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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 150. Köln, 23. November 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 150. Köln, Donnerstag den 23. November. 1848.

Den auswärtigen Freunden der "Neuen Rheinischen Zeitung" zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf.

Köln, 16. November 1848. Die Expedition der "N. Rh. Ztg."

Keine Steuern mehr!!!

Uebersicht.

Deutschland. Köln (Die Frankfurter Versammlung. -- Eine Deputation bei Hrn. Ober-Prokorator Zweiffel. -- Der Stadtrath. -- Schneider II.) Düsseldorf. (Im Belagerungszustand. -- Kölnische Zeitung.) Berlin. (Die Nationalversammlung. -- Waffenabholung -- Wrangel. Milde. -- Steuerverweigerung. -- Pinders Erklärung. -- Flugschrift der Reaktion. -- Der Oberappellations-Senat. -- Schlesien. -- Die Schloßgitter. -- Transaktionsgerüchte. -- Die Truppenmacht. -- Der Belagerungszustand. -- Audienz schlesischer Bauerr. -- Brandenburg. -- Militär nach Schlesien.) Wien. (Messenhausen. -- Stimmung der Bevölkerung. -- Verschiedenes.) Frankfurt. (Die Nationalversammlung, Verhandlung vom 20. Novbr. Proklamation der Linken.) Minden. (Volksversammlung.) Münster. (Demonstration.) Cleve. (Erklärung.) Bernkastel. (Die Wahlmänner. -- Volksbewaffnung.

Französische Republik. Paris. (Die Eisenbahnen. -- Das Frauen Bankett. -- Verschiedenes. -- Die Nationalversammlung vom 20. November.)

Italien. (Die österreichische Armee. -- Radetzki.) Venedig. (Die Blokade aufgehoben.)

Schweiz. Bern (Wahlen für das Bundesgericht. -- Verschiedenes.)

Amerika. (Die Eurepa in Liverpool angekommen. -- Taylor.)

Handelsnachrichten.

Deutschland.
* Köln, 22. Nov.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 22. Nov.

Gestern sollten die Herren Karl Marx, Karl Schapper und Schneider II. wegen des Aufrufs Namens des rheinischen Kreisausschusses der Demokraten (Nr. 147 der N. Rh. Ztg.) vor dem Instruktionsrichter erscheinen. Man sprach allgemein davon, daß eine sofortige Verhaftung der Vorgeladenen beabsichtigt werde. So unwahrscheinlich dies auch vielen Rechtskundigen vorkam, nahm das Volks-Comite doch Veranlassung, sich darüber durch eine Deputation bei dem Herrn Oberprokurator Zweiffel Gewißheit zu verschaffen. Derselbe gab die erwartete Erklärung, daß gegen die Vorgeladenen kein Verhaftsbefehl nachgesucht sei und daß ein solcher möglicherweise nur dann eintreten dürfe, wenn der Aufruf Rebellion herbeiführe; weil dann das Vergehen der Vorgeladenen gegen §. 209, 217, (welches jetzt nur vor's Korrektionellgericht gehöre), zum Verbrechen würde. -- Die Deputirten sprachen übrigens entgegen der Ansicht des Herrn Oberprokurator, daß nach der bezeichneten Gesetzesstelle der Erscheinungsbefehl hätte erfolgen müssen, die Ansicht aus, daß für jetzt, wo die Nationalversammlung in Berlin als die einzige gesetzliche Behörde in Preußen dastehe, vor Allen gegen diejenigen Beamten und Behörden, welche den Beschlüssen der Nationalversammlung gewaltthätig entgegenträten oder dazu aufforderten, -- wie dies in jüngster Zeit durch den Oberpräsidenten Eichmann in Koblenz geschehen sei, -- sofort eingeschritten werden müsse.

* Köln, 22. November.

Eine große Volksversammlung in der Reitbahn bei Wego hatte am 19. d. Mts. ein entschiedenes Mißtrauensvotum gegen den hiesigen Stadtrath beschlossen.

Dasselbe wurde gestern durch eine Deputation aus der Volksversammlung bei Eiser dem provisorischen Oberbürgermeister Gräff (eine derm davongelaufenen Deputirten) überbracht, mit dem Antrage auf sofortige Zusammenberufung des Stadtraths. Derselbe kommt heute deshalb zusammen und wird der Volksversammlung, -- die sich deshalb bis heute Nachmittag 2 Uhr vertagte, seine Erklärung abgeben. --

* Köln, 21. Nov.

Einem Erscheinungsbefehle gemäß, begab sich heute Nachmittag unser Mitbürger Schneider II. zum Instruktionsrichter. Das Verhör währte nicht lange. Beim Schluß desselben zeigte sich zugleich, daß das Gerücht von einem angeblich vorliiegenden Verhaftsbefehl ungegründet war.

Köln, 20. Nov.

Unsere "Kölnische Zeitung" ist ein konstitutioneller Staat im Kleinen, der in diesem Augenblicke wie der preußische in lauter Noth und Aengsten schwebt. Die Sophistik will ihm am Ende doch nicht mehr aushelfen. Das Prinzip von der Theiiung der Gewalten erhält gerade durch dies mächtige Blatt das glänzendste Armuthszeugniß. Hr. Dumont, der Großmufti, der das konstitutionelle Prinzip gern in einen Dumontschen Absolutismus umkehren möchte, weiß nicht mehr, woran er ist. Sein Premier, Hr. Brüggemann, schwebelt zwischen Himmel und Erde, bald ein wenig demokratisirend, bald wieder der Alleinherrschaft zuneigend. Mein lieber Hr. Brüggemann, wo ist denn eigentlich Ihr Rechtsboden? In Oestreich haben Sie jedenfalls einen andern wie in Preußen. C'est selon. Sie wollen sich möglich erhalten. Wer ist der Polizeiminister? Siehe da! ebenfalls Hr. Brüggemann. Er maßregelt alle anarchischen Bestrebungen, besonders die von unten; mit denen von oben verfährt er glimpflicher. Denn er will sich möglich erhalten. Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen.

In das Auswärtige theilen sich Hr. Wolfers und Hr. Schwanbeck. Die armen Teufel sind von Natur besser, als sie sich zeigen. Nur Schade, daß sie mit ihren Talenten Wucher treiben. Der Kultusminister ist v. Schücking. Nun bei Gott, sein Feuilleton ist ein schöner Kultus. Ein Bischen Romantik, ein Bischen Liberalismus, ein Bischen blaustrümpfige Schöngeisterei, aber alles so flau, so matt, so farblos wie möglich. Das Finanzministerium ist zweifelsohne der beste Theil. Es liegt in den Annoncen. Hr. Dumont hat seine schönsten Fonds aus verrätherischen Adressen. Wo ist das Kriegsministerium? Es existirt nicht. Hr. Dumont ist zufrieden, wenn man seinen konstitutionellen Staat in Frieden läßt. Aber wie wird es ihm ergehen, wenn einmal die Demokratie siegt? Ich fürchte, daß dann das Ministerium Brüggemann seine Entlassung erhält.

