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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 120. Köln, 19. Oktober 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 120. Köln, Donnerstag den 19. Oktober. 1848.

Aus Bensberg kommt uns die Klage zu, daß die "Neue Rheinische Zeitung" bis heute Morgen (bei Abgang der heutigen Post nach Köln) nicht angekommen ist. Wir erklären hiermit unseren Abonnenten, daß die "N. Rh. Ztg." so früh zur Post gebracht worden ist, um mit dem Postwagen, der 5 Uhr den Posthof verläßt, abgehen zu können.

Köln, den 17. Oktober 1848.

Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Wir erhalten die Nachricht, daß die "Neue Rheinische Zeitung" vom 17. d. M. am 17. Morgens noch nicht in Düsseldorf angekommen war, wiewohl dieselbe Montag vor Abgang des Bahnzuges, welcher Deutz 4 Uhr Nachmittags verläßt, dem Postkondukteur auf dem Deutzer Bahnhofe eingehändigt worden ist.

Unsere geehrten Abonnenten in Düsseldorf und Umgegend ersehen hieraus, daß nicht wir die Schuld dieser Nachläßigkeit tragen.

Köln, den 18. Oktober 1848.

Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Uebersicht.

Deutschland. Köln. Die F. O.-A.-Z. und die Wiener Revolution. - Antwort des Königs v. Preußen an die Deputation der N.-V. - Volksbelustigung. Stupp-Dumont.) Wien. (Bekanntmachungen. - Stellung der Armee. - Die Kroaten. - Chronologisches. - Wessenberg zu Prag. - Contrerevolutionäre Bewegung zu Prag. - Windisch-Grätz nach Ollmütz. - Geständnisse einer schönen Seele. (Recseys). - Reichstagssitzungen vom 13. Okt. - Aufruf der Polenlegion. - Wiener Korrespondenz v. 13. Okt. - Aufstand zu Prag. - Kampf zwischen Militär und Nationalgarde zu Ollmütz.) Frankfurt. N.-V. - Unruhen in Radetzkys Armee.

Italien. Turin. Erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. - Toskana und Genua. Unruhen. - Amnestie für Livorno. - Montonelli.

Schweiz. Lugano. (Aufhebung der östreich. Sperre gegen Tessin.)

Belgien. Brüssel. Die Independance und die Daily News.

Französische Republik. Paris. Vermischtes. - N.-V. - Unterschriften des Amnestievorschlags. - Die Reforme über die neuen Minister und die Polizei.

Spanien. Madrid. Vermischtes.

Großbritanien. London. Stand der Parteien. - Dublin. O'Brien. O'Donohoe.

Deutschland.
* Köln, 18. Okt.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 18. Oktober.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 18. October.

Wie man uns erzählt, begab sich gestern Abend ein musikalischer Ausschuß vor das Hotel des Volksrepräsentanten Stupp, um ihm durch eine soleune Abendunterhaltung die spezielle Bewunderung der heiligen Stadt Köln auf eine höchst eklatante Weise zu erkennen zu geben. Die Begeisterung des besagten Ausschusses war der Art feurig, daß ihn ein reichlich niederströmender Regen nicht zu dämpfen vermochte. In der That, jedes Mitglied des Ausschusses glich einem Almaviva! Vor dem Hotel Stupp angekommen, entrollte der Ausschuß seine Mäntel und ehe man sich's versah, hatte Jeder sein Instrument gefaßt, um das Seine an einer Jubel-Ouvertüre mitzuwirken, deren Töne "Stein erweichen, Menschen rasend machen kunnt." Schellenbäume, Schalmeien, Trommeln, Gießkannen, Sprachrohre, Hüfthörner, Rasseln, Triangeln, Töpfe, Schüsseln und Ofenpfannen waren miteinander in Thätigkeit. Herrlich rauschte die Melodie des Liedes aller Lieder, bald dem Brausen eines Orkanes, bald dem Todesröcheln eines verliebten Katers ähnlich. - - Von dem Hotel Stupp zog man nach dem Palast Dumont, um durch eine nicht weniger ergreifende Simphonie den Beweis zu liefern, daß man die Verdienste des Volksrepräsentanten Stupp und die Anstrengungen der intellektuellen Kraft DuMont gleich hoch zu schätzen wisse. Die Nachbarn der beiden Gefeierten würden sich noch lange über die Töne des feierlich-verhallenden Scandal's geärgert haben, wenn nicht plötzlich der Ruf: "Nieder mit den Volksverräthern!" eine freudig entgegengenommene Pointe der nächtlichen Festlichkeit gebildet hätte.

Wien, 13. Okt.

Sämmtliche Briefe aus Berlin und Wien sind ausgeblieben. Die Berichte, die wir dem Publikum mittheilen, sind Wiener Blättern entnommen.

Wir geben zunächst ein Resume der am 13. Oktober erlassenen Bekanntmachungen:

Kundmachung. Alle öffentlichen Kassen, alle Wohlthätigkeitsfonds und Institute, überhaupt alles öffentliche und Privateigenthum ist mit völliger Beruhigung dem in den schwierigsten Verhältnissen so glänzend bewährten Edelsinn des Wiener Volkes anvertraut, dessen schöner Wahlspruch ist und bleiben wird: "Heilig ist das Eigenthum!" Wien, den 13. Oktober 1848. Vom Reichstagsausschusse: Dr. Fischhof, Obmann. Franz Schuselka, Schriftführer.

Der Gemeinderath warnt die Garden vor einem unvorbereiteten isolirten Angriffe auf die vor den Linien stehenden Truppen.

Messenhauer, der prov. Oberkommandant, hat eine Proklamation "an die gesammte Volkswehr der Stadt Wien und Umgebung" erlassen, worin er namentlich auf die jetzt welthistorische Stellung der Volkswehr Wiens hinzeigt.

Wien, 13. Oktober 7 Uhr Morgens.

Die Armee scheint sich hinter Ingesdorf und Laa in der Ausdehnung bis Himberg oder Weltersdorf verschanzen zu wollen. Das Hauptkorp's Jellachich's hat sich hinter Simmering und dem Lagerwäldchen nach Laa gezogen. Dieses läßt vermuthen, daß die Vereinigung beider Truppenkorps gestern Nacht stattgefunden. hat. (Die "Kölnische Zeitung", wie sie Wien, nachdem sie die 24,000 "Gutgesinnten" (Stupp's und Dumont's) aus der Stadt geflüchtet, ruhig in Brand stecken ließ, zweifelt ebenso an der Vereinigung Auersperg's und Jellachich's in ihrer gestrigen Nummer. Wie anders erklärt sie den Rückzug Auersperg's aus seiner festen Position? Wir fürchten, sie wird militärische Kenntnisse entwickeln, wie bei Gelegenheit der Junirevolution, wo sie das ganze Faubourg St. Antoine unterminiren ließ.) Die Gesammtstärke der vereinigten Banditen beträgt 36-38,000 Mann, worunter mehrere 1000 irreguläre Truppen und andere, die mit dem Volke sympathisiren und bei einem ernsten Zusammenstoße zu ihm übertreten würden.

