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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 209. Köln, 31. Januar 1849. Zweite Beilage.

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Außerordentliche Beilage zu Nr. 209 der N. Rh. Ztg.
Organ der Demokratie.
Köln, 31. Januar.
[Deutschland]
* Köln, 30. Jan.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
[Französische Republik]
19 Paris, 29. Januar.

12 Uhr Mittags. Seit heute Morgen schlägt man in allen Quartieren Rappel. Wie es heißt, sollen die Bonapartisten wirklich entschlossen sein, die National-Versammlung mit brwaffneter Macht zu sprengen; die Nationalgarde aus den Bourgeoisquartiers der ersten, zweiten und zehnten Legion soll zu diesem Heldenstück verwendet werden, während die Truppen die Seine-Ufer besetzen, um die Faubourgs zu trennen und mit Bomben zu bonapartisiren. Der "Peuple" bemerkt zu diesem Plan, daß die 1. Legion leicht zwischen ihren Bajonetten und der Assemblee dieselben Männer finden könnte, welche am 15. Mai das Hotel de Ville gegen die Bärenmützen vertheidigt hätten.

Um 10 Uhr war ich an der Porte St. Denis. An der Rampe des Boulevards standen die ersten Sturmvögel, welche sich hier instinktartig vor jeder Insurrektion zeigen, ein kleiner Trupp Arbeiter, ruhig ihre Thonpfeifchen rauchend. Um 11 Uhr war das ganze Boulevard bis zur Porte St. Martin mit Blousenmännern bedeckt. Die Mobilen zogen Arm in Arm mit den Arbeitern umher.

2 Uhr. Das Volk strömt nach der Gegend der Assemblee. Man hört auf den Straßen nur das Geschrei: Vive la republique democratique et sociale! A bas les pretendans! A bas les jesuites! Die Gamins schwärmen durch die Massen, und singen ein Spottlied auf den "Däumling mit den Siebenmeilenstiefeln.

3 Uhr. Die Garden ziehen in starken Patrouillen durch alle Straßen. Ganz Paris ist auf den Beinen. Der Revolutionsplatz, die Rue de la Republique bis zur Madeleine, die Rue Rivoli und die Nebenstraßen sind überwogt von Menschenmassen. Die Seinebrücke nach der Assemblee ist ganz von Kavallerie besetzt, die Linientruppen halten zur Seite am Eingang der elisäischen Felder, der Tuileriengarten an der andern Seite ist verschlossen und von der ersten Legion besetzt. Alle Uebergänge über die Seine sind auf dieser Seite bis an den Pont des Arts abgesperrt. Aus der National-Versammlung ist noch keine Nachricht in den innern Theil der Stadt gelangt.

19 Paris, 29. Jan 4 Uhr.

Ich lasse meinem ersten Briefe in aller Eile vor Postschluß noch folgende kurze Nachrichten nachfolgen. Louis Nüpoleon hat nach Art des gefangenen Louis XVI., der die Soldaten mit Händedruck uod Schmeichelworten zum Kampf gegen das Volk zu begeistern suchte, sein Palais verlassen und in den elysäischen Feldern die dort aufgestellten Linientruppen angesehen. Die Soldaten empfingen ihn mit düsterm Schweigen; in einigen Kolonnen erscholl der drohende Ruf: Vive la Republique rouge! Vive le Peuple! Nur die Bourgeoishunde der ersten Legion schrien ihm zu: Vive Bonaparte! Vive le ministere!

Die Zugänge zu der Assemblee auf beiden Seiten der Seine, die Quais u. s. w. sind noch immer mit ungeheurer Truppenmacht abgesperrt. Keine Nachricht ist bis jetzt aus der Kammer gedrungen. Das Volk wogt in allen Straßen, die von ohnmächtigen Patrouillen der Nationalgarden durchzogen werden. Nach dem Ausgang der Kammersitzung wird es sich entscheiden, was es thun wird.

Eine kleine Abtheilung der Mobilgarden stand eine Zeitlang im Tuilerienhof, ist aber bereits wieder abgezogen und hat der Linie Platz gemacht. Während Kavallerie, Linie und Nationalgarden überall im Dienst, schwärmen die Mobilen in allen Straßen mit dem Volke umher.

