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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 4. Köln, 4. Juni 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 4. Köln, Sonntag 4. Juni 1848

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich.

Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.

Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.

Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.

Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.

Insertionsgebühren.

Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum ... 1 Sgr. 6 Pf.

Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Redaktions-Comite.

Karl Marx, Redakteur en Chef.

Heinrich Bürgers,
Ernst Dronke,
Friedrich Engels,
Georg Weerth,
Ferdinand Wolff,
Wilhelm Wolff,
Redakteure.
Uebersicht.

Deutschland. Köln (Truppenversetzung. - Lebens- und Sterbensfragen. - das Ministerium Camphausen). Koblenz (Valdenaires Verhaftung. - Wrangel). Berlin (Berichtigung. - Unruhen. - Versuch zur Entwaffnung der Handwerkskompagnien). Osnabrück (Stüve. - Handwerker-Bewegungen). München (Kammern. - Arbeitseinstellung. - Polizei. Wien (Kundmachung des Ministeriums). Prag (provisorische Regierung ernannt). Triest (Schreiben des österreichischen Gouverneurs). Schleswig-Holstein (der Krieg).

Belgien. Verviers (Aussicht auf die Wahlen. - Weigerung die Zwangs-Anleihe zu zahlen. - Weise Maßregeln Rogiers). Renair (die Zwangs-Anleihe. - Belgische Prosperität).

Italien. Mailand (Gefecht bei Vicenza. - Die Anschlußfrage). Modena(Anschluß an Sardinien). Palermo (Sympathieen für die neapolitanische Revolution).

Französische Republik. Paris (Nationalversammlung. - Kommission wegen Louis Blanc).

Großbritanien. London (Unterhaussitzung vom 31. Mai. - Chartisten). Manchester. Leeds.

Handels- und Börsennachrichten.

Deutschland.
* Köln, 3. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
** Köln, 3. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben.
Von Georg Weerth.
Der Herr Preiß in Nöthen.

(Fortsetzung.)

Die zwar höfliche, aber nichts destoweniger höchst energische, im sogenannten jacobinischen Style abgefaßte Adresse der Zahlen an Se. Majestät, die königliche Null, zeigte nur zu deutlich, daß sich die Unterzeichneten bemühten, das Verhältniß zwischen Fürst und Unterthan von dem weltbekannten historischen Rechtsboden auf die breiteste demokratische Grundlage hinunter zu ziehen. Ihre null und nichtige Hoheit geriethen deswegen in die außerordentlichste Mißstimmung. Minister wurden entlassen, Gesandte wurden abberufen, Kammerjäger bekamen Fußtritte und die Orden verringerten sich bedenklich. Am entsetzlichsten machte sich indeß der Unwille Ihrer Majestät in dero allerhöchsten Handschreiben an sämmtliche null und nichtigen Vettern und lieben Getreuen des weiten Landes Luft. Der freche, unehrerbietige Tadel alt-ehrwürdigen Herkommens, den sich die Volksversammlung der Zahlen in den Augen Ihrer Majestät zu Schulden kommen ließ, wurde in den schwärzesten Kouleuren geschildert. Man sprach gerade zu von einer weitverzweigten Konspiration, welche den Umsturz alles Bestehenden zum Zweck habe und nach vielfachen anarchischen Volksbelustigungen mit einer blau-weiß-röthlichen Republik endigen solle.

Zahlreiche Spione mit blonden Schnurbärten und tiefliegenden, schmutzig blauen Augen, Leute von Gesinnung und Charakter, die sich zu des respectiven Landesfürsten wohldressirtesten Dienern rechneten, waren auf's eifrigste bemüht, der um sich greifenden Verderbniß der niederen Volksklasse nachzuspüren, und es bedarf wohl nicht der Versicherung, daß diese gefälligen, achtungswerthen Männer zu Nutz und Frommen ihrer Null und nichtigen Herrn aus der Mücke der Wahrheit jedesmal den Elephanten der Lüge zu bereiten wußten und so die unselige Kluft zwischen Null und Zahl nur noch immer weiter und tiefer machten. - Es würde zu weitläuftig sein, diese zu einer unheilvollen Katastrophe sich entwickelnde Spaltung in allen ihren Details verfolgen zu wollen. Der Herr Preiß träumte sie auch nur abgerissen und fragmentarisch, und wir sind zu gewissenhaft, um irgend etwas schildern zu wollen, was nicht wirklich faktisch und historisch in der unsterblichen Seele des Schlafenden zur Welt kam.

