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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 45. Köln, 15. Juli 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 45. Köln, Samstag 15. Juli 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Deutschland.
19 Köln, 13. Juli.

(Schluß des vorgestr. Artikels.) Der General Pfuel (von Höllenstein) begann seine Friedensmission damit, daß er die gemeinen Gesetze suspendirte und militärische Ausnahmgesetze erließ.

Am 5. Mai bestätigte Hr. Pfuel "kraft seiner Vollmacht," die er nie vollständig veröffentlichte, die von dem General Colomb in Gemeinschaft mit dem Oberpräsidenten gesetzwidrig verfügte Wiedereinführung des Standrechts.

Am 7. Mai ließ Hr. Pfuel in Posen die ganze polnische Einwohnerschaft entwaffnen, dagegen aber "zur kräftigeren Aufrechthaltung der Ruhe," die bis dahin in der Stadt noch keinen Augenblick gestört worden war, deutsche und jüdische Freikorps errichten, welche beiläufig unter Anführung des Grafen Lüttichau und Assessor Göldner hinter den fliegenden Militärkolonnen herzogen, um denselben bei den polnischen Exekutionen, beim Anzünden der Häuser und Niederschießen der entsetzten fliehenden Bevölkerung zu sekundiren.

Am 12. Mai und 4. Juni führte Hr. Pfuel "kraft seiner Vollmacht" durch neue Proklamationen die angeordnete Theilung des Großherzogthums weiter aus, indem er dem polnischen Theil immer neue, aber stets engere Gränzen zog.

Am 23. Mai erließ Hr. Pfuel eine Proklamation an das polnische Landvolk, worin er die demokratischen Gutsbesitzer injurirte und verdächtigte und durch erdichtete Thatsachen Haß und Zwietracht in dem "pacificirten" Lande zu erregen suchte.

Am 30. Mai denunzirte Hr. Pfuel die Polen-Chefs der Lynchjustiz, indem er "für diejenigen, welche Verluste erlitten," die Namen von 76 Organisatoren und Anführern der Insurgenten veröffentlichte; er versprach dabei weiter auch die Namen aller Mitglieder des National-Comites und der von diesem eingesetzten Kreis-Comites zu denunziren, welche bekanntlich mit Bewilligung des Ministeriums und unter Zuziehung des Oberpräsidenten sich konstituirt hatten.

Dies sind die allgemeinen Maßregeln, welche der General (von Höllenstein) zur Ausführung der nationalen Reorganisation bis jetzt für nöthig befunden hat.

Die Polen scheinen dies Liebeswerk des Hrn. Pfuel indeß keineswegs mit einsichtiger Dankbarkeit gewürdigt zu haben; Hr. Pfuel hat sich bisher vergebens bemüht, einen Präsidenten für den sogenannten polnischen Rest des geraubten Großherzogthums zu finden. Ein desto innigeres Band umschlingt dagegen den General Pfuel (von Höllenstein) mit seinen Gesinnungsfreunden, den Deutschen und Juden.

Seit der Anwesenheit des Hrn. Pfuel übt die Hefe der Deutschen und Juden fast an allen Orten ungestraft die Polizeigewalt aus.

Am 11. Mai feierten in Posen die Deutschen und Juden die neue Unterdrückung der polnischen Nationalität, den neuen Raub an Polen, durch einen solennen Festzug, und Hr. Pfuel bezeugte in offiziellem Karakter seine Theilnahme an dieser patriotischen Demonstration, indem er mit seinem Stabe in glänzender Suite dem Zug sich anschloß.

In der Stadt Posen werden trotz des Martialgesetzes Aufläufe geduldet, so weit sie von den Gesinnungsfreunden des Hrn. Pfuel, den Deutschen und Juden ausgehen, und blos Exzesse an den eingebrachten polnischen Gefangenen zum Zweck haben.

Die speziellen Aeußerungen der preußischen Liebesideen für Polen bestehen darin, daß fortwährend deutsche und jüdische Banden mordend, plündernd und brennend das Land durchziehen, und Gutsbesitzer, Priester und Schullehrer ermorden oder die Flüchtigen in die Wälder jagen;

daß täglich ohne alle Veranlassung zahllose Verhaftungen vorgenommen und die Gefangenen laut Verfügung des General Steinäcker jeder Pflege ihrer Angehörigen, selbst in Kost und Wäsche, entzogen werden;

daß die Verhafteten ohne Verhör Wochenlang in Haft gehalten und bei ihrer Entlassung an Ohren und Händen mit Höllenstein gebrandmarkt werden;

daß die fanatisirte pommersche Soldateska in Verein mit profitwüthigen deutschen und jüdischen Strolchen die Polen auf offner Straße angreift, mit Ladstöcken, Säbeln und Kolben todt schlägt, und ihre Wohnsitze ausplündert und den Flammen übergibt;

daß die Polen mit Einem Wort auf dem Boden ihrer Väter für vogelfrei erklärt sind.

Dies ist, was die christlich-germanische Race die Pacifikation, die nationale "Reorganisation" Polens nennt.

Der Beginn dieses preußischen Liebeswerkes war die Furcht und die Ohnmacht, seine Vollendung war die Wuth über die eigne Schwäche, als der erste Schrecken des Revolutionsfiebers vorüber war.

Die preußische Staatsregierung hatte trotz aller Verheißungen keinen Augenblick daran gedacht, den polnischen Raub ernstlich aufzugeben. Ihre ersten Konzessionen waren unter dem Nachhall des 18. und 19. März dictirt, wo das Berliner Volk die befreiten polnischen Gefangenen im Triumphzug über seine blutigen, mit Barrikaden bedeckten Straßen fuhr; es bedurfte erst der fächelnden Abkühlung des Ministeriums der Vermittlung, um aus den Verheißungen an Polen ein Mißverständniß zu machen, wie Hr. Camphausen die Anerkennung einer Revolution überhaupt als Mißverständniß erklärt.

Wie kam es sonst, daß die soldwüthigen deutschen Beamten und trödelsuchenden Juden unmittelbar unter dem Eindruck der Revolution in merkwürdiger Einigkeit mit den Polen leben und sogar die Verheißung der Reorganisation mit Deklamationen und Adressen feiern konnten, um bei dem Erscheinen des Ministeriums Camphausen sofort von patriotischen Besorgnissen überzuträufeln und mit aller Wuth gegen die polnische Nationalität zu Felde zu ziehen?

Wie kam es, daß unter dem Kommissariat des General Willisen der gerühmte blinde Gehorsam des Kamaschenritterthums plötzlich verschwunden war, und von den Generalen bis zum gemeinen pommerschen Kriegsknecht jeder auf eigne Hand Verrath und Gesetzwidrigkeiten aller Art begehen, und durch die blutigsten Gräuel die Polen zum gewaltsamen Kampf zwingen konnte?

Wie kam es, daß unter dem General Pfuel (von Höllenstein) trotz aller Friedenserklärungen das Land in eine Brandstätte verwandelt und die "Reorganisation" zu einem Vertilgungskrieg gegen Alles was Pole heißt organisirt werden konnte? daß die Höllenstein-Operationen des Hrn. Pfuel an wehrlosen, ohne Verhör entlassenen Gefangenen, nachdem der Minister Auerswald in der Vereinbarerversammlung seine "Entrüstung" darüber aussprechen mußte, noch immer ungestraft blieben, während Hr. Pfuel sich ein neues ritterliches Spiel durch Scalpiren der Polenköpfe auserlas? daß mit dem Fortschreiten dieser "Pacifikation" immer neue Reorganisationspläne, ein immer größerer Raub zu dem alten verfügt wurde?

Das Ministerium Camphausen hat alle diese Gräuel der patriotischen Soldateska, wie sie in keiner Zeit der Barbarei stattgefunden, durch sein stillschweigendes laissez-faire zu den seinigen gemacht. Herr Hansemann, der Uebergangsminister, hat ihnen jetzt auch thatsächlich seine Anerkennung ertheilt, indem er als Minister der That der Vereinbarerversammlung die Untersuchung zu entziehen suchte.

Wir erwarten nichts von der Vereinbarerversammlung, aber noch ist die "Reorganisation" Polens nicht in letzter Instanz vollbracht. Diese letzte Instanz, wir haben es bereits gesagt, ist das deutsche Volk und die Polen.

** Köln, 14. Juli.

Wir kommen heute zur zweiten Hälfte der Vereinbarungssitzung vom 7. d. Nach der, für Hrn. Hansemann so schmerzlichen Debatte über die Finanzkommission, kam noch eine Reihe kleiner Trübsale für die Herren Minister vor. Es war der Tag der Dringlichkeitsanträge und Interpellationen, der Tag der Anfechtungen und der Ministerialbedrängniß.

Der Abgeordnete Wander trug an, jeder Beamte, der einen Bürger ungerechter Weise verhaften ließe, solle zu völligem Schadenersatz verpflichtet sein und außerdem viermal solange sitzen, als der von ihm Verhaftete.

Der Antrag geht, als nicht dringlich, an die Fachkommission.

Justizminister Märker erklärt, die Annahme dieses Antrags werde die bisherige Gesetzgebung gegen ungesetzlich verhaftende Beamte nicht nur nicht verschärfen, sondern sogar noch mildern. (Bravo.)

Der Hr. Justizminister hat nur vergessen zu bemerken, daß es nach den bisherigen, namentlich altpreußischen Gesetzen, für einen Beamten kaum möglich ist, Jemanden ungesetzlich zu verhaften. Die willkührlichste Verhaftung kann nach den Paragraphen des altehrwürdigsten Landrechts gerechtfertigt werden.

Wir machen übrigens auf die höchst unparlamentarische Methode aufmerksam, die die Herren Minister sich angewöhnt haben. Sie warten bis der Antrag an die Fachkommission oder die Abtheilung verwiesen ist, und dann sprechen sie noch darüber. Sie sind dann sicher, daß ihnen Niemand antworten kann. So hat es Hr. Hansemann bei dem Antrage des Hrn. Borries gemacht, so macht es jetzt Hr. Märker. In England und Frankreich würde man die Herren Minister, wenn sie solche parlamentarische Unschicklichkeiten je versucht hätten, ganz anders zur Ordnung zurückgeführt haben. Aber in Berlin!

Hr. Schulze v. Delitzsch: Antrag, zur Aufforderung an die Regierung, die bereits vollendeten oder bald zu vollendenden Entwürfe organischer Gesetze sofort der Versammlung zur Berathung in den Abtheilungen zu übergeben.

Dieser Antrag enthielt wieder einen indirekten Tadel der Regierung, wegen Läßigkeit oder absichtlicher Verschleppung in der Vorlage der die Verfassung ergänzenden organischen Gesetze. Der Tadel war um so empfindlicher, als denselben Morgen zwei Gesetzentwürfe, worunter das Bürgerwehrgesetz, vorgelegt worden waren. Der Ministerpräsident hätte also, bei einiger Energie, diesen Antrag entschieden zurückweisen müssen. Aber statt dessen, macht er nur einige allgemeine Phrasen über das Bestreben der Regierung, den gerechten Wünschen der Versammlung in jeder Weise entgegen zu kommen und der Antrag wird mit großer Majorität angenommen.

Herr Besser interpellirt den Kriegsminister über den Mangel eines Dienstreglements. Die preußische Armee ist die einzige, der ein solches Reglement mangelt. Daher herrscht in allen Heeresabtheilungen, bis zu den Kompagnieen und Schwadronen herab, die größte Verschiedenheit der Ansichten über die wichtigsten Dienstsachen, und namentlich über die Rechte und Pflichten der verschiedenen Chargen. Es bestehen zwar Tausende von Befehlen, Erlassen und Vorschriften, aber sie sind gerade wegen ihrer zahllosen Menge, ihrer Verwirrung und der in ihnen herrschenden Widersprüche schlimmer als nutzlos. Außerdem ist jedes solches Aktenstück durch ebensoviel verschiedene Zusätze, Erläuterungen, Randglossen und Glossen zu Randglossen verquickt und unkenntlich gemacht, als es Zwischenbehörden passirt hat. Diese Verwirrung kommt natürlich dem Vorgesetzten bei allen Willkührlichkeiten zu gut, während der Untergebne nur den Nachtheil davon zu tragen hat. Daher kennt der Untergebne keine Rechte, sondern nur Pflichten. Früher existirte ein Dienstreglement, genannt das schweinslederne Reglement, aber dies wurde in den 20ger Jahren den Privatbesitzern abgenommen. Seitdem darf kein Untergebner es zu seinen Gunsten anführen, während die höheren Behörden es fortwährend gegen die Untergebnen anführen dürfen! Ebenso geht es mit den Dienstvorschriften für das Gardekorps, die der Armee nie mitgetheilt, den Untergebnen nie zugänglich wurden, nach welchen sie aber trotzdem bestraft werden! Die Herren Stabs- und Generaloffiziere haben natürlich nur den Vortheil von dieser Konfusion, die ihnen die größte Willkühr, die härteste Tyrannei gestattet. Aber die Subalternoffiziere, die Unteroffiziere und Soldaten leiden darunter, und in ihrem Interesse interpellirt Hr. Besser den General Schreckenstein.

Wie mußte Hr. Schreckenstein erstaunt sein, als er diese lange "Federfuchserei", um den beliebten Ausdruck von Anno dreizehn zu gebrauchen, zu hören bekam! Wie, die preußische Armee hat kein Dienstreglement? Welche Abgeschmacktheit! Die preußische Armee, auf Ehre, hat das allerbeste Reglement von der Welt, das zugleich das allerkürzeste ist und nur aus zwei Worten besteht: "Ordre pariren!" Bekommt ein Soldat der "ungeprügelten" Armee Püffe, Fußtritte oder Kolbenstöße, wird er von einem eben dem Kadettenhause entlaufenen unmündigen Lieutenant am Bart oder an der Nase gezupft und beklagt sich: "Ordre pariren!" Läßt ein angetrunkener Major nach dem Essen zu seiner besonderen Erheiterung sein Bataillon bis an den Leib in den Sumpf marschiren und dort Carre formiren, und ein Untergebner wagt zu klagen: "Ordre pariren!" Wird den Offizieren verboten, dies oder jenes Cafe zu besuchen, und sie erlauben sich eine Bemerkung: "Ordre pariren!" Das ist das beste Dienstreglement, denn es paßt auf alle Fälle.

