden Moment. Das Ministerium, aus modernen Biedermännern, Wippermann, Dahlmann, Stedtmann zusammengesetzt, wird nun mit der baldigen Ankunft des "Unverantwortlichen" erst bescheert werden; man spricht davon, daß der pensionirte Dulder Eisenmann als Finanzminister, und Herr Heckscher, der Reden über die deutsche Flotte gehalten, zum Marineminister bezeichnet ist.

Morgen wird über die Civilliste des zukünftigen Herrschers der deutschen Völker und Vereinbarers der Fürsten debattirt werden; die Großmuth der Versammlung, deren Beschlüsse schon viel aus den Händen des Volkes in die der Fürsten gegeben haben, läßt keinen Zweifel, daß die neue Gewalt mit Anstand aus dem Segen und Ueberfluß des Landes ausgestattet werden wird.

Die Linke, welche sich bei den Debatten zum größten Theil über alle Maßen inkonsequent benommen hat, und für all' ihre versöhnungsbettelnden "Konzessionen" jetzt nur den Hohn der Rechten davon trägt, die Linke hat gegen den Beschluß über den Unverantworlichen "protestirt." Jacobus Venedey, der mit der Rechten gestimmt hat, befindet sich nicht auf diesem Protest; es steht also zu erwarten, daß er seinem Beruf treu, einen eigenen Protest gegen diesen Protest erlassen wird. Der Abgeordnete Kapp aus Heidelberg ist aus der Versammlung ausgetreten. Er erklärt an seine Wähler, daß sie ihn in eine Versammlung, deren "Lebensgrund die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Gesetz die Freiheit der Rede wäre," gewählt haben, daß aber diese Versammlung nicht mehr existire, und seine Ehre und sein Gewissen ihm nicht erlaube, an einer ihren Ursprung verleugnenden Versammlung Theil zu nehmen. Als einen Beitrag zur Charakteristik des Präsidiums Ehren-Gagern theile ich Ihnen hier noch die Thatsache mit, daß der "edle Gagern" dem Abgeordneten Kapp aus dem Grunde das Wort verweigerte: weil derselbe immer aufrege! Diese merkwürdige Sorge des Präsidenten für die Gesundheit der Versammlung wird ohne Zweifel die gebührende Anerkennung bei allen denjenigen Mitgliedern finden, deren niederschlagende Redseligkeit bei dieser Diktatur nichts zu fürchten hat.

Unter denjenigen, welche für das interessante Centralgewaltgesetz, für die Entäußerung der Volkssouveränetät an eine unverantwortliche Fürstendiktatur stimmten, befanden sich auch folgende Rheinländer und Westphalen: Beckerath, Bürgers aus Köln, Compes, Dahlmann, Deiters, Dham, Dieringer, Ebmeier, Evertsbusch, Flottwell, Höfken, Hülsmann, Junkmann, Ketteler, Knoodt, Marcks, Melchers, Mevissen, Bischof Müller aus Münster, Mylius, Pagenstecher, Reichensperger, Schlüter, Scholten, Schrakanx, Smets, Stedtmann, Versen, Venedey, Wiedenmann, Ziegert.

Heute Nachmittag hat auch die Nationalversammlung, die nach der heutigen Entscheidung demnächst sanft zu eine konstitutionelle Reichskammer entschlafen wird, die Deputation gewählt, welche einen Ausflug zu dem Erzherzog Johann nach Wien machen soll. Mitglieder derselben sind: Andrian aus Wien, Jucho ("der Dulder") aus Frankfurt, Fr. Raveaux, Heckscher, Saucken-Tarputschen, Franke von Rendsburg, Rotenhahn aus München.

- Die Namen der 26 Mitglieder der National-Versammlung, die nicht mitgestimmt haben (s. gestrige Nummer), sind: 1) Martiny; 2) Schüler von Zweibrücken; 3) Trützschler; 4) Neergard; 5) Reh von Darmstadt; 6) Reichard; 7) Mohr; 8) Simon aus Trier; 9) Thieme; 10) Berger; 11) Zitz; 12) Gritzner; 13) Kolaczek; 14) Günther; 15) Titus; 16) Zimmermann; 17) Rühl; 18) Dewes; 19) Schlöffel; 20) Dietz von Annaberg; 21) Gruber; 22 Wesendonk; 23) Wiesner; 24) Hartmann; 25) Ruge; 26) Jul. Theodor Schmidt.

51 Frankfurt, 29. Juni.

Das große Werk ist vollendet, die Errichtung einer provisorischen Centralgewalt ist heute zu Stande gekommen, die retrogade Partei unter der Maske des constitutionell-monarchischen Prinzips hat vollständig gesiegt und mit 450 gegen 100 Stimmen beschlossen, mit dieser Centralgewalt einen unverantwortlichen Reichsverweser mit verantwortlichen Ministern, der nicht einmal die Verpflichtung hat, die Beschlüsse der National-Versammlung zu vollziehen, zu bekleiden. Die neuntägige Verhandlung über diesen Gegenstand gibt aber ein zu treues Bild von dem, was das deutsche Volk von dieser Nationalversammlung zu erwarten hat, als daß sie nicht demselben auf jede Weise recht klar vor Augen gelegt werden sollte. Man kennt den berüchtigten, von "einem berühmten Redner" herrührenden Bericht über diesen Gegenstand! Dazu eine kraus verwirrte Masse Anträge, Amendements, Unter und Sub-Unteramendements, deren Zahl nahe an 40 heransteigt, von deren eines gar die Centralgewalt von vornherein der Krone Preußen übertragen, ein andres die ganze Geschichte nicht vor eingeholter Genehmigung der Regierung unternehmen wollte, und von denen gar manches Vertrauen auf die Regierungen anräth.

Was kann man aber von einem Parlament erwarten, dessen Mehrzahl aus Ministern, hohen Militärbeamten, Bischöfen, Fürstendienern aller Art, Mitgliedern der hohen Aristokratie und einer unendlichen Masse hofräthlicher Universitätsberühmtheiten besteht?

Die drei ersten Tage der Verhandlung boten das gewöhnliche Bild einer parlamentarischen Verhandlung über einen wichtigen Gegenstand dar. Ein Redner nach dem andern bestieg die Tribüne, mit größerm oder geringerm Eifer, mit mehr oder weniger Geschick, in fesselnder oder in ermüdender, mitunter sehr langweiligen Redeweise, seine Ansicht darzulegen, zu begründen und die entgegenstehende zu widerlegen; doch war im Ganzen der tiefere Eindruck der Redner, welche gegen den Entwurf im volksthümlichen Sinne und für freiere Institutionen sprachen, unverkennbar. So ging es bis gegen Ende des vierten Tages, wo der Präsident bemerkte, daß von 189 angemeldeten Rednern erst 45 gesprochen hätten. Da wurde denn der Antrag gestellt, die Mitglieder der Versammlung sollten sich in Partheien gruppiren, und von jeder Parthei nur noch 2 oder 3 Redner, die die Partei selbst wählen sollte, sprechen. Nach langem Wirrwar, der diesem Vorschlag folgte, kam man überein, das Charakteristische in den gestellten Anträgen zu suchen, dieselben zur Unterstützung zu bringen, die nicht unterstützten zu beseitigen, um die unterstützten aber sich zu "gruppiren" und nach diesen Gruppirungen die Redner zu wählen. Ein Parlamentsbeschluß, der wohl einzig in seiner Art ist. Sieben Anträge wurden unterstützt, von jedem zwei Redner zu hören beschlossen, also vierzehn, dazu noch zwei Redner für den Ausschuß-Antrag und zwei für ein von zwei Mitgliedern des Ausschusses (Blum und v. Trützschler) gestelltes Minoritätsvotum.

Also noch 18. Redner. Am fünften Tag, als dieser Beschluß zur Ausführung kommen sollte, begann nun von Seite der Rechten, welche die Majorität hat ein System der Willkühr, der Intrigue in der Tyrannei, welches keine Mühe scheute der moralischen Eindruck, den die Redner der Linken gemacht, durch feingesponnene Pläne wieder zu vernichten. So wollte gleich von Anfang an Fürst Lichnowsky Blum nicht sprechen lassen, weil dieser schon einmal gesprochen, während man doch den "Gruppirungen" die Wahl der Redner ganz unbeschränkt überlassen hatte. Freilich gelang dieser erste Versuch nicht, desto mehr aber die andern. Zunächst eine Menge Vorwürfe und Verdächtigungen gegen die Linke und Unterbrechungen ihrer Redner, womit man sich an diesem Tage noch begnügte. Anders am folgenden Tage,

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 32. Köln, Sonntag 2. Juli 1848.