Jedenfalls wurden die Sachen sehr schlimm. Der berühmten Petition der Zahlen war von Seiten der Nullen die tiefste offizielle Stille; von Seiten der Zahlen die Qual der peinlichsten Erwartung gefolgt. Die g utenunterthänigen Zahlen wollten eine Antwort auf ihre Eingabe, ehe sie dem Throne wieder frohlockend nahten; die hochgeborenen Nullen wünschten dagegen nicht früher etwas zu erwiedern, als bis die gehörige Anzahl Shrapnell's angefertigt worden sei und die außerordentlich kurzen diplomatischen Verhandlungen unter den verschiedenen Höfen ein anständiges Ende erreicht hätten.

Endlich waren diese durchaus nöthigen Präliminarien erledigt, und da sich gerade ein sonderbares volksthümliches Gemurmel in den Grundschichten des bürgerlichen Lebens kund that, so beeilte sich die eine namentlich angegangene Null um so mehr, ihren königlichen Gesinnungen in folgender höchster Proklamation den so sehr gewünschten Ausdruck zu verleihen.

Diese durch den Staats-Charivari veröffentlichte Proklamation hieß folgendermaßen:

"Irregeleitete Zahlen, sehr freche Landeskinder! Wurzelnd in dem Rechtsboden meiner glorreichen Ahnen und gehüllt in den Fabelmantel meiner absoluten Herrlichkeit, fühle ich das größeste Bedürfniß, ein unsägliches Mitleid mit euch zu haben. Die Forderung, euch die Souveränität zu bewilligen, beweist wohl am besten, daß ihr hiezu noch nicht reif seid. Der Unterthan ist nicht ein fortdauernd nehmendes, sondern ein duldend empfangendes Wesen. Wehe euch, daß ihr herausgetreten aus eurer naturwüchsigen Entwickelung. So lange eine Null noch Werth und Wichtigkeit hat, wird euch nimmer gewillfahrt werden; denn es ist meine Pflicht, über euch zu wachen und zu herrschen, wie eine wahrhaft landesväterliche, königliche Null."

Aehnliche, von fast allen kaiserlichen wie land- und reichsgräflichen Nullen erlassene Proklamationen waren die Signale zu einem wahrhaft thronerschütternden Volksunwillen.

Man raunte sich überall in die Backenbärte: entweder müsse man eine Revolution veranstalten oder man blamire sich vor der ganzen Thierwelt. In einer massenhaft besuchten Volksversammlung drang diese Ansicht noch mehr durch. Die Eins, ein grade gewachsener tüchtiger Mann, setzte sie ohne viele Gestikulationen in einer trefflichen Rede sehr verständlich auseinander. Die Zwei, wie ein listiges Fragezeichen aussehend, machte sie zwar durch einige Einwürfe für den Augenblick wankend; als dann aber die Drei, ein recht knorriger Mann aus dem Volke, auftrat, da war die Sache schnell wieder im Zuge, und es bedurfte schließlich nur der kantigen Vier, um für die betreffende Angelegenheit den schallendsten Applaus zu erregen.

Mit dem glänzendsten Pathos entwickelte dann die bombastische Fünf die Segnungen, welche einem Umsturz des Bestehenden folgen würden. Die Sechs, ein entschiedenes, energisches Wesen, drang da auf Abstimmung; man gab aber noch der Sieben das Wort, die nach ihrem galgenähnlichen Aeußern einen außerordentlichen Redeerguß verhieß.

Die Acht zeigte sich ebenfalls noch auf der Tribüne; da sie aber durch ihre aus zwei Nullen bestehende Gestalt nur zu sehr an eine außereheliche Abkunft höhern Orts erinnerte, so entstand ein wahrer Orkan von Völkergeschrei und schnell musste sie der keulenähnlichen Neun den Platz überlassen, die ohne weitere Umstände die Motion machte, daß man die Sitzung sofort auf die Straße verlege, um ihr einen desto praktischern Anstrich zu verleihen.