Von allen Ministern ist Hr. Schreckenstein der Einzige, der den Muth noch nicht verloren hat. Der Soldat, der unter Napoleon gedient, der während drei und dreißig Jahren preußischen Kamaschendienst getrieben, der manche Kugel pfeifen gehört hat, wird sich doch vor Vereinbarern und Interpellationen nicht fürchten? Und vollends wenn das große: "Ordre pariren!" in Gefahr ist!

Meine Herren, sagt er, ich muß das besser wissen. Ich muß wissen was daran zu ändern ist. Es handelt sich hier um ein Einreißen, und das Einreißen darf nicht einreißen, weil das Aufbauen sehr schwer ist. Die Wehrverfassung ist von Scharnhorst, Gneisenau, Boyen und Grolmann gemacht, umfaßt 600_000 bewaffnete und taktisch gebildete Staatsbürger, und bietet jedem Staatsbürger eine sichre Zukunft, solange die Disziplin besteht. Diese werde ich aber erhalten, und damit habe ich genug gesagt.

Hr. Besser: Hr. Schreckenstein hat die Frage gar nicht beantwortet. Aus seinen Bemerkungen scheint aber hervorzugehen, daß er glaubt, ein Dienstreglement werde die Disziplin lockern!

Hr. Schreckenstein: Ich habe schon gesagt, daß ich das thun werde, was zeitgemäß für die Armee ist und zum Nutzen des Dienstes gereicht.

Hr. Behnsch: Wir haben doch wenigstens zu verlangen, daß der Minister uns Ja oder Nein antwortet oder erklärt, er wolle nicht antworten. Bis jetzt haben wir blos abweichende Redensarten gehört.

Hr. Schreckenstein, ärgerlich: Ich halte es nicht für den Dienst für nützlich, mich weiter auf diese Interpellation einzulassen.

Der Dienst, immer der Dienst! Herr Schreckenstein glaubt immer noch Divisionär zu sein und mit seinem Offizierkorps zu sprechen. Er bildet sich ein, auch als Kriegsminister brauche er nur den Dienst, nicht aber die rechtliche Stellung der einzelnen Heereschargen gegen einander, und am allerwenigsten die Stellung des Heeres zum Staate im Ganzen und zu seinen Bürgern zu berücksichtigen! Wir sind noch immer unter Bodelschwingh; der Geist des alten Boyen schaltet ununterbrochen fort im Kriegsministerium.

Hr. Piegsa interpellirt wegen Mißhandlungen der Polen in Mielzyn am 7. Juni.

Hr. Auerswald erklärt, er müsse erst vollständige Berichte abwarten.

Also einen ganzen Monat von 31 Tagen nach dem Vorfall ist Hr. Auerswald noch nicht vollständig unterrichtet! Wunderbare Verwaltung.

Hr. Behnsch interpellirt Hrn. Hansemann: ob er bei Vorlage des Budgets eine Uebersicht über die Verwaltung der Seehandlung seit 1820 und des Staatsschatzes seit 1840 vorlegen wolle.

Hr. Hansemann erklärt unter schallendem Gelächter, er werde in acht Tagen antworten können!

Hr. Behnsch interpellirt abermals in Beziehung auf Unterstützung der Auswandrung durch die Regierung.

Hr. Kühlwetter antwortet, dies sei eine deutsche Angelegenheit und verweist Hrn. Behnsch an den Erzherzog Johann.

Hr. Grebel interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der Militär-Administrationsbeamten, die zugleich Landwehroffiziere sind, bei Landwehrübungen in aktiven Dienst treten und dadurch andern Landwehroffizieren die Gelegenheit entziehen sich auszubilden. Er trägt darauf an, daß diese Beamten von der Landwehr entbunden werden.

Hr. Schreckenstein erklärt, er werde seine Pflicht thun und die Sache sogar in Erwägung ziehen.

Hr. Feldhaus interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der am 18. Juni auf dem Marsch von Posen nach Glogau umgekommenen Soldaten und der zur Bestrafung dieser Barbarei getroffenen Maßregeln.

Hr. Schreckenstein: Die Sache hat statt gefunden. Der Bericht des Regimentskommandeurs ist eingereicht. Der Bericht des Generalkommandos, das die Etappen angeordnet hat, fehlt noch. Ich kann also noch nicht sagen, ob die Marschordnung überschritten ist. Außerdem wird hier über einen Stabsoffizier geurtheilt und solche Urtheile sind schmerzlich. Die "hohe Generalversammlung" (!!!) wird hoffentlich warten bis die Berichte eingetroffen sind.

Hr. Schreckenstein beurtheilt diese Barbarei nicht als Barbarei, er fragt bloß, ob der betreffende Major "Ordre parirt" hat? Und was liegt daran, ob 18 Soldaten auf der Landstraße wie so viel Stück Vieh, elendiglich umkommen, wenn nur Ordre parirt wird!

Hr. Behnsch, der dieselbe Interpellation wie Hr. Feldhaus gestellt hatte: Ich ziehe meine jetzt überflüssige Interpellation zurück, verlange aber, daß der Kriegsminister einen Tag festsetze, an dem er antworten will. Es sind schon 3 Wochen seit dem Vorfall verflossen und die Berichte könnten längst hier sein.

Herr Schreckenstein: Es ist kein Augenblick versäumt, die Berichte vom Generalkommando sind sofort eingefordert worden.

Der Präsident will die Sache überhüpfen.

Hr. Behnsch: Ich bitte den Kriegsminister nur zu antworten und einen Tag festzusetzen.

Präsident: Will Herr Schreckenstein. -

Hr. Schreckenstein: Das läßt sich noch gar nicht übersehen, wann dies sein wird.

Hr. Gladbach: Der § 28 des Reglements legt den Ministern die Verpflichtung auf, einen Tag zu bestimmen. Ich bestehe ebenfalls darauf.

Präsident: Ich frage den Herrn Minister nochmals.

Hr. Schreckenstein: Einen bestimmten Tag kann ich nicht festsetzen.

Hr. Gladbach: Ich bleibe bei meiner Forderung.

Hr. Temme: Ich bin derselben Meinung.

Präsident: Wird der Hr. Kriegsminister etwa in 14 Tagen. -

Hr. Schreckenstein: Wohl möglich. Sobald ich weiß, ob Ordre parirt worden ist, werde ich antworten.

Präsident. Also in 14 Tagen.

So thut der Hr. Kriegsminister "seine Pflicht" gegen die Versammlung!

Hr. Gladbach hat noch eine Interpellation an den Minister des Innern zu richten wegen Suspendirung mißliebiger Beamten und vorläufiger nur provisorischer Besetzung erledigter Stellen.

Hr. Kühlwetter antwortet sehr ungenügend und die weiteren Bemerkungen des Hrn. Gladbach werden unter dem Gemurr, Geschrei und Getrommel der endlich über so viel Unverschämtheit empörten Rechten nach tapferer Gegenwehr erdrückt.

Ein Antrag von Hrn. Berends, daß die zum innern Dienst einberufene Landwehr unter das Kommando der Bürgerwehr gestellt werde, wird nicht für dringlich erkannt und danach zurückgezogen. Hierauf beginnt eine angenehme Unterhaltung über allerlei mit der Posenschen Kommission verknüpfte Spitzfindigkeiten. Der Sturm der Interpellationen und Dringlichkeitsanträge ist vorüber und wie sanftes Säuseln des Zephyr und anmuthiges Murmeln des Wiesenbachs verhallen die letzten versöhnenden Klänge der berühmten Sitzung vom 7. Juli. Hr. Hansemann geht nach Hause mit dem Trost, daß das Poltern und Trommeln der Rechten ihm einige wenige Blumen in seine Dornenkrone gewunden hat und Hr. Schreckenstein dreht selbstzufrieden seinen Schnurrbart und murmelt: "Ordre pariren!"

Aus Chateaubriand.

Die Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, kann nicht fortbestehn. Im Maße als die Aufklärung hinabsteigt bis zu den untersten Klassen der Gesellschaft, entdecken diese den verborgenen Krebsschaden, welcher an der gesellschaftlichen Ordnung nagt seit dem Anfang aller Zeiten, und der die Ursache alles Leidens, aller Volksstürme ist.

Die große Ungleichheit der Stände und des Vermögens hat sich so lange ertragen lassen, als sie verborgen war, einerseits durch die Unwissenheit, andererseits durch die scheinbare Organisation der Gesellschaft; aber mit der allgemeinen Innewerdung hat sie den Todesstoß erhalten.

Stellt, wenn ihr könnt, die aristokratischen Fiktionen wieder her; versucht, ob ihr dem Armen, wenn er lesen kann, wenn das Wort von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf tagtäglich zu ihm gelangt, versucht, ob ihr diesem Armen, der eben so viel Einsicht hat, wie ihr, beibringen könnt, daß er sich alle Entbehrungen ruhig gefallen lassen soll, während sein Nachbar z. B., ohne Arbeit, alle Ueberflüsse des Lebens in Hülle und Fülle besitzt. - Eure Bestrebungen werden unnütz sein; man kann nicht von der großen Anzahl Tugend verlangen, die über alle Natur hinausgeht.

Die materielle Entwickelung der Gesellschaft, bringt die geistige Entwickelung mit sich. Laßt die Dampfkraft, mit dem Telegraphen und der Eisenbahn vereint, den Raum vernichtet haben, und ihr werdet sehen, daß nicht allein die Waaren von einem Endpole der Welt bis zum andern mit Blitzesschnelle hinwandern, sondern auch die Ideen. Wenn die fiskalischen und kommerziellen Barrieren zwischen den verschiedenen Staaten gefallen sein werden, wenn das Salariat, diese moderne Sklaverei, sich emanzipirt haben wird, wenn die verschiedenen Länder ihre Sitten gegenseitig ausgetauscht haben werden, und nach Beseitigung aller nationalen Vorurtheile und Eroberungsideen, zu einer Einheit der Völker hinarbeiten: wie wollt ihr dann die Gesellschaft zurücklenken können zu abgethanen Prinzipien?

Es gab nur eine Monarchie in Europa: die französische; die übrigen sind ihre Töchter, und werden ihrer Mutter zu Grabe folgen. Die Könige hatten bis jetzt, ohne ihr Vorwissen, hinter dieser tausendjährigen Monarchie gelebt. Als der Hauch der Revolution diese Race zu Boden geschleudert hatte, kam Bonaparte; er hielt die wankenden Prinzen aufrecht, indem er ihre Throne, die er umgeworfen, wiederherstellte. Nach Napoleon leben die übriggebliebenen Monarchen verschanzt in den Ruinen des napoleonischen Colyseums, gleich jenen Ermiten, denen man das Gnadenbrod gibt im Colyseum zu Rom; aber selbst auch diese Ruinen werden ihnen nicht lange Schutz gewähren . . . . Alles Alte schwindet, und es wird kein Kind aus Mutterschooß geboren, das nicht ein Feind der alten Gesellschaft ist.

Der Mangel an Energie in unserer Zeit, die gänzliche Abwesenheit aller Capazitäten, das Verkommen aller Männer von Charakter, die von Ehrgefühl entblös't, nur dem Interesse zugänglich sind; das Erlöschen alles moralischen und religiösen Sinnes, die Gleichgültigkeit gegen das Gute und Böse, die Tugend und das Laster; die Sorglosigkeit oder Apathie, mit welcher wir Begebenheiten zuschauen, die früher die Welt in Bewegung gebracht haben würden; der Mangel solcher Lebensbedingungen, die nothwendig erscheinen zur gesellschaftlichen Ordnung: Alles dieses scheint darauf hinzudeuten, daß der entscheidende Augenblick nahe ist, daß der Vorhang aufgeht und ein anderes Schauspiel uns vorgeführt wird.

Es wird eine Zukunft kommen, eine mächtige, freie Zukunft, frei in der ganzen Fülle evangelischer Gleichheit; aber sie ist fern noch, fern, jenseits des sichtbaren Horizotns. Man gelangt nur dazu durch jene starke Hoffnung, welche durch das Unglück weder ermüdet noch verfälscht wird, und deren Flügel wachsen, im Maße als Alles sie zu täuschen scheint; durch jene Hoffnung, sag' ich, die stärker und dauerhafter ist, als die Zeit, und die der Christ allein besitzt. Ehe man zum Ziele kommt, zur Einheit der Völker, der natürlichen Demokratie, muß man hindurch durch die soziale Dekomposition, die Zeit der Anarchie, des Blutes

X

Wie heißt eigentlich die Berliner Versammlung? Das Ministerium nennt sie "Nationalversammlung", die königlichen Botschaften nennen sie "die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufene Versammlung", der Minister Schreckenstein nennt sie (Sitzung vom 7.) "Generalversammlung", Herr Griesheim nennt sie "die Herren". In den Zeitungen heißt sie konstituirende Versammlung u. s. w.

Möge die hohe Versammlung doch endlich einmal wenigstens ihren Namen "mit der Krone vereinbaren"!

Der Empfang Johann's.

"Eduard und Kunigunde,
Kunigunde und Eduard."

Wien, 5. Juli. "Kanonendonner und Glockengeläute"

(Berl. Z. H.)

Breslau, 11. Juli. "Glockengeläute und Kanonendonner."

(Bresl.Z).

12. Juli. "Kanonendonner und Glockengeläute ... "

(Mannh. Ab. Z.)

Frankfurt, 12. Juli. "Glockengeläute und Kanonendonner ... "

(Frkf. Ob. P. A. Ztg.)

Darmstadt, 12. Juli, "Kanonendonner."

(Frkf. J.)

Hanau, 11. Juli. "Glockengeläute."

(Frkf. J.)
Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 45. Köln, Samstag 15. Juli 1848.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Deutschland.
19 Köln, 13. Juli.

(Schluß des vorgestr. Artikels.) Der General Pfuel (von Höllenstein) begann seine Friedensmission damit, daß er die gemeinen Gesetze suspendirte und militärische Ausnahmgesetze erließ.

Am 5. Mai bestätigte Hr. Pfuel „kraft seiner Vollmacht,“ die er nie vollständig veröffentlichte, die von dem General Colomb in Gemeinschaft mit dem Oberpräsidenten gesetzwidrig verfügte Wiedereinführung des Standrechts.