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Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexandre, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazaréth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Amtliche Nachrichten.

Des Königs Maj. haben dem kaiserlich brasilianischen Brigade-General Paulo Barboza da Silva am 24. d. M. im Schloße Sanssouci eine Privat-Audienz ertheilt und aus dessen Händen das Schreiben seines Souveräns entgegengenommen, wodurch derselbe als kaiserlich brasilianischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am hiesigen Hofe beglaubigt worden ist.

Dem Polizei-Präsidenten v. Minutoli ist der Rang eines Rathes erster Klasse verliehen worden.

Deutschland.
* Köln, 1. Juli.

Der Bombardier Funck in der siebenten Artillerie-Brigade, wurde vor einigen Tagen zwangsweise nach Luxemburg versetzt, während es bisher immer Sitte war, bei nöthig werdenden Versetzungen Einzelne der Avancirten zur freiwilligen Meldung aufzufordern.

Damit nicht genug, hat man den Bombardier Funck, als er in Saarlouis ankam, sofort verhaftet „wegen hochverrätherischer Umtriebe.“

Der Bombardier Funck ist einer der ausgezeichnetsten Avancirten der ganzen Brigade, nach dem Zeugniß nicht nur seines Kompagnieführers sondern auch anderer Kompagniechefs. Seine Führung war, nach denselben Aussagen, durchaus untadelhaft im Dienst wie außer dem Dienst. Worin besteht aber das Verbrechen des Herrn Funck?

Darin, daß er seit längerer Zeit Mitglied des Comité's der Stollwerck'schen Versammlung war!

Wir wissen positiv, daß weiter durchaus nichts gegen Hrn. Funck vorliegt. Seine Verhaftung ist eine Maßregel unverfälschter altpreußischer Militärwillkühr.

Wir fordern die rheinischen Abgeordneten der linken Seite auf, den Kriegsminister unverzüglich wegen dieser Verhaftung zu interpelliren.

Berlin, 29. Juni.

Hier hat ein jüngst-gebildeter Verein praktischer Aerzte an den Kultus- und Medizinal-Minister Rodbertus eine Adresse gerichtet, worin beantragt wird, daß „zur Erledigung der Medizinalreform ein allgemeiner Kongreß, hervorgehend aus direkten Wahlen aller Aerzte und Wundärzte des preußischen Staates baldmöglichst einberufen werde.“

(B. Z.-H.)
*Posen, 26. Juni.

Held Ahlemann aus Samter wollte seinem ersten Feldzugsplane nach schon heute gegen Berlin rücken. Die wahrscheinliche Stärke seines Heeres gab er in seiner justiz-kommissarischen Bescheidenheit auf mindestens 22,000 Mann an. Leider hält dieser Ritter von der traurigen Gestalt sein Wort nicht in Ehren. Er hat in der heutigen Zeitung ein Bülletin erlassen, welches kund thut, daß heute der Feldzug noch nicht beginnen kann. Was werden die 20,000 Tapfern von ihrem General sagen, der ihnen die bereits verassekurirten Siegeslorbeeren auf unbestimmte Zeit entrückt.

„Lebt wohl Ihr tapfern Brüder,
In einer bessern Welt wieder!“
Leipzig, 27. Juni.

Der bisherige Lektor der slavischen Sprachen, M. J. P. Jordan, ist in Folge der von ihm eingestandenen Theilnahme an dem Slavenkongresse in Prag durch Beschluß des Kultusministeriums seiner Stellung als Docent an unserer Universität enthoben worden. Der akademische Senat bringt diesen Ministerialbeschluß mittelst Anschlags am schwarzen Brett zur Kenntniß der Studirenden. ‒ Das ist die Lehrfreiheit der christlich-germanischen Musterkonstitutionen.

LHannover, 28. Juni.

Die Polizei entfaltet ihre Macht gegen die Demokraten. Am 26. wurde der vom demokratischen Kongreß zurückkehrende Deputirte des Arbeitervereins, Buchdrucker Steegen, wegen Hochverrath (!) verhaftet. Steegen ist Präsident des Arbeitervereins. Schon früher wurde er durch gemeinsamen Beschluß der hiesigen Buchdruckereibesitzer als gefährliches Subjekt in die Acht erklärt und lange Zeit außer Arbeit gesetzt; das Stadtgericht will nun streng untersuchen, woher Steegen die Subsistenzmittel zu seinen Lebensunterhalt hergenommen hat. Eben so hat das Postamt Befehl bekommen, alle an Steegen adressirten Briefe dem Stadtgericht auszuliefern. Wahrscheinlich wird die Regierung jetzt jedem Arbeiter Unterhalt geben, dem dte Bourgois Arbeit verweigern.

Frankfurt a. d. O., 28. Juni.

Am heutigen Tage fand die neue Wahl eines Abgeordneten und Stellvertreters für die konstituirende Nationalversammlung in Berlin Statt. Der demokratische Verein hatte den Lehrer Lück als Kandidaten aufgestellt, während von der anderen Seite für den Minister-Präsidenten Auerswald geworben war. Von 55 Wahlmännern erhielt Auerswald 28 Stimmen, er siegte also mit einer Majorität von vier Stimmen. Hören Sie aber, auf welche Weise diese Majorität erlangt ist. Der Minister Herr Hansemann hatte mündlich zu einigen Vätern der Stadt den dringenden Wunsch geäußert, man möge doch dahin wirken, daß Herr Auerswald gewählt werde, weil es dem Ministerium eine größere Kraft verleihe. Der Herr Finanz-Minister soll auch die guten Väter der Stadt haben erkennen lassen, wie das Wohl der Stadt wesentlich von dieser Wahl abhänge. Frankfurt wünscht einen Wollmarkt, nun, es wird dafür gesorgt werden. Die Stadtherren haben redlich gewirkt, Sie haben Hrn. Hansemann's leutseliges Benehmen den guten Wahlmännern in Ihrem Sinne mitgetheilt, ihnen sogar erzählt, daß Herr Hansemann sich das Prädikat Exzellenz verbeten habe. Daher die Wahl des Herrn Minister Präsidenten mit vier Stimmen Majorität, gegen einen schlichten Volksschullehrer.

(B. Z.-H.)
Frankfurt, 28. Juni

Kapp hat folgenden Brief an seine Wähler erlassen. Sie ersehen aus nachfolgendem Briefe, daß ich aus der Nationalversammlung ausgetreten bin. Bei Ihnen werde ich mich wegen dieses Schrittes nicht rechtfertigen müssen, ich glaube vielmehr ganz in Ihrem Sinne gehandelt zu haben. Sie haben mich gewählt in eine Versammlung, deren Lebensgrund die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Kraft das lebendige Wort der Wahrheit, die Sprache der Thatsachen, deren Gesetz die Freiheit der Rede ist. Diese Versammlung existirt aber nicht mehr. Das Prinzip ihres Ursprungs, die Souveränetät des Volkes, hat sie aufgegeben und den Mund des Volkes verschlossen, indem sie seinen freisinnigsten Vertretern das Wort verkümmerte.

Ich habe das Vertrauen, daß die Stärke Ihres Unwillens über die Gründe meines Austritts jene großartige Ruhe auch bei Ihnen nicht stören wird, die das sicherste Zeichen siegender Kraft selbst in Tagen der Noth ist. Eigene Erfahrung hat Sie schon überzeugt, welche Macht in Ihrer Haltung, welche Thatkraft in Ihrer Einsicht liegt.

Frankfurt, den 28. Juni 1548.

Frankfurt, 29. Juni.

In Folge der heute von der National-Versammlung vorgenommenen Wahl eines Reichsverwesers faßte die Bundesversammlung einstimmig den Beschluß, folgendes Schreiben an Seine Kaiserliche Hoheit den Erzherzog Johann von Oestreich zu richten:

Durchlauchtigster Erzherzog!

In würdigem, feierlichem Akte wurden so eben Eure Kaiserliche Hoheit von der deutschen National-Versammlung zum Reichsverweser unseres großen Vaterlandes erwählt.

Die Bundesversammlung theilt mit der ganzen Nation die Verehrung für Eure Kaiserliche Hoheit, und die erhebenden patriotischen Gefühle, die sich an dieses große Ereigniß knüpfen, so wie das feste Vertrauen, daß diese Wahl heilverkündend, und die beste Bürgschaft für die Einheit und Kraft, für die Ehre und Freiheit unseres Gesammt-Vaterlandes sei.

Sie beeilt sich, Eurer Kaiserlichen Hoheit diese Ueberzeugungen und Gesinnungen Glück wünschend, auszudrücken.