So weit hatte der Herr Preiß geträumt, da seufzte er tief auf, und der Quast der baumwollenen Nachtmütze bewegte sich über seinem Haupte. "Das Volk steht auf der Sturm bricht los" - - Mit Schrecken gewahrte er, wie die Zahlen und die Nullen die weiße, ebene Fläche seines großen Hauptbuches dazu ausersahen, das Schlachtfeld ihres Souveränetätskamp fes zu werden.

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 4. Köln, Sonntag 4. Juni 1848

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich.

Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.

Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.

Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.

Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.

Insertionsgebühren.

Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.

Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Redaktions-Comité.

Karl Marx, Redakteur en Chef.

Heinrich Bürgers,
Ernst Dronke,
Friedrich Engels,
Georg Weerth,
Ferdinand Wolff,
Wilhelm Wolff,
Redakteure.
Uebersicht.

Deutschland. Köln (Truppenversetzung. ‒ Lebens- und Sterbensfragen. ‒ das Ministerium Camphausen). Koblenz (Valdenaires Verhaftung. ‒ Wrangel). Berlin (Berichtigung. ‒ Unruhen. ‒ Versuch zur Entwaffnung der Handwerkskompagnien). Osnabrück (Stüve. ‒ Handwerker-Bewegungen). München (Kammern. ‒ Arbeitseinstellung. ‒ Polizei. Wien (Kundmachung des Ministeriums). Prag (provisorische Regierung ernannt). Triest (Schreiben des österreichischen Gouverneurs). Schleswig-Holstein (der Krieg).

Belgien. Verviers (Aussicht auf die Wahlen. ‒ Weigerung die Zwangs-Anleihe zu zahlen. ‒ Weise Maßregeln Rogiers). Renair (die Zwangs-Anleihe. ‒ Belgische Prosperität).

Italien. Mailand (Gefecht bei Vicenza. ‒ Die Anschlußfrage). Modena(Anschluß an Sardinien). Palermo (Sympathieen für die neapolitanische Revolution).

Französische Republik. Paris (Nationalversammlung. ‒ Kommission wegen Louis Blanc).

Großbritanien. London (Unterhaussitzung vom 31. Mai. ‒ Chartisten). Manchester. Leeds.

Handels- und Börsennachrichten.

Deutschland.
* Köln, 3. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
** Köln, 3. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben.
Von Georg Weerth.
Der Herr Preiß in Nöthen.

(Fortsetzung.)

Die zwar höfliche, aber nichts destoweniger höchst energische, im sogenannten jacobinischen Style abgefaßte Adresse der Zahlen an Se. Majestät, die königliche Null, zeigte nur zu deutlich, daß sich die Unterzeichneten bemühten, das Verhältniß zwischen Fürst und Unterthan von dem weltbekannten historischen Rechtsboden auf die breiteste demokratische Grundlage hinunter zu ziehen. Ihre null und nichtige Hoheit geriethen deswegen in die außerordentlichste Mißstimmung. Minister wurden entlassen, Gesandte wurden abberufen, Kammerjäger bekamen Fußtritte und die Orden verringerten sich bedenklich. Am entsetzlichsten machte sich indeß der Unwille Ihrer Majestät in dero allerhöchsten Handschreiben an sämmtliche null und nichtigen Vettern und lieben Getreuen des weiten Landes Luft. Der freche, unehrerbietige Tadel alt-ehrwürdigen Herkommens, den sich die Volksversammlung der Zahlen in den Augen Ihrer Majestät zu Schulden kommen ließ, wurde in den schwärzesten Kouleuren geschildert. Man sprach gerade zu von einer weitverzweigten Konspiration, welche den Umsturz alles Bestehenden zum Zweck habe und nach vielfachen anarchischen Volksbelustigungen mit einer blau-weiß-röthlichen Republik endigen solle.

