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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 81. Köln, 20. August 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 81. Köln, Sonntag 20. August 1848.

Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die "Neue Rheinische Zeitung" Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher.

Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Frankfurter Debatte über die Polenfrage. Fortsetzung). Düren. (Professor Braun). Frankfurt. (Nationalversammlung. Debatte über die Grundrechte). Berlin. (Censur der Leihbibliotheken. - Konzessionswesen. - Die Rübenzucker- und Spiritussteuer. - Tendenzprozesse am akademischen Senat. - Preußische Polizei- und Gerichtsthätigkeit. - Hansemann. - Arbeitseinstellung. - Das Ministerium Hansemann. - Ein interessantes Aktenstück. - Cholera). Breslau. (Ein Beschluß des demokratischen Hauptvereins). Schweidnitz. (Böser Wille der Militärbehörden). Liegnitz. (Dr. Kunerth. - Feier des 6. August). Posen. (Die Landwehr entlassen. - Garnisonwechsel. - Ein Theil des 8. Regiments nach Kurnik). Wien. (Reichstagssitzungen vom 12. und 14. August. - Ludolf und Martini). Triest. (Meuterei auf der sardo-venetianischen Flotte). Apenrade. (Vertagung der konstituirenden Versammlung vorgeschlagen. - Landungsversuche und Angriffe der Dänen).

Französische Republik. Paris. (Journalschau. - Deutsche und Polen bei dem ersten Insurgententransport. - Die Befürchtungen eines Aufstandes grundlos. - Geistliche Nationalwerkstätten. - Gioberti erwartet. Nationalversammlung). Straßburg. (Blind's Ausweisung).

Spanien. Madrid. (Mon, Finanzminister. - Die Kriegskosten von 1823).

Portugal. (Donna Maria).

Italien. Florenz. (Die Oestreicher aus Bologna verjagt. - Bombardement der Stadt. - Protest des diplomatischen Korps gegen Welden. - Angebliche Zurückberufung Welden's. - Welden's Erklärung über sein Verhalten zu Toskana. - Parma von Toskanern besetzt. - Oestreicher in Ravenna). Mailand. (Die östreichisch-galizische Politik erneuert. - Circular des Erzbischof's). Modena. (Die Oestreicher eingezogen. - Die Rückkehr des Herzogs verkündigt). Genua. (Polizeiterrorismus). Turin. (Aufgeregter Zustand. - Untersuchung gegen die verrätherischen Generale von den Journalen verlangt. - Verfahren mehrerer Generale in der Lombardei. - Oestreichische Agenten verhaftet, ebenso sardinische Offiziere). Rom. (Stimmung in Rom. - Proklamation und Erklärung der Minister. - Protest des Pabstes). Neapel. (Die englische Flotte nach Castelamare, die französische nach Sardinien. - Die Expedition nach Sizilien). Palermo. (Aufhebung des Jesuitenordens und Einziehung seiner Güter).

Großbritannien. London. (Parlament. - Schreckliches Komplott von 14 Hochverräthern). Manchester. (Verhaftungen). Dublin. (Verhaftungen. Die Ernte). Helgoland. (Das Blokadegeschwader angekommen).

Belgien. Antwerpen. (Flamenthum und Revolution).

Dänemark. Kopenhagen. (Volksversammlung. - Wahlprogramm. - Ordensabsprechung).

Donaufürstenthümer. Bukarest. (Einrücken der Türken offiziell angekündigt).

Persien. (Rebellion in Farsistan und Arabien).

Deutschland.
** Köln, 19. August.

Die Polendebatte in Frankfurt (Fortsetzung.)

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Das Domfest von 1848.

(Fortsetzung.)

"Willkomm! Willkommen rufen wir
Euch all' in dieser Stund';
So tönt es, Friedrich Wilhelm, dir
Aus deiner Bürger Mund."

So klang der erste Vers des bereits erwähnten ächt germanischen Ragout's von Inckermann, der auch unter dem Namen Otto Sternau zugleich mit dem Dr. Gustav Pfarrius, Ritter, seit einiger Zeit offizieller kölnischer Stadtsänger geworden zu sein scheint.

"Willkomm! Willkommen! tönt es dir,
Johann von Oestreich, auch,
Den Ehrenbecher reichen wir
Dir heut nach altem Brauch."

So hieß der zweite Vers und mein Nachbar, der östreichische Abgeordnete, überzeugte sich immer mehr davon, daß das Festlied des Herrn Inckermann-Sternau ein ächt germanisches Ragout, und zwar ein sehr ungenießbares sei. Stadtsänger Pfarrius hätte es nicht besser machen können.

"Willkomm! Ihr treuen Männer all'
Von Frankfurt an dem Main!
Willkommen bei Trompetenschall
Im alten Köln am Rhein!"