50,000 Mann Ungarn werden binnen 36 Stunden vor den Thoren Wien's erwartet. Mit ihnen vereint wird sich die Defensive in eine Offensive verwandeln. Die Banditen der "ordnungsmäßigen Freiheit" haben sich die hinter Mödling und Baden liegenden Gebirge zur Deckung des Rückens gewählt. Von dieser Seite her sind sie vom Landsturm bedroht.

Wien, 13. Oktbr.

Landleute, die aus den von Kroaten besetzten Ortschaften nach Wien kommen, erzählen schreckliche Geschichten von diesen wilden Horden. Uebrigens beweisen sich die Kroaten nur muthvoll, wo sie nicht mit bleiernen Pillen empfangen werden. Wo immer die Garde einer Ortschaft sich zur Gegenwehr setzt, dort sind sie so freundschaftlich gesinnt, ihr die Waffen zu belassen. Leider bereut es das Landvolk zu spät, daß sie den Landsturm nicht organisirt hatten und auf diese Art viele Dörfer entwaffnet wurden. Heute um 2 1/2 Uhr Nachmittags haben sich die Kroaten auch auf das rechte Ufer des Wiener-Neustädter Kanals über die Simmeringer Haide bis an die Donau-Ufer hinübergezogen. Alles deutet darauf hin, daß sie ihren Rückzug zu decken suchen, da sie in dem Kahlengebirge hinter Perchteldsdorf, Mödling, Baden und hinter Kalksburg den Landsturm wittern. Kommen die Ungarn noch zur rechten Zeit an, so werden die Kroaten durch ungarische und Wiener Freischaaren gänzlich aufgerieben werden; während im Gegentheile Wien von Auersperg, Jelachich und dem immer näher heranrückenden Windischgrätz mit einem militärischen Netze umstrickt würde, welches die mit so edlem Bürgerblute erkauften Freiheiten der Völker Oestreichs sehr leicht auf immer vernichten könnte. Die Lebhaftigkeit im kroatischen Lager war heute Nachmittags sehr bedeutend. Abtheilungen von Kavalleristen sprengten zu wiederholten Malen über Klederling nach Schwechat. Ja man sah sogar einzelne Abtheilungen von Reitern in der Stärke von 50 bis 150 Mann von Gramat-Neufiedl, Lanzendorf, Gutenhof ins Lager galloppiren. Es scheint, man befürchtet bereits die Ankunft der Ungarn und ist deshalb in lebhafter Besorgniß.

Möge recht bald die Stunde der Entscheidung kommen. Wien mit seinen 80,000 bis 100,000 bewaffneten tapfern Bürgern wird ein blutiges Wort zu Gunsten der Freiheit aller Völker mitsprechen. Ewig wird der Ruhm der von den Todten so glorreich auferstandenen Wiener in der Geschichte zur Nachahmung für alle Völker glänzen, die unter dem Joche der Tyrannei und des vielnamigen Aristokratismus seufzen.

Heute Morgens sind 700 bewaffnete Grätzer zum Schutze der Freiheit angekommen. Sie mußten sich unter vielen Schwierigkeiten durch das Kahlengebirg nach Wien durchwinden, weil auf der Gloggnitzer Bahn keine Trains mehr fahren dürfen und dieselbe von Sereschanern und Auerspergischen Truppen besetzt ist.

Schönbrunn, Hiezing, Penzing, St. Veit, Hezendorf, Mauer, Kaiser-Ebersdorf, Atzgersdorf, Brunn am Gebirge, Gumpoldskirchen sind noch in den Händen der aus unsern Finanzen bezahlten Soldaten, welche dem Reichstag nicht gehorchen.

Wien, 13. Okt.

Heute sind es sieben Monate, daß die Revolution in Wien begann; Morgen ist der Jahrestag des Abzugs Suleiman II. von Wien. 15,000 Bürger verjagten damals 250,000 Türken. - Hr. v. Wessenberg ist gleich nach seiner Ankunft in Prag in die Klubs gegangen und hielt natürlich Reden in contrerevolutionärem Sinne. - Prag ist von Ringer und andern czechischen Deputirten gegen Wien fanatisirt worden. Kaiser Ferdinand soll nach Prag auf immer eingeladen und als slavischer Kaiser proklamirt werden. Windischgrätz - die "wendische Krätze" - marschirt mit 10,000 Mann nach Ollmütz, woselbst er am 13. schon angekommen sein konnte.

Wien, 13. October.

Der auf der Universität in Verwahrung befindliche Exministerpräsident, Baron Recsey hat im Studentenausschusse folgende Erklärungen abgegeben:

1) Am 3. October wurde ich in den Ministerrath in die Staatskanzelei berufen, wo sie, außer dem Finanzminister Krauß, versammelt waren, nachdem ich zwei Tage früher die Stelle des Esterhazy zurückgewiesen hatte, weil es der Bathyany nicht contrasigniren wollte, so wie auch die Stelle des Kriegsministers. Als ich am 3. October eingeladen wurde in der Staatskanzelei in dem Ministerrathe zu erscheinen, wurde mir bekannt gemacht, daß Sr. Majestät mich zum Ministerpräsidenten von Ungarn ernenne wozu Se. Majestät berechtigt sind bis der Baron Vay beauftragt ist, ein Ministeristerium zusammenzusetzen, damit die Geschäfte nicht in Stockung gerathen. Ich erklärte in dem Augenblicke, daß ich mich auf keinen Fall für länger zu diesem Geschäfte werde verwenden lassen. Gleich wie ich das Unangenehme dieses Manifestes erfuhr, habe ich um meine Enthebung gebeten. Ich mußte aber unterschreiben, weil ich die Stelle angenommen hatte. Ich erklärte, daß ich mit der Unterschrift meine Exilirung aus meinem Vaterlande unterschreibe. Indessen wenn man so lange Militär ist, ist man das Gehorchen gewöhnt. Nach der Contrasignirung des Manifestes schickte ich einen eigenen Boten zu Sr. Majestät, um meine Demission einzureichen. Ich erhielt die gnädige Antwort, von meinem Posten enthoben zu sein, aber noch so lange die Geschäfte fortzuführen, bis der Baron Vay zurückgekehrt sei. Ich wiederhole, von Jugend auf an Subordination gewohnt, glaubte ich Sr. Majestät dieses nicht verweigern zu dürfen. Sobald ich aber die mißbilligenden Aeußerungen über das Manifest vernahm, habe ich nicht nur sogleich um meine Demission gebeten, sondern auch gebeten, Sr. Majestät geruht, das Manifest zu widerrufen. - Uebrigens erkläre ich, daß ich mit keiner Partei vom Hofe einverstanden bin. Ich bin in keiner Verbindung mit dem Erzherzog Franz Carl, und der Erzherzogin Sophie gewesen und ihnen nicht vorgestellt worden bei dieser Gelegenheit.

Ich bin mit dem Staatsrathe nicht in Berührung gekommen.

Ich habe das Concept, worin ich um die Zurücknahme des Manifestes bat, dem Parlament in Pesth zugesandt.

Ich habe zufällig erfahren, daß Jellachich in der Nähe von Wien sei, habe ihn also bloß aus Neigung besucht, weil ich ihn schon seit dem Jahre 1827 sehr gut kenne. Ich war nur 10 Minuten bei ihm, in dem Hause der Ritter.

Recsey m: p.