Zahlreiche Spione mit blonden Schnurbärten und tiefliegenden, schmutzig blauen Augen, Leute von Gesinnung und Charakter, die sich zu des respectiven Landesfürsten wohldressirtesten Dienern rechneten, waren auf's eifrigste bemüht, der um sich greifenden Verderbniß der niederen Volksklasse nachzuspüren, und es bedarf wohl nicht der Versicherung, daß diese gefälligen, achtungswerthen Männer zu Nutz und Frommen ihrer Null und nichtigen Herrn aus der Mücke der Wahrheit jedesmal den Elephanten der Lüge zu bereiten wußten und so die unselige Kluft zwischen Null und Zahl nur noch immer weiter und tiefer machten. ‒ Es würde zu weitläuftig sein, diese zu einer unheilvollen Katastrophe sich entwickelnde Spaltung in allen ihren Details verfolgen zu wollen. Der Herr Preiß träumte sie auch nur abgerissen und fragmentarisch, und wir sind zu gewissenhaft, um irgend etwas schildern zu wollen, was nicht wirklich faktisch und historisch in der unsterblichen Seele des Schlafenden zur Welt kam.

Jedenfalls wurden die Sachen sehr schlimm. Der berühmten Petition der Zahlen war von Seiten der Nullen die tiefste offizielle Stille; von Seiten der Zahlen die Qual der peinlichsten Erwartung gefolgt. Die g utenunterthänigen Zahlen wollten eine Antwort auf ihre Eingabe, ehe sie dem Throne wieder frohlockend nahten; die hochgeborenen Nullen wünschten dagegen nicht früher etwas zu erwiedern, als bis die gehörige Anzahl Shrapnell's angefertigt worden sei und die außerordentlich kurzen diplomatischen Verhandlungen unter den verschiedenen Höfen ein anständiges Ende erreicht hätten.

Endlich waren diese durchaus nöthigen Präliminarien erledigt, und da sich gerade ein sonderbares volksthümliches Gemurmel in den Grundschichten des bürgerlichen Lebens kund that, so beeilte sich die eine namentlich angegangene Null um so mehr, ihren königlichen Gesinnungen in folgender höchster Proklamation den so sehr gewünschten Ausdruck zu verleihen.

Diese durch den Staats-Charivari veröffentlichte Proklamation hieß folgendermaßen:

„Irregeleitete Zahlen, sehr freche Landeskinder! Wurzelnd in dem Rechtsboden meiner glorreichen Ahnen und gehüllt in den Fabelmantel meiner absoluten Herrlichkeit, fühle ich das größeste Bedürfniß, ein unsägliches Mitleid mit euch zu haben. Die Forderung, euch die Souveränität zu bewilligen, beweist wohl am besten, daß ihr hiezu noch nicht reif seid. Der Unterthan ist nicht ein fortdauernd nehmendes, sondern ein duldend empfangendes Wesen. Wehe euch, daß ihr herausgetreten aus eurer naturwüchsigen Entwickelung. So lange eine Null noch Werth und Wichtigkeit hat, wird euch nimmer gewillfahrt werden; denn es ist meine Pflicht, über euch zu wachen und zu herrschen, wie eine wahrhaft landesväterliche, königliche Null.“

Aehnliche, von fast allen kaiserlichen wie land- und reichsgräflichen Nullen erlassene Proklamationen waren die Signale zu einem wahrhaft thronerschütternden Volksunwillen.

Man raunte sich überall in die Backenbärte: entweder müsse man eine Revolution veranstalten oder man blamire sich vor der ganzen Thierwelt. In einer massenhaft besuchten Volksversammlung drang diese Ansicht noch mehr durch. Die Eins, ein grade gewachsener tüchtiger Mann, setzte sie ohne viele Gestikulationen in einer trefflichen Rede sehr verständlich auseinander. Die Zwei, wie ein listiges Fragezeichen aussehend, machte sie zwar durch einige Einwürfe für den Augenblick wankend; als dann aber die Drei, ein recht knorriger Mann aus dem Volke, auftrat, da war die Sache schnell wieder im Zuge, und es bedurfte schließlich nur der kantigen Vier, um für die betreffende Angelegenheit den schallendsten Applaus zu erregen.