Das war der dritte und letzte Vers und der alte Gürzenich dröhnte von einem Jubel, von einem solchen Applaus, daß meine nervöse Repetiruhr vor Schrecken still stehen blieb. Stadtsänger Sternau-Inckermann wird behaupten, daß der Applaus bloß seinem poetischen Ragout, bloß der Fülle seiner Gedanken und der Zartheit seiner metrischen Wendungen gegolten habe. Stadtsänger Pfarrius wird, natürlich aus rein künstlerischer Eifersucht, durchaus andrer Meinung sein. Gott weiß, wie es darum steht. Ueberlassen wir die beiden Stadtsänger ihren Ansichten und ihrem fernern edlen Wettstreit. Der Beifall aller Gerechten wird ihren wackern Bestrebungen nicht mangeln.

Freundlich lächelten die hohen Herren auf die singende Menge hinab. Als aber der Zauber der Sternau-Inckermann'schen Poesie in den Winkeln des Riesen-Saales verklungen war, da erhob sich von der Bank der Fürsten, in strahlender Uniform und mit geistreichem Antlitz Se. Majestät der König, jetzt mit der Linken Ruhe gebietend und jetzt die Rechte mit gefülltem Römer erhebend, zu begeisterndem Toaste:

"Ich trinke auf das Wohlsein eines deutschen Mannes, auf das Wohlsein eines meiner treuesten Freunde. Wie er Ihr Vertrauen besitzt, so besitzt er auch Mein Vertrauen und Meine Liebe. Möge er uns einige und freie Völker geben; gebe er uns einige und freie Fürsten. Hoch lebe Erzherzog Johann, der Reichsverweser!"

So ungefähr sprach Se. Majestät und leerte den Römer bis auf den Grund und machte die Nagelprobe mit unendlicher Grazie! - Das letztere schien vor allen Dingen einen berauschenden Eindruck auf die Zuschauer hervorzubringen. Mehrere meiner Nachbarn rasten vor Wollust. Sie fühlten sich in die Zeiten des Kaisers Max zurückversetzt, der auch wohl mit den Leuten derlei harmlose Späße trieb. So z. B. in Nüremberg. Der dumme Magistrat hatte nämlich damals für die Dauer der Reichsfestlichkeiten alle schönen unverheiratheten Frauenzimmer aus der Stadt verbannt, weil ihm die ungesetzliche Liebe als ein Gräuel vor dem Herrn erschien. Vor den Thoren standen nun die armen, lüsternen Dinger und ennuyrten sich a mort. Da kam der Kaiser und ehe er sich's versah, umlagerten ihn ein Dutzend der hübschesten Bajaderen und sagten ihm, er sei ein vernünftiger Mann, der Magistrat bestehe aber aus Eseln und er, der Kaiser, möge doch seine bessere Einsicht bei diesen Blödsinnigen geltend machen und dafür sorgen, daß sie, die Bajaderen, dennoch Erlaubniß erhielten, das Fest durch ihre Locken, Lippen und wogenden Busen verherrlichen zu dürfen.

Max hörte die liebenswürdigen Geschöpfe ruhig an und lächelte. Ehe er aber weiter ritt befahl er, statt aller Versprechungen, dem zunächst stehenden jungen Kinde, einmal hinter das kaiserliche Roß zu treten und des Pferdes Schweif zu fassen und der zweiten gebot er, sich wieder hinter ihre Genossin zu stellen und deren Rock zu ergreifen und als nun die Erste den Schwanz des Gaules in der Hand hielt und die Zweite den Rock der Ersten faßte und die Dritte den Rock der Zweiten und so fort, da gab Kaiser Max seinem Pferde die Sporen und mit ein, zwei, drei, vier, acht, zwanzig, ja, wer weiß mit wie viel braunen und blonden kichernden Weibern im Schlepptau ritt er fürbaß gen Nüremberg, wo der Magistrat schon an den Thoren stand, um den Kaiser zu empfangen und aus Schaam und Wuth schier verrückt zu werden meinte, als er zugleich mit dem Einzug des Kaisers auch das süße Gefolge seines Roßschwanzes passiren lassen mußte.

Die Nüremberger Chronik setzt hinzu, daß die damaligen Festlichkeiten zu den verteufelt-fidelsten gehört hätten.

Wie es der ehrliche Max mit den Weibern machte, so machte es König Friedrich Wilhelm mit dem Wein. Mit der Nagelprobe entzückte er den ganzen Gürzenich und dieselbe Rolle, die der steife Magistrat in Nüremberg spielte, sie wurde in Köln von den unbeholfenen Liberalen gespielt, die mit Schrecken sahen, wie ein König sogar im Stande ist, nur durch eine Nagelprobe sich alle Herzen wieder zu gewinnen und Alles vergessen zu machen, ja Alles, Alles, vom 18. März an bis auf den heutigen Tag. O geht und laßt Euch hängen ihr Demokraten, ihr dummen Republikaner! Was ist all' eure Berserkerwuth gegen die Nagelprobe eines klugen Königs?