2) Ich erkläre hiermit frei und ungezwungen, bloß dem einzigen Schreiber dieses gegenüber, daß ich am 6. October 1848 von 10 1/2 Uhr bis 12 Uhr Vormistag in dem Kriegsgebäude bei dem versammelten vollzähligen Ministerrathe war.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 120. Köln, Donnerstag den 19. Oktober. 1848.

Aus Bensberg kommt uns die Klage zu, daß die „Neue Rheinische Zeitung“ bis heute Morgen (bei Abgang der heutigen Post nach Köln) nicht angekommen ist. Wir erklären hiermit unseren Abonnenten, daß die „N. Rh. Ztg.“ so früh zur Post gebracht worden ist, um mit dem Postwagen, der 5 Uhr den Posthof verläßt, abgehen zu können.

Köln, den 17. Oktober 1848.

Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Wir erhalten die Nachricht, daß die „Neue Rheinische Zeitung“ vom 17. d. M. am 17. Morgens noch nicht in Düsseldorf angekommen war, wiewohl dieselbe Montag vor Abgang des Bahnzuges, welcher Deutz 4 Uhr Nachmittags verläßt, dem Postkondukteur auf dem Deutzer Bahnhofe eingehändigt worden ist.

Unsere geehrten Abonnenten in Düsseldorf und Umgegend ersehen hieraus, daß nicht wir die Schuld dieser Nachläßigkeit tragen.

Köln, den 18. Oktober 1848.

Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Uebersicht.

Deutschland. Köln. Die F. O.-A.-Z. und die Wiener Revolution. ‒ Antwort des Königs v. Preußen an die Deputation der N.-V. ‒ Volksbelustigung. Stupp-Dumont.) Wien. (Bekanntmachungen. ‒ Stellung der Armee. ‒ Die Kroaten. ‒ Chronologisches. ‒ Wessenberg zu Prag. ‒ Contrerevolutionäre Bewegung zu Prag. ‒ Windisch-Grätz nach Ollmütz. ‒ Geständnisse einer schönen Seele. (Recseys). ‒ Reichstagssitzungen vom 13. Okt. ‒ Aufruf der Polenlegion. ‒ Wiener Korrespondenz v. 13. Okt. ‒ Aufstand zu Prag. ‒ Kampf zwischen Militär und Nationalgarde zu Ollmütz.) Frankfurt. N.-V. ‒ Unruhen in Radetzkys Armee.

Italien. Turin. Erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. ‒ Toskana und Genua. Unruhen. ‒ Amnestie für Livorno. ‒ Montonelli.

Schweiz. Lugano. (Aufhebung der östreich. Sperre gegen Tessin.)

Belgien. Brüssel. Die Independance und die Daily News.

Französische Republik. Paris. Vermischtes. ‒ N.-V. ‒ Unterschriften des Amnestievorschlags. ‒ Die Reforme über die neuen Minister und die Polizei.

Spanien. Madrid. Vermischtes.

Großbritanien. London. Stand der Parteien. ‒ Dublin. O'Brien. O'Donohoe.

Deutschland.
* Köln, 18. Okt.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 18. Oktober.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 18. October.

Wie man uns erzählt, begab sich gestern Abend ein musikalischer Ausschuß vor das Hotel des Volksrepräsentanten Stupp, um ihm durch eine soleune Abendunterhaltung die spezielle Bewunderung der heiligen Stadt Köln auf eine höchst eklatante Weise zu erkennen zu geben. Die Begeisterung des besagten Ausschusses war der Art feurig, daß ihn ein reichlich niederströmender Regen nicht zu dämpfen vermochte. In der That, jedes Mitglied des Ausschusses glich einem Almaviva! Vor dem Hotel Stupp angekommen, entrollte der Ausschuß seine Mäntel und ehe man sich's versah, hatte Jeder sein Instrument gefaßt, um das Seine an einer Jubel-Ouvertüre mitzuwirken, deren Töne „Stein erweichen, Menschen rasend machen kunnt.“ Schellenbäume, Schalmeien, Trommeln, Gießkannen, Sprachrohre, Hüfthörner, Rasseln, Triangeln, Töpfe, Schüsseln und Ofenpfannen waren miteinander in Thätigkeit. Herrlich rauschte die Melodie des Liedes aller Lieder, bald dem Brausen eines Orkanes, bald dem Todesröcheln eines verliebten Katers ähnlich. ‒ ‒ Von dem Hotel Stupp zog man nach dem Palast Dumont, um durch eine nicht weniger ergreifende Simphonie den Beweis zu liefern, daß man die Verdienste des Volksrepräsentanten Stupp und die Anstrengungen der intellektuellen Kraft DuMont gleich hoch zu schätzen wisse. Die Nachbarn der beiden Gefeierten würden sich noch lange über die Töne des feierlich-verhallenden Scandal's geärgert haben, wenn nicht plötzlich der Ruf: „Nieder mit den Volksverräthern!“ eine freudig entgegengenommene Pointe der nächtlichen Festlichkeit gebildet hätte.

Wien, 13. Okt.

Sämmtliche Briefe aus Berlin und Wien sind ausgeblieben. Die Berichte, die wir dem Publikum mittheilen, sind Wiener Blättern entnommen.

Wir geben zunächst ein Resumé der am 13. Oktober erlassenen Bekanntmachungen:

Kundmachung. Alle öffentlichen Kassen, alle Wohlthätigkeitsfonds und Institute, überhaupt alles öffentliche und Privateigenthum ist mit völliger Beruhigung dem in den schwierigsten Verhältnissen so glänzend bewährten Edelsinn des Wiener Volkes anvertraut, dessen schöner Wahlspruch ist und bleiben wird: „Heilig ist das Eigenthum!“ Wien, den 13. Oktober 1848. Vom Reichstagsausschusse: Dr. Fischhof, Obmann. Franz Schuselka, Schriftführer.

Der Gemeinderath warnt die Garden vor einem unvorbereiteten isolirten Angriffe auf die vor den Linien stehenden Truppen.

Messenhauer, der prov. Oberkommandant, hat eine Proklamation „an die gesammte Volkswehr der Stadt Wien und Umgebung“ erlassen, worin er namentlich auf die jetzt welthistorische Stellung der Volkswehr Wiens hinzeigt.

Wien, 13. Oktober 7 Uhr Morgens.

Die Armee scheint sich hinter Ingesdorf und Laa in der Ausdehnung bis Himberg oder Weltersdorf verschanzen zu wollen. Das Hauptkorp's Jellachich's hat sich hinter Simmering und dem Lagerwäldchen nach Laa gezogen. Dieses läßt vermuthen, daß die Vereinigung beider Truppenkorps gestern Nacht stattgefunden. hat. (Die „Kölnische Zeitung“, wie sie Wien, nachdem sie die 24,000 „Gutgesinnten“ (Stupp's und Dumont's) aus der Stadt geflüchtet, ruhig in Brand stecken ließ, zweifelt ebenso an der Vereinigung Auersperg's und Jellachich's in ihrer gestrigen Nummer. Wie anders erklärt sie den Rückzug Auersperg's aus seiner festen Position? Wir fürchten, sie wird militärische Kenntnisse entwickeln, wie bei Gelegenheit der Junirevolution, wo sie das ganze Faubourg St. Antoine unterminiren ließ.) Die Gesammtstärke der vereinigten Banditen beträgt 36-38,000 Mann, worunter mehrere 1000 irreguläre Truppen und andere, die mit dem Volke sympathisiren und bei einem ernsten Zusammenstoße zu ihm übertreten würden.

