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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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sollte denn das nicht auch in diesem Jahre eintreten, wo Korn
seine Hauptfrucht war. Stroh konnte auch verkauft werden,
und vielleicht auch einige Fuder Heu. Auf die Weise konnte
hübsches Geld zusammenkommen, allein aus der Winterung.
Und die Sommerfrüchte behielt er dann zur Deckung des
Winterbedarfes und zum späteren Verkauf.

So rechnete der Bauer im Frühjahre. Dann kam der
erste Rückschlag durch die verregnete Heuernte. Mit dem
Heuverkauf war also nichts; man mußte ja das Wenige, was
man gerettet hatte vor dem Verderben, aufheben für den
Winter. Die Kornernte war inzwischen beendet. Der Büttner¬
bauer hatte eine Menge Puppen setzen können; sein Feld hatte
voll ausgesehen. Das Getreide war trocken in die Scheune
gekommen.

Der Bauer besaß eine kleine Dreschmaschine und eine
Göpel auf seinem Hofe. Das meiste ließ er freilich im
Winter mit dem Handflegel ausdreschen, nach alter Sitte; das
Stroh blieb beim Handdrusch besser, und dann liebte er auch
nicht die Neuerungen. -- Maschine blieb Maschine, wenn es auch
nur ein einfaches Göpelwert war. In diesem Jahre aber ließ
er gleich mehrere Tage hintereinander mit dem Göpel dreschen.
Er mußte ja Korn haben zum schleunigen Verkauf.

Der alte Bauer stand am Siebe, während Karl die
Garben hineinschob und Therese draußen das Pferd antrieb.
Der Bauer nahm selbst das Getreide ab und maß es nach.

Seine Miene wurde düsterer und düsterer. "'s schüttet
ne, 's will ne schütten!" erklang sein verzweifelter Ruf. Was
nutzte ihm das viele Stroh, wenn der Körnerertrag so gering
war! Und dabei hatte er das Hauptkorn in diesem Jahre auf
vorjährigem Kartoffellande gebaut, das noch reich an Dünger
gewesen. Er hatte es an Sorge und Fleiß nicht fehlen lassen,
und trotzdem kein Erfolg! Es waren die kalten Tage und
Nächte im Anfange des Sommers gewesen, die den Landwirt
um den Ertrag seiner Mühen betrogen hatten. --

Schließlich lag das gesamte Ergebnis der Kornernte in
einem stattlichen Könerhaufen, durchgesiebt und durchgeworfen,

ſollte denn das nicht auch in dieſem Jahre eintreten, wo Korn
ſeine Hauptfrucht war. Stroh konnte auch verkauft werden,
und vielleicht auch einige Fuder Heu. Auf die Weiſe konnte
hübſches Geld zuſammenkommen, allein aus der Winterung.
Und die Sommerfrüchte behielt er dann zur Deckung des
Winterbedarfes und zum ſpäteren Verkauf.

So rechnete der Bauer im Frühjahre. Dann kam der
erſte Rückſchlag durch die verregnete Heuernte. Mit dem
Heuverkauf war alſo nichts; man mußte ja das Wenige, was
man gerettet hatte vor dem Verderben, aufheben für den
Winter. Die Kornernte war inzwiſchen beendet. Der Büttner¬
bauer hatte eine Menge Puppen ſetzen können; ſein Feld hatte
voll ausgeſehen. Das Getreide war trocken in die Scheune
gekommen.

Der Bauer beſaß eine kleine Dreſchmaſchine und eine
Göpel auf ſeinem Hofe. Das meiſte ließ er freilich im
Winter mit dem Handflegel ausdreſchen, nach alter Sitte; das
Stroh blieb beim Handdruſch beſſer, und dann liebte er auch
nicht die Neuerungen. — Maſchine blieb Maſchine, wenn es auch
nur ein einfaches Göpelwert war. In dieſem Jahre aber ließ
er gleich mehrere Tage hintereinander mit dem Göpel dreſchen.
Er mußte ja Korn haben zum ſchleunigen Verkauf.

Der alte Bauer ſtand am Siebe, während Karl die
Garben hineinſchob und Thereſe draußen das Pferd antrieb.
Der Bauer nahm ſelbſt das Getreide ab und maß es nach.

Seine Miene wurde düſterer und düſterer. „'s ſchüttet
ne, 's will ne ſchütten!“ erklang ſein verzweifelter Ruf. Was
nutzte ihm das viele Stroh, wenn der Körnerertrag ſo gering
war! Und dabei hatte er das Hauptkorn in dieſem Jahre auf
vorjährigem Kartoffellande gebaut, das noch reich an Dünger
geweſen. Er hatte es an Sorge und Fleiß nicht fehlen laſſen,
und trotzdem kein Erfolg! Es waren die kalten Tage und
Nächte im Anfange des Sommers geweſen, die den Landwirt
um den Ertrag ſeiner Mühen betrogen hatten. —

Schließlich lag das geſamte Ergebnis der Kornernte in
einem ſtattlichen Könerhaufen, durchgeſiebt und durchgeworfen,

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[122/0136] ſollte denn das nicht auch in dieſem Jahre eintreten, wo Korn ſeine Hauptfrucht war. Stroh konnte auch verkauft werden, und vielleicht auch einige Fuder Heu. Auf die Weiſe konnte hübſches Geld zuſammenkommen, allein aus der Winterung. Und die Sommerfrüchte behielt er dann zur Deckung des Winterbedarfes und zum ſpäteren Verkauf. So rechnete der Bauer im Frühjahre. Dann kam der erſte Rückſchlag durch die verregnete Heuernte. Mit dem Heuverkauf war alſo nichts; man mußte ja das Wenige, was man gerettet hatte vor dem Verderben, aufheben für den Winter. Die Kornernte war inzwiſchen beendet. Der Büttner¬ bauer hatte eine Menge Puppen ſetzen können; ſein Feld hatte voll ausgeſehen. Das Getreide war trocken in die Scheune gekommen. Der Bauer beſaß eine kleine Dreſchmaſchine und eine Göpel auf ſeinem Hofe. Das meiſte ließ er freilich im Winter mit dem Handflegel ausdreſchen, nach alter Sitte; das Stroh blieb beim Handdruſch beſſer, und dann liebte er auch nicht die Neuerungen. — Maſchine blieb Maſchine, wenn es auch nur ein einfaches Göpelwert war. In dieſem Jahre aber ließ er gleich mehrere Tage hintereinander mit dem Göpel dreſchen. Er mußte ja Korn haben zum ſchleunigen Verkauf. Der alte Bauer ſtand am Siebe, während Karl die Garben hineinſchob und Thereſe draußen das Pferd antrieb. Der Bauer nahm ſelbſt das Getreide ab und maß es nach. Seine Miene wurde düſterer und düſterer. „'s ſchüttet ne, 's will ne ſchütten!“ erklang ſein verzweifelter Ruf. Was nutzte ihm das viele Stroh, wenn der Körnerertrag ſo gering war! Und dabei hatte er das Hauptkorn in dieſem Jahre auf vorjährigem Kartoffellande gebaut, das noch reich an Dünger geweſen. Er hatte es an Sorge und Fleiß nicht fehlen laſſen, und trotzdem kein Erfolg! Es waren die kalten Tage und Nächte im Anfange des Sommers geweſen, die den Landwirt um den Ertrag ſeiner Mühen betrogen hatten. — Schließlich lag das geſamte Ergebnis der Kornernte in einem ſtattlichen Könerhaufen, durchgeſiebt und durchgeworfen,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/136>, abgerufen am 24.04.2024.