Dem Könige folgte der Erzherzog Reichsverweser. Das Glas erhebend sprach er:

"Dem Fürsten, der eben meine Gesundheit ausbrachte, dem Könige von Preußen! und dem was an unserm Dom geschrieben steht: Eintracht und Ausdauer!"

Die beiden Fürsten umarmten und küßten sich; laut schallte der Jubel der Versammlung und ihre schwarz-weißen und schwarz-roth-goldnen Leidenschaften flutheten ineinander. Was wollt ihr mehr? Preußen ging in Deutschland, und Deutschland in Preußen auf in [Fortsetzung]

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 81. Köln, Sonntag 20. August 1848.

Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die „Neue Rheinische Zeitung“ Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher.

Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Frankfurter Debatte über die Polenfrage. Fortsetzung). Düren. (Professor Braun). Frankfurt. (Nationalversammlung. Debatte über die Grundrechte). Berlin. (Censur der Leihbibliotheken. ‒ Konzessionswesen. ‒ Die Rübenzucker- und Spiritussteuer. ‒ Tendenzprozesse am akademischen Senat. ‒ Preußische Polizei- und Gerichtsthätigkeit. ‒ Hansemann. ‒ Arbeitseinstellung. ‒ Das Ministerium Hansemann. ‒ Ein interessantes Aktenstück. ‒ Cholera). Breslau. (Ein Beschluß des demokratischen Hauptvereins). Schweidnitz. (Böser Wille der Militärbehörden). Liegnitz. (Dr. Kunerth. ‒ Feier des 6. August). Posen. (Die Landwehr entlassen. ‒ Garnisonwechsel. ‒ Ein Theil des 8. Regiments nach Kurnik). Wien. (Reichstagssitzungen vom 12. und 14. August. ‒ Ludolf und Martini). Triest. (Meuterei auf der sardo-venetianischen Flotte). Apenrade. (Vertagung der konstituirenden Versammlung vorgeschlagen. ‒ Landungsversuche und Angriffe der Dänen).

Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Deutsche und Polen bei dem ersten Insurgententransport. ‒ Die Befürchtungen eines Aufstandes grundlos. ‒ Geistliche Nationalwerkstätten. ‒ Gioberti erwartet. Nationalversammlung). Straßburg. (Blind's Ausweisung).

Spanien. Madrid. (Mon, Finanzminister. ‒ Die Kriegskosten von 1823).

Portugal. (Donna Maria).

Italien. Florenz. (Die Oestreicher aus Bologna verjagt. ‒ Bombardement der Stadt. ‒ Protest des diplomatischen Korps gegen Welden. ‒ Angebliche Zurückberufung Welden's. ‒ Welden's Erklärung über sein Verhalten zu Toskana. ‒ Parma von Toskanern besetzt. ‒ Oestreicher in Ravenna). Mailand. (Die östreichisch-galizische Politik erneuert. ‒ Circular des Erzbischof's). Modena. (Die Oestreicher eingezogen. ‒ Die Rückkehr des Herzogs verkündigt). Genua. (Polizeiterrorismus). Turin. (Aufgeregter Zustand. ‒ Untersuchung gegen die verrätherischen Generale von den Journalen verlangt. ‒ Verfahren mehrerer Generale in der Lombardei. ‒ Oestreichische Agenten verhaftet, ebenso sardinische Offiziere). Rom. (Stimmung in Rom. ‒ Proklamation und Erklärung der Minister. ‒ Protest des Pabstes). Neapel. (Die englische Flotte nach Castelamare, die französische nach Sardinien. ‒ Die Expedition nach Sizilien). Palermo. (Aufhebung des Jesuitenordens und Einziehung seiner Güter).

Großbritannien. London. (Parlament. ‒ Schreckliches Komplott von 14 Hochverräthern). Manchester. (Verhaftungen). Dublin. (Verhaftungen. Die Ernte). Helgoland. (Das Blokadegeschwader angekommen).

Belgien. Antwerpen. (Flamenthum und Revolution).

Dänemark. Kopenhagen. (Volksversammlung. ‒ Wahlprogramm. ‒ Ordensabsprechung).

Donaufürstenthümer. Bukarest. (Einrücken der Türken offiziell angekündigt).

Persien. (Rebellion in Farsistan und Arabien).

Deutschland.
** Köln, 19. August.

Die Polendebatte in Frankfurt (Fortsetzung.)

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Das Domfest von 1848.

(Fortsetzung.)