(Düss. Ztg.)
* Düsseldorf, 22. Nov.

So eben wird unsere Stadt in Belagerungszustand erklärt. Die Bürgerwehr ist aufgefordert, heute Nachmittag um 2 Uhr die Waffen abzuliefern. Truppenabtheilungen stehen auf allen Plätzen. Die Ankündigungs-Plakate scheinen schon viele Tage vorher gedruckt zu sein, da das Datum mit Dinte ausgefüllt ist.

103 Berlin, 15. Nov.

Ruhe, die tiefste Ruhe herrscht in der ganzen Stadt. Die Abholung der Waffen geht ihrem Ende nahe. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Belagerungszustand binnen einigen Tagen aufgehoben werden und das Gesetz wieder in Kraft und Wirksamkeit treten. Zur Zeit herrscht noch die Willkür. Wrangel läßt verhaften und Niemand findet sich, der die Verhafteten richten will. Die Militär-Auditeurs, welche die Kriegsgerichte bilden sollten, haben ihre eigene Kompetenz für unzulässig erklärt und alle Gefangene dem Kriminalgericht überwiesen. Das Kriminalgericht findet den Grund der Verhaftung für nicht strafbar und entläßt die Gefangenen.

Hr. Milde soll seinen Wiedereintritt in die Versammlung dem Präsidenten Unruh angezeigt haben. Schlagende Gründe haben, wie man sagt, diesen Schritt des ehrenwerhen Abgeordneten veranlaßt. (Sein Erlebniß im Bahnhof zu Liegnitz!)

Die Steuerverweigerung scheint unserer Regierung doch fühlbare Sorge zu machen. Geld, Geld, das bewegt die ganze Welt. Ohne Geld kann man keine Armee auf dem Kriegsfuß erhalten; und deshalb nimmt die Regierung das Geld, wo sie es nur bekommen kann. Die großen Baarvorräthe der Bank, obgleich Privateigenthum, sind zum größten Theil schon längst nach der Citadelle in Magdeburg in Sicherheit gebracht. Gestern und heute soll man noch fortgeschafft haben, was nur möglich war. Der hiesige Kassenverein hat aus diesen Gründen Angst bekommen, er fürchtete, daß man auch bei ihm nehme, was man finde, und forderte deshalb heute alle die, welche mit ihm in Verbindung stehen, auf, ihr Guthaben abzuholen.

103 Berlin, 20. Nov.

Die Contrerevolution hat durch den unerwarteten passiven Widerstand Berlins ihre ganze Energie verloren. Ihr Plan war auf gewaltsame Maßregeln berechnet. Jetzt weiß sich nun die Contrerevolution gar nicht zu helfen. Sie weiß nicht, ob sie mit der Nationalversammlung weiter gehen, oder ob sie dieselbe auflösen soll. So viel man auch von einem neuen Ministerium sprach, scheint man es doch noch länger mit dem alten versuchen zu wollen. Auch will man den 27sten ruhig abwarten und sehen, wer sich in Brandenburg zur Sitzung der Nationalversammlung einfinden wird. Wie wir vernommen haben, werden diejenigen Abgeordneten, welche sich dort einfinden werden, sogleich eine unterthänige Bitte an Se. Majestät richten, die Versammlungen wieder in Berlin stattfinden zu lassen, und Majestät wird Alles in Gnaden genehmigen. Doch liegt noch eine ganze Woche dazwischen und wer weiß, was bis dahin sich ereignen kann. Von Breslau erwartet man heute Abend oder morgen die Nachricht von der Einsetzung einer provisorischen Regierung. Es ist Thatsache, daß der Oberpräsident Pinder, weil er sich für die Nationalversammlung erklärt hat, seines Amtes entsetzt worden ist. Das Ministerium hat bereits gestern die Stelle kommissarisch besetzen lassen. Man spricht vom Baron Schleinitz als Nachfolger Pinder's. Man hofft hier, daß Breslau mit sich nicht wird spaßen lassen und daß es den Militärmaßregeln des Ministeriums aktiven Widerstand entgegensetzen wird.

Die neue Wache, zwischen dem Zeughause und der Universität, wird mit einem eisernen Gitter umgeben, um die Soldaten außer jede Berührung mit dem Volke zu bringen. Diese eisernen Gitter erhalten eine so tiefe und breite Grundlage, daß heute alle Vorübergehende erstaunt dabei stehen blieben und sich einander fragten, ob dies etwa die versprochene Verfassung auf breitester Grundlage werden solle.

Mehrere, im Laufe der letzten Woche, willkürlich von den Solverhaftete Personen sind, nach mehrtägiger Haft, ohne auch nur einmal verhört worden zu sein, heute wieder entlassen worden.

In der Decker'schen Geheimen-Ober-Hofbuchdruckerei wird ein Aufruf an das preußische Volk, welcher jedoch keine Namensunterschrift trägt, in 170,000 Exemplaren gedruckt, um im ganzen Lande verbreitet zu werden.

20 Berlin, 20. Nov.

Diejenigen, welche nicht glauben, daß die Kamarilla im Stande sei, noch länger auf ihrem Willen zu bestehen, reden von einer in nächsten Tagen mit Bestimmtheit zu erwartenden Transaction. Man nennt sogar schon allgemein den Fabrikanten des neuen Ministeriums -- jenen edelsinnigen, hochherzigen "Dombauer", dessen "Wiege am Webestuhl stand" und als seinen Assistenten den "Uebergangsminister" Camphausen. Beckerath und Camphausen sollen also Manteuffel und seine Bedienten Brandenburg und Wrangel beerben; "der Schild der Krone" soll sich nun auch einmal als "Schild des Volks" blamiren und wie einst von der Revolution zur Constitution, so jetzt von der Contre-Revolution, dem Belagerungszustande, zur Constitution, und das zur "wahren", "aufrichtigen", "treuen" Constitution, den Uebergang machen. Herr Camphausen scheint zur Transaction geboren. -- In wiefern dieses Gerücht mit dem andern von der Octroyirung einer Charte in Widerspruch steht, sehen wir noch nicht. Gerade eine octroyirte Charte und zwar die des Hrn. Camphausen, gerade eine solche mit einem solchen Ministerium, wäre sie nicht (in den Augen der Regierung wenigstens) der beste Brei für unsere ruhemüthigen Weißbierphilister? -- Wir geben übrigens wenig auf diese Gerüchte. Die Hofpartei wird entweder "mit Ehren" fallen, oder sich nur halten, indem sie sich auf die lächerlichste Weise kompromittirt. Die Krone hat zwischen dem materiellen und moralischen Sturze kein Drittes mehr zu wählen.