Man glaubt, daß die Nationalversammlung, wenn sie ihre Auflösung auszusprechen verweigert, sofort geschlossen werden soll. In diesem Fall aber wird die Majorität eine Proklamation an das Volk erlassen, und der Charakter der französischen Ouvriers bürgt dafür, daß wir hier die ekelhafte Feigheit eines Berliner "passiven Widerstandes" nicht zu befürchten haben.

068 Paris, 28. Jan.

Das Ministerium will allen Stürmen Trotz bieten. Während die Trommel alle Legionen zu den Waffen ruft, bringt der "Moniteur" folgende lakonische Erklärung, die unsere gestrige Nachmittagsmeldung vollständig bestätigt.

"Der Ministerrath hat sich im Elisee National versammelt. Nach Anhörung eines Berichts über die Ereignisse in der Sitzung der Nationalversammlung (vom Sonnabend) hat der Präsident erklärt, daß er darin kein Motiv sehe, seine Politik zu ändern, und daß das Kabinet auf seine feste und ausdauernde Unterstützung rechnen könne."

Herr Barrot knüpft folgende offizielle Anzeige daran:

"Der Justizminister (Barrot) wird am nächsten Dienstage, 30. Januar, nicht empfangen. Dagegen werden sich seine Säle an allen nächstfolgenden Dienstagen wieder öffnen.

Man ist hier sehr neugierig zu wissen, ob Herr Barrot an den nächstfolgenden Dienstagen die Säle des Justizministerialgebäudes überhaupt noch bewohnen dürfte? Der Vendomeplatz erlebte seit Cremieux soviele Aenderungen in seinen Bewohnern!

Nationalversammlung. Sitzung vom 29. Januar. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Alle öffentliche Gärten und Ministerialgebäude sind geschlossen; die Wachen verdoppelt. Im Tuilerienhofe lagern ein Infanterie-Bataillon mit einem Artilleriekorps. Ein Mobilgardist habe auf Changarnier geschossen, ihn aber nur leicht an der Stirn verwundet. 7000 Mobilgarden

Außerordentliche Beilage zu Nr. 209 der N. Rh. Ztg.
Organ der Demokratie.
Köln, 31. Januar.
[Deutschland]
* Köln, 30. Jan.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
[Französische Republik]
19 Paris, 29. Januar.

12 Uhr Mittags. Seit heute Morgen schlägt man in allen Quartieren Rappel. Wie es heißt, sollen die Bonapartisten wirklich entschlossen sein, die National-Versammlung mit brwaffneter Macht zu sprengen; die Nationalgarde aus den Bourgeoisquartiers der ersten, zweiten und zehnten Legion soll zu diesem Heldenstück verwendet werden, während die Truppen die Seine-Ufer besetzen, um die Faubourgs zu trennen und mit Bomben zu bonapartisiren. Der „Peuple“ bemerkt zu diesem Plan, daß die 1. Legion leicht zwischen ihren Bajonetten und der Assemblee dieselben Männer finden könnte, welche am 15. Mai das Hotel de Ville gegen die Bärenmützen vertheidigt hätten.

Um 10 Uhr war ich an der Porte St. Denis. An der Rampe des Boulevards standen die ersten Sturmvögel, welche sich hier instinktartig vor jeder Insurrektion zeigen, ein kleiner Trupp Arbeiter, ruhig ihre Thonpfeifchen rauchend. Um 11 Uhr war das ganze Boulevard bis zur Porte St. Martin mit Blousenmännern bedeckt. Die Mobilen zogen Arm in Arm mit den Arbeitern umher.

2 Uhr. Das Volk strömt nach der Gegend der Assemblee. Man hört auf den Straßen nur das Geschrei: Vive la république démocratique et sociale! A bas les prétendans! A bas les jésuites! Die Gamins schwärmen durch die Massen, und singen ein Spottlied auf den „Däumling mit den Siebenmeilenstiefeln.

3 Uhr. Die Garden ziehen in starken Patrouillen durch alle Straßen. Ganz Paris ist auf den Beinen. Der Revolutionsplatz, die Rue de la Republique bis zur Madeleine, die Rue Rivoli und die Nebenstraßen sind überwogt von Menschenmassen. Die Seinebrücke nach der Assemblee ist ganz von Kavallerie besetzt, die Linientruppen halten zur Seite am Eingang der elisäischen Felder, der Tuileriengarten an der andern Seite ist verschlossen und von der ersten Legion besetzt. Alle Uebergänge über die Seine sind auf dieser Seite bis an den Pont des Arts abgesperrt. Aus der National-Versammlung ist noch keine Nachricht in den innern Theil der Stadt gelangt.