„Willkomm! Willkommen rufen wir
Euch all' in dieser Stund';
So tönt es, Friedrich Wilhelm, dir
Aus deiner Bürger Mund.“

So klang der erste Vers des bereits erwähnten ächt germanischen Ragout's von Inckermann, der auch unter dem Namen Otto Sternau zugleich mit dem Dr. Gustav Pfarrius, Ritter, seit einiger Zeit offizieller kölnischer Stadtsänger geworden zu sein scheint.

„Willkomm! Willkommen! tönt es dir,
Johann von Oestreich, auch,
Den Ehrenbecher reichen wir
Dir heut nach altem Brauch.“

So hieß der zweite Vers und mein Nachbar, der östreichische Abgeordnete, überzeugte sich immer mehr davon, daß das Festlied des Herrn Inckermann-Sternau ein ächt germanisches Ragout, und zwar ein sehr ungenießbares sei. Stadtsänger Pfarrius hätte es nicht besser machen können.

„Willkomm! Ihr treuen Männer all'
Von Frankfurt an dem Main!
Willkommen bei Trompetenschall
Im alten Köln am Rhein!“

Das war der dritte und letzte Vers und der alte Gürzenich dröhnte von einem Jubel, von einem solchen Applaus, daß meine nervöse Repetiruhr vor Schrecken still stehen blieb. Stadtsänger Sternau-Inckermann wird behaupten, daß der Applaus bloß seinem poetischen Ragout, bloß der Fülle seiner Gedanken und der Zartheit seiner metrischen Wendungen gegolten habe. Stadtsänger Pfarrius wird, natürlich aus rein künstlerischer Eifersucht, durchaus andrer Meinung sein. Gott weiß, wie es darum steht. Ueberlassen wir die beiden Stadtsänger ihren Ansichten und ihrem fernern edlen Wettstreit. Der Beifall aller Gerechten wird ihren wackern Bestrebungen nicht mangeln.

Freundlich lächelten die hohen Herren auf die singende Menge hinab. Als aber der Zauber der Sternau-Inckermann'schen Poesie in den Winkeln des Riesen-Saales verklungen war, da erhob sich von der Bank der Fürsten, in strahlender Uniform und mit geistreichem Antlitz Se. Majestät der König, jetzt mit der Linken Ruhe gebietend und jetzt die Rechte mit gefülltem Römer erhebend, zu begeisterndem Toaste:

„Ich trinke auf das Wohlsein eines deutschen Mannes, auf das Wohlsein eines meiner treuesten Freunde. Wie er Ihr Vertrauen besitzt, so besitzt er auch Mein Vertrauen und Meine Liebe. Möge er uns einige und freie Völker geben; gebe er uns einige und freie Fürsten. Hoch lebe Erzherzog Johann, der Reichsverweser!“

So ungefähr sprach Se. Majestät und leerte den Römer bis auf den Grund und machte die Nagelprobe mit unendlicher Grazie! ‒ Das letztere schien vor allen Dingen einen berauschenden Eindruck auf die Zuschauer hervorzubringen. Mehrere meiner Nachbarn rasten vor Wollust. Sie fühlten sich in die Zeiten des Kaisers Max zurückversetzt, der auch wohl mit den Leuten derlei harmlose Späße trieb. So z. B. in Nüremberg. Der dumme Magistrat hatte nämlich damals für die Dauer der Reichsfestlichkeiten alle schönen unverheiratheten Frauenzimmer aus der Stadt verbannt, weil ihm die ungesetzliche Liebe als ein Gräuel vor dem Herrn erschien. Vor den Thoren standen nun die armen, lüsternen Dinger und ennuyrten sich à mort. Da kam der Kaiser und ehe er sich's versah, umlagerten ihn ein Dutzend der hübschesten Bajaderen und sagten ihm, er sei ein vernünftiger Mann, der Magistrat bestehe aber aus Eseln und er, der Kaiser, möge doch seine bessere Einsicht bei diesen Blödsinnigen geltend machen und dafür sorgen, daß sie, die Bajaderen, dennoch Erlaubniß erhielten, das Fest durch ihre Locken, Lippen und wogenden Busen verherrlichen zu dürfen.

Max hörte die liebenswürdigen Geschöpfe ruhig an und lächelte. Ehe er aber weiter ritt befahl er, statt aller Versprechungen, dem zunächst stehenden jungen Kinde, einmal hinter das kaiserliche Roß zu treten und des Pferdes Schweif zu fassen und der zweiten gebot er, sich wieder hinter ihre Genossin zu stellen und deren Rock zu ergreifen und als nun die Erste den Schwanz des Gaules in der Hand hielt und die Zweite den Rock der Ersten faßte und die Dritte den Rock der Zweiten und so fort, da gab Kaiser Max seinem Pferde die Sporen und mit ein, zwei, drei, vier, acht, zwanzig, ja, wer weiß mit wie viel braunen und blonden kichernden Weibern im Schlepptau ritt er fürbaß gen Nüremberg, wo der Magistrat schon an den Thoren stand, um den Kaiser zu empfangen und aus Schaam und Wuth schier verrückt zu werden meinte, als er zugleich mit dem Einzug des Kaisers auch das süße Gefolge seines Roßschwanzes passiren lassen mußte.