Wie sehr übrigens Wrangel und Brandenburg nur Bedienten Manteuffels sind, zeigt eine Unterredung des Redakteurs der Nationalzeitung mit Wrangel. Jener sagte diesem unter Anderm, daß er ihn wegen Schadenersatz verklagt habe, da er ohne Befehl der Regierung handle, worauf Wrangel erwiderte, daß er nicht selbstständig, sondern nur auf Befehl der Ministers Manteuffel agire. -- Kostbare Geschichte! Einer schiebt's immer auf den Andern!

Die Entwaffnung geht auch in den übrigen Stadtvierteln ruhig ihren Gang. Niemand widersetzt sich, doch werden viele Waffen versteckt, so daß Berlin doch nicht gänzlich unbewaffnet ist. --

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 150. Köln, Donnerstag den 23. November. 1848.

Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf.

Köln, 16. November 1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“

Keine Steuern mehr!!!

Uebersicht.

Deutschland. Köln (Die Frankfurter Versammlung. — Eine Deputation bei Hrn. Ober-Prokorator Zweiffel. — Der Stadtrath. — Schneider II.) Düsseldorf. (Im Belagerungszustand. — Kölnische Zeitung.) Berlin. (Die Nationalversammlung. — Waffenabholung — Wrangel. Milde. — Steuerverweigerung. — Pinders Erklärung. — Flugschrift der Reaktion. — Der Oberappellations-Senat. — Schlesien. — Die Schloßgitter. — Transaktionsgerüchte. — Die Truppenmacht. — Der Belagerungszustand. — Audienz schlesischer Bauerr. — Brandenburg. — Militär nach Schlesien.) Wien. (Messenhausen. — Stimmung der Bevölkerung. — Verschiedenes.) Frankfurt. (Die Nationalversammlung, Verhandlung vom 20. Novbr. Proklamation der Linken.) Minden. (Volksversammlung.) Münster. (Demonstration.) Cleve. (Erklärung.) Bernkastel. (Die Wahlmänner. — Volksbewaffnung.

Französische Republik. Paris. (Die Eisenbahnen. — Das Frauen Bankett. — Verschiedenes. — Die Nationalversammlung vom 20. November.)

Italien. (Die österreichische Armee. — Radetzki.) Venedig. (Die Blokade aufgehoben.)

Schweiz. Bern (Wahlen für das Bundesgericht. — Verschiedenes.)

Amerika. (Die Eurepa in Liverpool angekommen. — Taylor.)

Handelsnachrichten.

Deutschland.
* Köln, 22. Nov.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 22. Nov.

Gestern sollten die Herren Karl Marx, Karl Schapper und Schneider II. wegen des Aufrufs Namens des rheinischen Kreisausschusses der Demokraten (Nr. 147 der N. Rh. Ztg.) vor dem Instruktionsrichter erscheinen. Man sprach allgemein davon, daß eine sofortige Verhaftung der Vorgeladenen beabsichtigt werde. So unwahrscheinlich dies auch vielen Rechtskundigen vorkam, nahm das Volks-Comité doch Veranlassung, sich darüber durch eine Deputation bei dem Herrn Oberprokurator Zweiffel Gewißheit zu verschaffen. Derselbe gab die erwartete Erklärung, daß gegen die Vorgeladenen kein Verhaftsbefehl nachgesucht sei und daß ein solcher möglicherweise nur dann eintreten dürfe, wenn der Aufruf Rebellion herbeiführe; weil dann das Vergehen der Vorgeladenen gegen §. 209, 217, (welches jetzt nur vor's Korrektionellgericht gehöre), zum Verbrechen würde. — Die Deputirten sprachen übrigens entgegen der Ansicht des Herrn Oberprokurator, daß nach der bezeichneten Gesetzesstelle der Erscheinungsbefehl hätte erfolgen müssen, die Ansicht aus, daß für jetzt, wo die Nationalversammlung in Berlin als die einzige gesetzliche Behörde in Preußen dastehe, vor Allen gegen diejenigen Beamten und Behörden, welche den Beschlüssen der Nationalversammlung gewaltthätig entgegenträten oder dazu aufforderten, — wie dies in jüngster Zeit durch den Oberpräsidenten Eichmann in Koblenz geschehen sei, — sofort eingeschritten werden müsse.

* Köln, 22. November.

Eine große Volksversammlung in der Reitbahn bei Wego hatte am 19. d. Mts. ein entschiedenes Mißtrauensvotum gegen den hiesigen Stadtrath beschlossen.

Dasselbe wurde gestern durch eine Deputation aus der Volksversammlung bei Eiser dem provisorischen Oberbürgermeister Gräff (eine derm davongelaufenen Deputirten) überbracht, mit dem Antrage auf sofortige Zusammenberufung des Stadtraths. Derselbe kommt heute deshalb zusammen und wird der Volksversammlung, — die sich deshalb bis heute Nachmittag 2 Uhr vertagte, seine Erklärung abgeben. —

* Köln, 21. Nov.

Einem Erscheinungsbefehle gemäß, begab sich heute Nachmittag unser Mitbürger Schneider II. zum Instruktionsrichter. Das Verhör währte nicht lange. Beim Schluß desselben zeigte sich zugleich, daß das Gerücht von einem angeblich vorliiegenden Verhaftsbefehl ungegründet war.

Köln, 20. Nov.

Unsere „Kölnische Zeitung“ ist ein konstitutioneller Staat im Kleinen, der in diesem Augenblicke wie der preußische in lauter Noth und Aengsten schwebt. Die Sophistik will ihm am Ende doch nicht mehr aushelfen. Das Prinzip von der Theiiung der Gewalten erhält gerade durch dies mächtige Blatt das glänzendste Armuthszeugniß. Hr. Dumont, der Großmufti, der das konstitutionelle Prinzip gern in einen Dumontschen Absolutismus umkehren möchte, weiß nicht mehr, woran er ist. Sein Premier, Hr. Brüggemann, schwebelt zwischen Himmel und Erde, bald ein wenig demokratisirend, bald wieder der Alleinherrschaft zuneigend. Mein lieber Hr. Brüggemann, wo ist denn eigentlich Ihr Rechtsboden? In Oestreich haben Sie jedenfalls einen andern wie in Preußen. C'est selon. Sie wollen sich möglich erhalten. Wer ist der Polizeiminister? Siehe da! ebenfalls Hr. Brüggemann. Er maßregelt alle anarchischen Bestrebungen, besonders die von unten; mit denen von oben verfährt er glimpflicher. Denn er will sich möglich erhalten. Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen.