50,000 Mann Ungarn werden binnen 36 Stunden vor den Thoren Wien's erwartet. Mit ihnen vereint wird sich die Defensive in eine Offensive verwandeln. Die Banditen der „ordnungsmäßigen Freiheit“ haben sich die hinter Mödling und Baden liegenden Gebirge zur Deckung des Rückens gewählt. Von dieser Seite her sind sie vom Landsturm bedroht.

Wien, 13. Oktbr.

Landleute, die aus den von Kroaten besetzten Ortschaften nach Wien kommen, erzählen schreckliche Geschichten von diesen wilden Horden. Uebrigens beweisen sich die Kroaten nur muthvoll, wo sie nicht mit bleiernen Pillen empfangen werden. Wo immer die Garde einer Ortschaft sich zur Gegenwehr setzt, dort sind sie so freundschaftlich gesinnt, ihr die Waffen zu belassen. Leider bereut es das Landvolk zu spät, daß sie den Landsturm nicht organisirt hatten und auf diese Art viele Dörfer entwaffnet wurden. Heute um 2 1/2 Uhr Nachmittags haben sich die Kroaten auch auf das rechte Ufer des Wiener-Neustädter Kanals über die Simmeringer Haide bis an die Donau-Ufer hinübergezogen. Alles deutet darauf hin, daß sie ihren Rückzug zu decken suchen, da sie in dem Kahlengebirge hinter Perchteldsdorf, Mödling, Baden und hinter Kalksburg den Landsturm wittern. Kommen die Ungarn noch zur rechten Zeit an, so werden die Kroaten durch ungarische und Wiener Freischaaren gänzlich aufgerieben werden; während im Gegentheile Wien von Auersperg, Jelachich und dem immer näher heranrückenden Windischgrätz mit einem militärischen Netze umstrickt würde, welches die mit so edlem Bürgerblute erkauften Freiheiten der Völker Oestreichs sehr leicht auf immer vernichten könnte. Die Lebhaftigkeit im kroatischen Lager war heute Nachmittags sehr bedeutend. Abtheilungen von Kavalleristen sprengten zu wiederholten Malen über Klederling nach Schwechat. Ja man sah sogar einzelne Abtheilungen von Reitern in der Stärke von 50 bis 150 Mann von Gramat-Neufiedl, Lanzendorf, Gutenhof ins Lager galloppiren. Es scheint, man befürchtet bereits die Ankunft der Ungarn und ist deshalb in lebhafter Besorgniß.

Möge recht bald die Stunde der Entscheidung kommen. Wien mit seinen 80,000 bis 100,000 bewaffneten tapfern Bürgern wird ein blutiges Wort zu Gunsten der Freiheit aller Völker mitsprechen. Ewig wird der Ruhm der von den Todten so glorreich auferstandenen Wiener in der Geschichte zur Nachahmung für alle Völker glänzen, die unter dem Joche der Tyrannei und des vielnamigen Aristokratismus seufzen.

Heute Morgens sind 700 bewaffnete Grätzer zum Schutze der Freiheit angekommen. Sie mußten sich unter vielen Schwierigkeiten durch das Kahlengebirg nach Wien durchwinden, weil auf der Gloggnitzer Bahn keine Trains mehr fahren dürfen und dieselbe von Sereschanern und Auerspergischen Truppen besetzt ist.

Schönbrunn, Hiezing, Penzing, St. Veit, Hezendorf, Mauer, Kaiser-Ebersdorf, Atzgersdorf, Brunn am Gebirge, Gumpoldskirchen sind noch in den Händen der aus unsern Finanzen bezahlten Soldaten, welche dem Reichstag nicht gehorchen.

Wien, 13. Okt.

Heute sind es sieben Monate, daß die Revolution in Wien begann; Morgen ist der Jahrestag des Abzugs Suleiman II. von Wien. 15,000 Bürger verjagten damals 250,000 Türken. ‒ Hr. v. Wessenberg ist gleich nach seiner Ankunft in Prag in die Klubs gegangen und hielt natürlich Reden in contrerevolutionärem Sinne. ‒ Prag ist von Ringer und andern czechischen Deputirten gegen Wien fanatisirt worden. Kaiser Ferdinand soll nach Prag auf immer eingeladen und als slavischer Kaiser proklamirt werden. Windischgrätz ‒ die „wendische Krätze“ ‒ marschirt mit 10,000 Mann nach Ollmütz, woselbst er am 13. schon angekommen sein konnte.

Wien, 13. October.

Der auf der Universität in Verwahrung befindliche Exministerpräsident, Baron Recsey hat im Studentenausschusse folgende Erklärungen abgegeben:

1) Am 3. October wurde ich in den Ministerrath in die Staatskanzelei berufen, wo sie, außer dem Finanzminister Krauß, versammelt waren, nachdem ich zwei Tage früher die Stelle des Esterhazy zurückgewiesen hatte, weil es der Bathyany nicht contrasigniren wollte, so wie auch die Stelle des Kriegsministers. Als ich am 3. October eingeladen wurde in der Staatskanzelei in dem Ministerrathe zu erscheinen, wurde mir bekannt gemacht, daß Sr. Majestät mich zum Ministerpräsidenten von Ungarn ernenne wozu Se. Majestät berechtigt sind bis der Baron Vay beauftragt ist, ein Ministeristerium zusammenzusetzen, damit die Geschäfte nicht in Stockung gerathen. Ich erklärte in dem Augenblicke, daß ich mich auf keinen Fall für länger zu diesem Geschäfte werde verwenden lassen. Gleich wie ich das Unangenehme dieses Manifestes erfuhr, habe ich um meine Enthebung gebeten. Ich mußte aber unterschreiben, weil ich die Stelle angenommen hatte. Ich erklärte, daß ich mit der Unterschrift meine Exilirung aus meinem Vaterlande unterschreibe. Indessen wenn man so lange Militär ist, ist man das Gehorchen gewöhnt. Nach der Contrasignirung des Manifestes schickte ich einen eigenen Boten zu Sr. Majestät, um meine Demission einzureichen. Ich erhielt die gnädige Antwort, von meinem Posten enthoben zu sein, aber noch so lange die Geschäfte fortzuführen, bis der Baron Vay zurückgekehrt sei. Ich wiederhole, von Jugend auf an Subordination gewohnt, glaubte ich Sr. Majestät dieses nicht verweigern zu dürfen. Sobald ich aber die mißbilligenden Aeußerungen über das Manifest vernahm, habe ich nicht nur sogleich um meine Demission gebeten, sondern auch gebeten, Sr. Majestät geruht, das Manifest zu widerrufen. ‒ Uebrigens erkläre ich, daß ich mit keiner Partei vom Hofe einverstanden bin. Ich bin in keiner Verbindung mit dem Erzherzog Franz Carl, und der Erzherzogin Sophie gewesen und ihnen nicht vorgestellt worden bei dieser Gelegenheit.

Ich bin mit dem Staatsrathe nicht in Berührung gekommen.