Die Nüremberger Chronik setzt hinzu, daß die damaligen Festlichkeiten zu den verteufelt-fidelsten gehört hätten.

Wie es der ehrliche Max mit den Weibern machte, so machte es König Friedrich Wilhelm mit dem Wein. Mit der Nagelprobe entzückte er den ganzen Gürzenich und dieselbe Rolle, die der steife Magistrat in Nüremberg spielte, sie wurde in Köln von den unbeholfenen Liberalen gespielt, die mit Schrecken sahen, wie ein König sogar im Stande ist, nur durch eine Nagelprobe sich alle Herzen wieder zu gewinnen und Alles vergessen zu machen, ja Alles, Alles, vom 18. März an bis auf den heutigen Tag. O geht und laßt Euch hängen ihr Demokraten, ihr dummen Republikaner! Was ist all' eure Berserkerwuth gegen die Nagelprobe eines klugen Königs?

Dem Könige folgte der Erzherzog Reichsverweser. Das Glas erhebend sprach er:

„Dem Fürsten, der eben meine Gesundheit ausbrachte, dem Könige von Preußen! und dem was an unserm Dom geschrieben steht: Eintracht und Ausdauer!“

Die beiden Fürsten umarmten und küßten sich; laut schallte der Jubel der Versammlung und ihre schwarz-weißen und schwarz-roth-goldnen Leidenschaften flutheten ineinander. Was wollt ihr mehr? Preußen ging in Deutschland, und Deutschland in Preußen auf in [Fortsetzung]