Ganz besonders aber gereicht es den in der Bundes-Versammlung vereinigten Bevollmächtigten der deutschen Regierungen zur höchsten Genugthuung, Eurer kaiserl. Hoheit die Versicherung ausdrücken zu dürfen, daß sie schon vor dem Schlusse der Berathungen über die Bildung einer provisorischen Centralgewalt von ihren Regierungen ermächt waren, für eine Wahl Eurer kaiserl. Hoheit zu so hohem Berufe sich zu erklären.

Die deutsche Bundes-Versammlung ist in dieser eben so großen als ernsten Zeit von dem wärmsten Wunsche belebt, Eurer kaiserl. Hoheit möge dem allseitigen Vertrauen und der Berufung zu der erhabenen Würde baldmöglichst entsprechen, und dadurch unsere Hoffnungen bestärken, die Vorsehung werde die deutsche Nation zu neuen Zeiten des Heils und der Größe hinführen.

Frankfurt, 29. Juni 1848.

Die deutsche Bundes-Versammlung, und in deren Namen: der Präsident: Ritter v. Schmerling.

ppFrankfurt, 29. Juni.

Die Räume der Paulskirche waren bei der heutigen Sitzung der Nationalversammlung dergestalt mit Zuschauern belagert, daß es selbst den Deputirten mit Mühe gelang, ihre Plätze zu gewinnen. Sie kennen bereits das Resultat des Tages: Erzherzog Johann ist zum Verweser des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, zum vorläufigen Kaiser erwählt worden. Die guten Bürger jauchzten und weinten vor Rührung bei dem erhebenden Gedanken, bald nun auch eine Hofhaltung in ihrer bürgerlichen Mitte zu haben; Kanonendonner und Glockengeläute verherrlichten den schönen, an die Romantik des Mittelalters mahnenden Moment. Das Ministerium, aus modernen Biedermännern, Wippermann, Dahlmann, Stedtmann zusammengesetzt, wird nun mit der baldigen Ankunft des „Unverantwortlichen“ erst bescheert werden; man spricht davon, daß der pensionirte Dulder Eisenmann als Finanzminister, und Herr Heckscher, der Reden über die deutsche Flotte gehalten, zum Marineminister bezeichnet ist.

Morgen wird über die Civilliste des zukünftigen Herrschers der deutschen Völker und Vereinbarers der Fürsten debattirt werden; die Großmuth der Versammlung, deren Beschlüsse schon viel aus den Händen des Volkes in die der Fürsten gegeben haben, läßt keinen Zweifel, daß die neue Gewalt mit Anstand aus dem Segen und Ueberfluß des Landes ausgestattet werden wird.

Die Linke, welche sich bei den Debatten zum größten Theil über alle Maßen inkonsequent benommen hat, und für all' ihre versöhnungsbettelnden „Konzessionen“ jetzt nur den Hohn der Rechten davon trägt, die Linke hat gegen den Beschluß über den Unverantworlichen „protestirt.“ Jacobus Venedey, der mit der Rechten gestimmt hat, befindet sich nicht auf diesem Protest; es steht also zu erwarten, daß er seinem Beruf treu, einen eigenen Protest gegen diesen Protest erlassen wird. Der Abgeordnete Kapp aus Heidelberg ist aus der Versammlung ausgetreten. Er erklärt an seine Wähler, daß sie ihn in eine Versammlung, deren „Lebensgrund die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Gesetz die Freiheit der Rede wäre,“ gewählt haben, daß aber diese Versammlung nicht mehr existire, und seine Ehre und sein Gewissen ihm nicht erlaube, an einer ihren Ursprung verleugnenden Versammlung Theil zu nehmen. Als einen Beitrag zur Charakteristik des Präsidiums Ehren-Gagern theile ich Ihnen hier noch die Thatsache mit, daß der „edle Gagern“ dem Abgeordneten Kapp aus dem Grunde das Wort verweigerte: weil derselbe immer aufrege! Diese merkwürdige Sorge des Präsidenten für die Gesundheit der Versammlung wird ohne Zweifel die gebührende Anerkennung bei allen denjenigen Mitgliedern finden, deren niederschlagende Redseligkeit bei dieser Diktatur nichts zu fürchten hat.

Unter denjenigen, welche für das interessante Centralgewaltgesetz, für die Entäußerung der Volkssouveränetät an eine unverantwortliche Fürstendiktatur stimmten, befanden sich auch folgende Rheinländer und Westphalen: Beckerath, Bürgers aus Köln, Compes, Dahlmann, Deiters, Dham, Dieringer, Ebmeier, Evertsbusch, Flottwell, Höfken, Hülsmann, Junkmann, Ketteler, Knoodt, Marcks, Melchers, Mevissen, Bischof Müller aus Münster, Mylius, Pagenstecher, Reichensperger, Schlüter, Scholten, Schrakanx, Smets, Stedtmann, Versen, Venedey, Wiedenmann, Ziegert.

Heute Nachmittag hat auch die Nationalversammlung, die nach der heutigen Entscheidung demnächst sanft zu eine konstitutionelle Reichskammer entschlafen wird, die Deputation gewählt, welche einen Ausflug zu dem Erzherzog Johann nach Wien machen soll. Mitglieder derselben sind: Andrian aus Wien, Jucho („der Dulder“) aus Frankfurt, Fr. Raveaux, Heckscher, Saucken-Tarputschen, Franke von Rendsburg, Rotenhahn aus München.

‒ Die Namen der 26 Mitglieder der National-Versammlung, die nicht mitgestimmt haben (s. gestrige Nummer), sind: 1) Martiny; 2) Schüler von Zweibrücken; 3) Trützschler; 4) Neergard; 5) Reh von Darmstadt; 6) Reichard; 7) Mohr; 8) Simon aus Trier; 9) Thieme; 10) Berger; 11) Zitz; 12) Gritzner; 13) Kolaczek; 14) Günther; 15) Titus; 16) Zimmermann; 17) Rühl; 18) Dewes; 19) Schlöffel; 20) Dietz von Annaberg; 21) Gruber; 22 Wesendonk; 23) Wiesner; 24) Hartmann; 25) Ruge; 26) Jul. Theodor Schmidt.

51 Frankfurt, 29. Juni.

Das große Werk ist vollendet, die Errichtung einer provisorischen Centralgewalt ist heute zu Stande gekommen, die retrogade Partei unter der Maske des constitutionell-monarchischen Prinzips hat vollständig gesiegt und mit 450 gegen 100 Stimmen beschlossen, mit dieser Centralgewalt einen unverantwortlichen Reichsverweser mit verantwortlichen Ministern, der nicht einmal die Verpflichtung hat, die Beschlüsse der National-Versammlung zu vollziehen, zu bekleiden. Die neuntägige Verhandlung über diesen Gegenstand gibt aber ein zu treues Bild von dem, was das deutsche Volk von dieser Nationalversammlung zu erwarten hat, als daß sie nicht demselben auf jede Weise recht klar vor Augen gelegt werden sollte. Man kennt den berüchtigten, von „einem berühmten Redner“ herrührenden Bericht über diesen Gegenstand! Dazu eine kraus verwirrte Masse Anträge, Amendements, Unter und Sub-Unteramendements, deren Zahl nahe an 40 heransteigt, von deren eines gar die Centralgewalt von vornherein der Krone Preußen übertragen, ein andres die ganze Geschichte nicht vor eingeholter Genehmigung der Regierung unternehmen wollte, und von denen gar manches Vertrauen auf die Regierungen anräth.

Was kann man aber von einem Parlament erwarten, dessen Mehrzahl aus Ministern, hohen Militärbeamten, Bischöfen, Fürstendienern aller Art, Mitgliedern der hohen Aristokratie und einer unendlichen Masse hofräthlicher Universitätsberühmtheiten besteht?