Ich habe das Concept, worin ich um die Zurücknahme des Manifestes bat, dem Parlament in Pesth zugesandt.

Ich habe zufällig erfahren, daß Jellachich in der Nähe von Wien sei, habe ihn also bloß aus Neigung besucht, weil ich ihn schon seit dem Jahre 1827 sehr gut kenne. Ich war nur 10 Minuten bei ihm, in dem Hause der Ritter.

Recsey m: p.

2) Ich erkläre hiermit frei und ungezwungen, bloß dem einzigen Schreiber dieses gegenüber, daß ich am 6. October 1848 von 10 1/2 Uhr bis 12 Uhr Vormistag in dem Kriegsgebäude bei dem versammelten vollzähligen Ministerrathe war.

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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 18. October.</head>
          <p>Wie man uns erzählt, begab sich gestern Abend ein musikalischer Ausschuß vor das Hotel des Volksrepräsentanten <hi rendition="#g">Stupp,</hi> um ihm durch eine soleune Abendunterhaltung die spezielle Bewunderung der heiligen Stadt Köln auf eine höchst eklatante Weise zu erkennen zu geben. Die Begeisterung des besagten Ausschusses war der Art feurig, daß ihn ein reichlich niederströmender Regen nicht zu dämpfen vermochte. In der That, jedes Mitglied des Ausschusses glich einem Almaviva! Vor dem Hotel Stupp angekommen, entrollte der Ausschuß seine Mäntel und ehe man sich's versah, hatte Jeder sein Instrument gefaßt, um das Seine an einer Jubel-Ouvertüre mitzuwirken, deren Töne &#x201E;Stein erweichen, Menschen rasend machen kunnt.&#x201C; Schellenbäume, Schalmeien, Trommeln, Gießkannen, Sprachrohre, Hüfthörner, Rasseln, Triangeln, Töpfe, Schüsseln und Ofenpfannen waren miteinander in Thätigkeit. Herrlich rauschte die Melodie des Liedes aller Lieder, bald dem Brausen eines Orkanes, bald dem Todesröcheln eines verliebten Katers ähnlich. &#x2012; &#x2012; Von dem Hotel Stupp zog man nach dem Palast <hi rendition="#g">Dumont,</hi> um durch eine nicht weniger ergreifende Simphonie den Beweis zu liefern, daß man die Verdienste des Volksrepräsentanten Stupp und die Anstrengungen der intellektuellen Kraft DuMont gleich hoch zu schätzen wisse. Die Nachbarn der beiden Gefeierten würden sich noch lange über die Töne des feierlich-verhallenden Scandal's geärgert haben, wenn nicht plötzlich der Ruf: &#x201E;<hi rendition="#g">Nieder mit den Volksverräthern!</hi>&#x201C; eine freudig entgegengenommene Pointe der nächtlichen Festlichkeit gebildet hätte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar120_004" type="jArticle">
          <head>Wien, 13. Okt.</head>
          <p><hi rendition="#g">Sämmtliche Briefe aus Berlin und Wien sind ausgeblieben.</hi> Die Berichte, die wir dem Publikum mittheilen, sind Wiener Blättern entnommen.</p>
          <p>Wir geben zunächst ein Resumé der am 13. Oktober erlassenen Bekanntmachungen:</p>
          <p><hi rendition="#g">Kundmachung.</hi> Alle öffentlichen Kassen, alle Wohlthätigkeitsfonds und Institute, überhaupt alles öffentliche und Privateigenthum ist mit völliger Beruhigung dem in den schwierigsten Verhältnissen so glänzend bewährten Edelsinn des Wiener Volkes anvertraut, dessen schöner Wahlspruch ist und bleiben wird: &#x201E;Heilig ist das Eigenthum!&#x201C; Wien, den 13. Oktober 1848. Vom Reichstagsausschusse: Dr. Fischhof, Obmann. Franz Schuselka, Schriftführer.</p>
          <p>Der Gemeinderath warnt die Garden vor einem unvorbereiteten isolirten Angriffe auf die vor den Linien stehenden Truppen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Messenhauer,</hi> der prov. Oberkommandant, hat eine Proklamation &#x201E;an die gesammte Volkswehr der Stadt Wien und Umgebung&#x201C; erlassen, worin er namentlich auf die jetzt welthistorische Stellung der Volkswehr Wiens hinzeigt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar120_005" type="jArticle">
          <head>Wien, 13. Oktober 7 Uhr Morgens.</head>
          <p>Die Armee scheint sich hinter Ingesdorf und Laa in der Ausdehnung bis Himberg oder Weltersdorf verschanzen zu wollen. Das Hauptkorp's Jellachich's hat sich hinter Simmering und dem Lagerwäldchen nach Laa gezogen. Dieses läßt vermuthen, daß <hi rendition="#g">die Vereinigung beider Truppenkorps gestern Nacht stattgefunden. hat.</hi> (Die &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C;, wie sie Wien, nachdem sie die 24,000 &#x201E;Gutgesinnten&#x201C; (Stupp's und Dumont's) aus der Stadt geflüchtet, ruhig in Brand stecken ließ, <hi rendition="#g">zweifelt</hi> ebenso an der <hi rendition="#g">Vereinigung</hi> Auersperg's und Jellachich's in ihrer gestrigen Nummer. Wie anders erklärt sie den Rückzug Auersperg's aus seiner festen Position? Wir fürchten, sie wird militärische Kenntnisse entwickeln, wie bei Gelegenheit der Junirevolution, wo sie das <hi rendition="#g">ganze Faubourg St. Antoine unterminiren</hi> ließ.) Die Gesammtstärke der vereinigten Banditen beträgt 36-38,000 Mann, worunter mehrere 1000 irreguläre Truppen und andere, die mit dem Volke sympathisiren und bei einem ernsten Zusammenstoße zu ihm übertreten würden.</p>
          <p>50,000 Mann Ungarn werden binnen 36 Stunden vor den Thoren Wien's erwartet. Mit ihnen vereint wird sich die Defensive in eine Offensive verwandeln. Die Banditen der &#x201E;ordnungsmäßigen Freiheit&#x201C; haben sich die hinter Mödling und Baden liegenden Gebirge zur Deckung des Rückens gewählt. Von dieser Seite her sind sie vom Landsturm bedroht.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar120_006" type="jArticle">
          <head>Wien, 13. Oktbr.</head>