In das Auswärtige theilen sich Hr. Wolfers und Hr. Schwanbeck. Die armen Teufel sind von Natur besser, als sie sich zeigen. Nur Schade, daß sie mit ihren Talenten Wucher treiben. Der Kultusminister ist v. Schücking. Nun bei Gott, sein Feuilleton ist ein schöner Kultus. Ein Bischen Romantik, ein Bischen Liberalismus, ein Bischen blaustrümpfige Schöngeisterei, aber alles so flau, so matt, so farblos wie möglich. Das Finanzministerium ist zweifelsohne der beste Theil. Es liegt in den Annoncen. Hr. Dumont hat seine schönsten Fonds aus verrätherischen Adressen. Wo ist das Kriegsministerium? Es existirt nicht. Hr. Dumont ist zufrieden, wenn man seinen konstitutionellen Staat in Frieden läßt. Aber wie wird es ihm ergehen, wenn einmal die Demokratie siegt? Ich fürchte, daß dann das Ministerium Brüggemann seine Entlassung erhält.

(Düss. Ztg.)
* Düsseldorf, 22. Nov.

So eben wird unsere Stadt in Belagerungszustand erklärt. Die Bürgerwehr ist aufgefordert, heute Nachmittag um 2 Uhr die Waffen abzuliefern. Truppenabtheilungen stehen auf allen Plätzen. Die Ankündigungs-Plakate scheinen schon viele Tage vorher gedruckt zu sein, da das Datum mit Dinte ausgefüllt ist.

103 Berlin, 15. Nov.

Ruhe, die tiefste Ruhe herrscht in der ganzen Stadt. Die Abholung der Waffen geht ihrem Ende nahe. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Belagerungszustand binnen einigen Tagen aufgehoben werden und das Gesetz wieder in Kraft und Wirksamkeit treten. Zur Zeit herrscht noch die Willkür. Wrangel läßt verhaften und Niemand findet sich, der die Verhafteten richten will. Die Militär-Auditeurs, welche die Kriegsgerichte bilden sollten, haben ihre eigene Kompetenz für unzulässig erklärt und alle Gefangene dem Kriminalgericht überwiesen. Das Kriminalgericht findet den Grund der Verhaftung für nicht strafbar und entläßt die Gefangenen.

Hr. Milde soll seinen Wiedereintritt in die Versammlung dem Präsidenten Unruh angezeigt haben. Schlagende Gründe haben, wie man sagt, diesen Schritt des ehrenwerhen Abgeordneten veranlaßt. (Sein Erlebniß im Bahnhof zu Liegnitz!)

Die Steuerverweigerung scheint unserer Regierung doch fühlbare Sorge zu machen. Geld, Geld, das bewegt die ganze Welt. Ohne Geld kann man keine Armee auf dem Kriegsfuß erhalten; und deshalb nimmt die Regierung das Geld, wo sie es nur bekommen kann. Die großen Baarvorräthe der Bank, obgleich Privateigenthum, sind zum größten Theil schon längst nach der Citadelle in Magdeburg in Sicherheit gebracht. Gestern und heute soll man noch fortgeschafft haben, was nur möglich war. Der hiesige Kassenverein hat aus diesen Gründen Angst bekommen, er fürchtete, daß man auch bei ihm nehme, was man finde, und forderte deshalb heute alle die, welche mit ihm in Verbindung stehen, auf, ihr Guthaben abzuholen.

103 Berlin, 20. Nov.

Die Contrerevolution hat durch den unerwarteten passiven Widerstand Berlins ihre ganze Energie verloren. Ihr Plan war auf gewaltsame Maßregeln berechnet. Jetzt weiß sich nun die Contrerevolution gar nicht zu helfen. Sie weiß nicht, ob sie mit der Nationalversammlung weiter gehen, oder ob sie dieselbe auflösen soll. So viel man auch von einem neuen Ministerium sprach, scheint man es doch noch länger mit dem alten versuchen zu wollen. Auch will man den 27sten ruhig abwarten und sehen, wer sich in Brandenburg zur Sitzung der Nationalversammlung einfinden wird. Wie wir vernommen haben, werden diejenigen Abgeordneten, welche sich dort einfinden werden, sogleich eine unterthänige Bitte an Se. Majestät richten, die Versammlungen wieder in Berlin stattfinden zu lassen, und Majestät wird Alles in Gnaden genehmigen. Doch liegt noch eine ganze Woche dazwischen und wer weiß, was bis dahin sich ereignen kann. Von Breslau erwartet man heute Abend oder morgen die Nachricht von der Einsetzung einer provisorischen Regierung. Es ist Thatsache, daß der Oberpräsident Pinder, weil er sich für die Nationalversammlung erklärt hat, seines Amtes entsetzt worden ist. Das Ministerium hat bereits gestern die Stelle kommissarisch besetzen lassen. Man spricht vom Baron Schleinitz als Nachfolger Pinder's. Man hofft hier, daß Breslau mit sich nicht wird spaßen lassen und daß es den Militärmaßregeln des Ministeriums aktiven Widerstand entgegensetzen wird.

Die neue Wache, zwischen dem Zeughause und der Universität, wird mit einem eisernen Gitter umgeben, um die Soldaten außer jede Berührung mit dem Volke zu bringen. Diese eisernen Gitter erhalten eine so tiefe und breite Grundlage, daß heute alle Vorübergehende erstaunt dabei stehen blieben und sich einander fragten, ob dies etwa die versprochene Verfassung auf breitester Grundlage werden solle.

Mehrere, im Laufe der letzten Woche, willkürlich von den Solverhaftete Personen sind, nach mehrtägiger Haft, ohne auch nur einmal verhört worden zu sein, heute wieder entlassen worden.

In der Decker'schen Geheimen-Ober-Hofbuchdruckerei wird ein Aufruf an das preußische Volk, welcher jedoch keine Namensunterschrift trägt, in 170,000 Exemplaren gedruckt, um im ganzen Lande verbreitet zu werden.