Am 7. Mai ließ Hr. Pfuel in Posen die ganze polnische Einwohnerschaft entwaffnen, dagegen aber „zur kräftigeren Aufrechthaltung der Ruhe,“ die bis dahin in der Stadt noch keinen Augenblick gestört worden war, deutsche und jüdische Freikorps errichten, welche beiläufig unter Anführung des Grafen Lüttichau und Assessor Göldner hinter den fliegenden Militärkolonnen herzogen, um denselben bei den polnischen Exekutionen, beim Anzünden der Häuser und Niederschießen der entsetzten fliehenden Bevölkerung zu sekundiren.

Am 12. Mai und 4. Juni führte Hr. Pfuel „kraft seiner Vollmacht“ durch neue Proklamationen die angeordnete Theilung des Großherzogthums weiter aus, indem er dem polnischen Theil immer neue, aber stets engere Gränzen zog.

Am 23. Mai erließ Hr. Pfuel eine Proklamation an das polnische Landvolk, worin er die demokratischen Gutsbesitzer injurirte und verdächtigte und durch erdichtete Thatsachen Haß und Zwietracht in dem „pacificirten“ Lande zu erregen suchte.

Am 30. Mai denunzirte Hr. Pfuel die Polen-Chefs der Lynchjustiz, indem er „für diejenigen, welche Verluste erlitten,“ die Namen von 76 Organisatoren und Anführern der Insurgenten veröffentlichte; er versprach dabei weiter auch die Namen aller Mitglieder des National-Comités und der von diesem eingesetzten Kreis-Comités zu denunziren, welche bekanntlich mit Bewilligung des Ministeriums und unter Zuziehung des Oberpräsidenten sich konstituirt hatten.

Dies sind die allgemeinen Maßregeln, welche der General (von Höllenstein) zur Ausführung der nationalen Reorganisation bis jetzt für nöthig befunden hat.

Die Polen scheinen dies Liebeswerk des Hrn. Pfuel indeß keineswegs mit einsichtiger Dankbarkeit gewürdigt zu haben; Hr. Pfuel hat sich bisher vergebens bemüht, einen Präsidenten für den sogenannten polnischen Rest des geraubten Großherzogthums zu finden. Ein desto innigeres Band umschlingt dagegen den General Pfuel (von Höllenstein) mit seinen Gesinnungsfreunden, den Deutschen und Juden.

Seit der Anwesenheit des Hrn. Pfuel übt die Hefe der Deutschen und Juden fast an allen Orten ungestraft die Polizeigewalt aus.

Am 11. Mai feierten in Posen die Deutschen und Juden die neue Unterdrückung der polnischen Nationalität, den neuen Raub an Polen, durch einen solennen Festzug, und Hr. Pfuel bezeugte in offiziellem Karakter seine Theilnahme an dieser patriotischen Demonstration, indem er mit seinem Stabe in glänzender Suite dem Zug sich anschloß.

In der Stadt Posen werden trotz des Martialgesetzes Aufläufe geduldet, so weit sie von den Gesinnungsfreunden des Hrn. Pfuel, den Deutschen und Juden ausgehen, und blos Exzesse an den eingebrachten polnischen Gefangenen zum Zweck haben.

Die speziellen Aeußerungen der preußischen Liebesideen für Polen bestehen darin, daß fortwährend deutsche und jüdische Banden mordend, plündernd und brennend das Land durchziehen, und Gutsbesitzer, Priester und Schullehrer ermorden oder die Flüchtigen in die Wälder jagen;

daß täglich ohne alle Veranlassung zahllose Verhaftungen vorgenommen und die Gefangenen laut Verfügung des General Steinäcker jeder Pflege ihrer Angehörigen, selbst in Kost und Wäsche, entzogen werden;

daß die Verhafteten ohne Verhör Wochenlang in Haft gehalten und bei ihrer Entlassung an Ohren und Händen mit Höllenstein gebrandmarkt werden;

daß die fanatisirte pommersche Soldateska in Verein mit profitwüthigen deutschen und jüdischen Strolchen die Polen auf offner Straße angreift, mit Ladstöcken, Säbeln und Kolben todt schlägt, und ihre Wohnsitze ausplündert und den Flammen übergibt;

daß die Polen mit Einem Wort auf dem Boden ihrer Väter für vogelfrei erklärt sind.

Dies ist, was die christlich-germanische Raçe die Pacifikation, die nationale „Reorganisation“ Polens nennt.

Der Beginn dieses preußischen Liebeswerkes war die Furcht und die Ohnmacht, seine Vollendung war die Wuth über die eigne Schwäche, als der erste Schrecken des Revolutionsfiebers vorüber war.

Die preußische Staatsregierung hatte trotz aller Verheißungen keinen Augenblick daran gedacht, den polnischen Raub ernstlich aufzugeben. Ihre ersten Konzessionen waren unter dem Nachhall des 18. und 19. März dictirt, wo das Berliner Volk die befreiten polnischen Gefangenen im Triumphzug über seine blutigen, mit Barrikaden bedeckten Straßen fuhr; es bedurfte erst der fächelnden Abkühlung des Ministeriums der Vermittlung, um aus den Verheißungen an Polen ein Mißverständniß zu machen, wie Hr. Camphausen die Anerkennung einer Revolution überhaupt als Mißverständniß erklärt.

Wie kam es sonst, daß die soldwüthigen deutschen Beamten und trödelsuchenden Juden unmittelbar unter dem Eindruck der Revolution in merkwürdiger Einigkeit mit den Polen leben und sogar die Verheißung der Reorganisation mit Deklamationen und Adressen feiern konnten, um bei dem Erscheinen des Ministeriums Camphausen sofort von patriotischen Besorgnissen überzuträufeln und mit aller Wuth gegen die polnische Nationalität zu Felde zu ziehen?

Wie kam es, daß unter dem Kommissariat des General Willisen der gerühmte blinde Gehorsam des Kamaschenritterthums plötzlich verschwunden war, und von den Generalen bis zum gemeinen pommerschen Kriegsknecht jeder auf eigne Hand Verrath und Gesetzwidrigkeiten aller Art begehen, und durch die blutigsten Gräuel die Polen zum gewaltsamen Kampf zwingen konnte?

Wie kam es, daß unter dem General Pfuel (von Höllenstein) trotz aller Friedenserklärungen das Land in eine Brandstätte verwandelt und die „Reorganisation“ zu einem Vertilgungskrieg gegen Alles was Pole heißt organisirt werden konnte? daß die Höllenstein-Operationen des Hrn. Pfuel an wehrlosen, ohne Verhör entlassenen Gefangenen, nachdem der Minister Auerswald in der Vereinbarerversammlung seine „Entrüstung“ darüber aussprechen mußte, noch immer ungestraft blieben, während Hr. Pfuel sich ein neues ritterliches Spiel durch Scalpiren der Polenköpfe auserlas? daß mit dem Fortschreiten dieser „Pacifikation“ immer neue Reorganisationspläne, ein immer größerer Raub zu dem alten verfügt wurde?

Das Ministerium Camphausen hat alle diese Gräuel der patriotischen Soldateska, wie sie in keiner Zeit der Barbarei stattgefunden, durch sein stillschweigendes laissez-faire zu den seinigen gemacht. Herr Hansemann, der Uebergangsminister, hat ihnen jetzt auch thatsächlich seine Anerkennung ertheilt, indem er als Minister der That der Vereinbarerversammlung die Untersuchung zu entziehen suchte.

Wir erwarten nichts von der Vereinbarerversammlung, aber noch ist die „Reorganisation“ Polens nicht in letzter Instanz vollbracht. Diese letzte Instanz, wir haben es bereits gesagt, ist das deutsche Volk und die Polen.

** Köln, 14. Juli.

Wir kommen heute zur zweiten Hälfte der Vereinbarungssitzung vom 7. d. Nach der, für Hrn. Hansemann so schmerzlichen Debatte über die Finanzkommission, kam noch eine Reihe kleiner Trübsale für die Herren Minister vor. Es war der Tag der Dringlichkeitsanträge und Interpellationen, der Tag der Anfechtungen und der Ministerialbedrängniß.

Der Abgeordnete Wander trug an, jeder Beamte, der einen Bürger ungerechter Weise verhaften ließe, solle zu völligem Schadenersatz verpflichtet sein und außerdem viermal solange sitzen, als der von ihm Verhaftete.

Der Antrag geht, als nicht dringlich, an die Fachkommission.

Justizminister Märker erklärt, die Annahme dieses Antrags werde die bisherige Gesetzgebung gegen ungesetzlich verhaftende Beamte nicht nur nicht verschärfen, sondern sogar noch mildern. (Bravo.)

Der Hr. Justizminister hat nur vergessen zu bemerken, daß es nach den bisherigen, namentlich altpreußischen Gesetzen, für einen Beamten kaum möglich ist, Jemanden ungesetzlich zu verhaften. Die willkührlichste Verhaftung kann nach den Paragraphen des altehrwürdigsten Landrechts gerechtfertigt werden.

Wir machen übrigens auf die höchst unparlamentarische Methode aufmerksam, die die Herren Minister sich angewöhnt haben. Sie warten bis der Antrag an die Fachkommission oder die Abtheilung verwiesen ist, und dann sprechen sie noch darüber. Sie sind dann sicher, daß ihnen Niemand antworten kann. So hat es Hr. Hansemann bei dem Antrage des Hrn. Borries gemacht, so macht es jetzt Hr. Märker. In England und Frankreich würde man die Herren Minister, wenn sie solche parlamentarische Unschicklichkeiten je versucht hätten, ganz anders zur Ordnung zurückgeführt haben. Aber in Berlin!

Hr. Schulze v. Delitzsch: Antrag, zur Aufforderung an die Regierung, die bereits vollendeten oder bald zu vollendenden Entwürfe organischer Gesetze sofort der Versammlung zur Berathung in den Abtheilungen zu übergeben.

Dieser Antrag enthielt wieder einen indirekten Tadel der Regierung, wegen Läßigkeit oder absichtlicher Verschleppung in der Vorlage der die Verfassung ergänzenden organischen Gesetze. Der Tadel war um so empfindlicher, als denselben Morgen zwei Gesetzentwürfe, worunter das Bürgerwehrgesetz, vorgelegt worden waren. Der Ministerpräsident hätte also, bei einiger Energie, diesen Antrag entschieden zurückweisen müssen. Aber statt dessen, macht er nur einige allgemeine Phrasen über das Bestreben der Regierung, den gerechten Wünschen der Versammlung in jeder Weise entgegen zu kommen und der Antrag wird mit großer Majorität angenommen.

Herr Besser interpellirt den Kriegsminister über den Mangel eines Dienstreglements. Die preußische Armee ist die einzige, der ein solches Reglement mangelt. Daher herrscht in allen Heeresabtheilungen, bis zu den Kompagnieen und Schwadronen herab, die größte Verschiedenheit der Ansichten über die wichtigsten Dienstsachen, und namentlich über die Rechte und Pflichten der verschiedenen Chargen. Es bestehen zwar Tausende von Befehlen, Erlassen und Vorschriften, aber sie sind gerade wegen ihrer zahllosen Menge, ihrer Verwirrung und der in ihnen herrschenden Widersprüche schlimmer als nutzlos. Außerdem ist jedes solches Aktenstück durch ebensoviel verschiedene Zusätze, Erläuterungen, Randglossen und Glossen zu Randglossen verquickt und unkenntlich gemacht, als es Zwischenbehörden passirt hat. Diese Verwirrung kommt natürlich dem Vorgesetzten bei allen Willkührlichkeiten zu gut, während der Untergebne nur den Nachtheil davon zu tragen hat. Daher kennt der Untergebne keine Rechte, sondern nur Pflichten. Früher existirte ein Dienstreglement, genannt das schweinslederne Reglement, aber dies wurde in den 20ger Jahren den Privatbesitzern abgenommen. Seitdem darf kein Untergebner es zu seinen Gunsten anführen, während die höheren Behörden es fortwährend gegen die Untergebnen anführen dürfen! Ebenso geht es mit den Dienstvorschriften für das Gardekorps, die der Armee nie mitgetheilt, den Untergebnen nie zugänglich wurden, nach welchen sie aber trotzdem bestraft werden! Die Herren Stabs- und Generaloffiziere haben natürlich nur den Vortheil von dieser Konfusion, die ihnen die größte Willkühr, die härteste Tyrannei gestattet. Aber die Subalternoffiziere, die Unteroffiziere und Soldaten leiden darunter, und in ihrem Interesse interpellirt Hr. Besser den General Schreckenstein.

Wie mußte Hr. Schreckenstein erstaunt sein, als er diese lange „Federfuchserei“, um den beliebten Ausdruck von Anno dreizehn zu gebrauchen, zu hören bekam! Wie, die preußische Armee hat kein Dienstreglement? Welche Abgeschmacktheit! Die preußische Armee, auf Ehre, hat das allerbeste Reglement von der Welt, das zugleich das allerkürzeste ist und nur aus zwei Worten besteht: „Ordre pariren!“ Bekommt ein Soldat der „ungeprügelten“ Armee Püffe, Fußtritte oder Kolbenstöße, wird er von einem eben dem Kadettenhause entlaufenen unmündigen Lieutenant am Bart oder an der Nase gezupft und beklagt sich: „Ordre pariren!“ Läßt ein angetrunkener Major nach dem Essen zu seiner besonderen Erheiterung sein Bataillon bis an den Leib in den Sumpf marschiren und dort Carré formiren, und ein Untergebner wagt zu klagen: „Ordre pariren!“ Wird den Offizieren verboten, dies oder jenes Café zu besuchen, und sie erlauben sich eine Bemerkung: „Ordre pariren!“ Das ist das beste Dienstreglement, denn es paßt auf alle Fälle.

Von allen Ministern ist Hr. Schreckenstein der Einzige, der den Muth noch nicht verloren hat. Der Soldat, der unter Napoleon gedient, der während drei und dreißig Jahren preußischen Kamaschendienst getrieben, der manche Kugel pfeifen gehört hat, wird sich doch vor Vereinbarern und Interpellationen nicht fürchten? Und vollends wenn das große: „Ordre pariren!“ in Gefahr ist!

Meine Herren, sagt er, ich muß das besser wissen. Ich muß wissen was daran zu ändern ist. Es handelt sich hier um ein Einreißen, und das Einreißen darf nicht einreißen, weil das Aufbauen sehr schwer ist. Die Wehrverfassung ist von Scharnhorst, Gneisenau, Boyen und Grolmann gemacht, umfaßt 600_000 bewaffnete und taktisch gebildete Staatsbürger, und bietet jedem Staatsbürger eine sichre Zukunft, solange die Disziplin besteht. Diese werde ich aber erhalten, und damit habe ich genug gesagt.