          <p>Landleute, die aus den von Kroaten besetzten Ortschaften nach Wien kommen, erzählen schreckliche Geschichten von diesen wilden Horden. Uebrigens beweisen sich die Kroaten nur muthvoll, wo sie nicht mit bleiernen Pillen empfangen werden. Wo immer die Garde einer Ortschaft sich zur Gegenwehr setzt, dort sind sie so freundschaftlich gesinnt, ihr die Waffen zu belassen. Leider bereut es das Landvolk zu spät, daß sie den Landsturm nicht organisirt hatten und auf diese Art viele Dörfer entwaffnet wurden. Heute um 2 1/2 Uhr Nachmittags haben sich die Kroaten auch auf das rechte Ufer des Wiener-Neustädter Kanals über die Simmeringer Haide bis an die Donau-Ufer hinübergezogen. Alles deutet darauf hin, daß sie ihren Rückzug zu decken suchen, da sie in dem Kahlengebirge hinter Perchteldsdorf, Mödling, Baden und hinter Kalksburg den Landsturm wittern. Kommen die Ungarn noch zur rechten Zeit an, so werden die Kroaten durch ungarische und Wiener Freischaaren gänzlich aufgerieben werden; während im Gegentheile Wien von Auersperg, Jelachich und dem immer näher heranrückenden Windischgrätz mit einem militärischen Netze umstrickt würde, welches die mit so edlem Bürgerblute erkauften Freiheiten der Völker Oestreichs sehr leicht auf immer vernichten könnte. Die Lebhaftigkeit im kroatischen Lager war heute Nachmittags sehr bedeutend. Abtheilungen von Kavalleristen sprengten zu wiederholten Malen über Klederling nach Schwechat. Ja man sah sogar einzelne Abtheilungen von Reitern in der Stärke von 50 bis 150 Mann von Gramat-Neufiedl, Lanzendorf, Gutenhof ins Lager galloppiren. Es scheint, man befürchtet bereits die Ankunft der Ungarn und ist deshalb in lebhafter Besorgniß.</p>
          <p>Möge recht bald die Stunde der Entscheidung kommen. Wien mit seinen 80,000 bis 100,000 bewaffneten tapfern Bürgern wird ein blutiges Wort zu Gunsten der Freiheit aller Völker mitsprechen. Ewig wird der Ruhm der von den Todten so glorreich auferstandenen Wiener in der Geschichte zur Nachahmung für alle Völker glänzen, die unter dem Joche der Tyrannei und des vielnamigen Aristokratismus seufzen.</p>
          <p>Heute Morgens sind 700 bewaffnete Grätzer zum Schutze der Freiheit angekommen. Sie mußten sich unter vielen Schwierigkeiten durch das Kahlengebirg nach Wien durchwinden, weil auf der Gloggnitzer Bahn keine Trains mehr fahren dürfen und dieselbe von Sereschanern und Auerspergischen Truppen besetzt ist.</p>
          <p>Schönbrunn, Hiezing, Penzing, St. Veit, Hezendorf, Mauer, Kaiser-Ebersdorf, Atzgersdorf, Brunn am Gebirge, Gumpoldskirchen sind noch in den Händen der aus unsern Finanzen bezahlten Soldaten, welche dem Reichstag nicht gehorchen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar120_007" type="jArticle">
          <head>Wien, 13. Okt.</head>
          <p>Heute sind es sieben Monate, daß die Revolution in Wien begann; Morgen ist der Jahrestag des Abzugs Suleiman II. von Wien. 15,000 Bürger verjagten damals 250,000 Türken. &#x2012; Hr. v. Wessenberg ist gleich nach seiner Ankunft in Prag in die Klubs gegangen und hielt natürlich Reden in contrerevolutionärem Sinne. &#x2012; Prag ist von Ringer und andern czechischen Deputirten gegen Wien fanatisirt worden. Kaiser Ferdinand soll nach Prag auf immer eingeladen und als <hi rendition="#g">slavischer</hi> Kaiser proklamirt werden. Windischgrätz &#x2012; die &#x201E;<hi rendition="#g">wendische Krätze</hi>&#x201C; &#x2012; marschirt mit 10,000 Mann nach Ollmütz, woselbst er am 13. schon angekommen sein konnte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar120_008" type="jArticle">
          <head>Wien, 13. October.</head>
          <p>Der auf der Universität in Verwahrung befindliche Exministerpräsident, Baron Recsey hat im Studentenausschusse folgende Erklärungen abgegeben:</p>
          <p>1) Am 3. October wurde ich in den Ministerrath in die Staatskanzelei berufen, wo sie, außer dem Finanzminister Krauß, versammelt waren, nachdem ich zwei Tage früher die Stelle des Esterhazy zurückgewiesen hatte, weil es der Bathyany nicht contrasigniren wollte, so wie auch die Stelle des Kriegsministers. Als ich am 3. October eingeladen wurde in der Staatskanzelei in dem Ministerrathe zu erscheinen, wurde mir bekannt gemacht, daß Sr. Majestät mich zum Ministerpräsidenten von Ungarn ernenne wozu Se. Majestät berechtigt sind bis der Baron Vay beauftragt ist, ein Ministeristerium zusammenzusetzen, damit die Geschäfte nicht in Stockung gerathen. Ich erklärte in dem Augenblicke, daß ich mich auf keinen Fall für länger zu diesem Geschäfte werde verwenden lassen. Gleich wie ich das Unangenehme dieses Manifestes erfuhr, habe ich um meine Enthebung gebeten. Ich mußte aber unterschreiben, weil ich die Stelle angenommen hatte. Ich erklärte, daß ich mit der Unterschrift meine Exilirung aus meinem Vaterlande unterschreibe. Indessen wenn man so lange Militär ist, ist man das Gehorchen gewöhnt. Nach der Contrasignirung des Manifestes schickte ich einen eigenen Boten zu Sr. Majestät, um meine Demission einzureichen. Ich erhielt die gnädige Antwort, von meinem Posten enthoben zu sein, aber noch so lange die Geschäfte fortzuführen, bis der Baron Vay zurückgekehrt sei. Ich wiederhole, von Jugend auf an Subordination gewohnt, glaubte ich Sr. Majestät dieses nicht verweigern zu dürfen. Sobald ich aber die mißbilligenden Aeußerungen über das Manifest vernahm, habe ich nicht nur sogleich um meine Demission gebeten, sondern auch gebeten, Sr. Majestät geruht, das Manifest zu widerrufen. &#x2012; Uebrigens erkläre ich, daß ich mit keiner Partei vom Hofe einverstanden bin. Ich bin in keiner Verbindung mit dem Erzherzog Franz Carl, und der Erzherzogin Sophie gewesen und ihnen nicht vorgestellt worden bei dieser Gelegenheit.</p>
          <p>Ich bin mit dem Staatsrathe nicht in Berührung gekommen.</p>
          <p>Ich habe das Concept, worin ich um die Zurücknahme des Manifestes bat, dem Parlament in Pesth zugesandt.</p>
          <p>Ich habe zufällig erfahren, daß Jellachich in der Nähe von Wien sei, habe ihn also bloß aus Neigung besucht, weil ich ihn schon seit dem Jahre 1827 sehr gut kenne. Ich war nur 10 Minuten bei ihm, in dem Hause der Ritter.</p>
          <p>Recsey m: p.</p>
          <p>2) Ich erkläre hiermit frei und ungezwungen, bloß dem einzigen Schreiber dieses gegenüber, daß ich am 6. October 1848 von 10 1/2 Uhr bis 12 Uhr Vormistag in dem Kriegsgebäude bei dem versammelten vollzähligen Ministerrathe war.</p>
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</TEI>