19 Paris, 29. Jan 4 Uhr.

Ich lasse meinem ersten Briefe in aller Eile vor Postschluß noch folgende kurze Nachrichten nachfolgen. Louis Nüpoleon hat nach Art des gefangenen Louis XVI., der die Soldaten mit Händedruck uod Schmeichelworten zum Kampf gegen das Volk zu begeistern suchte, sein Palais verlassen und in den elysäischen Feldern die dort aufgestellten Linientruppen angesehen. Die Soldaten empfingen ihn mit düsterm Schweigen; in einigen Kolonnen erscholl der drohende Ruf: Vive la République rouge! Vive le Peuple! Nur die Bourgeoishunde der ersten Legion schrien ihm zu: Vive Bonaparte! Vive le ministère!

Die Zugänge zu der Assemblee auf beiden Seiten der Seine, die Quais u. s. w. sind noch immer mit ungeheurer Truppenmacht abgesperrt. Keine Nachricht ist bis jetzt aus der Kammer gedrungen. Das Volk wogt in allen Straßen, die von ohnmächtigen Patrouillen der Nationalgarden durchzogen werden. Nach dem Ausgang der Kammersitzung wird es sich entscheiden, was es thun wird.

Eine kleine Abtheilung der Mobilgarden stand eine Zeitlang im Tuilerienhof, ist aber bereits wieder abgezogen und hat der Linie Platz gemacht. Während Kavallerie, Linie und Nationalgarden überall im Dienst, schwärmen die Mobilen in allen Straßen mit dem Volke umher.

Man glaubt, daß die Nationalversammlung, wenn sie ihre Auflösung auszusprechen verweigert, sofort geschlossen werden soll. In diesem Fall aber wird die Majorität eine Proklamation an das Volk erlassen, und der Charakter der französischen Ouvriers bürgt dafür, daß wir hier die ekelhafte Feigheit eines Berliner „passiven Widerstandes“ nicht zu befürchten haben.

068 Paris, 28. Jan.

Das Ministerium will allen Stürmen Trotz bieten. Während die Trommel alle Legionen zu den Waffen ruft, bringt der „Moniteur“ folgende lakonische Erklärung, die unsere gestrige Nachmittagsmeldung vollständig bestätigt.

„Der Ministerrath hat sich im Elisee National versammelt. Nach Anhörung eines Berichts über die Ereignisse in der Sitzung der Nationalversammlung (vom Sonnabend) hat der Präsident erklärt, daß er darin kein Motiv sehe, seine Politik zu ändern, und daß das Kabinet auf seine feste und ausdauernde Unterstützung rechnen könne.“

Herr Barrot knüpft folgende offizielle Anzeige daran:

„Der Justizminister (Barrot) wird am nächsten Dienstage, 30. Januar, nicht empfangen. Dagegen werden sich seine Säle an allen nächstfolgenden Dienstagen wieder öffnen.

Man ist hier sehr neugierig zu wissen, ob Herr Barrot an den nächstfolgenden Dienstagen die Säle des Justizministerialgebäudes überhaupt noch bewohnen dürfte? Der Vendomeplatz erlebte seit Cremieux soviele Aenderungen in seinen Bewohnern!

Nationalversammlung. Sitzung vom 29. Januar. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Alle öffentliche Gärten und Ministerialgebäude sind geschlossen; die Wachen verdoppelt. Im Tuilerienhofe lagern ein Infanterie-Bataillon mit einem Artilleriekorps. Ein Mobilgardist habe auf Changarnier geschossen, ihn aber nur leicht an der Stirn verwundet. 7000 Mobilgarden