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          <p>So hieß der zweite Vers und mein Nachbar, der östreichische Abgeordnete,                         überzeugte sich immer mehr davon, daß das Festlied des Herrn                         Inckermann-Sternau ein ächt germanisches Ragout, und zwar ein sehr                         ungenießbares sei. Stadtsänger Pfarrius hätte es nicht besser machen                         können.</p>
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            <l>&#x201E;Willkomm! Ihr treuen Männer all'</l><lb/>
            <l>Von Frankfurt an dem Main!</l><lb/>
            <l>                             Willkommen bei Trompetenschall</l><lb/>
            <l>Im alten Köln am Rhein!&#x201C;</l><lb/>
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          <p>Das war der dritte und letzte Vers und der alte Gürzenich dröhnte von einem                         Jubel, von einem solchen Applaus, daß meine nervöse Repetiruhr vor Schrecken                         still stehen blieb. Stadtsänger Sternau-Inckermann wird behaupten, daß der                         Applaus bloß seinem poetischen Ragout, bloß der Fülle seiner Gedanken und                         der Zartheit seiner metrischen Wendungen gegolten habe. Stadtsänger Pfarrius                         wird, natürlich aus rein künstlerischer Eifersucht, durchaus andrer Meinung                         sein. Gott weiß, wie es darum steht. Ueberlassen wir die beiden Stadtsänger                         ihren Ansichten und ihrem fernern edlen Wettstreit. Der Beifall aller                         Gerechten wird ihren wackern Bestrebungen nicht mangeln.</p>
          <p>Freundlich lächelten die hohen Herren auf die singende Menge hinab. Als aber                         der Zauber der Sternau-Inckermann'schen Poesie in den Winkeln des                         Riesen-Saales verklungen war, da erhob sich von der Bank der Fürsten, in                         strahlender Uniform und mit geistreichem Antlitz Se. Majestät der König,                         jetzt mit der Linken Ruhe gebietend und jetzt die Rechte mit gefülltem Römer                         erhebend, zu begeisterndem Toaste:</p>
          <p>&#x201E;Ich trinke auf das Wohlsein eines deutschen Mannes, auf das Wohlsein eines                         meiner treuesten Freunde. Wie er Ihr Vertrauen besitzt, so besitzt er auch                         Mein Vertrauen und Meine Liebe. Möge er uns einige und freie Völker geben;                         gebe er uns einige und freie Fürsten. Hoch lebe Erzherzog Johann, der                         Reichsverweser!&#x201C;</p>
          <p>So ungefähr sprach Se. Majestät und leerte den Römer bis auf den Grund und                         machte die Nagelprobe mit unendlicher Grazie! &#x2012; Das letztere schien vor                         allen Dingen einen berauschenden Eindruck auf die Zuschauer hervorzubringen.                         Mehrere meiner Nachbarn rasten vor Wollust. Sie fühlten sich in die Zeiten                         des Kaisers Max zurückversetzt, der auch wohl mit den Leuten derlei harmlose                         Späße trieb. So z. B. in Nüremberg. Der dumme Magistrat hatte nämlich damals                         für die Dauer der Reichsfestlichkeiten alle schönen unverheiratheten                         Frauenzimmer aus der Stadt verbannt, weil ihm die ungesetzliche Liebe als                         ein Gräuel vor dem Herrn erschien. Vor den Thoren standen nun die armen,                         lüsternen Dinger und ennuyrten sich à mort. Da kam der Kaiser und ehe er                         sich's versah, umlagerten ihn ein Dutzend der hübschesten Bajaderen und                         sagten ihm, er sei ein vernünftiger Mann, der Magistrat bestehe aber aus                         Eseln und er, der Kaiser, möge doch seine bessere Einsicht bei diesen                         Blödsinnigen geltend machen und dafür sorgen, daß sie, die Bajaderen,                         dennoch Erlaubniß erhielten, das Fest durch ihre Locken, Lippen und wogenden                         Busen verherrlichen zu dürfen.</p>
          <p>Max hörte die liebenswürdigen Geschöpfe ruhig an und lächelte. Ehe er aber                         weiter ritt befahl er, statt aller Versprechungen, dem zunächst stehenden                         jungen Kinde, einmal hinter das kaiserliche Roß zu treten und des Pferdes                         Schweif zu fassen und der zweiten gebot er, sich wieder hinter ihre Genossin                         zu stellen und deren Rock zu ergreifen und als nun die Erste den Schwanz des                         Gaules in der Hand hielt und die Zweite den Rock der Ersten faßte und die                         Dritte den Rock der Zweiten und so fort, da gab Kaiser Max seinem Pferde die                         Sporen und mit ein, zwei, drei, vier, acht, zwanzig, ja, wer weiß mit wie                         viel braunen und blonden kichernden Weibern im Schlepptau ritt er fürbaß gen                         Nüremberg, wo der Magistrat schon an den Thoren stand, um den Kaiser zu                         empfangen und aus Schaam und Wuth schier verrückt zu werden meinte, als er                         zugleich mit dem Einzug des Kaisers auch das süße Gefolge seines                         Roßschwanzes passiren lassen mußte.</p>