Die drei ersten Tage der Verhandlung boten das gewöhnliche Bild einer parlamentarischen Verhandlung über einen wichtigen Gegenstand dar. Ein Redner nach dem andern bestieg die Tribüne, mit größerm oder geringerm Eifer, mit mehr oder weniger Geschick, in fesselnder oder in ermüdender, mitunter sehr langweiligen Redeweise, seine Ansicht darzulegen, zu begründen und die entgegenstehende zu widerlegen; doch war im Ganzen der tiefere Eindruck der Redner, welche gegen den Entwurf im volksthümlichen Sinne und für freiere Institutionen sprachen, unverkennbar. So ging es bis gegen Ende des vierten Tages, wo der Präsident bemerkte, daß von 189 angemeldeten Rednern erst 45 gesprochen hätten. Da wurde denn der Antrag gestellt, die Mitglieder der Versammlung sollten sich in Partheien gruppiren, und von jeder Parthei nur noch 2 oder 3 Redner, die die Partei selbst wählen sollte, sprechen. Nach langem Wirrwar, der diesem Vorschlag folgte, kam man überein, das Charakteristische in den gestellten Anträgen zu suchen, dieselben zur Unterstützung zu bringen, die nicht unterstützten zu beseitigen, um die unterstützten aber sich zu „gruppiren“ und nach diesen Gruppirungen die Redner zu wählen. Ein Parlamentsbeschluß, der wohl einzig in seiner Art ist. Sieben Anträge wurden unterstützt, von jedem zwei Redner zu hören beschlossen, also vierzehn, dazu noch zwei Redner für den Ausschuß-Antrag und zwei für ein von zwei Mitgliedern des Ausschusses (Blum und v. Trützschler) gestelltes Minoritätsvotum.

Also noch 18. Redner. Am fünften Tag, als dieser Beschluß zur Ausführung kommen sollte, begann nun von Seite der Rechten, welche die Majorität hat ein System der Willkühr, der Intrigue in der Tyrannei, welches keine Mühe scheute der moralischen Eindruck, den die Redner der Linken gemacht, durch feingesponnene Pläne wieder zu vernichten. So wollte gleich von Anfang an Fürst Lichnowsky Blum nicht sprechen lassen, weil dieser schon einmal gesprochen, während man doch den „Gruppirungen“ die Wahl der Redner ganz unbeschränkt überlassen hatte. Freilich gelang dieser erste Versuch nicht, desto mehr aber die andern. Zunächst eine Menge Vorwürfe und Verdächtigungen gegen die Linke und Unterbrechungen ihrer Redner, womit man sich an diesem Tage noch begnügte. Anders am folgenden Tage,