Mit dem glänzendsten Pathos entwickelte dann die bombastische Fünf die Segnungen, welche einem Umsturz des Bestehenden folgen würden. Die Sechs, ein entschiedenes, energisches Wesen, drang da auf Abstimmung; man gab aber noch der Sieben das Wort, die nach ihrem galgenähnlichen Aeußern einen außerordentlichen Redeerguß verhieß.

Die Acht zeigte sich ebenfalls noch auf der Tribüne; da sie aber durch ihre aus zwei Nullen bestehende Gestalt nur zu sehr an eine außereheliche Abkunft höhern Orts erinnerte, so entstand ein wahrer Orkan von Völkergeschrei und schnell musste sie der keulenähnlichen Neun den Platz überlassen, die ohne weitere Umstände die Motion machte, daß man die Sitzung sofort auf die Straße verlege, um ihr einen desto praktischern Anstrich zu verleihen.

So weit hatte der Herr Preiß geträumt, da seufzte er tief auf, und der Quast der baumwollenen Nachtmütze bewegte sich über seinem Haupte. „Das Volk steht auf der Sturm bricht los“ ‒ ‒ Mit Schrecken gewahrte er, wie die Zahlen und die Nullen die weiße, ebene Fläche seines großen Hauptbuches dazu ausersahen, das Schlachtfeld ihres Souveränetätskamp fes zu werden.