          <p>Die Nüremberger Chronik setzt hinzu, daß die damaligen Festlichkeiten zu den                         verteufelt-fidelsten gehört hätten.</p>
          <p>Wie es der ehrliche Max mit den Weibern machte, so machte es König Friedrich                         Wilhelm mit dem Wein. Mit der Nagelprobe entzückte er den ganzen Gürzenich                         und dieselbe Rolle, die der steife Magistrat in Nüremberg spielte, sie wurde                         in Köln von den unbeholfenen Liberalen gespielt, die mit Schrecken sahen,                         wie ein König sogar im Stande ist, nur durch eine Nagelprobe sich alle                         Herzen wieder zu gewinnen und Alles vergessen zu machen, ja Alles, Alles,                         vom 18. März an bis auf den heutigen Tag. O geht und laßt Euch hängen ihr                         Demokraten, ihr dummen Republikaner! Was ist all' eure Berserkerwuth gegen                         die Nagelprobe eines klugen Königs?</p>
          <p>Dem Könige folgte der Erzherzog Reichsverweser. Das Glas erhebend sprach                         er:</p>
          <p>&#x201E;Dem Fürsten, der eben meine Gesundheit ausbrachte, dem Könige von Preußen!                         und dem was an unserm Dom geschrieben steht: Eintracht und Ausdauer!&#x201C;</p>
          <p>Die beiden Fürsten umarmten und küßten sich; laut schallte der Jubel der                         Versammlung und ihre schwarz-weißen und schwarz-roth-goldnen Leidenschaften                         flutheten ineinander. Was wollt ihr mehr? Preußen ging in Deutschland, und                         Deutschland in Preußen auf in <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                     </p>
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[0407/0001] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 81. Köln, Sonntag 20. August 1848. Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die „Neue Rheinische Zeitung“ Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher. Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Frankfurter Debatte über die Polenfrage. Fortsetzung). Düren. (Professor Braun). Frankfurt. (Nationalversammlung. Debatte über die Grundrechte). Berlin. (Censur der Leihbibliotheken. ‒ Konzessionswesen. ‒ Die Rübenzucker- und Spiritussteuer. ‒ Tendenzprozesse am akademischen Senat. ‒ Preußische Polizei- und Gerichtsthätigkeit. ‒ Hansemann. ‒ Arbeitseinstellung. ‒ Das Ministerium Hansemann. ‒ Ein interessantes Aktenstück. ‒ Cholera). Breslau. (Ein Beschluß des demokratischen Hauptvereins). Schweidnitz. (Böser Wille der Militärbehörden). Liegnitz. (Dr. Kunerth. ‒ Feier des 6. August). Posen. (Die Landwehr entlassen. ‒ Garnisonwechsel. ‒ Ein Theil des 8. Regiments nach Kurnik). Wien. (Reichstagssitzungen vom 12. und 14. August. ‒ Ludolf und Martini). Triest. (Meuterei auf der sardo-venetianischen Flotte). Apenrade. (Vertagung der konstituirenden Versammlung vorgeschlagen. ‒ Landungsversuche und Angriffe der Dänen). Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Deutsche und Polen bei dem ersten Insurgententransport. ‒ Die Befürchtungen eines Aufstandes grundlos. ‒ Geistliche Nationalwerkstätten. ‒ Gioberti erwartet. Nationalversammlung). Straßburg. (Blind's Ausweisung). Spanien. Madrid. (Mon, Finanzminister. ‒ Die Kriegskosten von 1823). Portugal. (Donna Maria). Italien. Florenz. (Die Oestreicher aus Bologna verjagt. ‒ Bombardement der Stadt. ‒ Protest des diplomatischen Korps gegen Welden. ‒ Angebliche Zurückberufung Welden's. ‒ Welden's Erklärung über sein Verhalten zu Toskana. ‒ Parma von Toskanern besetzt. ‒ Oestreicher in Ravenna). Mailand. (Die östreichisch-galizische Politik erneuert. ‒ Circular des Erzbischof's). Modena. (Die Oestreicher eingezogen. ‒ Die Rückkehr des Herzogs verkündigt). Genua. (Polizeiterrorismus). Turin. (Aufgeregter Zustand. ‒ Untersuchung gegen die verrätherischen Generale von den Journalen verlangt. ‒ Verfahren mehrerer Generale in der Lombardei. ‒ Oestreichische Agenten verhaftet, ebenso sardinische Offiziere). Rom. (Stimmung in Rom. ‒ Proklamation und Erklärung der Minister. ‒ Protest des Pabstes). Neapel. (Die englische Flotte nach Castelamare, die französische nach Sardinien. ‒ Die Expedition nach Sizilien). Palermo. (Aufhebung des Jesuitenordens und Einziehung seiner Güter). Großbritannien. London. (Parlament. ‒ Schreckliches Komplott von 14 Hochverräthern). Manchester. (Verhaftungen). Dublin. (Verhaftungen. Die Ernte). Helgoland. (Das Blokadegeschwader angekommen). Belgien. Antwerpen. (Flamenthum und Revolution). Dänemark. Kopenhagen. (Volksversammlung. ‒ Wahlprogramm. ‒ Ordensabsprechung). Donaufürstenthümer. Bukarest. (Einrücken der Türken offiziell angekündigt). Persien. (Rebellion in Farsistan und Arabien). Deutschland. ** Köln, 19. August. Die Polendebatte in Frankfurt (Fortsetzung.) _ Das Domfest von 1848. (Fortsetzung.) „Willkomm! Willkommen rufen wir Euch all' in dieser Stund'; So tönt es, Friedrich Wilhelm, dir Aus deiner Bürger Mund.“ So klang der erste Vers des bereits erwähnten ächt germanischen Ragout's von Inckermann, der auch unter dem Namen Otto Sternau zugleich mit dem Dr. Gustav Pfarrius, Ritter, seit einiger Zeit offizieller kölnischer Stadtsänger geworden zu sein scheint. „Willkomm! Willkommen! tönt es dir, Johann von Oestreich, auch, Den Ehrenbecher reichen wir Dir heut nach altem Brauch.