[0601/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 120. Köln, Donnerstag den 19. Oktober. 1848. Aus Bensberg kommt uns die Klage zu, daß die „Neue Rheinische Zeitung“ bis heute Morgen (bei Abgang der heutigen Post nach Köln) nicht angekommen ist. Wir erklären hiermit unseren Abonnenten, daß die „N. Rh. Ztg.“ so früh zur Post gebracht worden ist, um mit dem Postwagen, der 5 Uhr den Posthof verläßt, abgehen zu können. Köln, den 17. Oktober 1848. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Wir erhalten die Nachricht, daß die „Neue Rheinische Zeitung“ vom 17. d. M. am 17. Morgens noch nicht in Düsseldorf angekommen war, wiewohl dieselbe Montag vor Abgang des Bahnzuges, welcher Deutz 4 Uhr Nachmittags verläßt, dem Postkondukteur auf dem Deutzer Bahnhofe eingehändigt worden ist. Unsere geehrten Abonnenten in Düsseldorf und Umgegend ersehen hieraus, daß nicht wir die Schuld dieser Nachläßigkeit tragen. Köln, den 18. Oktober 1848. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Uebersicht. Deutschland. Köln. Die F. O.-A.-Z. und die Wiener Revolution. ‒ Antwort des Königs v. Preußen an die Deputation der N.-V. ‒ Volksbelustigung. Stupp-Dumont.) Wien. (Bekanntmachungen. ‒ Stellung der Armee. ‒ Die Kroaten. ‒ Chronologisches. ‒ Wessenberg zu Prag. ‒ Contrerevolutionäre Bewegung zu Prag. ‒ Windisch-Grätz nach Ollmütz. ‒ Geständnisse einer schönen Seele. (Recseys). ‒ Reichstagssitzungen vom 13. Okt. ‒ Aufruf der Polenlegion. ‒ Wiener Korrespondenz v. 13. Okt. ‒ Aufstand zu Prag. ‒ Kampf zwischen Militär und Nationalgarde zu Ollmütz.) Frankfurt. N.-V. ‒ Unruhen in Radetzkys Armee. Italien. Turin. Erste Sitzung des Kongresses der italienischen Ligue. ‒ Toskana und Genua. Unruhen. ‒ Amnestie für Livorno. ‒ Montonelli. Schweiz. Lugano. (Aufhebung der östreich. Sperre gegen Tessin.) Belgien. Brüssel. Die Independance und die Daily News. Französische Republik. Paris. Vermischtes. ‒ N.-V. ‒ Unterschriften des Amnestievorschlags. ‒ Die Reforme über die neuen Minister und die Polizei. Spanien. Madrid. Vermischtes. Großbritanien. London. Stand der Parteien. ‒ Dublin. O'Brien. O'Donohoe. Deutschland. * Köln, 18. Okt. _ * Köln, 18. Oktober. _ * Köln, 18. October. Wie man uns erzählt, begab sich gestern Abend ein musikalischer Ausschuß vor das Hotel des Volksrepräsentanten Stupp, um ihm durch eine soleune Abendunterhaltung die spezielle Bewunderung der heiligen Stadt Köln auf eine höchst eklatante Weise zu erkennen zu geben. Die Begeisterung des besagten Ausschusses war der Art feurig, daß ihn ein reichlich niederströmender Regen nicht zu dämpfen vermochte. In der That, jedes Mitglied des Ausschusses glich einem Almaviva! Vor dem Hotel Stupp angekommen, entrollte der Ausschuß seine Mäntel und ehe man sich's versah, hatte Jeder sein Instrument gefaßt, um das Seine an einer Jubel-Ouvertüre mitzuwirken, deren Töne „Stein erweichen, Menschen rasend machen kunnt.“ Schellenbäume, Schalmeien, Trommeln, Gießkannen, Sprachrohre, Hüfthörner, Rasseln, Triangeln, Töpfe, Schüsseln und Ofenpfannen waren miteinander in Thätigkeit. Herrlich rauschte die Melodie des Liedes aller Lieder, bald dem Brausen eines Orkanes, bald dem Todesröcheln eines verliebten Katers ähnlich. ‒ ‒ Von dem Hotel Stupp zog man nach dem Palast Dumont, um durch eine nicht weniger ergreifende Simphonie den Beweis zu liefern, daß man die Verdienste des Volksrepräsentanten Stupp und die Anstrengungen der intellektuellen Kraft DuMont gleich hoch zu schätzen wisse. Die Nachbarn der beiden Gefeierten würden sich noch lange über die Töne des feierlich-verhallenden Scandal's geärgert haben, wenn nicht plötzlich der Ruf: „Nieder mit den Volksverräthern!“ eine freudig entgegengenommene Pointe der nächtlichen Festlichkeit gebildet hätte. Wien, 13. Okt. Sämmtliche Briefe aus Berlin und Wien sind ausgeblieben. Die Berichte, die wir dem Publikum mittheilen, sind Wiener Blättern entnommen. Wir geben zunächst ein Resumé der am 13. Oktober erlassenen Bekanntmachungen: Kundmachung. Alle öffentlichen Kassen, alle Wohlthätigkeitsfonds und Institute, überhaupt alles öffentliche und Privateigenthum ist mit völliger Beruhigung dem in den schwierigsten Verhältnissen so glänzend bewährten Edelsinn des Wiener Volkes anvertraut, dessen schöner Wahlspruch ist und bleiben wird: „Heilig ist das Eigenthum!“ Wien, den 13. Oktober 1848. Vom Reichstagsausschusse: Dr. Fischhof, Obmann. Franz Schuselka, Schriftführer. Der Gemeinderath warnt die Garden vor einem unvorbereiteten isolirten Angriffe auf die vor den Linien stehenden Truppen. Messenhauer, der prov. Oberkommandant, hat eine Proklamation „an die gesammte Volkswehr der Stadt Wien und Umgebung“ erlassen, worin er namentlich auf die jetzt welthistorische Stellung der Volkswehr Wiens hinzeigt. Wien, 13. Oktober 7 Uhr Morgens. Die Armee scheint sich hinter Ingesdorf und Laa in der Ausdehnung bis Himberg oder Weltersdorf verschanzen zu wollen. Das Hauptkorp's Jellachich's hat sich hinter Simmering und dem Lagerwäldchen nach Laa gezogen. Dieses läßt vermuthen, daß die Vereinigung beider Truppenkorps gestern Nacht stattgefunden. hat. (Die „Kölnische Zeitung“, wie sie Wien, nachdem sie die 24,000 „Gutgesinnten“ (Stupp's und Dumont's) aus der Stadt geflüchtet, ruhig in Brand stecken ließ, zweifelt ebenso an der Vereinigung Auersperg's und Jellachich's in ihrer gestrigen Nummer. Wie anders erklärt sie den Rückzug Auersperg's aus seiner festen Position? Wir fürchten, sie wird militärische Kenntnisse entwickeln, wie bei Gelegenheit der Junirevolution, wo sie das ganze Faubourg St. Antoine unterminiren ließ.) Die Gesammtstärke der vereinigten Banditen beträgt 36-38,000 Mann, worunter mehrere 1000 irreguläre Truppen und andere, die mit dem Volke sympathisiren und bei einem ernsten Zusammenstoße zu ihm übertreten würden. 