S Antwerpen, 14. August. Alles wird in Belgien komisch, weil Alles mehr oder weniger in Form eines Plagiats, der Contrefaçon erscheint. Risquons-tout! Zu dem Lächerlichen der Expedition muß es sich noch fügen, daß der Ort wo die Legion ankam, diesen lächerlichen Namen trägt. Aus dem Verhör der Angeklagten ergibt sich, daß die belgische Regierung zwei Kategorien von Beschuldigten eingezogen: 1) diejenigen, die bei der Expedition, wenn sie diesen Namen verdient, betheiligt waren; 2) diejenigen, welche hätten betheiligt sein können. Die ersteren würde man ebenso leicht laufen lassen wie man sie eingefangen hat, wenn man nur Mittel fände, den letzteren beizukommen. Aber mit jedem Verhör werden die Anklagepunkte in Bezug auf letztere schwächer. Es hieß in der Anklage, die Revolution hätte von Außen und von Innen gesucht in Belgien einzudringen. Die Leute von Außen hätten Emissäre zu denen von Innen geschickt, um die Republik von zwei Wegen aus zu proklamiren. Zu den Emissären gehört Mathieu. Dieser letztere erklärt ganz offen sein Verhältniß zu dem Generalprokurator, Herrn v. Bavay. Mathieu, der früher am Theater attachirt, hat zu Paris den Klub Menilmontant besucht, wo die belgischen Demokraten zusammen kamen. Herr Bavay glaubte aus diesem Manne ganz besondere Aufschlüsse ziehen zu können. Nachdem Mathieu, der in Brüssel arretirt wurde, 19 Tage in einem dunkeln, hermetisch geschlossenen Loche gesessen, kam der Herr Genaralprokurator zu ihm mit dem Code unter dem Arme und erklärte ihm: daß jedes Individuum, welches einem Komplotte gegen den Staat angehöre, aber alles aufdecke, sofort in Freiheit gesetzt würde. „Bavay konnte nichts aus mir herausziehen, da ich selbst nichts wußte. Da kam er mit dem Appellationsrathe Deloigne zu mir, der meine Familie kannte. Letzterer erklärte mir, daß man bei meiner Mutter eine Hausuntersuchung machen würde, und stellte mir vor, wie sehr dies eine alte kränkliche Frau affiziren müsse. Dann kam Herr Bavay wieder mit zwei andern Personen zu mir, die aussagen mußten sie hätten gehört, wie ich im Flämischen revolutionäre Reden gehalten habe zu Paris. Von einer andern Seite that man mir zu wissen, daß man meinem Bruder in Paris nach dem Leben stelle. Wieder ein anderes Mal kam Bavay mit dem Code und wies mir eine Stelle nach, die da heiße: daß jedes Individuum das eine Verschwörung gekannt, ohne die Justiz davon in Kenntniß gesetzt zu haben, zu 10 Jahren in Vilvorde unter den Dieben eingesperrt würde. Am Ende habe ich Alles unterzeichnet was mir Herr Bavay vorlegte, um nur nicht mit den Dieben in Vilvorde eingesperrt zu werden, und als ich meine Freiheit verlangte, sagte Herr Bavay, ich hatte mich selbst festgerannt.“ Mathieu spricht alles dieses mtt der größten Freimüthigkeit aus, ohne vom Prokurator in den Hauptpunkten widerlegt zu werden. Er fügt hinzu, letzterer habe ihn lauter Protokolle unterschreiben lassen, und ihm vor dem jedesmaligen Unterschreiben eine Prise Tabak angeboten.
Der Staatsprokurator in rothem Rocke gesteht allerdings zu, daß Matthieu mit ihm aus derselben Dose gepriset habe, aber dieses habe weiter keine Bedeutung. Matthieu ist nun grade Einer von Denjenigen, welcher die inneren Agenten, die Leute, welche eine Revolution hätten machen können, am meisten beschuldigte, und indem Matthieu seine Beschuldigung zurücknimmt, während der Staatsprokurator die Prisen Tabak eingesteht, bekommt die Sache eine andere Wendung. Das Verbrechen derjenigen, welche, wie der General Mellinit, Ballieu und Tedesco eine Revolution hätten machen können, besteht hauptsächlich darin, der demokratischen Gesellschaft in Brüssel angehört und mit Franzosen in Verbindung gestanden zu haben. Tedesco's Verhör zeichnet sich durch die Energie aus, mit welcher er dem Staatsprokurator entgegentritt. Tedesco soll mit deutschen Kommunisten in Verbindung gestanden haben. Das ist sein größtes Verbrechen. Er verlangt vom Tribunal, daß man ihn befrage über seine Verbindung mit Risquons-tout, nicht aber über sein politisches Glaubensbekenntniß. Er weist verächtlich alle Fragen darüber ab. Und so bleibt weiter nichts übrig als Tedesco's Anwesenhett in einem Estaminet, wo zwei polytechnische Schüler anwesend waren, und der Punkt, daß man bei ihm ein communistisches Manifest vorgefunden habe. Ueber letzteres gesteht Tedesco ein, daß er im Begriffe sei, eine französische Uebersetzung daran vorzunehmen, was ihm hoffentlich der Magistrat nicht wehren könne. Man hält jetzt ein Zeugenverhör, das ganz in flämischer Weise vor sich geht. Die stereotype Frage, die an alle Zeugen gerichtet wird, ist diese: ob dieser oder jener Angeklagter nicht gesagt habe, man müsse in Belgien ein Gleiches thun, wie in Frankreich. Die Contrefacon wird hier zum ersten Male als Verbrechen ausgelegt.
Das merkwürdigste Zeugenverhör ist das des Herrn Jottrand, auf welches wir nächstens zu sprechen kommen.