20 Berlin, 20. Nov.

Diejenigen, welche nicht glauben, daß die Kamarilla im Stande sei, noch länger auf ihrem Willen zu bestehen, reden von einer in nächsten Tagen mit Bestimmtheit zu erwartenden Transaction. Man nennt sogar schon allgemein den Fabrikanten des neuen Ministeriums — jenen edelsinnigen, hochherzigen „Dombauer“, dessen „Wiege am Webestuhl stand“ und als seinen Assistenten den „Uebergangsminister“ Camphausen. Beckerath und Camphausen sollen also Manteuffel und seine Bedienten Brandenburg und Wrangel beerben; „der Schild der Krone“ soll sich nun auch einmal als „Schild des Volks“ blamiren und wie einst von der Revolution zur Constitution, so jetzt von der Contre-Revolution, dem Belagerungszustande, zur Constitution, und das zur „wahren“, „aufrichtigen“, „treuen“ Constitution, den Uebergang machen. Herr Camphausen scheint zur Transaction geboren. — In wiefern dieses Gerücht mit dem andern von der Octroyirung einer Charte in Widerspruch steht, sehen wir noch nicht. Gerade eine octroyirte Charte und zwar die des Hrn. Camphausen, gerade eine solche mit einem solchen Ministerium, wäre sie nicht (in den Augen der Regierung wenigstens) der beste Brei für unsere ruhemüthigen Weißbierphilister? — Wir geben übrigens wenig auf diese Gerüchte. Die Hofpartei wird entweder „mit Ehren“ fallen, oder sich nur halten, indem sie sich auf die lächerlichste Weise kompromittirt. Die Krone hat zwischen dem materiellen und moralischen Sturze kein Drittes mehr zu wählen.

Wie sehr übrigens Wrangel und Brandenburg nur Bedienten Manteuffels sind, zeigt eine Unterredung des Redakteurs der Nationalzeitung mit Wrangel. Jener sagte diesem unter Anderm, daß er ihn wegen Schadenersatz verklagt habe, da er ohne Befehl der Regierung handle, worauf Wrangel erwiderte, daß er nicht selbstständig, sondern nur auf Befehl der Ministers Manteuffel agire. — Kostbare Geschichte! Einer schiebt's immer auf den Andern!