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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx/Friedrich Engels: Die Situation in Paris, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
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          <p>Um 10 Uhr war ich an der Porte St. Denis. An der Rampe des Boulevards standen die ersten Sturmvögel, welche sich hier instinktartig vor jeder Insurrektion zeigen, ein kleiner Trupp Arbeiter, ruhig ihre Thonpfeifchen rauchend. Um 11 Uhr war das ganze Boulevard bis zur Porte St. Martin mit Blousenmännern bedeckt. <hi rendition="#g">Die Mobilen zogen Arm in Arm mit den Arbeitern umher</hi>.</p>
          <p>2 Uhr. Das Volk strömt nach der Gegend der Assemblee. Man hört auf den Straßen nur das Geschrei: Vive la république démocratique et sociale! A bas les prétendans! A bas les jésuites! Die Gamins schwärmen durch die Massen, und singen ein Spottlied auf den &#x201E;Däumling mit den Siebenmeilenstiefeln.</p>
          <p>3 Uhr. Die Garden ziehen in starken Patrouillen durch alle Straßen. Ganz Paris ist auf den Beinen. Der Revolutionsplatz, die Rue de la Republique bis zur Madeleine, die Rue Rivoli und die Nebenstraßen sind überwogt von Menschenmassen. Die Seinebrücke nach der Assemblee ist ganz von Kavallerie besetzt, die Linientruppen halten zur Seite am Eingang der elisäischen Felder, der Tuileriengarten an der andern Seite ist verschlossen und von der ersten Legion besetzt. Alle Uebergänge über die Seine sind auf dieser Seite bis an den Pont des Arts abgesperrt. Aus der National-Versammlung ist noch keine Nachricht in den innern Theil der Stadt gelangt.</p>
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          <p>Die Zugänge zu der Assemblee auf beiden Seiten der Seine, die Quais u. s. w. sind noch immer mit ungeheurer Truppenmacht abgesperrt. Keine Nachricht ist bis jetzt aus der Kammer gedrungen. Das Volk wogt in allen Straßen, die von ohnmächtigen Patrouillen der Nationalgarden durchzogen werden. Nach dem Ausgang der Kammersitzung wird es sich entscheiden, was es thun wird.</p>
          <p>Eine kleine Abtheilung der Mobilgarden stand eine Zeitlang im Tuilerienhof, ist aber bereits wieder abgezogen und hat der Linie Platz gemacht. Während Kavallerie, Linie und Nationalgarden überall im Dienst, schwärmen die Mobilen in allen Straßen mit dem Volke umher.</p>
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[1149/0001] Außerordentliche Beilage zu Nr. 209 der N. Rh. Ztg. Organ der Demokratie. Köln, 31. Januar. [Deutschland] * Köln, 30. Jan. _ [Französische Republik] 19 Paris, 29. Januar. 12 Uhr Mittags. Seit heute Morgen schlägt man in allen Quartieren Rappel. Wie es heißt, sollen die Bonapartisten wirklich entschlossen sein, die National-Versammlung mit brwaffneter Macht zu sprengen; die Nationalgarde aus den Bourgeoisquartiers der ersten, zweiten und zehnten Legion soll zu diesem Heldenstück verwendet werden, während die Truppen die Seine-Ufer besetzen, um die Faubourgs zu trennen und mit Bomben zu bonapartisiren. Der „Peuple“ bemerkt zu diesem Plan, daß die 1. Legion leicht zwischen ihren Bajonetten und der Assemblee dieselben Männer finden könnte, welche am 15. Mai das Hotel de Ville gegen die Bärenmützen vertheidigt hätten. Um 10 Uhr war ich an der Porte St. Denis. An der Rampe des Boulevards standen die ersten Sturmvögel, welche sich hier instinktartig vor jeder Insurrektion zeigen, ein kleiner Trupp Arbeiter, ruhig ihre Thonpfeifchen rauchend. Um 11 Uhr war das ganze Boulevard bis zur Porte St. Martin mit Blousenmännern bedeckt. Die Mobilen zogen Arm in Arm mit den Arbeitern umher. 2 Uhr. Das Volk strömt nach der Gegend der Assemblee. Man hört auf den Straßen nur das Geschrei: Vive la république démocratique et sociale! A bas les prétendans! A bas les jésuites! Die Gamins schwärmen durch die Massen, und singen ein Spottlied auf den „Däumling mit den Siebenmeilenstiefeln. 