Hr. Besser: Hr. Schreckenstein hat die Frage gar nicht beantwortet. Aus seinen Bemerkungen scheint aber hervorzugehen, daß er glaubt, ein Dienstreglement werde die Disziplin lockern!

Hr. Schreckenstein: Ich habe schon gesagt, daß ich das thun werde, was zeitgemäß für die Armee ist und zum Nutzen des Dienstes gereicht.

Hr. Behnsch: Wir haben doch wenigstens zu verlangen, daß der Minister uns Ja oder Nein antwortet oder erklärt, er wolle nicht antworten. Bis jetzt haben wir blos abweichende Redensarten gehört.

Hr. Schreckenstein, ärgerlich: Ich halte es nicht für den Dienst für nützlich, mich weiter auf diese Interpellation einzulassen.

Der Dienst, immer der Dienst! Herr Schreckenstein glaubt immer noch Divisionär zu sein und mit seinem Offizierkorps zu sprechen. Er bildet sich ein, auch als Kriegsminister brauche er nur den Dienst, nicht aber die rechtliche Stellung der einzelnen Heereschargen gegen einander, und am allerwenigsten die Stellung des Heeres zum Staate im Ganzen und zu seinen Bürgern zu berücksichtigen! Wir sind noch immer unter Bodelschwingh; der Geist des alten Boyen schaltet ununterbrochen fort im Kriegsministerium.

Hr. Piegsa interpellirt wegen Mißhandlungen der Polen in Mielzyn am 7. Juni.

Hr. Auerswald erklärt, er müsse erst vollständige Berichte abwarten.

Also einen ganzen Monat von 31 Tagen nach dem Vorfall ist Hr. Auerswald noch nicht vollständig unterrichtet! Wunderbare Verwaltung.

Hr. Behnsch interpellirt Hrn. Hansemann: ob er bei Vorlage des Budgets eine Uebersicht über die Verwaltung der Seehandlung seit 1820 und des Staatsschatzes seit 1840 vorlegen wolle.

Hr. Hansemann erklärt unter schallendem Gelächter, er werde in acht Tagen antworten können!

Hr. Behnsch interpellirt abermals in Beziehung auf Unterstützung der Auswandrung durch die Regierung.

Hr. Kühlwetter antwortet, dies sei eine deutsche Angelegenheit und verweist Hrn. Behnsch an den Erzherzog Johann.

Hr. Grebel interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der Militär-Administrationsbeamten, die zugleich Landwehroffiziere sind, bei Landwehrübungen in aktiven Dienst treten und dadurch andern Landwehroffizieren die Gelegenheit entziehen sich auszubilden. Er trägt darauf an, daß diese Beamten von der Landwehr entbunden werden.

Hr. Schreckenstein erklärt, er werde seine Pflicht thun und die Sache sogar in Erwägung ziehen.

Hr. Feldhaus interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der am 18. Juni auf dem Marsch von Posen nach Glogau umgekommenen Soldaten und der zur Bestrafung dieser Barbarei getroffenen Maßregeln.

Hr. Schreckenstein: Die Sache hat statt gefunden. Der Bericht des Regimentskommandeurs ist eingereicht. Der Bericht des Generalkommandos, das die Etappen angeordnet hat, fehlt noch. Ich kann also noch nicht sagen, ob die Marschordnung überschritten ist. Außerdem wird hier über einen Stabsoffizier geurtheilt und solche Urtheile sind schmerzlich. Die „hohe Generalversammlung“ (!!!) wird hoffentlich warten bis die Berichte eingetroffen sind.

Hr. Schreckenstein beurtheilt diese Barbarei nicht als Barbarei, er fragt bloß, ob der betreffende Major „Ordre parirt“ hat? Und was liegt daran, ob 18 Soldaten auf der Landstraße wie so viel Stück Vieh, elendiglich umkommen, wenn nur Ordre parirt wird!

Hr. Behnsch, der dieselbe Interpellation wie Hr. Feldhaus gestellt hatte: Ich ziehe meine jetzt überflüssige Interpellation zurück, verlange aber, daß der Kriegsminister einen Tag festsetze, an dem er antworten will. Es sind schon 3 Wochen seit dem Vorfall verflossen und die Berichte könnten längst hier sein.

Herr Schreckenstein: Es ist kein Augenblick versäumt, die Berichte vom Generalkommando sind sofort eingefordert worden.

Der Präsident will die Sache überhüpfen.

Hr. Behnsch: Ich bitte den Kriegsminister nur zu antworten und einen Tag festzusetzen.

Präsident: Will Herr Schreckenstein. –

Hr. Schreckenstein: Das läßt sich noch gar nicht übersehen, wann dies sein wird.

Hr. Gladbach: Der § 28 des Reglements legt den Ministern die Verpflichtung auf, einen Tag zu bestimmen. Ich bestehe ebenfalls darauf.

Präsident: Ich frage den Herrn Minister nochmals.

Hr. Schreckenstein: Einen bestimmten Tag kann ich nicht festsetzen.

Hr. Gladbach: Ich bleibe bei meiner Forderung.

Hr. Temme: Ich bin derselben Meinung.

Präsident: Wird der Hr. Kriegsminister etwa in 14 Tagen. –

Hr. Schreckenstein: Wohl möglich. Sobald ich weiß, ob Ordre parirt worden ist, werde ich antworten.

Präsident. Also in 14 Tagen.

So thut der Hr. Kriegsminister „seine Pflicht“ gegen die Versammlung!

Hr. Gladbach hat noch eine Interpellation an den Minister des Innern zu richten wegen Suspendirung mißliebiger Beamten und vorläufiger nur provisorischer Besetzung erledigter Stellen.

Hr. Kühlwetter antwortet sehr ungenügend und die weiteren Bemerkungen des Hrn. Gladbach werden unter dem Gemurr, Geschrei und Getrommel der endlich über so viel Unverschämtheit empörten Rechten nach tapferer Gegenwehr erdrückt.

Ein Antrag von Hrn. Berends, daß die zum innern Dienst einberufene Landwehr unter das Kommando der Bürgerwehr gestellt werde, wird nicht für dringlich erkannt und danach zurückgezogen. Hierauf beginnt eine angenehme Unterhaltung über allerlei mit der Posenschen Kommission verknüpfte Spitzfindigkeiten. Der Sturm der Interpellationen und Dringlichkeitsanträge ist vorüber und wie sanftes Säuseln des Zephyr und anmuthiges Murmeln des Wiesenbachs verhallen die letzten versöhnenden Klänge der berühmten Sitzung vom 7. Juli. Hr. Hansemann geht nach Hause mit dem Trost, daß das Poltern und Trommeln der Rechten ihm einige wenige Blumen in seine Dornenkrone gewunden hat und Hr. Schreckenstein dreht selbstzufrieden seinen Schnurrbart und murmelt: „Ordre pariren!“

Aus Chateaubriand.

Die Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, kann nicht fortbestehn. Im Maße als die Aufklärung hinabsteigt bis zu den untersten Klassen der Gesellschaft, entdecken diese den verborgenen Krebsschaden, welcher an der gesellschaftlichen Ordnung nagt seit dem Anfang aller Zeiten, und der die Ursache alles Leidens, aller Volksstürme ist.

Die große Ungleichheit der Stände und des Vermögens hat sich so lange ertragen lassen, als sie verborgen war, einerseits durch die Unwissenheit, andererseits durch die scheinbare Organisation der Gesellschaft; aber mit der allgemeinen Innewerdung hat sie den Todesstoß erhalten.

Stellt, wenn ihr könnt, die aristokratischen Fiktionen wieder her; versucht, ob ihr dem Armen, wenn er lesen kann, wenn das Wort von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf tagtäglich zu ihm gelangt, versucht, ob ihr diesem Armen, der eben so viel Einsicht hat, wie ihr, beibringen könnt, daß er sich alle Entbehrungen ruhig gefallen lassen soll, während sein Nachbar z. B., ohne Arbeit, alle Ueberflüsse des Lebens in Hülle und Fülle besitzt. ‒ Eure Bestrebungen werden unnütz sein; man kann nicht von der großen Anzahl Tugend verlangen, die über alle Natur hinausgeht.

Die materielle Entwickelung der Gesellschaft, bringt die geistige Entwickelung mit sich. Laßt die Dampfkraft, mit dem Telegraphen und der Eisenbahn vereint, den Raum vernichtet haben, und ihr werdet sehen, daß nicht allein die Waaren von einem Endpole der Welt bis zum andern mit Blitzesschnelle hinwandern, sondern auch die Ideen. Wenn die fiskalischen und kommerziellen Barrieren zwischen den verschiedenen Staaten gefallen sein werden, wenn das Salariat, diese moderne Sklaverei, sich emanzipirt haben wird, wenn die verschiedenen Länder ihre Sitten gegenseitig ausgetauscht haben werden, und nach Beseitigung aller nationalen Vorurtheile und Eroberungsideen, zu einer Einheit der Völker hinarbeiten: wie wollt ihr dann die Gesellschaft zurücklenken können zu abgethanen Prinzipien?

Es gab nur eine Monarchie in Europa: die französische; die übrigen sind ihre Töchter, und werden ihrer Mutter zu Grabe folgen. Die Könige hatten bis jetzt, ohne ihr Vorwissen, hinter dieser tausendjährigen Monarchie gelebt. Als der Hauch der Revolution diese Race zu Boden geschleudert hatte, kam Bonaparte; er hielt die wankenden Prinzen aufrecht, indem er ihre Throne, die er umgeworfen, wiederherstellte. Nach Napoleon leben die übriggebliebenen Monarchen verschanzt in den Ruinen des napoleonischen Colyseums, gleich jenen Ermiten, denen man das Gnadenbrod gibt im Colyseum zu Rom; aber selbst auch diese Ruinen werden ihnen nicht lange Schutz gewähren . . . . Alles Alte schwindet, und es wird kein Kind aus Mutterschooß geboren, das nicht ein Feind der alten Gesellschaft ist.

Der Mangel an Energie in unserer Zeit, die gänzliche Abwesenheit aller Capazitäten, das Verkommen aller Männer von Charakter, die von Ehrgefühl entblös't, nur dem Interesse zugänglich sind; das Erlöschen alles moralischen und religiösen Sinnes, die Gleichgültigkeit gegen das Gute und Böse, die Tugend und das Laster; die Sorglosigkeit oder Apathie, mit welcher wir Begebenheiten zuschauen, die früher die Welt in Bewegung gebracht haben würden; der Mangel solcher Lebensbedingungen, die nothwendig erscheinen zur gesellschaftlichen Ordnung: Alles dieses scheint darauf hinzudeuten, daß der entscheidende Augenblick nahe ist, daß der Vorhang aufgeht und ein anderes Schauspiel uns vorgeführt wird.

Es wird eine Zukunft kommen, eine mächtige, freie Zukunft, frei in der ganzen Fülle evangelischer Gleichheit; aber sie ist fern noch, fern, jenseits des sichtbaren Horizotns. Man gelangt nur dazu durch jene starke Hoffnung, welche durch das Unglück weder ermüdet noch verfälscht wird, und deren Flügel wachsen, im Maße als Alles sie zu täuschen scheint; durch jene Hoffnung, sag' ich, die stärker und dauerhafter ist, als die Zeit, und die der Christ allein besitzt. Ehe man zum Ziele kommt, zur Einheit der Völker, der natürlichen Demokratie, muß man hindurch durch die soziale Dekomposition, die Zeit der Anarchie, des Blutes

X

Wie heißt eigentlich die Berliner Versammlung? Das Ministerium nennt sie „Nationalversammlung“, die königlichen Botschaften nennen sie „die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufene Versammlung“, der Minister Schreckenstein nennt sie (Sitzung vom 7.) „Generalversammlung“, Herr Griesheim nennt sie „die Herren“. In den Zeitungen heißt sie konstituirende Versammlung u. s. w.

Möge die hohe Versammlung doch endlich einmal wenigstens ihren Namen „mit der Krone vereinbaren“!

Der Empfang Johann's.

„Eduard und Kunigunde,
Kunigunde und Eduard.“

Wien, 5. Juli. „Kanonendonner und Glockengeläute“

(Berl. Z. H.)

Breslau, 11. Juli. „Glockengeläute und Kanonendonner.“

(Bresl.Z).

12. Juli. „Kanonendonner und Glockengeläute … “

(Mannh. Ab. Z.)

Frankfurt, 12. Juli. „Glockengeläute und Kanonendonner … “

(Frkf. Ob. P. A. Ztg.)

Darmstadt, 12. Juli, „Kanonendonner.“

(Frkf. J.)