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          <p>Einem Erscheinungsbefehle gemäß, begab sich heute Nachmittag unser Mitbürger <hi rendition="#g">Schneider II.</hi> zum Instruktionsrichter. Das Verhör währte nicht lange. Beim Schluß desselben zeigte sich zugleich, daß das Gerücht von einem angeblich vorliiegenden Verhaftsbefehl ungegründet war.</p>
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        <div xml:id="ar150_005" type="jArticle">
          <head>Köln, 20. Nov.</head>
          <p>Unsere &#x201E;Kölnische Zeitung&#x201C; ist ein konstitutioneller Staat im Kleinen, der in diesem Augenblicke wie der preußische in lauter Noth und Aengsten schwebt. Die Sophistik will ihm am Ende doch nicht mehr aushelfen. Das Prinzip von der Theiiung der Gewalten erhält gerade durch dies mächtige Blatt das glänzendste Armuthszeugniß. Hr. Dumont, der Großmufti, der das konstitutionelle Prinzip gern in einen Dumontschen Absolutismus umkehren möchte, weiß nicht mehr, woran er ist. Sein Premier, Hr. Brüggemann, schwebelt zwischen Himmel und Erde, bald ein wenig demokratisirend, bald wieder der Alleinherrschaft zuneigend. Mein lieber Hr. Brüggemann, wo ist denn eigentlich Ihr Rechtsboden? In Oestreich haben Sie jedenfalls einen andern wie in Preußen. C'est selon. Sie wollen sich möglich erhalten. Wer ist der Polizeiminister? Siehe da! ebenfalls Hr. Brüggemann. Er maßregelt alle anarchischen Bestrebungen, besonders die von unten; mit denen von oben verfährt er glimpflicher. Denn er will sich möglich erhalten. Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen.</p>
          <p>In das Auswärtige theilen sich Hr. Wolfers und Hr. Schwanbeck. Die armen Teufel sind von Natur besser, als sie sich zeigen. Nur Schade, daß sie mit ihren Talenten Wucher treiben. Der Kultusminister ist v. Schücking. Nun bei Gott, sein Feuilleton ist ein schöner Kultus. Ein Bischen Romantik, ein Bischen Liberalismus, ein Bischen blaustrümpfige Schöngeisterei, aber alles so flau, so matt, so farblos wie möglich. Das Finanzministerium ist zweifelsohne der beste Theil. Es liegt in den Annoncen. Hr. Dumont hat seine schönsten Fonds aus verrätherischen Adressen. Wo ist das Kriegsministerium? Es existirt nicht. Hr. Dumont ist zufrieden, wenn man seinen konstitutionellen Staat in Frieden läßt. Aber wie wird es ihm ergehen, wenn einmal die Demokratie siegt? Ich fürchte, daß dann das Ministerium Brüggemann seine Entlassung erhält.</p>
          <bibl>(Düss. Ztg.)</bibl>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Düsseldorf, 22. Nov.</head>
          <p><hi rendition="#b">So eben wird unsere Stadt in Belagerungszustand erklärt.</hi> Die Bürgerwehr ist aufgefordert, heute Nachmittag um 2 Uhr die Waffen abzuliefern. Truppenabtheilungen stehen auf allen Plätzen. Die Ankündigungs-Plakate scheinen schon viele Tage vorher gedruckt zu sein, da das Datum mit Dinte ausgefüllt ist.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar150_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 15. Nov.</head>
          <p>Ruhe, die tiefste Ruhe herrscht in der ganzen Stadt. Die Abholung der Waffen geht ihrem Ende nahe. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Belagerungszustand binnen einigen Tagen aufgehoben werden und das Gesetz wieder in Kraft und Wirksamkeit treten. Zur Zeit herrscht noch die Willkür. Wrangel läßt verhaften und Niemand findet sich, der die Verhafteten richten will. Die Militär-Auditeurs, welche die Kriegsgerichte bilden sollten, haben ihre eigene Kompetenz für unzulässig erklärt und alle Gefangene dem Kriminalgericht überwiesen. Das Kriminalgericht findet den Grund der Verhaftung für nicht strafbar und entläßt die Gefangenen.</p>
          <p>Hr. Milde soll seinen Wiedereintritt in die Versammlung dem Präsidenten Unruh angezeigt haben. Schlagende Gründe haben, wie man sagt, diesen Schritt des ehrenwerhen Abgeordneten veranlaßt. (Sein Erlebniß im Bahnhof zu Liegnitz!)</p>
          <p>Die Steuerverweigerung scheint unserer Regierung doch fühlbare Sorge zu machen. Geld, Geld, das bewegt die ganze Welt. Ohne Geld kann man keine Armee auf dem Kriegsfuß erhalten; und deshalb nimmt die Regierung das Geld, wo sie es nur bekommen kann. Die großen Baarvorräthe der Bank, obgleich Privateigenthum, sind zum größten Theil schon längst nach der Citadelle in Magdeburg in Sicherheit gebracht. Gestern und heute soll man noch fortgeschafft haben, was nur möglich war. Der hiesige Kassenverein hat aus diesen Gründen Angst bekommen, er fürchtete, daß man auch bei ihm nehme, was man finde, und forderte deshalb heute alle die, welche mit ihm in Verbindung stehen, auf, ihr Guthaben abzuholen.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 20. Nov.</head>
          <p>Die Contrerevolution hat durch den unerwarteten passiven Widerstand Berlins ihre ganze Energie verloren. Ihr Plan war auf gewaltsame Maßregeln berechnet. Jetzt weiß sich nun die Contrerevolution gar nicht zu helfen. Sie weiß nicht, ob sie mit der Nationalversammlung weiter gehen, oder ob sie dieselbe auflösen soll. So viel man auch von einem neuen Ministerium sprach, scheint man es doch noch länger mit dem alten versuchen zu wollen. Auch will man den 27sten ruhig abwarten und sehen, wer sich in Brandenburg zur Sitzung der Nationalversammlung einfinden wird. Wie wir vernommen haben, werden diejenigen Abgeordneten, welche sich dort einfinden werden, sogleich eine unterthänige Bitte an Se. Majestät richten, die Versammlungen wieder in Berlin stattfinden zu lassen, und Majestät wird Alles in Gnaden genehmigen. Doch liegt noch eine ganze Woche dazwischen und wer weiß, was bis dahin sich ereignen kann. Von Breslau erwartet man heute Abend oder morgen <hi rendition="#g">die Nachricht von der Einsetzung einer provisorischen Regierung</hi>. Es ist Thatsache, daß der Oberpräsident <hi rendition="#g">Pinder,</hi> weil er sich für die Nationalversammlung erklärt hat, seines Amtes entsetzt worden ist. Das Ministerium hat bereits gestern die Stelle kommissarisch besetzen lassen. Man spricht vom Baron <hi rendition="#g">Schleinitz</hi> als Nachfolger Pinder's. Man hofft hier, daß Breslau mit sich nicht wird spaßen lassen und daß es den Militärmaßregeln des Ministeriums aktiven Widerstand entgegensetzen wird.</p>
          <p>Die neue Wache, zwischen dem Zeughause und der Universität, wird mit einem eisernen Gitter umgeben, um die Soldaten außer jede Berührung mit dem Volke zu bringen. Diese eisernen Gitter erhalten eine so tiefe und breite Grundlage, daß heute alle Vorübergehende erstaunt dabei stehen blieben und sich einander fragten, ob dies etwa die versprochene Verfassung auf breitester Grundlage werden solle.</p>
          <p>Mehrere, im Laufe der letzten Woche, willkürlich von den Solverhaftete Personen sind, nach mehrtägiger Haft, ohne auch nur einmal verhört worden zu sein, heute wieder entlassen worden.</p>
          <p>In der Decker'schen Geheimen-Ober-Hofbuchdruckerei wird ein Aufruf an das preußische Volk, welcher jedoch keine Namensunterschrift trägt, in 170,000 Exemplaren gedruckt, um im ganzen Lande verbreitet zu werden.</p>
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          <head><bibl><author>20</author></bibl> Berlin, 20. Nov.</head>