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No. 32. Köln, Sonntag 2. Juli 1848.</docDate>
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      <div type="jExpedition">
        <p> <hi rendition="#b">Die &#x201E;Neue Rheinische Zeitung&#x201C; erscheint vom 1. Juni an                         täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man                         baldigst machen.</hi> </p>
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        <head>Amtliche Nachrichten.</head>
        <div xml:id="ar032_001" type="jArticle">
          <p>Des Königs Maj. haben dem kaiserlich brasilianischen Brigade-General Paulo                         Barboza da Silva am 24. d. M. im Schloße Sanssouci eine Privat-Audienz                         ertheilt und aus dessen Händen das Schreiben seines Souveräns                         entgegengenommen, wodurch derselbe als kaiserlich brasilianischer                         außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am hiesigen Hofe                         beglaubigt worden ist.</p>
          <p>Dem Polizei-Präsidenten v. Minutoli ist der Rang eines Rathes erster Klasse                         verliehen worden.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar032_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. Juli.</head>
          <p>Der Bombardier <hi rendition="#g">Funck</hi> in der siebenten                         Artillerie-Brigade, wurde vor einigen Tagen <hi rendition="#g">zwangsweise</hi> nach Luxemburg versetzt, während es bisher immer Sitte                         war, bei nöthig werdenden Versetzungen Einzelne der Avancirten zur                         freiwilligen Meldung aufzufordern.</p>
          <p>Damit nicht genug, hat man den Bombardier <hi rendition="#g">Funck,</hi> als                         er in Saarlouis ankam, sofort <hi rendition="#g">verhaftet &#x201E;wegen                             hochverrätherischer Umtriebe.&#x201C;</hi></p>
          <p>Der Bombardier <hi rendition="#g">Funck</hi> ist einer der ausgezeichnetsten                         Avancirten der ganzen Brigade, nach dem Zeugniß nicht nur seines                         Kompagnieführers sondern auch anderer Kompagniechefs. Seine Führung war,                         nach denselben Aussagen, durchaus untadelhaft im Dienst wie außer dem                         Dienst. Worin besteht aber das Verbrechen des Herrn <hi rendition="#g">Funck?</hi></p>
          <p>Darin, daß er seit längerer Zeit <hi rendition="#g">Mitglied des Comité's der                             Stollwerck'schen Versammlung war!</hi></p>
          <p>Wir wissen positiv, daß weiter <hi rendition="#g">durchaus nichts</hi> gegen                         Hrn. <hi rendition="#g">Funck</hi> vorliegt. Seine Verhaftung ist eine                         Maßregel unverfälschter altpreußischer Militärwillkühr.</p>
          <p>Wir fordern die rheinischen Abgeordneten der linken Seite auf, den                         Kriegsminister unverzüglich wegen dieser Verhaftung zu interpelliren.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_003" type="jArticle">
          <head>Berlin, 29. Juni.</head>
          <p>Hier hat ein jüngst-gebildeter Verein praktischer Aerzte an den Kultus- und                         Medizinal-Minister Rodbertus eine Adresse gerichtet, worin beantragt wird,                         daß &#x201E;zur Erledigung der Medizinalreform ein allgemeiner Kongreß,                         hervorgehend aus direkten Wahlen aller Aerzte und Wundärzte des preußischen                         Staates baldmöglichst einberufen werde.&#x201C;</p>
          <bibl>(B. Z.-H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar032_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl>Posen, 26. Juni.</head>
          <p>Held Ahlemann aus Samter wollte seinem ersten Feldzugsplane nach schon heute                         gegen Berlin rücken. Die wahrscheinliche Stärke seines Heeres gab er in                         seiner justiz-kommissarischen Bescheidenheit auf mindestens 22,000 Mann an.                         Leider hält dieser Ritter von der traurigen Gestalt sein Wort nicht in                         Ehren. Er hat in der heutigen Zeitung ein Bülletin erlassen, welches kund                         thut, daß heute der Feldzug noch nicht beginnen kann. Was werden die 20,000                         Tapfern von ihrem General sagen, der ihnen die bereits verassekurirten                         Siegeslorbeeren auf unbestimmte Zeit entrückt.</p>
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            <l>&#x201E;Lebt wohl Ihr tapfern Brüder,</l><lb/>
            <l>In einer bessern Welt wieder!&#x201C;</l><lb/>
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          <head>Leipzig, 27. Juni.</head>
          <p>Der bisherige Lektor der slavischen Sprachen, M. J. P. Jordan, ist in Folge                         der von ihm eingestandenen Theilnahme an dem Slavenkongresse in Prag durch                         Beschluß des Kultusministeriums seiner Stellung als Docent an unserer                         Universität enthoben worden. Der akademische Senat bringt diesen                         Ministerialbeschluß mittelst Anschlags am schwarzen Brett zur Kenntniß der                         Studirenden. &#x2012; Das ist die Lehrfreiheit der christlich-germanischen                         Musterkonstitutionen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>L</author></bibl>Hannover, 28. Juni.</head>
          <p>Die Polizei entfaltet ihre Macht gegen die Demokraten. Am 26. wurde der vom                         demokratischen Kongreß zurückkehrende Deputirte des Arbeitervereins,                         Buchdrucker <hi rendition="#g">Steegen,</hi> wegen Hochverrath (!)                         verhaftet. Steegen ist Präsident des Arbeitervereins. Schon früher wurde er                         durch gemeinsamen Beschluß der hiesigen Buchdruckereibesitzer als                         gefährliches Subjekt in die Acht erklärt und lange Zeit außer Arbeit                         gesetzt; das Stadtgericht will nun streng untersuchen, woher Steegen die                         Subsistenzmittel zu seinen Lebensunterhalt hergenommen hat. Eben so hat das                         Postamt Befehl bekommen, alle an Steegen adressirten Briefe dem Stadtgericht                         auszuliefern. Wahrscheinlich wird die Regierung jetzt jedem Arbeiter                         Unterhalt geben, dem dte Bourgois Arbeit verweigern.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_007" type="jArticle">
          <head>Frankfurt a. d. O., 28. Juni.</head>
          <p>Am heutigen Tage fand die neue Wahl eines Abgeordneten und Stellvertreters                         für die konstituirende Nationalversammlung in Berlin Statt. Der                         demokratische Verein hatte den Lehrer Lück als Kandidaten aufgestellt,                         während von der anderen Seite für den Minister-Präsidenten Auerswald                         geworben war. Von 55 Wahlmännern erhielt Auerswald 28 Stimmen, er siegte                         also mit einer Majorität von <hi rendition="#g">vier</hi> Stimmen. Hören Sie                         aber, auf welche Weise diese Majorität erlangt ist. Der Minister Herr                         Hansemann hatte mündlich zu einigen Vätern der Stadt den dringenden Wunsch                         geäußert, man möge doch dahin wirken, daß Herr Auerswald gewählt werde, weil                         es dem Ministerium eine größere Kraft verleihe. Der Herr Finanz-Minister                         soll auch die guten Väter der Stadt haben erkennen lassen, wie das Wohl der                         Stadt wesentlich von dieser Wahl abhänge. Frankfurt wünscht einen Wollmarkt,                         nun, es wird dafür gesorgt werden. Die Stadtherren haben redlich gewirkt,                         Sie haben Hrn. Hansemann's leutseliges Benehmen den guten Wahlmännern in                         Ihrem Sinne mitgetheilt, ihnen sogar erzählt, daß Herr Hansemann sich das                         Prädikat Exzellenz verbeten habe. Daher die Wahl des Herrn Minister                         Präsidenten mit vier Stimmen Majorität, gegen einen schlichten                         Volksschullehrer.</p>
          <bibl>(B. Z.-H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar032_008" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 28. Juni</head>
          <p>Kapp hat folgenden Brief an seine Wähler erlassen. Sie ersehen aus                         nachfolgendem Briefe, daß ich aus der Nationalversammlung ausgetreten bin.                         Bei Ihnen werde ich mich wegen dieses Schrittes nicht rechtfertigen müssen,                         ich glaube vielmehr ganz in Ihrem Sinne gehandelt zu haben. Sie haben mich                         gewählt in eine Versammlung, deren Lebensgrund die Macht- und                         Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Kraft das lebendige Wort der                         Wahrheit, die Sprache der Thatsachen, deren Gesetz die Freiheit der Rede                         ist. <hi rendition="#g">Diese</hi> Versammlung existirt aber nicht mehr. Das                         Prinzip ihres Ursprungs, die Souveränetät des Volkes, hat sie aufgegeben und                         den Mund des Volkes verschlossen, indem sie seinen freisinnigsten Vertretern                         das Wort verkümmerte.</p>
          <p>Ich habe das Vertrauen, daß die Stärke Ihres Unwillens über die Gründe meines                         Austritts jene großartige Ruhe auch bei Ihnen nicht stören wird, die das                         sicherste Zeichen siegender Kraft selbst in Tagen der Noth ist. Eigene                         Erfahrung hat Sie schon überzeugt, welche Macht in Ihrer Haltung, welche                         Thatkraft in Ihrer Einsicht liegt.</p>