Hanau, 11. Juli. „Glockengeläute.“

(Frkf. J.)
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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No. 45. Köln, Samstag 15. Juli 1848.</docDate>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>19</author></bibl> Köln, 13. Juli.</head>
          <p>(Schluß des vorgestr. Artikels.) Der General Pfuel (von Höllenstein) begann                         seine Friedensmission damit, daß er die gemeinen Gesetze suspendirte und                         militärische Ausnahmgesetze erließ.</p>
          <p>Am 5. Mai bestätigte Hr. Pfuel &#x201E;kraft seiner Vollmacht,&#x201C; die er nie                         vollständig veröffentlichte, die von dem General Colomb in Gemeinschaft mit                         dem Oberpräsidenten gesetzwidrig verfügte Wiedereinführung des                         Standrechts.</p>
          <p>Am 7. Mai ließ Hr. Pfuel in Posen die ganze polnische Einwohnerschaft                         entwaffnen, dagegen aber &#x201E;zur kräftigeren Aufrechthaltung der Ruhe,&#x201C; die bis                         dahin in der Stadt noch keinen Augenblick gestört worden war, deutsche und                         jüdische Freikorps errichten, welche beiläufig unter Anführung des Grafen                         Lüttichau und Assessor Göldner hinter den fliegenden Militärkolonnen                         herzogen, um denselben bei den polnischen Exekutionen, beim Anzünden der                         Häuser und Niederschießen der entsetzten fliehenden Bevölkerung zu                         sekundiren.</p>
          <p>Am 12. Mai und 4. Juni führte Hr. Pfuel &#x201E;kraft seiner Vollmacht&#x201C; durch neue                         Proklamationen die angeordnete Theilung des Großherzogthums weiter aus,                         indem er dem polnischen Theil immer neue, aber stets engere Gränzen zog.</p>
          <p>Am 23. Mai erließ Hr. Pfuel eine Proklamation an das polnische Landvolk,                         worin er die demokratischen Gutsbesitzer injurirte und verdächtigte und                         durch erdichtete Thatsachen Haß und Zwietracht in dem &#x201E;pacificirten&#x201C; Lande                         zu erregen suchte.</p>
          <p>Am 30. Mai denunzirte Hr. Pfuel die Polen-Chefs der <hi rendition="#g">Lynchjustiz,</hi> indem er &#x201E;für diejenigen, welche Verluste erlitten,&#x201C;                         die Namen von 76 Organisatoren und Anführern der Insurgenten                         veröffentlichte; er versprach dabei weiter auch die Namen aller Mitglieder                         des National-Comités und der von diesem eingesetzten Kreis-Comités zu                         denunziren, welche bekanntlich mit Bewilligung des Ministeriums und unter                         Zuziehung des Oberpräsidenten sich konstituirt hatten.</p>
          <p>Dies sind die allgemeinen Maßregeln, welche der General (von Höllenstein) zur                         Ausführung der nationalen Reorganisation bis jetzt für nöthig befunden                         hat.</p>
          <p>Die Polen scheinen dies Liebeswerk des Hrn. Pfuel indeß keineswegs mit                         einsichtiger Dankbarkeit gewürdigt zu haben; Hr. Pfuel hat sich bisher                         vergebens bemüht, einen Präsidenten für den sogenannten polnischen Rest des                         geraubten Großherzogthums zu finden. Ein desto innigeres Band umschlingt                         dagegen den General Pfuel (von Höllenstein) mit seinen Gesinnungsfreunden,                         den Deutschen und Juden.</p>
          <p>Seit der Anwesenheit des Hrn. Pfuel übt die Hefe der Deutschen und Juden fast                         an allen Orten ungestraft die Polizeigewalt aus.</p>
          <p>Am 11. Mai feierten in Posen die Deutschen und Juden die neue Unterdrückung                         der polnischen Nationalität, den neuen Raub an Polen, durch einen solennen                         Festzug, und Hr. Pfuel bezeugte in offiziellem Karakter seine Theilnahme an                         dieser patriotischen Demonstration, indem er mit seinem Stabe in glänzender                         Suite dem Zug sich anschloß.</p>
          <p>In der Stadt Posen werden trotz des Martialgesetzes Aufläufe geduldet, so                         weit sie von den Gesinnungsfreunden des Hrn. Pfuel, den Deutschen und Juden                         ausgehen, und blos Exzesse an den eingebrachten polnischen Gefangenen zum                         Zweck haben.</p>
          <p>Die speziellen Aeußerungen der preußischen Liebesideen für Polen bestehen                         darin, daß fortwährend deutsche und jüdische Banden mordend, plündernd und                         brennend das Land durchziehen, und Gutsbesitzer, Priester und Schullehrer                         ermorden oder die Flüchtigen in die Wälder jagen;</p>
          <p>daß täglich ohne alle Veranlassung zahllose Verhaftungen vorgenommen und die                         Gefangenen laut Verfügung des General Steinäcker jeder Pflege ihrer                         Angehörigen, selbst in Kost und Wäsche, entzogen werden;</p>
          <p>daß die Verhafteten ohne Verhör Wochenlang in Haft gehalten und bei ihrer                         Entlassung an Ohren und Händen mit Höllenstein gebrandmarkt werden;</p>
          <p>daß die fanatisirte pommersche Soldateska in Verein mit profitwüthigen                         deutschen und jüdischen Strolchen die Polen auf offner Straße angreift, mit                         Ladstöcken, Säbeln und Kolben todt schlägt, und ihre Wohnsitze ausplündert                         und den Flammen übergibt;</p>
          <p>daß die Polen mit Einem Wort auf dem Boden ihrer Väter für vogelfrei erklärt                         sind.</p>
          <p>Dies ist, was die christlich-germanische Raçe die Pacifikation, die nationale                         &#x201E;Reorganisation&#x201C; Polens nennt.</p>
          <p>Der Beginn dieses preußischen Liebeswerkes war die Furcht und die Ohnmacht,                         seine Vollendung war die Wuth über die eigne Schwäche, als der erste                         Schrecken des Revolutionsfiebers vorüber war.</p>
          <p>Die preußische Staatsregierung hatte trotz aller Verheißungen keinen                         Augenblick daran gedacht, den polnischen Raub ernstlich aufzugeben. Ihre                         ersten Konzessionen waren unter dem Nachhall des 18. und 19. März dictirt,                         wo das Berliner Volk die befreiten polnischen Gefangenen im Triumphzug über                         seine blutigen, mit Barrikaden bedeckten Straßen fuhr; es bedurfte erst der                         fächelnden Abkühlung des Ministeriums der Vermittlung, um aus den                         Verheißungen an Polen ein Mißverständniß zu machen, wie Hr. Camphausen die                         Anerkennung einer Revolution überhaupt als Mißverständniß erklärt.</p>
          <p>Wie kam es sonst, daß die soldwüthigen deutschen Beamten und trödelsuchenden                         Juden unmittelbar unter dem Eindruck der Revolution in merkwürdiger                         Einigkeit mit den Polen leben und sogar die Verheißung der Reorganisation                         mit Deklamationen und Adressen feiern konnten, um bei dem Erscheinen des                         Ministeriums Camphausen sofort von patriotischen Besorgnissen überzuträufeln                         und mit aller Wuth gegen die polnische Nationalität zu Felde zu ziehen?</p>
          <p>Wie kam es, daß unter dem Kommissariat des General Willisen der gerühmte                         blinde Gehorsam des Kamaschenritterthums plötzlich verschwunden war, und von                         den Generalen bis zum gemeinen pommerschen Kriegsknecht jeder auf eigne Hand                         Verrath und Gesetzwidrigkeiten aller Art begehen, und durch die blutigsten                         Gräuel die Polen zum gewaltsamen Kampf zwingen konnte?</p>
          <p>Wie kam es, daß unter dem General Pfuel (von Höllenstein) trotz aller                         Friedenserklärungen das Land in eine Brandstätte verwandelt und die                         &#x201E;Reorganisation&#x201C; zu einem Vertilgungskrieg gegen Alles was Pole heißt                         organisirt werden konnte? daß die Höllenstein-Operationen des Hrn. Pfuel an                         wehrlosen, ohne Verhör entlassenen Gefangenen, nachdem der Minister                         Auerswald in der Vereinbarerversammlung seine &#x201E;Entrüstung&#x201C; darüber                         aussprechen mußte, noch immer ungestraft blieben, während Hr. Pfuel sich ein                         neues ritterliches Spiel durch Scalpiren der Polenköpfe auserlas? daß mit                         dem Fortschreiten dieser &#x201E;Pacifikation&#x201C; immer neue Reorganisationspläne, ein                         immer größerer Raub zu dem alten verfügt wurde?</p>
          <p>Das Ministerium Camphausen hat alle diese Gräuel der patriotischen                         Soldateska, wie sie in keiner Zeit der Barbarei stattgefunden, durch sein                         stillschweigendes laissez-faire zu den seinigen gemacht. Herr Hansemann, der                         Uebergangsminister, hat ihnen jetzt auch thatsächlich seine Anerkennung                         ertheilt, indem er als Minister der That der Vereinbarerversammlung die                         Untersuchung zu entziehen suchte.</p>
          <p>Wir erwarten nichts von der Vereinbarerversammlung, aber noch ist die                         &#x201E;Reorganisation&#x201C; Polens nicht in letzter Instanz vollbracht. Diese letzte                         Instanz, wir haben es bereits gesagt, ist das deutsche Volk und die                         Polen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar045_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>**</author></bibl><hi rendition="#b">Köln</hi>, 14. Juli.</head><lb/>
          <p>Wir kommen heute zur zweiten Hälfte der Vereinbarungssitzung vom 7. d. Nach der, für Hrn. Hansemann so schmerzlichen Debatte über die Finanzkommission, kam noch eine Reihe kleiner Trübsale für die Herren Minister vor. Es war der Tag der Dringlichkeitsanträge und Interpellationen, der Tag der Anfechtungen und der Ministerialbedrängniß.</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Wander</hi> trug an, jeder Beamte, der einen Bürger ungerechter Weise verhaften ließe, solle zu völligem Schadenersatz verpflichtet sein und außerdem viermal solange sitzen, als der von ihm Verhaftete.</p>
          <p>Der Antrag geht, als nicht dringlich, an die Fachkommission.</p>
          <p>Justizminister <hi rendition="#g">Märker</hi> erklärt, die Annahme dieses Antrags werde die bisherige Gesetzgebung gegen ungesetzlich verhaftende Beamte nicht nur nicht verschärfen, sondern sogar noch mildern. (Bravo.)</p>
          <p>Der Hr. Justizminister hat nur vergessen zu bemerken, daß es nach den bisherigen, namentlich altpreußischen Gesetzen, für einen Beamten <hi rendition="#g">kaum möglich</hi> ist, Jemanden <hi rendition="#g">ungesetzlich</hi> zu verhaften. Die willkührlichste Verhaftung kann nach den Paragraphen des altehrwürdigsten Landrechts gerechtfertigt werden.</p>
          <p>Wir machen übrigens auf die höchst unparlamentarische Methode aufmerksam, die die Herren Minister sich angewöhnt haben. Sie warten bis der Antrag an die Fachkommission oder die Abtheilung <hi rendition="#g">verwiesen ist,</hi> und dann sprechen sie noch darüber. Sie sind dann sicher, daß ihnen <hi rendition="#g">Niemand antworten</hi> kann. So hat es Hr. Hansemann bei dem Antrage des Hrn. Borries gemacht, so macht es jetzt Hr. Märker. In England und Frankreich würde man die Herren Minister, wenn sie solche parlamentarische Unschicklichkeiten je versucht hätten, ganz anders zur Ordnung zurückgeführt haben. Aber in Berlin!</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schulze</hi> v. Delitzsch: Antrag, zur Aufforderung an die Regierung, die bereits vollendeten oder bald zu vollendenden Entwürfe organischer Gesetze <hi rendition="#g">sofort</hi> der Versammlung zur Berathung in den Abtheilungen zu übergeben.</p>
          <p>Dieser Antrag enthielt wieder einen indirekten Tadel der Regierung, wegen Läßigkeit oder absichtlicher Verschleppung in der Vorlage der die Verfassung ergänzenden organischen Gesetze. Der Tadel war um so empfindlicher, als denselben Morgen zwei Gesetzentwürfe, worunter das Bürgerwehrgesetz, vorgelegt worden waren. Der Ministerpräsident hätte also, bei einiger Energie, diesen Antrag entschieden zurückweisen müssen. Aber statt dessen, macht er nur einige allgemeine Phrasen über das Bestreben der Regierung, den gerechten Wünschen der Versammlung in jeder Weise entgegen zu kommen und der Antrag wird mit großer Majorität angenommen.</p>
          <p>Herr <hi rendition="#g">Besser</hi> interpellirt den Kriegsminister über den Mangel eines Dienstreglements. Die preußische Armee ist die einzige, der ein solches Reglement mangelt. Daher herrscht in allen Heeresabtheilungen, bis zu den Kompagnieen und Schwadronen herab, die größte Verschiedenheit der Ansichten über die wichtigsten Dienstsachen, und namentlich über die Rechte und Pflichten der verschiedenen Chargen. Es bestehen zwar Tausende von Befehlen, Erlassen und Vorschriften, aber sie sind gerade wegen ihrer zahllosen Menge, ihrer Verwirrung und der in ihnen herrschenden Widersprüche schlimmer als nutzlos. Außerdem ist jedes solches Aktenstück durch ebensoviel verschiedene Zusätze, Erläuterungen, Randglossen und Glossen zu Randglossen verquickt und unkenntlich gemacht, als es Zwischenbehörden passirt hat. Diese Verwirrung kommt natürlich dem Vorgesetzten bei allen Willkührlichkeiten zu gut, während der Untergebne nur den Nachtheil davon zu tragen hat. Daher                         kennt der Untergebne keine Rechte, sondern nur Pflichten. Früher existirte ein Dienstreglement, genannt das schweinslederne Reglement, aber dies wurde in den 20ger Jahren <hi rendition="#g">den Privatbesitzern abgenommen</hi>. Seitdem darf <hi rendition="#g">kein Untergebner</hi> es zu <hi rendition="#g">seinen Gunsten</hi> anführen, während die <hi rendition="#g">höheren</hi> Behörden es fortwährend <hi rendition="#g">gegen</hi> die Untergebnen anführen dürfen! Ebenso geht es mit den Dienstvorschriften für das Gardekorps, die der Armee nie mitgetheilt, den Untergebnen nie zugänglich wurden, nach welchen sie aber trotzdem bestraft werden! Die Herren Stabs- und Generaloffiziere haben natürlich nur den Vortheil von dieser Konfusion, die ihnen die größte Willkühr, die härteste Tyrannei gestattet. Aber die Subalternoffiziere, die Unteroffiziere und Soldaten leiden darunter, und in ihrem Interesse interpellirt Hr. Besser den General Schreckenstein.</p>