50,000 Mann Ungarn werden binnen 36 Stunden vor den Thoren Wien's erwartet. Mit ihnen vereint wird sich die Defensive in eine Offensive verwandeln. Die Banditen der „ordnungsmäßigen Freiheit“ haben sich die hinter Mödling und Baden liegenden Gebirge zur Deckung des Rückens gewählt. Von dieser Seite her sind sie vom Landsturm bedroht. Wien, 13. Oktbr. Landleute, die aus den von Kroaten besetzten Ortschaften nach Wien kommen, erzählen schreckliche Geschichten von diesen wilden Horden. Uebrigens beweisen sich die Kroaten nur muthvoll, wo sie nicht mit bleiernen Pillen empfangen werden. Wo immer die Garde einer Ortschaft sich zur Gegenwehr setzt, dort sind sie so freundschaftlich gesinnt, ihr die Waffen zu belassen. Leider bereut es das Landvolk zu spät, daß sie den Landsturm nicht organisirt hatten und auf diese Art viele Dörfer entwaffnet wurden. Heute um 2 1/2 Uhr Nachmittags haben sich die Kroaten auch auf das rechte Ufer des Wiener-Neustädter Kanals über die Simmeringer Haide bis an die Donau-Ufer hinübergezogen. Alles deutet darauf hin, daß sie ihren Rückzug zu decken suchen, da sie in dem Kahlengebirge hinter Perchteldsdorf, Mödling, Baden und hinter Kalksburg den Landsturm wittern. Kommen die Ungarn noch zur rechten Zeit an, so werden die Kroaten durch ungarische und Wiener Freischaaren gänzlich aufgerieben werden; während im Gegentheile Wien von Auersperg, Jelachich und dem immer näher heranrückenden Windischgrätz mit einem militärischen Netze umstrickt würde, welches die mit so edlem Bürgerblute erkauften Freiheiten der Völker Oestreichs sehr leicht auf immer vernichten könnte. Die Lebhaftigkeit im kroatischen Lager war heute Nachmittags sehr bedeutend. Abtheilungen von Kavalleristen sprengten zu wiederholten Malen über Klederling nach Schwechat. Ja man sah sogar einzelne Abtheilungen von Reitern in der Stärke von 50 bis 150 Mann von Gramat-Neufiedl, Lanzendorf, Gutenhof ins Lager galloppiren. Es scheint, man befürchtet bereits die Ankunft der Ungarn und ist deshalb in lebhafter Besorgniß. Möge recht bald die Stunde der Entscheidung kommen. Wien mit seinen 80,000 bis 100,000 bewaffneten tapfern Bürgern wird ein blutiges Wort zu Gunsten der Freiheit aller Völker mitsprechen. Ewig wird der Ruhm der von den Todten so glorreich auferstandenen Wiener in der Geschichte zur Nachahmung für alle Völker glänzen, die unter dem Joche der Tyrannei und des vielnamigen Aristokratismus seufzen. Heute Morgens sind 700 bewaffnete Grätzer zum Schutze der Freiheit angekommen. Sie mußten sich unter vielen Schwierigkeiten durch das Kahlengebirg nach Wien durchwinden, weil auf der Gloggnitzer Bahn keine Trains mehr fahren dürfen und dieselbe von Sereschanern und Auerspergischen Truppen besetzt ist. Schönbrunn, Hiezing, Penzing, St. Veit, Hezendorf, Mauer, Kaiser-Ebersdorf, Atzgersdorf, Brunn am Gebirge, Gumpoldskirchen sind noch in den Händen der aus unsern Finanzen bezahlten Soldaten, welche dem Reichstag nicht gehorchen. Wien, 13. Okt. Heute sind es sieben Monate, daß die Revolution in Wien begann; Morgen ist der Jahrestag des Abzugs Suleiman II. von Wien. 15,000 Bürger verjagten damals 250,000 Türken. ‒ Hr. v. Wessenberg ist gleich nach seiner Ankunft in Prag in die Klubs gegangen und hielt natürlich Reden in contrerevolutionärem Sinne. ‒ Prag ist von Ringer und andern czechischen Deputirten gegen Wien fanatisirt worden. Kaiser Ferdinand soll nach Prag auf immer eingeladen und als slavischer Kaiser proklamirt werden. Windischgrätz ‒ die „wendische Krätze“ ‒ marschirt mit 10,000 Mann nach Ollmütz, woselbst er am 13. schon angekommen sein konnte. Wien, 13. October. Der auf der Universität in Verwahrung befindliche Exministerpräsident, Baron Recsey hat im Studentenausschusse folgende Erklärungen abgegeben: 1) Am 3. October wurde ich in den Ministerrath in die Staatskanzelei berufen, wo sie, außer dem Finanzminister Krauß, versammelt waren, nachdem ich zwei Tage früher die Stelle des Esterhazy zurückgewiesen hatte, weil es der Bathyany nicht contrasigniren wollte, so wie auch die Stelle des Kriegsministers. Als ich am 3. October eingeladen wurde in der Staatskanzelei in dem Ministerrathe zu erscheinen, wurde mir bekannt gemacht, daß Sr. Majestät mich zum Ministerpräsidenten von Ungarn ernenne wozu Se. Majestät berechtigt sind bis der Baron Vay beauftragt ist, ein Ministeristerium zusammenzusetzen, damit die Geschäfte nicht in Stockung gerathen. Ich erklärte in dem Augenblicke, daß ich mich auf keinen Fall für länger zu diesem Geschäfte werde verwenden lassen. Gleich wie ich das Unangenehme dieses Manifestes erfuhr, habe ich um meine Enthebung gebeten. Ich mußte aber unterschreiben, weil ich die Stelle angenommen hatte. Ich erklärte, daß ich mit der Unterschrift meine Exilirung aus meinem Vaterlande unterschreibe. Indessen wenn man so lange Militär ist, ist man das Gehorchen gewöhnt. Nach der Contrasignirung des Manifestes schickte ich einen eigenen Boten zu Sr. Majestät, um meine Demission einzureichen. Ich erhielt die gnädige Antwort, von meinem Posten enthoben zu sein, aber noch so lange die Geschäfte fortzuführen, bis der Baron Vay zurückgekehrt sei. Ich wiederhole, von Jugend auf an Subordination gewohnt, glaubte ich Sr. Majestät dieses nicht verweigern zu dürfen. Sobald ich aber die mißbilligenden Aeußerungen über das Manifest vernahm, habe ich nicht nur sogleich um meine Demission gebeten, sondern auch gebeten, Sr. Majestät geruht, das Manifest zu widerrufen. ‒ Uebrigens erkläre ich, daß ich mit keiner Partei vom Hofe einverstanden bin. Ich bin in keiner Verbindung mit dem Erzherzog Franz Carl, und der Erzherzogin Sophie gewesen und ihnen nicht vorgestellt worden bei dieser Gelegenheit. Ich bin mit dem Staatsrathe nicht in Berührung gekommen. Ich habe das Concept, worin ich um die Zurücknahme des Manifestes bat, dem Parlament in Pesth zugesandt. Ich habe zufällig erfahren, daß Jellachich in der Nähe von Wien sei, habe ihn also bloß aus Neigung besucht, weil ich ihn schon seit dem Jahre 1827 sehr gut kenne. Ich war nur 10 Minuten bei ihm, in dem Hause der Ritter. Recsey m: p. 2) Ich erkläre hiermit frei und ungezwungen, bloß dem einzigen Schreiber dieses gegenüber, daß ich am 6. October 1848 von 10 1/2 Uhr bis 12 Uhr Vormistag in dem Kriegsgebäude bei dem versammelten vollzähligen Ministerrathe war.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 120. Köln, 19. Oktober 1848, S. 0601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz120_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.