          <p>Frankfurt, den 28. Juni 1548.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_009" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 29. Juni.</head>
          <p>In Folge der heute von der National-Versammlung vorgenommenen Wahl eines                         Reichsverwesers faßte die Bundesversammlung einstimmig den Beschluß,                         folgendes Schreiben an Seine Kaiserliche Hoheit den Erzherzog <hi rendition="#g">Johann</hi> von Oestreich zu richten:</p>
          <p rendition="#et">Durchlauchtigster Erzherzog!</p>
          <p>In würdigem, feierlichem Akte wurden so eben Eure Kaiserliche Hoheit von der                         deutschen National-Versammlung zum Reichsverweser unseres großen Vaterlandes                         erwählt.</p>
          <p>Die Bundesversammlung theilt mit der ganzen Nation die Verehrung für Eure                         Kaiserliche Hoheit, und die erhebenden patriotischen Gefühle, die sich an                         dieses große Ereigniß knüpfen, so wie das feste Vertrauen, daß diese Wahl                         heilverkündend, und die beste Bürgschaft für die Einheit und Kraft, für die                         Ehre und Freiheit unseres Gesammt-Vaterlandes sei.</p>
          <p>Sie beeilt sich, Eurer Kaiserlichen Hoheit diese Ueberzeugungen und                         Gesinnungen Glück wünschend, auszudrücken.</p>
          <p>Ganz besonders aber gereicht es den in der Bundes-Versammlung vereinigten                         Bevollmächtigten der deutschen Regierungen zur höchsten Genugthuung, Eurer                         kaiserl. Hoheit die Versicherung ausdrücken zu dürfen, daß sie schon vor dem                         Schlusse der Berathungen über die Bildung einer provisorischen Centralgewalt                         von ihren Regierungen ermächt waren, <hi rendition="#g">für eine Wahl Eurer                             kaiserl. Hoheit zu so hohem Berufe sich zu erklären.</hi></p>
          <p>Die deutsche Bundes-Versammlung ist in dieser eben so großen als ernsten Zeit                         von dem wärmsten Wunsche belebt, Eurer kaiserl. Hoheit möge dem allseitigen                         Vertrauen und der Berufung zu der erhabenen Würde baldmöglichst entsprechen,                         und dadurch unsere Hoffnungen bestärken, die Vorsehung werde die deutsche                         Nation zu neuen Zeiten des Heils und der Größe hinführen.</p>
          <p>Frankfurt, 29. Juni 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Die deutsche Bundes-Versammlung,</hi> und in deren Namen:                         der Präsident: Ritter v. <hi rendition="#g">Schmerling.</hi></p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>pp</author></bibl>Frankfurt, 29. Juni.</head>
          <p>Die Räume der Paulskirche waren bei der heutigen Sitzung der                         Nationalversammlung dergestalt mit Zuschauern belagert, daß es selbst den                         Deputirten mit Mühe gelang, ihre Plätze zu gewinnen. Sie kennen bereits das                         Resultat des Tages: Erzherzog Johann ist zum Verweser des heiligen römischen                         Reichs deutscher Nation, zum vorläufigen Kaiser erwählt worden. Die guten                         Bürger jauchzten und weinten vor Rührung bei dem erhebenden Gedanken, bald                         nun auch eine Hofhaltung in ihrer bürgerlichen Mitte zu haben; Kanonendonner                         und Glockengeläute verherrlichten den schönen, an die Romantik des                         Mittelalters mahnenden Moment. Das Ministerium, aus modernen Biedermännern,                         Wippermann, Dahlmann, Stedtmann zusammengesetzt, wird nun mit der baldigen                         Ankunft des &#x201E;Unverantwortlichen&#x201C; erst bescheert werden; man spricht davon,                         daß der pensionirte Dulder Eisenmann als Finanzminister, und Herr Heckscher,                         der Reden über die deutsche Flotte gehalten, zum Marineminister bezeichnet                         ist.</p>
          <p>Morgen wird über die Civilliste des zukünftigen Herrschers der deutschen                         Völker und Vereinbarers der Fürsten debattirt werden; die Großmuth der                         Versammlung, deren Beschlüsse schon viel aus den Händen des Volkes in die                         der Fürsten gegeben haben, läßt keinen Zweifel, daß die neue Gewalt mit                         Anstand aus dem Segen und Ueberfluß des Landes ausgestattet werden wird.</p>
          <p>Die Linke, welche sich bei den Debatten zum größten Theil über alle Maßen                         inkonsequent benommen hat, und für all' ihre versöhnungsbettelnden                         &#x201E;Konzessionen&#x201C; jetzt nur den Hohn der Rechten davon trägt, die Linke hat                         gegen den Beschluß über den Unverantworlichen &#x201E;protestirt.&#x201C; Jacobus Venedey,                         der mit der Rechten gestimmt hat, befindet sich nicht auf diesem Protest; es                         steht also zu erwarten, daß er seinem Beruf treu, einen eigenen Protest                         gegen diesen Protest erlassen wird. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Kapp</hi> aus Heidelberg ist aus der Versammlung ausgetreten. Er                         erklärt an seine Wähler, daß sie ihn in eine Versammlung, deren &#x201E;Lebensgrund                         die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Gesetz die Freiheit                         der Rede wäre,&#x201C; gewählt haben, daß aber <hi rendition="#g">diese</hi> Versammlung nicht mehr existire, und seine Ehre und sein Gewissen ihm nicht                         erlaube, an einer ihren Ursprung verleugnenden Versammlung Theil zu nehmen.                         Als einen Beitrag zur Charakteristik des Präsidiums Ehren-Gagern theile ich                         Ihnen hier noch die Thatsache mit, daß der &#x201E;edle Gagern&#x201C; dem Abgeordneten                         Kapp aus dem Grunde das Wort verweigerte: <hi rendition="#g">weil derselbe                             immer aufrege!</hi> Diese merkwürdige Sorge des Präsidenten für die                         Gesundheit der Versammlung wird ohne Zweifel die gebührende Anerkennung bei                         allen denjenigen Mitgliedern finden, deren niederschlagende Redseligkeit bei                         dieser Diktatur nichts zu fürchten hat.</p>
          <p>Unter denjenigen, welche für das interessante Centralgewaltgesetz, für die                         Entäußerung der Volkssouveränetät an eine unverantwortliche Fürstendiktatur                         stimmten, befanden sich auch folgende Rheinländer und Westphalen: Beckerath,                         Bürgers aus Köln, Compes, Dahlmann, Deiters, Dham, Dieringer, Ebmeier,                         Evertsbusch, Flottwell, Höfken, Hülsmann, Junkmann, Ketteler, Knoodt,                         Marcks, Melchers, Mevissen, Bischof Müller aus Münster, Mylius,                         Pagenstecher, Reichensperger, Schlüter, Scholten, Schrakanx, Smets,                         Stedtmann, Versen, Venedey, Wiedenmann, Ziegert.</p>
          <p>Heute Nachmittag hat auch die Nationalversammlung, die nach der heutigen                         Entscheidung demnächst sanft zu eine konstitutionelle Reichskammer                         entschlafen wird, die Deputation gewählt, welche einen Ausflug zu dem                         Erzherzog Johann nach Wien machen soll. Mitglieder derselben sind: Andrian                         aus Wien, Jucho (&#x201E;der Dulder&#x201C;) aus Frankfurt, Fr. Raveaux, Heckscher,                         Saucken-Tarputschen, Franke von Rendsburg, Rotenhahn aus München.</p>
          <p>&#x2012; Die Namen der 26 Mitglieder der National-Versammlung, die nicht mitgestimmt                         haben (s. gestrige Nummer), sind: 1) Martiny; 2) Schüler von Zweibrücken; 3)                         Trützschler; 4) Neergard; 5) Reh von Darmstadt; 6) Reichard; 7) Mohr; 8)                         Simon aus Trier; 9) Thieme; 10) Berger; 11) Zitz; 12) Gritzner; 13)                         Kolaczek; 14) Günther; 15) Titus; 16) Zimmermann; 17) Rühl; 18) Dewes; 19)                         Schlöffel; 20) Dietz von Annaberg; 21) Gruber; 22 Wesendonk; 23) Wiesner;                         24) Hartmann; 25) Ruge; 26) Jul. Theodor Schmidt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>51</author></bibl> Frankfurt, 29. Juni.</head>
          <p>Das große Werk ist vollendet, die Errichtung einer provisorischen                         Centralgewalt ist heute zu Stande gekommen, die retrogade Partei unter der                         Maske des constitutionell-monarchischen Prinzips hat vollständig gesiegt und                         mit 450 gegen 100 Stimmen beschlossen, mit dieser Centralgewalt einen                         unverantwortlichen Reichsverweser mit verantwortlichen Ministern, der nicht                         einmal die Verpflichtung hat, die Beschlüsse der National-Versammlung zu                         vollziehen, zu bekleiden. Die neuntägige Verhandlung über diesen Gegenstand                         gibt aber ein zu treues Bild von dem, was das deutsche Volk von dieser                         Nationalversammlung zu erwarten hat, als daß sie nicht demselben auf jede                         Weise recht klar vor Augen gelegt werden sollte. Man kennt den berüchtigten,                         von &#x201E;einem berühmten Redner&#x201C; herrührenden Bericht über diesen Gegenstand!                         Dazu eine kraus verwirrte Masse Anträge, Amendements, Unter und                         Sub-Unteramendements, deren Zahl nahe an 40 heransteigt, von deren eines gar                         die Centralgewalt von vornherein der Krone Preußen übertragen, ein andres                         die ganze Geschichte nicht vor eingeholter Genehmigung der Regierung                         unternehmen wollte, und von denen gar manches Vertrauen auf die Regierungen                         anräth.</p>