          <p>Wie mußte Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein</hi> erstaunt sein, als er diese lange &#x201E;Federfuchserei&#x201C;, um den beliebten Ausdruck von Anno dreizehn zu gebrauchen, zu hören bekam! Wie, die preußische Armee hat kein Dienstreglement? Welche Abgeschmacktheit! Die preußische Armee, auf Ehre, hat das allerbeste Reglement von der Welt, das zugleich das allerkürzeste ist und nur aus zwei Worten besteht: <hi rendition="#g">&#x201E;Ordre pariren!&#x201C;</hi> Bekommt ein Soldat der &#x201E;ungeprügelten&#x201C; Armee Püffe, Fußtritte oder Kolbenstöße, wird er von einem eben dem Kadettenhause entlaufenen unmündigen Lieutenant am Bart oder an der Nase gezupft und beklagt sich: <hi rendition="#g">&#x201E;Ordre pariren!&#x201C;</hi> Läßt ein angetrunkener Major nach dem Essen zu seiner besonderen Erheiterung sein Bataillon bis an den Leib in den Sumpf marschiren und dort Carré formiren, und ein Untergebner wagt zu klagen: <hi rendition="#g">&#x201E;Ordre pariren!&#x201C;</hi> Wird den Offizieren verboten, dies oder jenes Café zu                         besuchen, und sie erlauben sich eine Bemerkung: <hi rendition="#g">&#x201E;Ordre pariren!&#x201C;</hi> Das ist das beste Dienstreglement, denn es paßt auf alle Fälle.</p>
          <p>Von allen Ministern ist Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein</hi> der Einzige, der den Muth noch nicht verloren hat. Der Soldat, der unter Napoleon gedient, der während drei und dreißig Jahren preußischen Kamaschendienst getrieben, der manche Kugel pfeifen gehört hat, wird sich doch vor Vereinbarern und Interpellationen nicht fürchten? Und vollends wenn das große: &#x201E;Ordre pariren!&#x201C; in Gefahr ist!</p>
          <p>Meine Herren, sagt er, ich muß das besser wissen. Ich muß wissen was daran zu ändern ist. Es handelt sich hier um ein Einreißen, und das Einreißen darf nicht einreißen, weil das Aufbauen sehr schwer ist. Die Wehrverfassung ist von Scharnhorst, Gneisenau, Boyen und Grolmann gemacht, umfaßt 600_000 bewaffnete und taktisch gebildete Staatsbürger, und bietet jedem Staatsbürger eine sichre Zukunft, solange die Disziplin besteht. Diese werde ich aber erhalten, und damit habe ich genug gesagt.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Besser:</hi> Hr. Schreckenstein hat die Frage gar nicht beantwortet. Aus seinen Bemerkungen scheint aber hervorzugehen, daß er glaubt, ein Dienstreglement werde die Disziplin lockern!</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein:</hi> Ich habe schon gesagt, daß ich das thun werde, was zeitgemäß für die Armee ist und zum Nutzen des <hi rendition="#g">Dienstes</hi> gereicht.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Behnsch:</hi> Wir haben doch wenigstens zu verlangen, daß der Minister uns Ja oder Nein antwortet oder erklärt, er wolle nicht antworten. Bis jetzt haben wir blos abweichende Redensarten gehört.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein,</hi> ärgerlich: Ich halte es nicht für den <hi rendition="#g">Dienst</hi> für nützlich, mich weiter auf diese Interpellation einzulassen.</p>
          <p>Der Dienst, immer der Dienst! Herr Schreckenstein glaubt <choice><sic>imme</sic><corr>immer</corr></choice> noch Divisionär zu sein und mit seinem Offizierkorps zu sprechen. Er bildet sich ein, auch als Kriegsminister brauche er nur den Dienst, nicht aber die rechtliche Stellung der einzelnen Heereschargen gegen einander, und am allerwenigsten die Stellung des Heeres zum Staate im Ganzen und zu seinen Bürgern zu berücksichtigen! Wir sind noch immer unter Bodelschwingh; der Geist des alten Boyen schaltet ununterbrochen fort im Kriegsministerium.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Piegsa</hi> interpellirt wegen Mißhandlungen der Polen in <hi rendition="#g">Mielzyn</hi> am 7. Juni.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Auerswald</hi> erklärt, er müsse erst vollständige Berichte abwarten.</p>
          <p>Also <hi rendition="#g">einen ganzen Monat</hi> von 31 Tagen nach dem Vorfall ist Hr. Auerswald noch nicht vollständig unterrichtet! Wunderbare Verwaltung.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Behnsch</hi> interpellirt Hrn. Hansemann: ob er bei Vorlage des Budgets eine Uebersicht über die Verwaltung der Seehandlung seit 1820 und des Staatsschatzes seit 1840 vorlegen wolle.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Hansemann</hi> erklärt unter schallendem Gelächter, er werde in acht Tagen antworten können!</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Behnsch</hi> interpellirt abermals in Beziehung auf Unterstützung der Auswandrung durch die Regierung.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Kühlwetter</hi> antwortet, dies sei eine deutsche Angelegenheit und verweist Hrn. Behnsch an den Erzherzog Johann.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Grebel</hi> interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der Militär-Administrationsbeamten, die zugleich Landwehroffiziere sind, bei Landwehrübungen in aktiven Dienst treten und dadurch andern Landwehroffizieren die Gelegenheit entziehen sich auszubilden. Er trägt darauf an, daß diese Beamten von der Landwehr entbunden werden.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein</hi> erklärt, er werde seine Pflicht thun und die Sache sogar in Erwägung ziehen.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Feldhaus</hi> interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der am 18. Juni auf dem Marsch von Posen nach Glogau umgekommenen Soldaten und der zur Bestrafung dieser Barbarei getroffenen Maßregeln.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein:</hi> Die Sache hat statt gefunden. Der Bericht des Regimentskommandeurs ist eingereicht. Der Bericht des Generalkommandos, das die Etappen angeordnet hat, fehlt noch. Ich kann also noch nicht sagen, ob die Marschordnung überschritten ist. Außerdem wird hier über einen Stabsoffizier geurtheilt und solche Urtheile sind schmerzlich. Die &#x201E;hohe Generalversammlung&#x201C; (!!!) wird hoffentlich warten bis die Berichte eingetroffen sind.</p>
          <p>Hr. Schreckenstein beurtheilt diese Barbarei nicht als Barbarei, er fragt bloß, ob der betreffende Major <hi rendition="#g">&#x201E;Ordre parirt&#x201C;</hi> hat? Und was liegt daran, ob 18 Soldaten auf der Landstraße wie so viel Stück Vieh, elendiglich umkommen, wenn nur <hi rendition="#g">Ordre parirt</hi> wird!</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Behnsch,</hi> der dieselbe Interpellation wie Hr. Feldhaus gestellt hatte: Ich ziehe meine jetzt überflüssige Interpellation zurück, verlange aber, daß der Kriegsminister einen Tag festsetze, an dem er antworten will. Es sind schon 3 Wochen seit dem Vorfall verflossen und die Berichte könnten längst hier sein.</p>
          <p>Herr <hi rendition="#g">Schreckenstein:</hi> Es ist kein Augenblick versäumt, die Berichte vom Generalkommando sind sofort eingefordert worden.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> will die Sache überhüpfen.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Behnsch:</hi> Ich bitte den Kriegsminister nur zu antworten und einen Tag festzusetzen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Will Herr Schreckenstein. &#x2013;</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein:</hi> Das läßt sich noch gar nicht übersehen, wann dies sein wird.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Gladbach:</hi> Der § 28 des Reglements legt den Ministern die Verpflichtung auf, einen Tag zu bestimmen. Ich bestehe ebenfalls darauf.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Ich frage den Herrn Minister nochmals.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein:</hi> Einen bestimmten Tag kann ich nicht festsetzen.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Gladbach:</hi> Ich bleibe bei meiner Forderung.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Temme:</hi> Ich bin derselben Meinung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Wird der Hr. Kriegsminister etwa in 14 Tagen. &#x2013;</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Schreckenstein:</hi> Wohl möglich. Sobald ich weiß, ob Ordre parirt worden ist, werde ich antworten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident.</hi> Also in 14 Tagen.</p>
          <p>So thut der Hr. Kriegsminister &#x201E;seine Pflicht&#x201C; gegen die Versammlung!</p>
          <p>Hr. Gladbach hat noch eine Interpellation an den Minister des Innern zu richten wegen Suspendirung mißliebiger Beamten und vorläufiger nur provisorischer Besetzung erledigter Stellen.</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Kühlwetter</hi> antwortet sehr ungenügend und die weiteren Bemerkungen des Hrn. Gladbach werden unter dem Gemurr, Geschrei und Getrommel der endlich über so viel Unverschämtheit empörten Rechten nach tapferer Gegenwehr erdrückt.</p>
          <p>Ein Antrag von Hrn. <hi rendition="#g">Berends,</hi> daß die zum innern Dienst einberufene Landwehr unter das Kommando der Bürgerwehr gestellt werde, wird nicht für dringlich erkannt und danach zurückgezogen. Hierauf beginnt eine angenehme Unterhaltung über allerlei mit der Posenschen Kommission verknüpfte Spitzfindigkeiten. Der Sturm der Interpellationen und Dringlichkeitsanträge ist vorüber und wie sanftes Säuseln des Zephyr und anmuthiges Murmeln des Wiesenbachs verhallen die letzten versöhnenden Klänge der berühmten Sitzung vom 7. Juli. Hr. Hansemann geht nach Hause mit dem Trost, daß das Poltern und Trommeln der Rechten ihm einige wenige Blumen in seine Dornenkrone gewunden hat und Hr. Schreckenstein dreht selbstzufrieden seinen Schnurrbart und murmelt: &#x201E;Ordre pariren!&#x201C;</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar045_003" type="jArticle">
          <head>Aus Chateaubriand.</head>
          <p>Die Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, kann nicht fortbestehn. Im Maße als                         die Aufklärung hinabsteigt bis zu den untersten Klassen der Gesellschaft,                         entdecken diese den verborgenen Krebsschaden, welcher an der                         gesellschaftlichen Ordnung nagt seit dem Anfang aller Zeiten, und der die                         Ursache alles Leidens, aller Volksstürme ist.</p>
          <p>Die große Ungleichheit der Stände und des Vermögens hat sich so lange                         ertragen lassen, als sie verborgen war, einerseits durch die Unwissenheit,                         andererseits durch die scheinbare Organisation der Gesellschaft; aber mit                         der allgemeinen Innewerdung hat sie den Todesstoß erhalten.</p>
          <p>Stellt, wenn ihr könnt, die aristokratischen Fiktionen wieder her; versucht,                         ob ihr dem Armen, wenn er lesen kann, wenn das Wort von Stadt zu Stadt, von                         Dorf zu Dorf tagtäglich zu ihm gelangt, versucht, ob ihr diesem Armen, der                         eben so viel Einsicht hat, wie ihr, beibringen könnt, daß er sich alle                         Entbehrungen ruhig gefallen lassen soll, während sein Nachbar z. B., ohne                         Arbeit, alle Ueberflüsse des Lebens in Hülle und Fülle besitzt. &#x2012; Eure                         Bestrebungen werden unnütz sein; man kann nicht von der großen Anzahl Tugend                         verlangen, die über alle Natur hinausgeht.</p>
          <p>Die materielle Entwickelung der Gesellschaft, bringt die geistige                         Entwickelung mit sich. Laßt die Dampfkraft, mit dem Telegraphen und der                         Eisenbahn vereint, den Raum vernichtet haben, und ihr werdet sehen, daß                         nicht allein die Waaren von einem Endpole der Welt bis zum andern mit                         Blitzesschnelle hinwandern, sondern auch die Ideen. Wenn die fiskalischen                         und kommerziellen Barrieren zwischen den verschiedenen Staaten gefallen sein                         werden, wenn das Salariat, diese moderne Sklaverei, sich emanzipirt haben                         wird, wenn die verschiedenen Länder ihre Sitten gegenseitig ausgetauscht                         haben werden, und nach Beseitigung aller nationalen Vorurtheile und                         Eroberungsideen, zu einer Einheit der Völker hinarbeiten: wie wollt ihr dann                         die Gesellschaft zurücklenken können zu abgethanen Prinzipien?</p>
          <p>Es gab nur eine Monarchie in Europa: die französische; die übrigen sind ihre                         Töchter, und werden ihrer Mutter zu Grabe folgen. Die Könige hatten bis                         jetzt, ohne ihr Vorwissen, hinter dieser tausendjährigen Monarchie gelebt.                         Als der Hauch der Revolution diese Race zu Boden geschleudert hatte, kam                         Bonaparte; er hielt die wankenden Prinzen aufrecht, indem er ihre Throne,                         die er umgeworfen, wiederherstellte. Nach Napoleon leben die                         übriggebliebenen Monarchen verschanzt in den Ruinen des napoleonischen                         Colyseums, gleich jenen Ermiten, denen man das Gnadenbrod gibt im Colyseum                         zu Rom; aber selbst auch diese Ruinen werden ihnen nicht lange Schutz                         gewähren . . . . Alles Alte schwindet, und es wird kein Kind aus                         Mutterschooß geboren, das nicht ein Feind der alten Gesellschaft ist.</p>