“ So hieß der zweite Vers und mein Nachbar, der östreichische Abgeordnete, überzeugte sich immer mehr davon, daß das Festlied des Herrn Inckermann-Sternau ein ächt germanisches Ragout, und zwar ein sehr ungenießbares sei. Stadtsänger Pfarrius hätte es nicht besser machen können. „Willkomm! Ihr treuen Männer all' Von Frankfurt an dem Main! Willkommen bei Trompetenschall Im alten Köln am Rhein!“ Das war der dritte und letzte Vers und der alte Gürzenich dröhnte von einem Jubel, von einem solchen Applaus, daß meine nervöse Repetiruhr vor Schrecken still stehen blieb. Stadtsänger Sternau-Inckermann wird behaupten, daß der Applaus bloß seinem poetischen Ragout, bloß der Fülle seiner Gedanken und der Zartheit seiner metrischen Wendungen gegolten habe. Stadtsänger Pfarrius wird, natürlich aus rein künstlerischer Eifersucht, durchaus andrer Meinung sein. Gott weiß, wie es darum steht. Ueberlassen wir die beiden Stadtsänger ihren Ansichten und ihrem fernern edlen Wettstreit. Der Beifall aller Gerechten wird ihren wackern Bestrebungen nicht mangeln. Freundlich lächelten die hohen Herren auf die singende Menge hinab. Als aber der Zauber der Sternau-Inckermann'schen Poesie in den Winkeln des Riesen-Saales verklungen war, da erhob sich von der Bank der Fürsten, in strahlender Uniform und mit geistreichem Antlitz Se. Majestät der König, jetzt mit der Linken Ruhe gebietend und jetzt die Rechte mit gefülltem Römer erhebend, zu begeisterndem Toaste: „Ich trinke auf das Wohlsein eines deutschen Mannes, auf das Wohlsein eines meiner treuesten Freunde. Wie er Ihr Vertrauen besitzt, so besitzt er auch Mein Vertrauen und Meine Liebe. Möge er uns einige und freie Völker geben; gebe er uns einige und freie Fürsten. Hoch lebe Erzherzog Johann, der Reichsverweser!“ So ungefähr sprach Se. Majestät und leerte den Römer bis auf den Grund und machte die Nagelprobe mit unendlicher Grazie! ‒ Das letztere schien vor allen Dingen einen berauschenden Eindruck auf die Zuschauer hervorzubringen. Mehrere meiner Nachbarn rasten vor Wollust. Sie fühlten sich in die Zeiten des Kaisers Max zurückversetzt, der auch wohl mit den Leuten derlei harmlose Späße trieb. So z. B. in Nüremberg. Der dumme Magistrat hatte nämlich damals für die Dauer der Reichsfestlichkeiten alle schönen unverheiratheten Frauenzimmer aus der Stadt verbannt, weil ihm die ungesetzliche Liebe als ein Gräuel vor dem Herrn erschien. Vor den Thoren standen nun die armen, lüsternen Dinger und ennuyrten sich à mort. Da kam der Kaiser und ehe er sich's versah, umlagerten ihn ein Dutzend der hübschesten Bajaderen und sagten ihm, er sei ein vernünftiger Mann, der Magistrat bestehe aber aus Eseln und er, der Kaiser, möge doch seine bessere Einsicht bei diesen Blödsinnigen geltend machen und dafür sorgen, daß sie, die Bajaderen, dennoch Erlaubniß erhielten, das Fest durch ihre Locken, Lippen und wogenden Busen verherrlichen zu dürfen. Max hörte die liebenswürdigen Geschöpfe ruhig an und lächelte. Ehe er aber weiter ritt befahl er, statt aller Versprechungen, dem zunächst stehenden jungen Kinde, einmal hinter das kaiserliche Roß zu treten und des Pferdes Schweif zu fassen und der zweiten gebot er, sich wieder hinter ihre Genossin zu stellen und deren Rock zu ergreifen und als nun die Erste den Schwanz des Gaules in der Hand hielt und die Zweite den Rock der Ersten faßte und die Dritte den Rock der Zweiten und so fort, da gab Kaiser Max seinem Pferde die Sporen und mit ein, zwei, drei, vier, acht, zwanzig, ja, wer weiß mit wie viel braunen und blonden kichernden Weibern im Schlepptau ritt er fürbaß gen Nüremberg, wo der Magistrat schon an den Thoren stand, um den Kaiser zu empfangen und aus Schaam und Wuth schier verrückt zu werden meinte, als er zugleich mit dem Einzug des Kaisers auch das süße Gefolge seines Roßschwanzes passiren lassen mußte. Die Nüremberger Chronik setzt hinzu, daß die damaligen Festlichkeiten zu den verteufelt-fidelsten gehört hätten. Wie es der ehrliche Max mit den Weibern machte, so machte es König Friedrich Wilhelm mit dem Wein. Mit der Nagelprobe entzückte er den ganzen Gürzenich und dieselbe Rolle, die der steife Magistrat in Nüremberg spielte, sie wurde in Köln von den unbeholfenen Liberalen gespielt, die mit Schrecken sahen, wie ein König sogar im Stande ist, nur durch eine Nagelprobe sich alle Herzen wieder zu gewinnen und Alles vergessen zu machen, ja Alles, Alles, vom 18. März an bis auf den heutigen Tag. O geht und laßt Euch hängen ihr Demokraten, ihr dummen Republikaner! Was ist all' eure Berserkerwuth gegen die Nagelprobe eines klugen Königs? Dem Könige folgte der Erzherzog Reichsverweser. Das Glas erhebend sprach er: „Dem Fürsten, der eben meine Gesundheit ausbrachte, dem Könige von Preußen! und dem was an unserm Dom geschrieben steht: Eintracht und Ausdauer!“ Die beiden Fürsten umarmten und küßten sich; laut schallte der Jubel der Versammlung und ihre schwarz-weißen und schwarz-roth-goldnen Leidenschaften flutheten ineinander. Was wollt ihr mehr? Preußen ging in Deutschland, und Deutschland in Preußen auf in [Fortsetzung]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 81. Köln, 20. August 1848, S. 0407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz081_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.