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          <p>Man raunte sich überall in die Backenbärte: entweder müsse man eine Revolution veranstalten       oder man blamire sich vor der ganzen Thierwelt. In einer massenhaft besuchten Volksversammlung       drang diese Ansicht noch mehr durch. Die Eins, ein grade gewachsener tüchtiger Mann, setzte       sie ohne viele Gestikulationen in einer trefflichen Rede sehr verständlich auseinander. Die       Zwei, wie ein listiges Fragezeichen aussehend, machte sie zwar durch einige Einwürfe für den       Augenblick wankend; als dann aber die Drei, ein recht knorriger Mann aus dem Volke, auftrat,       da war die Sache schnell wieder im Zuge, und es bedurfte schließlich nur der kantigen Vier, um       für die betreffende Angelegenheit den schallendsten Applaus zu erregen.</p>
          <p>Mit dem glänzendsten Pathos entwickelte dann die bombastische Fünf die Segnungen, welche       einem Umsturz des Bestehenden folgen würden. Die Sechs, ein entschiedenes, energisches Wesen,       drang da auf Abstimmung; man gab aber noch der Sieben das Wort, die nach ihrem galgenähnlichen       Aeußern einen außerordentlichen Redeerguß verhieß.</p>
          <p>Die Acht zeigte sich ebenfalls noch auf der Tribüne; da sie aber durch ihre aus zwei Nullen       bestehende Gestalt nur zu sehr an eine außereheliche Abkunft höhern Orts erinnerte, so       entstand ein wahrer Orkan von Völkergeschrei und schnell musste sie der keulenähnlichen Neun       den Platz überlassen, die ohne weitere Umstände die Motion machte, daß man die Sitzung sofort       auf die Straße verlege, um ihr einen desto praktischern Anstrich zu verleihen.</p>
          <p>So weit hatte der Herr Preiß geträumt, da seufzte er tief auf, und der Quast der       baumwollenen Nachtmütze bewegte sich über seinem Haupte. &#x201E;Das Volk steht auf der Sturm bricht       los&#x201C; &#x2012; &#x2012; Mit Schrecken gewahrte er, wie die Zahlen und die Nullen die weiße, ebene Fläche       seines großen Hauptbuches dazu ausersahen, das Schlachtfeld ihres Souveränetätskamp fes zu       werden.</p>
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[0013/0001] Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No 4. Köln, Sonntag 4. Juni 1848 Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Redaktions-Comité. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure. Uebersicht. Deutschland. Köln (Truppenversetzung. ‒ Lebens- und Sterbensfragen. ‒ das Ministerium Camphausen). Koblenz (Valdenaires Verhaftung. ‒ Wrangel). Berlin (Berichtigung. ‒ Unruhen. ‒ Versuch zur Entwaffnung der Handwerkskompagnien). Osnabrück (Stüve. ‒ Handwerker-Bewegungen). München (Kammern. ‒ Arbeitseinstellung. ‒ Polizei. Wien (Kundmachung des Ministeriums). Prag (provisorische Regierung ernannt). Triest (Schreiben des österreichischen Gouverneurs). Schleswig-Holstein (der Krieg). Belgien. Verviers (Aussicht auf die Wahlen. ‒ Weigerung die Zwangs-Anleihe zu zahlen. ‒ Weise Maßregeln Rogiers). Renair (die Zwangs-Anleihe. ‒ Belgische Prosperität). Italien. Mailand (Gefecht bei Vicenza. ‒ Die Anschlußfrage). Modena(Anschluß an Sardinien). Palermo (Sympathieen für die neapolitanische Revolution). Französische Republik. Paris (Nationalversammlung. ‒ Kommission wegen Louis Blanc). Großbritanien. London (Unterhaussitzung vom 31. Mai. ‒ Chartisten). Manchester. Leeds. Handels- und Börsennachrichten. Deutschland. * Köln, 3. Juni. _ ** Köln, 3. Juni. _ Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben. Von Georg Weerth. Der Herr Preiß in Nöthen. (Fortsetzung.) Die zwar höfliche, aber nichts destoweniger höchst energische, im sogenannten jacobinischen Style abgefaßte Adresse der Zahlen an Se. Majestät, die königliche Null, zeigte nur zu deutlich, daß sich die Unterzeichneten bemühten, das Verhältniß zwischen Fürst und Unterthan von dem weltbekannten historischen Rechtsboden auf die breiteste demokratische Grundlage hinunter zu ziehen. Ihre null und nichtige Hoheit geriethen deswegen in die außerordentlichste Mißstimmung. Minister wurden entlassen, Gesandte wurden abberufen, Kammerjäger bekamen Fußtritte und die Orden verringerten sich bedenklich. Am entsetzlichsten machte sich indeß der Unwille Ihrer Majestät in dero allerhöchsten Handschreiben an sämmtliche null und nichtigen Vettern und lieben Getreuen des weiten Landes Luft. Der freche, unehrerbietige Tadel alt-ehrwürdigen Herkommens, den sich die Volksversammlung der Zahlen in den Augen Ihrer Majestät zu Schulden kommen ließ, wurde in den schwärzesten Kouleuren geschildert. Man sprach gerade zu von einer weitverzweigten Konspiration, welche den Umsturz alles Bestehenden zum Zweck habe und nach vielfachen anarchischen Volksbelustigungen mit einer blau-weiß-röthlichen Republik endigen solle. Zahlreiche Spione mit blonden Schnurbärten und tiefliegenden, schmutzig blauen Augen, Leute