          <p>Der Mangel an Energie in unserer Zeit, die gänzliche Abwesenheit aller                         Capazitäten, das Verkommen aller Männer von Charakter, die von Ehrgefühl                         entblös't, nur dem Interesse zugänglich sind; das Erlöschen alles                         moralischen und religiösen Sinnes, die Gleichgültigkeit gegen das Gute und                         Böse, die Tugend und das Laster; die Sorglosigkeit oder Apathie, mit welcher                         wir Begebenheiten zuschauen, die früher die Welt in Bewegung gebracht haben                         würden; der Mangel solcher Lebensbedingungen, die nothwendig erscheinen zur                         gesellschaftlichen Ordnung: Alles dieses scheint darauf hinzudeuten, daß der                         entscheidende Augenblick nahe ist, daß der Vorhang aufgeht und ein anderes                         Schauspiel uns vorgeführt wird.</p>
          <p>Es wird eine Zukunft kommen, eine mächtige, freie Zukunft, frei in der ganzen                         Fülle evangelischer Gleichheit; aber sie ist fern noch, fern, jenseits des                         sichtbaren Horizotns. Man gelangt nur dazu durch jene starke Hoffnung,                         welche durch das Unglück weder ermüdet noch verfälscht wird, und deren                         Flügel wachsen, im Maße als Alles sie zu täuschen scheint; durch jene                         Hoffnung, sag' ich, die stärker und dauerhafter ist, als die Zeit, und die                         der Christ allein besitzt. Ehe man zum Ziele kommt, zur Einheit der Völker,                         der natürlichen Demokratie, muß man hindurch durch die soziale                         Dekomposition, die Zeit der Anarchie, des Blutes</p>
        </div>
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              <author>X</author>
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          <p>Wie heißt eigentlich die Berliner Versammlung? Das Ministerium nennt sie <hi rendition="#g">&#x201E;Nationalversammlung&#x201C;</hi>, die königlichen Botschaften                         nennen sie &#x201E;die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufene                         Versammlung&#x201C;, der Minister Schreckenstein nennt sie (Sitzung vom 7.)                         &#x201E;Generalversammlung&#x201C;, Herr Griesheim nennt sie &#x201E;die Herren&#x201C;. In den                         Zeitungen heißt sie konstituirende Versammlung u. s. w.</p>
          <p>Möge die hohe Versammlung doch endlich einmal wenigstens ihren Namen &#x201E;mit der                         Krone vereinbaren&#x201C;!</p>
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          <head>Der Empfang Johann's.</head>
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Kunigunde und Eduard.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Wien,</hi> 5. Juli. &#x201E;Kanonendonner und Glockengeläute&#x201C;</p>
          <bibl>(Berl. Z. H.)</bibl>
          <p><hi rendition="#g">Breslau,</hi> 11. Juli. &#x201E;Glockengeläute und                         Kanonendonner.&#x201C;</p>
          <bibl>(Bresl.Z).</bibl>
          <p>12. Juli. &#x201E;Kanonendonner und Glockengeläute &#x2026; &#x201C;</p>
          <bibl>(Mannh. Ab. Z.)</bibl>
          <p><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 12. Juli. &#x201E;Glockengeläute und                         Kanonendonner &#x2026; &#x201C;</p>
          <bibl>(Frkf. Ob. P. A. Ztg.)</bibl>
          <p><hi rendition="#g">Darmstadt,</hi> 12. Juli, &#x201E;Kanonendonner.&#x201C;</p>
          <bibl>(Frkf. J.)</bibl>
          <p><hi rendition="#g">Hanau,</hi> 11. Juli. &#x201E;Glockengeläute.&#x201C;</p>
          <bibl>(Frkf. J.)</bibl>
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</TEI>
[0221/0001] Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 45. Köln, Samstag 15. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland. 19 Köln, 13. Juli. (Schluß des vorgestr. Artikels.) Der General Pfuel (von Höllenstein) begann seine Friedensmission damit, daß er die gemeinen Gesetze suspendirte und militärische Ausnahmgesetze erließ. Am 5. Mai bestätigte Hr. Pfuel „kraft seiner Vollmacht,“ die er nie vollständig veröffentlichte, die von dem General Colomb in Gemeinschaft mit dem Oberpräsidenten gesetzwidrig verfügte Wiedereinführung des Standrechts. Am 7. Mai ließ Hr. Pfuel in Posen die ganze polnische Einwohnerschaft entwaffnen, dagegen aber „zur kräftigeren Aufrechthaltung der Ruhe,“ die bis dahin in der Stadt noch keinen Augenblick gestört worden war, deutsche und jüdische Freikorps errichten, welche beiläufig unter Anführung des Grafen Lüttichau und Assessor Göldner hinter den fliegenden Militärkolonnen herzogen, um denselben bei den polnischen Exekutionen, beim Anzünden der Häuser und Niederschießen der entsetzten fliehenden Bevölkerung zu sekundiren. Am 12. Mai und 4. Juni führte Hr. Pfuel „kraft seiner Vollmacht“ durch neue Proklamationen die angeordnete Theilung des Großherzogthums weiter aus, indem er dem polnischen Theil immer neue, aber stets engere Gränzen zog. Am 23. Mai erließ Hr. Pfuel eine Proklamation an das polnische Landvolk, worin er die demokratischen Gutsbesitzer injurirte und verdächtigte und durch erdichtete Thatsachen Haß und Zwietracht in dem „pacificirten“ Lande zu erregen suchte. Am 30. Mai denunzirte Hr. Pfuel die Polen-Chefs der Lynchjustiz, indem er „für diejenigen, welche Verluste erlitten,“ die Namen von 76 Organisatoren und Anführern der Insurgenten veröffentlichte; er versprach dabei weiter auch die Namen aller Mitglieder des National-Comités und der von diesem eingesetzten Kreis-Comités zu denunziren, welche bekanntlich mit Bewilligung des Ministeriums und unter Zuziehung des Oberpräsidenten sich konstituirt hatten. Dies sind die allgemeinen Maßregeln, welche der General (von Höllenstein) zur Ausführung der nationalen Reorganisation bis jetzt für nöthig befunden hat. Die Polen scheinen dies Liebeswerk des Hrn. Pfuel indeß keineswegs mit einsichtiger Dankbarkeit gewürdigt zu haben; Hr. Pfuel hat sich bisher vergebens bemüht, einen Präsidenten für den sogenannten polnischen Rest des geraubten Großherzogthums zu finden. Ein desto innigeres Band umschlingt dagegen den General Pfuel (von Höllenstein) mit seinen Gesinnungsfreunden, den Deutschen und Juden. Seit der Anwesenheit des Hrn. Pfuel übt die Hefe der Deutschen und Juden fast an allen Orten ungestraft die Polizeigewalt aus. Am 11. Mai feierten in Posen die Deutschen und Juden die neue Unterdrückung der polnischen Nationalität, den neuen Raub an Polen, durch einen solennen Festzug, und Hr. Pfuel bezeugte in offiziellem Karakter seine Theilnahme an dieser patriotischen Demonstration, indem er mit seinem Stabe in glänzender Suite dem Zug sich anschloß. In der Stadt Posen werden trotz des Martialgesetzes Aufläufe geduldet, so weit sie von den Gesinnungsfreunden des Hrn. Pfuel, den Deutschen und Juden ausgehen, und blos Exzesse an den eingebrachten polnischen Gefangenen zum Zweck haben. Die speziellen Aeußerungen der preußischen Liebesideen für Polen bestehen darin, daß fortwährend deutsche und jüdische Banden mordend, plündernd und brennend das Land durchziehen, und Gutsbesitzer, Priester und Schullehrer ermorden oder die Flüchtigen in die Wälder jagen; daß täglich ohne alle Veranlassung zahllose Verhaftungen vorgenommen und die Gefangenen laut Verfügung des General Steinäcker jeder Pflege ihrer Angehörigen, selbst in Kost und Wäsche, entzogen werden; daß die Verhafteten ohne Verhör Wochenlang in Haft gehalten und bei ihrer Entlassung an Ohren und Händen mit Höllenstein gebrandmarkt werden; daß die fanatisirte pommersche Soldateska in Verein mit profitwüthigen deutschen und jüdischen Strolchen die Polen auf offner Straße angreift, mit Ladstöcken, Säbeln und Kolben todt schlägt, und ihre Wohnsitze ausplündert und den Flammen übergibt; daß die Polen mit Einem Wort auf dem Boden ihrer Väter für vogelfrei erklärt sind. Dies ist, was die christlich-germanische Raçe die Pacifikation, die nationale „Reorganisation“ Polens nennt. Der Beginn dieses preußischen Liebeswerkes war die Furcht und die Ohnmacht, seine Vollendung war die Wuth über die eigne Schwäche, als der erste Schrecken des Revolutionsfiebers vorüber war. Die preußische Staatsregierung hatte trotz aller Verheißungen keinen Augenblick daran gedacht, den polnischen Raub ernstlich aufzugeben. Ihre ersten Konzessionen waren unter dem Nachhall des 18. und 19. März dictirt, wo das Berliner Volk die befreiten polnischen Gefangenen im Triumphzug über seine blutigen, mit Barrikaden bedeckten Straßen fuhr; es bedurfte erst der fächelnden Abkühlung des Ministeriums der Vermittlung, um aus den Verheißungen an Polen ein Mißverständniß zu machen, wie Hr. Camphausen die Anerkennung einer Revolution überhaupt als Mißverständniß erklärt. Wie kam es sonst, daß die soldwüthigen deutschen Beamten und trödelsuchenden Juden unmittelbar unter dem Eindruck der Revolution in merkwürdiger Einigkeit mit den Polen leben und sogar die Verheißung der Reorganisation mit Deklamationen und Adressen feiern konnten, um bei dem Erscheinen des Ministeriums Camphausen sofort von patriotischen Besorgnissen überzuträufeln und mit aller Wuth gegen die polnische Nationalität zu Felde zu ziehen? Wie kam es, daß unter dem Kommissariat des General Willisen der gerühmte blinde Gehorsam des Kamaschenritterthums plötzlich verschwunden war, und von den Generalen bis zum gemeinen pommerschen Kriegsknecht jeder auf eigne Hand Verrath und Gesetzwidrigkeiten aller Art begehen, und durch die blutigsten Gräuel die Polen zum gewaltsamen Kampf zwingen konnte? Wie kam es, daß unter dem General Pfuel (von Höllenstein) trotz aller Friedenserklärungen das Land in eine Brandstätte verwandelt und die „Reorganisation“ zu einem Vertilgungskrieg gegen Alles was Pole heißt organisirt werden konnte? daß die Höllenstein-Operationen des Hrn. Pfuel an wehrlosen, ohne Verhör entlassenen Gefangenen, nachdem der Minister Auerswald in der Vereinbarerversammlung seine „Entrüstung“ darüber aussprechen mußte, noch immer ungestraft blieben, während Hr. Pfuel sich ein neues ritterliches Spiel durch Scalpiren der Polenköpfe auserlas? daß mit dem Fortschreiten dieser „Pacifikation“ immer neue Reorganisationspläne, ein immer größerer Raub zu dem alten verfügt wurde? Das Ministerium Camphausen hat alle diese Gräuel der patriotischen Soldateska, wie sie in keiner Zeit der Barbarei stattgefunden, durch sein stillschweigendes laissez-faire zu den seinigen gemacht. Herr Hansemann, der Uebergangsminister, hat ihnen jetzt auch thatsächlich seine Anerkennung ertheilt, indem er als Minister der That der Vereinbarerversammlung die Untersuchung zu entziehen suchte. Wir erwarten nichts von der Vereinbarerversammlung, aber noch ist die „Reorganisation“ Polens nicht in letzter Instanz vollbracht. Diese letzte Instanz, wir haben es bereits gesagt, ist das deutsche Volk und die Polen. ** Köln, 14. Juli. Wir kommen heute zur zweiten Hälfte der Vereinbarungssitzung vom 7. d. Nach der, für Hrn. Hansemann so schmerzlichen Debatte über die Finanzkommission, kam noch eine Reihe kleiner Trübsale für die Herren Minister vor. Es war der Tag der Dringlichkeitsanträge und Interpellationen, der Tag der Anfechtungen und der Ministerialbedrängniß. Der Abgeordnete Wander trug an, jeder Beamte, der einen Bürger ungerechter Weise verhaften ließe, solle zu völligem Schadenersatz verpflichtet sein und außerdem viermal solange sitzen, als der von ihm Verhaftete. Der Antrag geht, als nicht dringlich, an die Fachkommission. Justizminister Märker erklärt, die Annahme dieses Antrags werde die bisherige Gesetzgebung gegen ungesetzlich verhaftende Beamte nicht nur nicht verschärfen, sondern sogar noch mildern. (Bravo.) Der Hr. Justizminister hat nur vergessen zu bemerken, daß es nach den bisherigen, namentlich altpreußischen Gesetzen, für einen Beamten kaum möglich ist, Jemanden ungesetzlich zu verhaften. Die willkührlichste Verhaftung kann nach den Paragraphen des altehrwürdigsten Landrechts gerechtfertigt werden. Wir machen übrigens auf die höchst unparlamentarische Methode aufmerksam, die die Herren Minister sich angewöhnt haben. Sie warten bis der Antrag an die Fachkommission oder die Abtheilung verwiesen ist, und dann sprechen sie noch darüber. Sie sind dann sicher, daß ihnen Niemand antworten kann. So hat es Hr. Hansemann bei dem Antrage des Hrn. Borries gemacht, so macht es jetzt Hr. Märker. In England und Frankreich würde man die Herren Minister, wenn sie solche parlamentarische Unschicklichkeiten je versucht hätten, ganz anders zur Ordnung zurückgeführt haben. Aber in Berlin! Hr. Schulze v. Delitzsch: Antrag, zur Aufforderung an die Regierung, die bereits vollendeten oder bald zu vollendenden Entwürfe organischer Gesetze sofort der Versammlung zur Berathung in den Abtheilungen zu übergeben. Dieser Antrag enthielt wieder einen indirekten Tadel der Regierung, wegen Läßigkeit oder absichtlicher Verschleppung in der Vorlage der die Verfassung ergänzenden organischen Gesetze. Der Tadel war um so empfindlicher, als denselben Morgen zwei Gesetzentwürfe, worunter das Bürgerwehrgesetz, vorgelegt worden waren. Der Ministerpräsident hätte also, bei einiger Energie, diesen Antrag entschieden zurückweisen müssen. Aber statt dessen, macht er nur einige allgemeine Phrasen über das Bestreben der Regierung, den gerechten Wünschen der Versammlung in jeder Weise entgegen zu kommen und der Antrag wird mit großer Majorität angenommen. Herr Besser interpellirt den Kriegsminister über den Mangel eines Dienstreglements. Die preußische Armee ist die einzige, der ein solches Reglement mangelt. Daher herrscht in allen Heeresabtheilungen, bis zu den Kompagnieen und Schwadronen herab, die größte Verschiedenheit der Ansichten über die wichtigsten Dienstsachen, und namentlich über die Rechte und Pflichten der verschiedenen Chargen. Es bestehen zwar Tausende von Befehlen, Erlassen und Vorschriften, aber sie sind gerade wegen ihrer zahllosen Menge, ihrer Verwirrung und der in ihnen herrschenden Widersprüche schlimmer als nutzlos. Außerdem ist jedes solches Aktenstück durch ebensoviel verschiedene Zusätze, Erläuterungen, Randglossen und Glossen zu Randglossen verquickt und unkenntlich gemacht, als es Zwischenbehörden passirt hat. Diese Verwirrung kommt natürlich dem Vorgesetzten bei allen Willkührlichkeiten zu gut, während der Untergebne nur den Nachtheil davon zu tragen hat. Daher kennt der Untergebne keine Rechte, sondern nur Pflichten. Früher existirte ein Dienstreglement, genannt das schweinslederne Reglement, aber dies wurde in den 20ger Jahren den Privatbesitzern abgenommen. Seitdem darf kein Untergebner es zu seinen Gunsten anführen, während die höheren Behörden es fortwährend gegen die Untergebnen anführen dürfen! Ebenso geht es mit den Dienstvorschriften für das Gardekorps, die der Armee nie mitgetheilt, den Untergebnen nie zugänglich wurden, nach welchen sie aber trotzdem bestraft werden! Die Herren Stabs- und Generaloffiziere haben natürlich nur den Vortheil von dieser Konfusion, die ihnen die größte Willkühr, die härteste Tyrannei gestattet. Aber die Subalternoffiziere, die Unteroffiziere und Soldaten leiden darunter, und in ihrem Interesse interpellirt Hr. Besser den General Schreckenstein. Wie mußte Hr. Schreckenstein erstaunt sein, als er diese lange „Federfuchserei“, um den beliebten Ausdruck von Anno dreizehn zu gebrauchen, zu hören bekam! Wie, die preußische Armee hat kein Dienstreglement? Welche Abgeschmacktheit! Die preußische Armee, auf Ehre, hat das allerbeste Reglement von der Welt, das zugleich das allerkürzeste ist und nur aus zwei Worten besteht: „Ordre pariren!