          <p>Diejenigen, welche nicht glauben, daß die Kamarilla im Stande sei, noch länger auf ihrem Willen zu bestehen, reden von einer in nächsten Tagen mit Bestimmtheit zu erwartenden Transaction. Man nennt sogar schon allgemein den Fabrikanten des neuen Ministeriums &#x2014; jenen edelsinnigen, hochherzigen &#x201E;Dombauer&#x201C;, dessen &#x201E;Wiege am Webestuhl stand&#x201C; und als seinen Assistenten den &#x201E;Uebergangsminister&#x201C; Camphausen. Beckerath und Camphausen sollen also Manteuffel und seine Bedienten Brandenburg und Wrangel beerben; &#x201E;der Schild der Krone&#x201C; soll sich nun auch einmal als &#x201E;Schild des Volks&#x201C; blamiren und wie einst von der Revolution zur Constitution, so jetzt von der Contre-Revolution, dem Belagerungszustande, zur Constitution, und das zur &#x201E;wahren&#x201C;, &#x201E;aufrichtigen&#x201C;, &#x201E;treuen&#x201C; Constitution, den Uebergang machen. Herr Camphausen scheint zur Transaction geboren. &#x2014; In wiefern dieses Gerücht mit dem andern von der Octroyirung einer Charte in Widerspruch steht, sehen wir noch nicht. Gerade eine octroyirte Charte und zwar die des Hrn. Camphausen, gerade eine solche mit einem solchen Ministerium, wäre sie nicht (in den Augen der Regierung wenigstens) der beste Brei für unsere ruhemüthigen Weißbierphilister? &#x2014; Wir geben übrigens wenig auf diese Gerüchte. Die Hofpartei wird entweder &#x201E;mit Ehren&#x201C; fallen, oder sich nur halten, indem sie sich auf die lächerlichste Weise kompromittirt. Die Krone hat zwischen dem materiellen und moralischen Sturze kein Drittes mehr zu wählen.</p>
          <p>Wie sehr übrigens Wrangel und Brandenburg nur Bedienten Manteuffels sind, zeigt eine Unterredung des Redakteurs der Nationalzeitung mit Wrangel. Jener sagte diesem unter Anderm, daß er ihn wegen Schadenersatz verklagt habe, da er ohne Befehl der Regierung handle, worauf Wrangel erwiderte, daß er <hi rendition="#g">nicht</hi> selbstständig, sondern nur auf Befehl der Ministers Manteuffel agire. &#x2014; Kostbare Geschichte! Einer schiebt's immer auf den Andern!</p>
          <p>Die Entwaffnung geht auch in den übrigen Stadtvierteln ruhig ihren Gang. Niemand widersetzt sich, doch werden viele Waffen versteckt, so daß Berlin doch nicht gänzlich unbewaffnet ist. &#x2014;
</p>
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</TEI>
[0787/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 150. Köln, Donnerstag den 23. November. 1848. Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf. Köln, 16. November 1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“ Keine Steuern mehr!!! Uebersicht. Deutschland. Köln (Die Frankfurter Versammlung. — Eine Deputation bei Hrn. Ober-Prokorator Zweiffel. — Der Stadtrath. — Schneider II.) Düsseldorf. (Im Belagerungszustand. — Kölnische Zeitung.) Berlin. (Die Nationalversammlung. — Waffenabholung — Wrangel. Milde. — Steuerverweigerung. — Pinders Erklärung. — Flugschrift der Reaktion. — Der Oberappellations-Senat. — Schlesien. — Die Schloßgitter. — Transaktionsgerüchte. — Die Truppenmacht. — Der Belagerungszustand. — Audienz schlesischer Bauerr. — Brandenburg. — Militär nach Schlesien.) Wien. (Messenhausen. — Stimmung der Bevölkerung. — Verschiedenes.) Frankfurt. (Die Nationalversammlung, Verhandlung vom 20. Novbr. Proklamation der Linken.) Minden. (Volksversammlung.) Münster. (Demonstration.) Cleve. (Erklärung.) Bernkastel. (Die Wahlmänner. — Volksbewaffnung. Französische Republik. Paris. (Die Eisenbahnen. — Das Frauen Bankett. — Verschiedenes. — Die Nationalversammlung vom 20. November.) Italien. (Die österreichische Armee. — Radetzki.) Venedig. (Die Blokade aufgehoben.) Schweiz. Bern (Wahlen für das Bundesgericht. — Verschiedenes.) Amerika. (Die Eurepa in Liverpool angekommen. — Taylor.) Handelsnachrichten. Deutschland. * Köln, 22. Nov. _ * Köln, 22. Nov. Gestern sollten die Herren Karl Marx, Karl Schapper und Schneider II. wegen des Aufrufs Namens des rheinischen Kreisausschusses der Demokraten (Nr. 147 der N. Rh. Ztg.) vor dem Instruktionsrichter erscheinen. Man sprach allgemein davon, daß eine sofortige Verhaftung der Vorgeladenen beabsichtigt werde. So unwahrscheinlich dies auch vielen Rechtskundigen vorkam, nahm das Volks-Comité doch Veranlassung, sich darüber durch eine Deputation bei dem Herrn Oberprokurator Zweiffel Gewißheit zu verschaffen. Derselbe gab die erwartete Erklärung, daß gegen die Vorgeladenen kein Verhaftsbefehl nachgesucht sei und daß ein solcher möglicherweise nur dann eintreten dürfe, wenn der Aufruf Rebellion herbeiführe; weil dann das Vergehen der Vorgeladenen gegen §. 209, 217, (welches jetzt nur vor's Korrektionellgericht gehöre), zum Verbrechen würde. — Die Deputirten sprachen übrigens entgegen der Ansicht des Herrn Oberprokurator, daß nach der bezeichneten Gesetzesstelle der Erscheinungsbefehl hätte erfolgen müssen, die Ansicht aus, daß für jetzt, wo die Nationalversammlung in Berlin als die einzige gesetzliche Behörde in Preußen dastehe, vor Allen gegen diejenigen Beamten und Behörden, welche den Beschlüssen der Nationalversammlung gewaltthätig entgegenträten oder dazu aufforderten, — wie dies in jüngster Zeit durch den Oberpräsidenten Eichmann in Koblenz geschehen sei, — sofort eingeschritten werden müsse. * Köln, 22. November. Eine große Volksversammlung in der Reitbahn bei Wego hatte am 19. d. Mts. ein entschiedenes Mißtrauensvotum gegen den hiesigen Stadtrath beschlossen. Dasselbe wurde gestern durch eine Deputation aus der Volksversammlung bei Eiser dem provisorischen Oberbürgermeister Gräff (eine derm davongelaufenen Deputirten) überbracht, mit dem Antrage auf sofortige Zusammenberufung des Stadtraths. Derselbe kommt heute deshalb zusammen und wird der Volksversammlung, — die sich deshalb bis heute Nachmittag 2 Uhr vertagte, seine Erklärung abgeben. — * Köln, 21. Nov. Einem Erscheinungsbefehle gemäß, begab sich heute Nachmittag unser Mitbürger Schneider II. zum Instruktionsrichter. Das Verhör währte nicht lange. Beim Schluß desselben zeigte sich zugleich, daß das Gerücht von einem angeblich vorliiegenden Verhaftsbefehl ungegründet war. Köln, 20. Nov. Unsere „Kölnische Zeitung“ ist ein konstitutioneller Staat im Kleinen, der in diesem Augenblicke wie der preußische in lauter Noth und Aengsten schwebt. Die Sophistik will ihm am Ende doch nicht mehr aushelfen. Das Prinzip von der Theiiung der Gewalten erhält gerade durch dies mächtige Blatt das glänzendste Armuthszeugniß. Hr. Dumont, der Großmufti, der das konstitutionelle Prinzip gern in einen Dumontschen Absolutismus umkehren möchte, weiß nicht mehr, woran er ist. Sein Premier, Hr. Brüggemann, schwebelt zwischen Himmel und Erde, bald ein wenig demokratisirend, bald wieder der Alleinherrschaft zuneigend. Mein lieber Hr. Brüggemann, wo ist denn eigentlich Ihr Rechtsboden? In Oestreich haben Sie jedenfalls einen andern wie in Preußen. C'est selon. Sie wollen sich möglich erhalten. Wer ist der Polizeiminister? Siehe da! ebenfalls Hr. Brüggemann. Er maßregelt alle anarchischen Bestrebungen, besonders die von unten; mit denen von oben verfährt er glimpflicher. Denn er will sich möglich erhalten. Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen. In das Auswärtige theilen sich Hr. Wolfers und Hr. Schwanbeck. Die armen Teufel sind von Natur besser, als sie sich zeigen. Nur Schade, daß sie mit ihren Talenten Wucher treiben. Der Kultusminister ist v. Schücking. Nun bei Gott, sein Feuilleton ist ein schöner Kultus. Ein Bischen Romantik, ein Bischen Liberalismus, ein Bischen blaustrümpfige Schöngeisterei, aber alles so flau, so matt, so farblos wie möglich. Das Finanzministerium ist zweifelsohne der beste Theil. Es liegt in den Annoncen. Hr. Dumont hat seine schönsten Fonds aus verrätherischen Adressen. Wo ist das Kriegsministerium? Es existirt nicht. Hr. Dumont ist zufrieden, wenn man seinen konstitutionellen Staat in Frieden läßt. Aber wie wird es ihm ergehen, wenn einmal die Demokratie siegt? Ich fürchte, daß dann das Ministerium Brüggemann seine Entlassung erhält. (Düss. Ztg.) * Düsseldorf, 22. Nov. So eben wird unsere Stadt in Belagerungszustand erklärt. Die Bürgerwehr ist aufgefordert, heute Nachmittag um 2 Uhr die Waffen abzuliefern. Truppenabtheilungen stehen auf allen Plätzen. Die Ankündigungs-Plakate scheinen schon viele Tage vorher gedruckt zu sein, da das Datum mit Dinte ausgefüllt ist. 103 Berlin, 15. Nov. Ruhe, die tiefste Ruhe herrscht in der ganzen Stadt. Die Abholung der Waffen geht ihrem Ende nahe. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Belagerungszustand binnen einigen Tagen aufgehoben werden und das Gesetz wieder in Kraft und Wirksamkeit treten. Zur Zeit herrscht noch die Willkür. Wrangel läßt verhaften und Niemand findet sich, der die Verhafteten richten will. Die Militär-Auditeurs, welche die Kriegsgerichte bilden sollten, haben ihre eigene Kompetenz für unzulässig erklärt und alle Gefangene dem Kriminalgericht überwiesen. Das Kriminalgericht findet den Grund der Verhaftung für nicht strafbar und entläßt die Gefangenen. Hr. Milde soll seinen Wiedereintritt in die Versammlung dem Präsidenten Unruh angezeigt haben. Schlagende Gründe haben, wie man sagt, diesen Schritt des ehrenwerhen Abgeordneten veranlaßt. (Sein Erlebniß im Bahnhof zu Liegnitz!) Die Steuerverweigerung scheint unserer Regierung doch fühlbare Sorge zu machen. Geld, Geld, das bewegt die ganze Welt. Ohne Geld kann man keine Armee auf dem Kriegsfuß erhalten; und deshalb nimmt die Regierung das Geld, wo sie es nur bekommen kann. Die großen Baarvorräthe der Bank, obgleich Privateigenthum, sind zum größten Theil schon längst nach der Citadelle in Magdeburg in Sicherheit gebracht. Gestern und heute soll man noch fortgeschafft haben, was nur möglich war. Der hiesige Kassenverein hat aus diesen Gründen Angst bekommen, er fürchtete, daß man auch bei ihm nehme, was man finde, und forderte deshalb heute alle die, welche mit ihm in Verbindung stehen, auf, ihr Guthaben abzuholen. 103 Berlin, 20. Nov. Die Contrerevolution hat durch den unerwarteten passiven Widerstand Berlins ihre ganze Energie verloren. Ihr Plan war auf gewaltsame Maßregeln berechnet. Jetzt weiß sich nun die Contrerevolution gar nicht zu helfen. Sie weiß nicht, ob sie mit der Nationalversammlung weiter gehen, oder ob sie dieselbe auflösen soll. So viel man auch von einem neuen Ministerium sprach, scheint man es doch noch länger mit dem alten versuchen zu wollen. Auch will man den 27sten ruhig abwarten und sehen, wer sich in Brandenburg zur Sitzung der Nationalversammlung einfinden wird. Wie wir vernommen haben, werden diejenigen Abgeordneten, welche sich dort einfinden werden, sogleich eine unterthänige Bitte an Se. Majestät richten, die Versammlungen wieder in Berlin stattfinden zu lassen, und Majestät wird Alles in Gnaden genehmigen. Doch liegt noch eine ganze Woche dazwischen und wer weiß, was bis dahin sich ereignen kann. Von Breslau erwartet man heute Abend oder morgen die Nachricht von der Einsetzung einer provisorischen Regierung. Es ist Thatsache, daß der Oberpräsident Pinder, weil er sich für die Nationalversammlung erklärt hat, seines Amtes entsetzt worden ist. Das Ministerium hat bereits gestern die Stelle kommissarisch besetzen lassen. Man spricht vom Baron Schleinitz als Nachfolger Pinder's. Man hofft hier, daß Breslau mit sich nicht wird spaßen lassen und daß es den Militärmaßregeln des Ministeriums aktiven Widerstand entgegensetzen wird. Die neue Wache, zwischen dem Zeughause und der Universität, wird mit einem eisernen Gitter umgeben, um die Soldaten außer jede Berührung mit dem Volke zu bringen. Diese eisernen Gitter erhalten eine so tiefe und breite Grundlage, daß heute alle Vorübergehende erstaunt dabei stehen blieben und sich einander fragten, ob dies etwa die versprochene Verfassung auf breitester Grundlage werden solle. Mehrere, im Laufe der letzten Woche, willkürlich von den Solverhaftete Personen sind, nach mehrtägiger Haft, ohne auch nur einmal verhört worden zu sein, heute wieder entlassen worden. In der Decker'schen Geheimen-Ober-Hofbuchdruckerei wird ein Aufruf an das preußische Volk, welcher jedoch keine Namensunterschrift trägt, in 170,000 Exemplaren gedruckt, um im ganzen Lande verbreitet zu werden. 20 Berlin, 20. Nov. Diejenigen, welche nicht glauben, daß die Kamarilla im Stande sei, noch länger auf ihrem Willen zu bestehen, reden von einer in nächsten Tagen mit Bestimmtheit zu erwartenden Transaction. Man nennt sogar schon allgemein den Fabrikanten des neuen Ministeriums — jenen edelsinnigen, hochherzigen „Dombauer“, dessen „Wiege am Webestuhl stand“ und als seinen Assistenten den „Uebergangsminister“ Camphausen. Beckerath und Camphausen sollen also Manteuffel und seine Bedienten Brandenburg und Wrangel beerben; „der Schild der Krone“ soll sich nun auch einmal als „Schild des Volks“ blamiren und wie einst von der Revolution zur Constitution, so jetzt von der Contre-Revolution, dem Belagerungszustande, zur Constitution, und das zur „wahren“, „aufrichtigen“, „treuen“ Constitution, den Uebergang machen. Herr Camphausen scheint zur Transaction geboren. — In wiefern dieses Gerücht mit dem andern von der Octroyirung einer Charte in Widerspruch steht, sehen wir noch nicht. Gerade eine octroyirte Charte und zwar die des Hrn. Camphausen, gerade eine solche mit einem solchen Ministerium, wäre sie nicht (in den Augen der Regierung wenigstens) der beste Brei für unsere ruhemüthigen Weißbierphilister? — Wir geben übrigens wenig auf diese Gerüchte. Die Hofpartei wird entweder „mit Ehren“ fallen, oder sich nur halten, indem sie sich auf die lächerlichste Weise kompromittirt. Die Krone hat zwischen dem materiellen und moralischen Sturze kein Drittes mehr zu wählen. Wie sehr übrigens Wrangel und Brandenburg nur Bedienten Manteuffels sind, zeigt eine Unterredung des Redakteurs der Nationalzeitung mit Wrangel. Jener sagte diesem unter Anderm, daß er ihn wegen Schadenersatz verklagt habe, da er ohne Befehl der Regierung handle, worauf Wrangel erwiderte, daß er nicht selbstständig, sondern nur auf Befehl der Ministers Manteuffel agire. — Kostbare Geschichte! Einer schiebt's immer auf den Andern! Die Entwaffnung geht auch in den übrigen Stadtvierteln ruhig ihren Gang. Niemand widersetzt sich, doch werden viele Waffen versteckt, so daß Berlin doch nicht gänzlich unbewaffnet ist. —

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 150. Köln, 23. November 1848, S. 0787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz150_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.