von Gesinnung und Charakter, die sich zu des respectiven Landesfürsten wohldressirtesten Dienern rechneten, waren auf's eifrigste bemüht, der um sich greifenden Verderbniß der niederen Volksklasse nachzuspüren, und es bedarf wohl nicht der Versicherung, daß diese gefälligen, achtungswerthen Männer zu Nutz und Frommen ihrer Null und nichtigen Herrn aus der Mücke der Wahrheit jedesmal den Elephanten der Lüge zu bereiten wußten und so die unselige Kluft zwischen Null und Zahl nur noch immer weiter und tiefer machten. ‒ Es würde zu weitläuftig sein, diese zu einer unheilvollen Katastrophe sich entwickelnde Spaltung in allen ihren Details verfolgen zu wollen. Der Herr Preiß träumte sie auch nur abgerissen und fragmentarisch, und wir sind zu gewissenhaft, um irgend etwas schildern zu wollen, was nicht wirklich faktisch und historisch in der unsterblichen Seele des Schlafenden zur Welt kam. Jedenfalls wurden die Sachen sehr schlimm. Der berühmten Petition der Zahlen war von Seiten der Nullen die tiefste offizielle Stille; von Seiten der Zahlen die Qual der peinlichsten Erwartung gefolgt. Die g utenunterthänigen Zahlen wollten eine Antwort auf ihre Eingabe, ehe sie dem Throne wieder frohlockend nahten; die hochgeborenen Nullen wünschten dagegen nicht früher etwas zu erwiedern, als bis die gehörige Anzahl Shrapnell's angefertigt worden sei und die außerordentlich kurzen diplomatischen Verhandlungen unter den verschiedenen Höfen ein anständiges Ende erreicht hätten. Endlich waren diese durchaus nöthigen Präliminarien erledigt, und da sich gerade ein sonderbares volksthümliches Gemurmel in den Grundschichten des bürgerlichen Lebens kund that, so beeilte sich die eine namentlich angegangene Null um so mehr, ihren königlichen Gesinnungen in folgender höchster Proklamation den so sehr gewünschten Ausdruck zu verleihen. Diese durch den Staats-Charivari veröffentlichte Proklamation hieß folgendermaßen: „Irregeleitete Zahlen, sehr freche Landeskinder! Wurzelnd in dem Rechtsboden meiner glorreichen Ahnen und gehüllt in den Fabelmantel meiner absoluten Herrlichkeit, fühle ich das größeste Bedürfniß, ein unsägliches Mitleid mit euch zu haben. Die Forderung, euch die Souveränität zu bewilligen, beweist wohl am besten, daß ihr hiezu noch nicht reif seid. Der Unterthan ist nicht ein fortdauernd nehmendes, sondern ein duldend empfangendes Wesen. Wehe euch, daß ihr herausgetreten aus eurer naturwüchsigen Entwickelung. So lange eine Null noch Werth und Wichtigkeit hat, wird euch nimmer gewillfahrt werden; denn es ist meine Pflicht, über euch zu wachen und zu herrschen, wie eine wahrhaft landesväterliche, königliche Null.“ Aehnliche, von fast allen kaiserlichen wie land- und reichsgräflichen Nullen erlassene Proklamationen waren die Signale zu einem wahrhaft thronerschütternden Volksunwillen. Man raunte sich überall in die Backenbärte: entweder müsse man eine Revolution veranstalten oder man blamire sich vor der ganzen Thierwelt. In einer massenhaft besuchten Volksversammlung drang diese Ansicht noch mehr durch. Die Eins, ein grade gewachsener tüchtiger Mann, setzte sie ohne viele Gestikulationen in einer trefflichen Rede sehr verständlich auseinander. Die Zwei, wie ein listiges Fragezeichen aussehend, machte sie zwar durch einige Einwürfe für den Augenblick wankend; als dann aber die Drei, ein recht knorriger Mann aus dem Volke, auftrat, da war die Sache schnell wieder im Zuge, und es bedurfte schließlich nur der kantigen Vier, um für die betreffende Angelegenheit den schallendsten Applaus zu erregen. Mit dem glänzendsten Pathos entwickelte dann die bombastische Fünf die Segnungen, welche einem Umsturz des Bestehenden folgen würden. Die Sechs, ein entschiedenes, energisches Wesen, drang da auf Abstimmung; man gab aber noch der Sieben das Wort, die nach ihrem galgenähnlichen Aeußern einen außerordentlichen Redeerguß verhieß. Die Acht zeigte sich ebenfalls noch auf der Tribüne; da sie aber durch ihre aus zwei Nullen bestehende Gestalt nur zu sehr an eine außereheliche Abkunft höhern Orts erinnerte, so entstand ein wahrer Orkan von Völkergeschrei und schnell musste sie der keulenähnlichen Neun den Platz überlassen, die ohne weitere Umstände die Motion machte, daß man die Sitzung sofort auf die Straße verlege, um ihr einen desto praktischern Anstrich zu verleihen. So weit hatte der Herr Preiß geträumt, da seufzte er tief auf, und der Quast der baumwollenen Nachtmütze bewegte sich über seinem Haupte. „Das Volk steht auf der Sturm bricht los“ ‒ ‒ Mit Schrecken gewahrte er, wie die Zahlen und die Nullen die weiße, ebene Fläche seines großen Hauptbuches dazu ausersahen, das Schlachtfeld ihres Souveränetätskamp fes zu werden.

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 4. Köln, 4. Juni 1848, S. 0013. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz004_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.