          <p>Was kann man aber von einem Parlament erwarten, dessen Mehrzahl aus                         Ministern, hohen Militärbeamten, Bischöfen, Fürstendienern aller Art,                         Mitgliedern der hohen Aristokratie und einer unendlichen Masse hofräthlicher                         Universitätsberühmtheiten besteht?</p>
          <p>Die drei ersten Tage der Verhandlung boten das gewöhnliche Bild einer                         parlamentarischen Verhandlung über einen wichtigen Gegenstand dar. Ein                         Redner nach dem andern bestieg die Tribüne, mit größerm oder geringerm                         Eifer, mit mehr oder weniger Geschick, in fesselnder oder in ermüdender,                         mitunter sehr langweiligen Redeweise, seine Ansicht darzulegen, zu begründen                         und die entgegenstehende zu widerlegen; doch war im Ganzen der tiefere                         Eindruck der Redner, welche gegen den Entwurf im volksthümlichen Sinne und                         für freiere Institutionen sprachen, unverkennbar. So ging es bis gegen Ende                         des vierten Tages, wo der Präsident bemerkte, daß von 189 angemeldeten                         Rednern erst 45 gesprochen hätten. Da wurde denn der Antrag gestellt, die                         Mitglieder der Versammlung sollten sich in Partheien gruppiren, und von                         jeder Parthei nur noch 2 oder 3 Redner, die die Partei selbst wählen sollte,                         sprechen. Nach langem Wirrwar, der diesem Vorschlag folgte, kam man überein,                         das Charakteristische in den gestellten Anträgen zu suchen, dieselben zur                         Unterstützung zu bringen, die nicht unterstützten zu beseitigen, um die                         unterstützten aber sich zu &#x201E;gruppiren&#x201C; und nach diesen Gruppirungen die                         Redner zu wählen. Ein Parlamentsbeschluß, der wohl einzig in seiner Art ist.                         Sieben Anträge wurden unterstützt, von jedem zwei Redner zu hören                         beschlossen, also vierzehn, dazu noch zwei Redner für den Ausschuß-Antrag                         und zwei für ein von zwei Mitgliedern des Ausschusses (Blum und v.                         Trützschler) gestelltes Minoritätsvotum.</p>
          <p>Also noch 18. Redner. Am fünften Tag, als dieser Beschluß zur Ausführung                         kommen sollte, begann nun von Seite der Rechten, welche die Majorität hat                         ein System der Willkühr, der Intrigue in der Tyrannei, welches keine Mühe                         scheute der moralischen Eindruck, den die Redner der Linken gemacht, durch                         feingesponnene Pläne wieder zu vernichten. So wollte gleich von Anfang an                         Fürst Lichnowsky Blum nicht sprechen lassen, weil dieser schon einmal                         gesprochen, während man doch den &#x201E;Gruppirungen&#x201C; die Wahl der Redner ganz                         unbeschränkt überlassen hatte. Freilich gelang dieser erste Versuch nicht,                         desto mehr aber die andern. Zunächst eine Menge Vorwürfe und Verdächtigungen                         gegen die Linke und Unterbrechungen ihrer Redner, womit man sich an diesem                         Tage noch begnügte. Anders am folgenden Tage,
</p>
        </div>
      </div>
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</TEI>
[0157/0001] Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 32. Köln, Sonntag 2. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexandre, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazaréth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Amtliche Nachrichten. Des Königs Maj. haben dem kaiserlich brasilianischen Brigade-General Paulo Barboza da Silva am 24. d. M. im Schloße Sanssouci eine Privat-Audienz ertheilt und aus dessen Händen das Schreiben seines Souveräns entgegengenommen, wodurch derselbe als kaiserlich brasilianischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am hiesigen Hofe beglaubigt worden ist. Dem Polizei-Präsidenten v. Minutoli ist der Rang eines Rathes erster Klasse verliehen worden. Deutschland. * Köln, 1. Juli. Der Bombardier Funck in der siebenten Artillerie-Brigade, wurde vor einigen Tagen zwangsweise nach Luxemburg versetzt, während es bisher immer Sitte war, bei nöthig werdenden Versetzungen Einzelne der Avancirten zur freiwilligen Meldung aufzufordern. Damit nicht genug, hat man den Bombardier Funck, als er in Saarlouis ankam, sofort verhaftet „wegen hochverrätherischer Umtriebe.“ Der Bombardier Funck ist einer der ausgezeichnetsten Avancirten der ganzen Brigade, nach dem Zeugniß nicht nur seines Kompagnieführers sondern auch anderer Kompagniechefs. Seine Führung war, nach denselben Aussagen, durchaus untadelhaft im Dienst wie außer dem Dienst. Worin besteht aber das Verbrechen des Herrn Funck? Darin, daß er seit längerer Zeit Mitglied des Comité's der Stollwerck'schen Versammlung war! Wir wissen positiv, daß weiter durchaus nichts gegen Hrn. Funck vorliegt. Seine Verhaftung ist eine Maßregel unverfälschter altpreußischer Militärwillkühr. Wir fordern die rheinischen Abgeordneten der linken Seite auf, den Kriegsminister unverzüglich wegen dieser Verhaftung zu interpelliren. Berlin, 29. Juni. Hier hat ein jüngst-gebildeter Verein praktischer Aerzte an den Kultus- und Medizinal-Minister Rodbertus eine Adresse gerichtet, worin beantragt wird, daß „zur Erledigung der Medizinalreform ein allgemeiner Kongreß, hervorgehend aus direkten Wahlen aller Aerzte und Wundärzte des preußischen Staates baldmöglichst einberufen werde.“ (B. Z.-H.) *Posen, 26. Juni. Held Ahlemann aus Samter wollte seinem ersten Feldzugsplane nach schon heute gegen Berlin rücken. Die wahrscheinliche Stärke seines Heeres gab er in seiner justiz-kommissarischen Bescheidenheit auf mindestens 22,000 Mann an. Leider hält dieser Ritter von der traurigen Gestalt sein Wort nicht in Ehren. Er hat in der heutigen Zeitung ein Bülletin erlassen, welches kund thut, daß heute der Feldzug noch nicht beginnen kann. Was werden die 20,000 Tapfern von ihrem General sagen, der ihnen die bereits verassekurirten Siegeslorbeeren auf unbestimmte Zeit entrückt. „Lebt wohl Ihr tapfern Brüder, In einer bessern Welt wieder!“ Leipzig, 27. Juni. Der bisherige Lektor der slavischen Sprachen, M. J. P. Jordan, ist in Folge der von ihm eingestandenen Theilnahme an dem Slavenkongresse in Prag durch Beschluß des Kultusministeriums seiner Stellung als Docent an unserer Universität enthoben worden. Der akademische Senat bringt diesen Ministerialbeschluß mittelst Anschlags am schwarzen Brett zur Kenntniß der Studirenden. ‒ Das ist die Lehrfreiheit der christlich-germanischen Musterkonstitutionen. LHannover, 28. Juni. Die Polizei entfaltet ihre Macht gegen die Demokraten. Am 26. wurde der vom demokratischen Kongreß zurückkehrende Deputirte des Arbeitervereins, Buchdrucker Steegen, wegen Hochverrath (!) verhaftet. Steegen ist Präsident des Arbeitervereins. Schon früher wurde er durch gemeinsamen Beschluß der hiesigen Buchdruckereibesitzer als gefährliches Subjekt in die Acht erklärt und lange Zeit außer Arbeit gesetzt; das Stadtgericht will nun streng untersuchen, woher Steegen die Subsistenzmittel zu seinen Lebensunterhalt hergenommen hat. Eben so hat das Postamt Befehl bekommen, alle an Steegen adressirten Briefe dem Stadtgericht auszuliefern. Wahrscheinlich wird die Regierung jetzt jedem Arbeiter Unterhalt geben, dem dte Bourgois Arbeit verweigern. Frankfurt a. d. O., 28. Juni. Am heutigen Tage fand die neue Wahl eines Abgeordneten und Stellvertreters für die konstituirende Nationalversammlung in Berlin Statt. Der demokratische Verein hatte den Lehrer Lück als Kandidaten aufgestellt, während von der anderen Seite für den Minister-Präsidenten Auerswald geworben war. Von 55 Wahlmännern erhielt Auerswald 28 Stimmen, er siegte also mit einer Majorität von vier Stimmen. Hören Sie aber, auf welche Weise diese Majorität erlangt ist. Der Minister Herr Hansemann hatte mündlich zu einigen Vätern der Stadt den dringenden Wunsch geäußert, man möge doch dahin wirken, daß Herr Auerswald gewählt werde, weil es dem Ministerium eine größere Kraft verleihe. Der Herr Finanz-Minister soll auch die guten Väter der Stadt haben erkennen lassen, wie das Wohl der Stadt wesentlich von dieser Wahl abhänge. Frankfurt wünscht einen Wollmarkt, nun, es wird dafür gesorgt werden. Die Stadtherren haben redlich gewirkt, Sie haben Hrn. Hansemann's leutseliges Benehmen den guten Wahlmännern in Ihrem Sinne mitgetheilt, ihnen sogar erzählt, daß Herr Hansemann sich das Prädikat Exzellenz verbeten habe. Daher die Wahl des Herrn Minister Präsidenten mit vier Stimmen Majorität, gegen einen schlichten Volksschullehrer. (B. Z.