3 Uhr. Die Garden ziehen in starken Patrouillen durch alle Straßen. Ganz Paris ist auf den Beinen. Der Revolutionsplatz, die Rue de la Republique bis zur Madeleine, die Rue Rivoli und die Nebenstraßen sind überwogt von Menschenmassen. Die Seinebrücke nach der Assemblee ist ganz von Kavallerie besetzt, die Linientruppen halten zur Seite am Eingang der elisäischen Felder, der Tuileriengarten an der andern Seite ist verschlossen und von der ersten Legion besetzt. Alle Uebergänge über die Seine sind auf dieser Seite bis an den Pont des Arts abgesperrt. Aus der National-Versammlung ist noch keine Nachricht in den innern Theil der Stadt gelangt. 19 Paris, 29. Jan 4 Uhr. Ich lasse meinem ersten Briefe in aller Eile vor Postschluß noch folgende kurze Nachrichten nachfolgen. Louis Nüpoleon hat nach Art des gefangenen Louis XVI., der die Soldaten mit Händedruck uod Schmeichelworten zum Kampf gegen das Volk zu begeistern suchte, sein Palais verlassen und in den elysäischen Feldern die dort aufgestellten Linientruppen angesehen. Die Soldaten empfingen ihn mit düsterm Schweigen; in einigen Kolonnen erscholl der drohende Ruf: Vive la République rouge! Vive le Peuple! Nur die Bourgeoishunde der ersten Legion schrien ihm zu: Vive Bonaparte! Vive le ministère! Die Zugänge zu der Assemblee auf beiden Seiten der Seine, die Quais u. s. w. sind noch immer mit ungeheurer Truppenmacht abgesperrt. Keine Nachricht ist bis jetzt aus der Kammer gedrungen. Das Volk wogt in allen Straßen, die von ohnmächtigen Patrouillen der Nationalgarden durchzogen werden. Nach dem Ausgang der Kammersitzung wird es sich entscheiden, was es thun wird. Eine kleine Abtheilung der Mobilgarden stand eine Zeitlang im Tuilerienhof, ist aber bereits wieder abgezogen und hat der Linie Platz gemacht. Während Kavallerie, Linie und Nationalgarden überall im Dienst, schwärmen die Mobilen in allen Straßen mit dem Volke umher. Man glaubt, daß die Nationalversammlung, wenn sie ihre Auflösung auszusprechen verweigert, sofort geschlossen werden soll. In diesem Fall aber wird die Majorität eine Proklamation an das Volk erlassen, und der Charakter der französischen Ouvriers bürgt dafür, daß wir hier die ekelhafte Feigheit eines Berliner „passiven Widerstandes“ nicht zu befürchten haben. 068 Paris, 28. Jan. Das Ministerium will allen Stürmen Trotz bieten. Während die Trommel alle Legionen zu den Waffen ruft, bringt der „Moniteur“ folgende lakonische Erklärung, die unsere gestrige Nachmittagsmeldung vollständig bestätigt. „Der Ministerrath hat sich im Elisee National versammelt. Nach Anhörung eines Berichts über die Ereignisse in der Sitzung der Nationalversammlung (vom Sonnabend) hat der Präsident erklärt, daß er darin kein Motiv sehe, seine Politik zu ändern, und daß das Kabinet auf seine feste und ausdauernde Unterstützung rechnen könne.“ Herr Barrot knüpft folgende offizielle Anzeige daran: „Der Justizminister (Barrot) wird am nächsten Dienstage, 30. Januar, nicht empfangen. Dagegen werden sich seine Säle an allen nächstfolgenden Dienstagen wieder öffnen. Man ist hier sehr neugierig zu wissen, ob Herr Barrot an den nächstfolgenden Dienstagen die Säle des Justizministerialgebäudes überhaupt noch bewohnen dürfte? Der Vendomeplatz erlebte seit Cremieux soviele Aenderungen in seinen Bewohnern! Nationalversammlung. Sitzung vom 29. Januar. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Alle öffentliche Gärten und Ministerialgebäude sind geschlossen; die Wachen verdoppelt. Im Tuilerienhofe lagern ein Infanterie-Bataillon mit einem Artilleriekorps. Ein Mobilgardist habe auf Changarnier geschossen, ihn aber nur leicht an der Stirn verwundet. 7000 Mobilgarden

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 209. Köln, 31. Januar 1849. Zweite Beilage, S. 1149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz209b2_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.