-H.) Frankfurt, 28. Juni Kapp hat folgenden Brief an seine Wähler erlassen. Sie ersehen aus nachfolgendem Briefe, daß ich aus der Nationalversammlung ausgetreten bin. Bei Ihnen werde ich mich wegen dieses Schrittes nicht rechtfertigen müssen, ich glaube vielmehr ganz in Ihrem Sinne gehandelt zu haben. Sie haben mich gewählt in eine Versammlung, deren Lebensgrund die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Kraft das lebendige Wort der Wahrheit, die Sprache der Thatsachen, deren Gesetz die Freiheit der Rede ist. Diese Versammlung existirt aber nicht mehr. Das Prinzip ihres Ursprungs, die Souveränetät des Volkes, hat sie aufgegeben und den Mund des Volkes verschlossen, indem sie seinen freisinnigsten Vertretern das Wort verkümmerte. Ich habe das Vertrauen, daß die Stärke Ihres Unwillens über die Gründe meines Austritts jene großartige Ruhe auch bei Ihnen nicht stören wird, die das sicherste Zeichen siegender Kraft selbst in Tagen der Noth ist. Eigene Erfahrung hat Sie schon überzeugt, welche Macht in Ihrer Haltung, welche Thatkraft in Ihrer Einsicht liegt. Frankfurt, den 28. Juni 1548. Frankfurt, 29. Juni. In Folge der heute von der National-Versammlung vorgenommenen Wahl eines Reichsverwesers faßte die Bundesversammlung einstimmig den Beschluß, folgendes Schreiben an Seine Kaiserliche Hoheit den Erzherzog Johann von Oestreich zu richten: Durchlauchtigster Erzherzog! In würdigem, feierlichem Akte wurden so eben Eure Kaiserliche Hoheit von der deutschen National-Versammlung zum Reichsverweser unseres großen Vaterlandes erwählt. Die Bundesversammlung theilt mit der ganzen Nation die Verehrung für Eure Kaiserliche Hoheit, und die erhebenden patriotischen Gefühle, die sich an dieses große Ereigniß knüpfen, so wie das feste Vertrauen, daß diese Wahl heilverkündend, und die beste Bürgschaft für die Einheit und Kraft, für die Ehre und Freiheit unseres Gesammt-Vaterlandes sei. Sie beeilt sich, Eurer Kaiserlichen Hoheit diese Ueberzeugungen und Gesinnungen Glück wünschend, auszudrücken. Ganz besonders aber gereicht es den in der Bundes-Versammlung vereinigten Bevollmächtigten der deutschen Regierungen zur höchsten Genugthuung, Eurer kaiserl. Hoheit die Versicherung ausdrücken zu dürfen, daß sie schon vor dem Schlusse der Berathungen über die Bildung einer provisorischen Centralgewalt von ihren Regierungen ermächt waren, für eine Wahl Eurer kaiserl. Hoheit zu so hohem Berufe sich zu erklären. Die deutsche Bundes-Versammlung ist in dieser eben so großen als ernsten Zeit von dem wärmsten Wunsche belebt, Eurer kaiserl. Hoheit möge dem allseitigen Vertrauen und der Berufung zu der erhabenen Würde baldmöglichst entsprechen, und dadurch unsere Hoffnungen bestärken, die Vorsehung werde die deutsche Nation zu neuen Zeiten des Heils und der Größe hinführen. Frankfurt, 29. Juni 1848. Die deutsche Bundes-Versammlung, und in deren Namen: der Präsident: Ritter v. Schmerling. ppFrankfurt, 29. Juni. Die Räume der Paulskirche waren bei der heutigen Sitzung der Nationalversammlung dergestalt mit Zuschauern belagert, daß es selbst den Deputirten mit Mühe gelang, ihre Plätze zu gewinnen. Sie kennen bereits das Resultat des Tages: Erzherzog Johann ist zum Verweser des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, zum vorläufigen Kaiser erwählt worden. Die guten Bürger jauchzten und weinten vor Rührung bei dem erhebenden Gedanken, bald nun auch eine Hofhaltung in ihrer bürgerlichen Mitte zu haben; Kanonendonner und Glockengeläute verherrlichten den schönen, an die Romantik des Mittelalters mahnenden Moment. Das Ministerium, aus modernen Biedermännern, Wippermann, Dahlmann, Stedtmann zusammengesetzt, wird nun mit der baldigen Ankunft des „Unverantwortlichen“ erst bescheert werden; man spricht davon, daß der pensionirte Dulder Eisenmann als Finanzminister, und Herr Heckscher, der Reden über die deutsche Flotte gehalten, zum Marineminister bezeichnet ist. Morgen wird über die Civilliste des zukünftigen Herrschers der deutschen Völker und Vereinbarers der Fürsten debattirt werden; die Großmuth der Versammlung, deren Beschlüsse schon viel aus den Händen des Volkes in die der Fürsten gegeben haben, läßt keinen Zweifel, daß die neue Gewalt mit Anstand aus dem Segen und Ueberfluß des Landes ausgestattet werden wird. Die Linke, welche sich bei den Debatten zum größten Theil über alle Maßen inkonsequent benommen hat, und für all' ihre versöhnungsbettelnden „Konzessionen“ jetzt nur den Hohn der Rechten davon trägt, die Linke hat gegen den Beschluß über den Unverantworlichen „protestirt.“ Jacobus Venedey, der mit der Rechten gestimmt hat, befindet sich nicht auf diesem Protest; es steht also zu erwarten, daß er seinem Beruf treu, einen eigenen Protest gegen diesen Protest erlassen wird. Der Abgeordnete Kapp aus Heidelberg ist aus der Versammlung ausgetreten. Er erklärt an seine Wähler, daß sie ihn in eine Versammlung, deren „Lebensgrund die Macht- und Rechtsvollkommenheit des Volkes, deren Gesetz die Freiheit der Rede wäre,“ gewählt haben, daß aber diese Versammlung nicht mehr existire, und seine Ehre und sein Gewissen ihm nicht erlaube, an einer ihren Ursprung verleugnenden Versammlung Theil zu nehmen. Als einen Beitrag zur Charakteristik des Präsidiums Ehren-Gagern theile ich Ihnen hier noch die Thatsache mit, daß der „edle Gagern“ dem Abgeordneten Kapp aus dem Grunde das Wort verweigerte: weil derselbe immer aufrege! Diese merkwürdige Sorge des Präsidenten für die Gesundheit der Versammlung wird ohne Zweifel die gebührende Anerkennung bei allen denjenigen Mitgliedern finden, deren niederschlagende Redseligkeit bei dieser Diktatur nichts zu fürchten hat. Unter denjenigen, welche für das interessante Centralgewaltgesetz, für die Entäußerung der Volkssouveränetät an eine unverantwortliche Fürstendiktatur stimmten, befanden sich auch folgende Rheinländer und Westphalen: Beckerath, Bürgers aus Köln, Compes, Dahlmann, Deiters, Dham, Dieringer, Ebmeier, Evertsbusch, Flottwell, Höfken, Hülsmann, Junkmann, Ketteler, Knoodt, Marcks, Melchers, Mevissen, Bischof Müller aus Münster, Mylius, Pagenstecher, Reichensperger, Schlüter, Scholten, Schrakanx, Smets, Stedtmann, Versen, Venedey, Wiedenmann, Ziegert. Heute Nachmittag hat auch die Nationalversammlung, die nach der heutigen Entscheidung demnächst sanft zu eine konstitutionelle Reichskammer entschlafen wird, die Deputation gewählt, welche einen Ausflug zu dem Erzherzog Johann nach Wien machen soll. Mitglieder derselben sind: Andrian aus Wien, Jucho („der Dulder“) aus Frankfurt, Fr. Raveaux, Heckscher, Saucken-Tarputschen, Franke von Rendsburg, Rotenhahn aus München. ‒ Die Namen der 26 Mitglieder der National-Versammlung, die nicht mitgestimmt haben (s. gestrige Nummer), sind: 1) Martiny; 2) Schüler von Zweibrücken; 3) Trützschler; 4) Neergard; 5) Reh von Darmstadt; 6) Reichard; 7) Mohr; 8) Simon aus Trier; 9) Thieme; 10) Berger; 11) Zitz; 12) Gritzner; 13) Kolaczek; 14) Günther; 15) Titus; 16) Zimmermann; 17) Rühl; 18) Dewes; 19) Schlöffel; 20) Dietz von Annaberg; 21) Gruber; 22 Wesendonk; 23) Wiesner; 24) Hartmann; 25) Ruge; 26) Jul. Theodor Schmidt. 51 Frankfurt, 29. Juni. Das große Werk ist vollendet, die Errichtung einer provisorischen Centralgewalt ist heute zu Stande gekommen, die retrogade Partei unter der Maske des constitutionell-monarchischen Prinzips hat vollständig gesiegt und mit 450 gegen 100 Stimmen beschlossen, mit dieser Centralgewalt einen unverantwortlichen Reichsverweser mit verantwortlichen Ministern, der nicht einmal die Verpflichtung hat, die Beschlüsse der National-Versammlung zu vollziehen, zu bekleiden. Die neuntägige Verhandlung über diesen Gegenstand gibt aber ein zu treues Bild von dem, was das deutsche Volk von dieser Nationalversammlung zu erwarten hat, als daß sie nicht demselben auf jede Weise recht klar vor Augen gelegt werden sollte. Man kennt den berüchtigten, von „einem berühmten Redner“ herrührenden Bericht über diesen Gegenstand! Dazu eine kraus verwirrte Masse Anträge, Amendements, Unter und Sub-Unteramendements, deren Zahl nahe an 40 heransteigt, von deren eines gar die Centralgewalt von vornherein der Krone Preußen übertragen, ein andres die ganze Geschichte nicht vor eingeholter Genehmigung der Regierung unternehmen wollte, und von denen gar manches Vertrauen auf die Regierungen anräth. Was kann man aber von einem Parlament erwarten, dessen Mehrzahl aus Ministern, hohen Militärbeamten, Bischöfen, Fürstendienern aller Art, Mitgliedern der hohen Aristokratie und einer unendlichen Masse hofräthlicher Universitätsberühmtheiten besteht? Die drei ersten Tage der Verhandlung boten das gewöhnliche Bild einer parlamentarischen Verhandlung über einen wichtigen Gegenstand dar. Ein Redner nach dem andern bestieg die Tribüne, mit größerm oder geringerm Eifer, mit mehr oder weniger Geschick, in fesselnder oder in ermüdender, mitunter sehr langweiligen Redeweise, seine Ansicht darzulegen, zu begründen und die entgegenstehende zu widerlegen; doch war im Ganzen der tiefere Eindruck der Redner, welche gegen den Entwurf im volksthümlichen Sinne und für freiere Institutionen sprachen, unverkennbar. So ging es bis gegen Ende des vierten Tages, wo der Präsident bemerkte, daß von 189 angemeldeten Rednern erst 45 gesprochen hätten. Da wurde denn der Antrag gestellt, die Mitglieder der Versammlung sollten sich in Partheien gruppiren, und von jeder Parthei nur noch 2 oder 3 Redner, die die Partei selbst wählen sollte, sprechen. Nach langem Wirrwar, der diesem Vorschlag folgte, kam man überein, das Charakteristische in den gestellten Anträgen zu suchen, dieselben zur Unterstützung zu bringen, die nicht unterstützten zu beseitigen, um die unterstützten aber sich zu „gruppiren“ und nach diesen Gruppirungen die Redner zu wählen. Ein Parlamentsbeschluß, der wohl einzig in seiner Art ist. Sieben Anträge wurden unterstützt, von jedem zwei Redner zu hören beschlossen, also vierzehn, dazu noch zwei Redner für den Ausschuß-Antrag und zwei für ein von zwei Mitgliedern des Ausschusses (Blum und v. Trützschler) gestelltes Minoritätsvotum. Also noch 18. Redner. Am fünften Tag, als dieser Beschluß zur Ausführung kommen sollte, begann nun von Seite der Rechten, welche die Majorität hat ein System der Willkühr, der Intrigue in der Tyrannei, welches keine Mühe scheute der moralischen Eindruck, den die Redner der Linken gemacht, durch feingesponnene Pläne wieder zu vernichten. So wollte gleich von Anfang an Fürst Lichnowsky Blum nicht sprechen lassen, weil dieser schon einmal gesprochen, während man doch den „Gruppirungen“ die Wahl der Redner ganz unbeschränkt überlassen hatte. Freilich gelang dieser erste Versuch nicht, desto mehr aber die andern. Zunächst eine Menge Vorwürfe und Verdächtigungen gegen die Linke und Unterbrechungen ihrer Redner, womit man sich an diesem Tage noch begnügte. Anders am folgenden Tage,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 32. Köln, 2. Juli 1848, S. 0157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz032_1848/1>, abgerufen am 18.04.2024.