“ Bekommt ein Soldat der „ungeprügelten“ Armee Püffe, Fußtritte oder Kolbenstöße, wird er von einem eben dem Kadettenhause entlaufenen unmündigen Lieutenant am Bart oder an der Nase gezupft und beklagt sich: „Ordre pariren!“ Läßt ein angetrunkener Major nach dem Essen zu seiner besonderen Erheiterung sein Bataillon bis an den Leib in den Sumpf marschiren und dort Carré formiren, und ein Untergebner wagt zu klagen: „Ordre pariren!“ Wird den Offizieren verboten, dies oder jenes Café zu besuchen, und sie erlauben sich eine Bemerkung: „Ordre pariren!“ Das ist das beste Dienstreglement, denn es paßt auf alle Fälle. Von allen Ministern ist Hr. Schreckenstein der Einzige, der den Muth noch nicht verloren hat. Der Soldat, der unter Napoleon gedient, der während drei und dreißig Jahren preußischen Kamaschendienst getrieben, der manche Kugel pfeifen gehört hat, wird sich doch vor Vereinbarern und Interpellationen nicht fürchten? Und vollends wenn das große: „Ordre pariren!“ in Gefahr ist! Meine Herren, sagt er, ich muß das besser wissen. Ich muß wissen was daran zu ändern ist. Es handelt sich hier um ein Einreißen, und das Einreißen darf nicht einreißen, weil das Aufbauen sehr schwer ist. Die Wehrverfassung ist von Scharnhorst, Gneisenau, Boyen und Grolmann gemacht, umfaßt 600_000 bewaffnete und taktisch gebildete Staatsbürger, und bietet jedem Staatsbürger eine sichre Zukunft, solange die Disziplin besteht. Diese werde ich aber erhalten, und damit habe ich genug gesagt. Hr. Besser: Hr. Schreckenstein hat die Frage gar nicht beantwortet. Aus seinen Bemerkungen scheint aber hervorzugehen, daß er glaubt, ein Dienstreglement werde die Disziplin lockern! Hr. Schreckenstein: Ich habe schon gesagt, daß ich das thun werde, was zeitgemäß für die Armee ist und zum Nutzen des Dienstes gereicht. Hr. Behnsch: Wir haben doch wenigstens zu verlangen, daß der Minister uns Ja oder Nein antwortet oder erklärt, er wolle nicht antworten. Bis jetzt haben wir blos abweichende Redensarten gehört. Hr. Schreckenstein, ärgerlich: Ich halte es nicht für den Dienst für nützlich, mich weiter auf diese Interpellation einzulassen. Der Dienst, immer der Dienst! Herr Schreckenstein glaubt immer noch Divisionär zu sein und mit seinem Offizierkorps zu sprechen. Er bildet sich ein, auch als Kriegsminister brauche er nur den Dienst, nicht aber die rechtliche Stellung der einzelnen Heereschargen gegen einander, und am allerwenigsten die Stellung des Heeres zum Staate im Ganzen und zu seinen Bürgern zu berücksichtigen! Wir sind noch immer unter Bodelschwingh; der Geist des alten Boyen schaltet ununterbrochen fort im Kriegsministerium. Hr. Piegsa interpellirt wegen Mißhandlungen der Polen in Mielzyn am 7. Juni. Hr. Auerswald erklärt, er müsse erst vollständige Berichte abwarten. Also einen ganzen Monat von 31 Tagen nach dem Vorfall ist Hr. Auerswald noch nicht vollständig unterrichtet! Wunderbare Verwaltung. Hr. Behnsch interpellirt Hrn. Hansemann: ob er bei Vorlage des Budgets eine Uebersicht über die Verwaltung der Seehandlung seit 1820 und des Staatsschatzes seit 1840 vorlegen wolle. Hr. Hansemann erklärt unter schallendem Gelächter, er werde in acht Tagen antworten können! Hr. Behnsch interpellirt abermals in Beziehung auf Unterstützung der Auswandrung durch die Regierung. Hr. Kühlwetter antwortet, dies sei eine deutsche Angelegenheit und verweist Hrn. Behnsch an den Erzherzog Johann. Hr. Grebel interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der Militär-Administrationsbeamten, die zugleich Landwehroffiziere sind, bei Landwehrübungen in aktiven Dienst treten und dadurch andern Landwehroffizieren die Gelegenheit entziehen sich auszubilden. Er trägt darauf an, daß diese Beamten von der Landwehr entbunden werden. Hr. Schreckenstein erklärt, er werde seine Pflicht thun und die Sache sogar in Erwägung ziehen. Hr. Feldhaus interpellirt Hrn. Schreckenstein wegen der am 18. Juni auf dem Marsch von Posen nach Glogau umgekommenen Soldaten und der zur Bestrafung dieser Barbarei getroffenen Maßregeln. Hr. Schreckenstein: Die Sache hat statt gefunden. Der Bericht des Regimentskommandeurs ist eingereicht. Der Bericht des Generalkommandos, das die Etappen angeordnet hat, fehlt noch. Ich kann also noch nicht sagen, ob die Marschordnung überschritten ist. Außerdem wird hier über einen Stabsoffizier geurtheilt und solche Urtheile sind schmerzlich. Die „hohe Generalversammlung“ (!!!) wird hoffentlich warten bis die Berichte eingetroffen sind. Hr. Schreckenstein beurtheilt diese Barbarei nicht als Barbarei, er fragt bloß, ob der betreffende Major „Ordre parirt“ hat? Und was liegt daran, ob 18 Soldaten auf der Landstraße wie so viel Stück Vieh, elendiglich umkommen, wenn nur Ordre parirt wird! Hr. Behnsch, der dieselbe Interpellation wie Hr. Feldhaus gestellt hatte: Ich ziehe meine jetzt überflüssige Interpellation zurück, verlange aber, daß der Kriegsminister einen Tag festsetze, an dem er antworten will. Es sind schon 3 Wochen seit dem Vorfall verflossen und die Berichte könnten längst hier sein. Herr Schreckenstein: Es ist kein Augenblick versäumt, die Berichte vom Generalkommando sind sofort eingefordert worden. Der Präsident will die Sache überhüpfen. Hr. Behnsch: Ich bitte den Kriegsminister nur zu antworten und einen Tag festzusetzen. Präsident: Will Herr Schreckenstein. – Hr. Schreckenstein: Das läßt sich noch gar nicht übersehen, wann dies sein wird. Hr. Gladbach: Der § 28 des Reglements legt den Ministern die Verpflichtung auf, einen Tag zu bestimmen. Ich bestehe ebenfalls darauf. Präsident: Ich frage den Herrn Minister nochmals. Hr. Schreckenstein: Einen bestimmten Tag kann ich nicht festsetzen. Hr. Gladbach: Ich bleibe bei meiner Forderung. Hr. Temme: Ich bin derselben Meinung. Präsident: Wird der Hr. Kriegsminister etwa in 14 Tagen. – Hr. Schreckenstein: Wohl möglich. Sobald ich weiß, ob Ordre parirt worden ist, werde ich antworten. Präsident. Also in 14 Tagen. So thut der Hr. Kriegsminister „seine Pflicht“ gegen die Versammlung! Hr. Gladbach hat noch eine Interpellation an den Minister des Innern zu richten wegen Suspendirung mißliebiger Beamten und vorläufiger nur provisorischer Besetzung erledigter Stellen. Hr. Kühlwetter antwortet sehr ungenügend und die weiteren Bemerkungen des Hrn. Gladbach werden unter dem Gemurr, Geschrei und Getrommel der endlich über so viel Unverschämtheit empörten Rechten nach tapferer Gegenwehr erdrückt. Ein Antrag von Hrn. Berends, daß die zum innern Dienst einberufene Landwehr unter das Kommando der Bürgerwehr gestellt werde, wird nicht für dringlich erkannt und danach zurückgezogen. Hierauf beginnt eine angenehme Unterhaltung über allerlei mit der Posenschen Kommission verknüpfte Spitzfindigkeiten. Der Sturm der Interpellationen und Dringlichkeitsanträge ist vorüber und wie sanftes Säuseln des Zephyr und anmuthiges Murmeln des Wiesenbachs verhallen die letzten versöhnenden Klänge der berühmten Sitzung vom 7. Juli. Hr. Hansemann geht nach Hause mit dem Trost, daß das Poltern und Trommeln der Rechten ihm einige wenige Blumen in seine Dornenkrone gewunden hat und Hr. Schreckenstein dreht selbstzufrieden seinen Schnurrbart und murmelt: „Ordre pariren!“ Aus Chateaubriand. Die Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, kann nicht fortbestehn. Im Maße als die Aufklärung hinabsteigt bis zu den untersten Klassen der Gesellschaft, entdecken diese den verborgenen Krebsschaden, welcher an der gesellschaftlichen Ordnung nagt seit dem Anfang aller Zeiten, und der die Ursache alles Leidens, aller Volksstürme ist. Die große Ungleichheit der Stände und des Vermögens hat sich so lange ertragen lassen, als sie verborgen war, einerseits durch die Unwissenheit, andererseits durch die scheinbare Organisation der Gesellschaft; aber mit der allgemeinen Innewerdung hat sie den Todesstoß erhalten. Stellt, wenn ihr könnt, die aristokratischen Fiktionen wieder her; versucht, ob ihr dem Armen, wenn er lesen kann, wenn das Wort von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf tagtäglich zu ihm gelangt, versucht, ob ihr diesem Armen, der eben so viel Einsicht hat, wie ihr, beibringen könnt, daß er sich alle Entbehrungen ruhig gefallen lassen soll, während sein Nachbar z. B., ohne Arbeit, alle Ueberflüsse des Lebens in Hülle und Fülle besitzt. ‒ Eure Bestrebungen werden unnütz sein; man kann nicht von der großen Anzahl Tugend verlangen, die über alle Natur hinausgeht. Die materielle Entwickelung der Gesellschaft, bringt die geistige Entwickelung mit sich. Laßt die Dampfkraft, mit dem Telegraphen und der Eisenbahn vereint, den Raum vernichtet haben, und ihr werdet sehen, daß nicht allein die Waaren von einem Endpole der Welt bis zum andern mit Blitzesschnelle hinwandern, sondern auch die Ideen. Wenn die fiskalischen und kommerziellen Barrieren zwischen den verschiedenen Staaten gefallen sein werden, wenn das Salariat, diese moderne Sklaverei, sich emanzipirt haben wird, wenn die verschiedenen Länder ihre Sitten gegenseitig ausgetauscht haben werden, und nach Beseitigung aller nationalen Vorurtheile und Eroberungsideen, zu einer Einheit der Völker hinarbeiten: wie wollt ihr dann die Gesellschaft zurücklenken können zu abgethanen Prinzipien? Es gab nur eine Monarchie in Europa: die französische; die übrigen sind ihre Töchter, und werden ihrer Mutter zu Grabe folgen. Die Könige hatten bis jetzt, ohne ihr Vorwissen, hinter dieser tausendjährigen Monarchie gelebt. Als der Hauch der Revolution diese Race zu Boden geschleudert hatte, kam Bonaparte; er hielt die wankenden Prinzen aufrecht, indem er ihre Throne, die er umgeworfen, wiederherstellte. Nach Napoleon leben die übriggebliebenen Monarchen verschanzt in den Ruinen des napoleonischen Colyseums, gleich jenen Ermiten, denen man das Gnadenbrod gibt im Colyseum zu Rom; aber selbst auch diese Ruinen werden ihnen nicht lange Schutz gewähren . . . . Alles Alte schwindet, und es wird kein Kind aus Mutterschooß geboren, das nicht ein Feind der alten Gesellschaft ist. Der Mangel an Energie in unserer Zeit, die gänzliche Abwesenheit aller Capazitäten, das Verkommen aller Männer von Charakter, die von Ehrgefühl entblös't, nur dem Interesse zugänglich sind; das Erlöschen alles moralischen und religiösen Sinnes, die Gleichgültigkeit gegen das Gute und Böse, die Tugend und das Laster; die Sorglosigkeit oder Apathie, mit welcher wir Begebenheiten zuschauen, die früher die Welt in Bewegung gebracht haben würden; der Mangel solcher Lebensbedingungen, die nothwendig erscheinen zur gesellschaftlichen Ordnung: Alles dieses scheint darauf hinzudeuten, daß der entscheidende Augenblick nahe ist, daß der Vorhang aufgeht und ein anderes Schauspiel uns vorgeführt wird. Es wird eine Zukunft kommen, eine mächtige, freie Zukunft, frei in der ganzen Fülle evangelischer Gleichheit; aber sie ist fern noch, fern, jenseits des sichtbaren Horizotns. Man gelangt nur dazu durch jene starke Hoffnung, welche durch das Unglück weder ermüdet noch verfälscht wird, und deren Flügel wachsen, im Maße als Alles sie zu täuschen scheint; durch jene Hoffnung, sag' ich, die stärker und dauerhafter ist, als die Zeit, und die der Christ allein besitzt. Ehe man zum Ziele kommt, zur Einheit der Völker, der natürlichen Demokratie, muß man hindurch durch die soziale Dekomposition, die Zeit der Anarchie, des Blutes X Wie heißt eigentlich die Berliner Versammlung? Das Ministerium nennt sie „Nationalversammlung“, die königlichen Botschaften nennen sie „die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung berufene Versammlung“, der Minister Schreckenstein nennt sie (Sitzung vom 7.) „Generalversammlung“, Herr Griesheim nennt sie „die Herren“. In den Zeitungen heißt sie konstituirende Versammlung u. s. w. Möge die hohe Versammlung doch endlich einmal wenigstens ihren Namen „mit der Krone vereinbaren“! Der Empfang Johann's. „Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard.“ Wien, 5. Juli. „Kanonendonner und Glockengeläute“ (Berl. Z. H.) Breslau, 11. Juli. „Glockengeläute und Kanonendonner.“ (Bresl.Z). 12. Juli. „Kanonendonner und Glockengeläute … “ (Mannh. Ab. Z.) Frankfurt, 12. Juli. „Glockengeläute und Kanonendonner … “ (Frkf. Ob. P. A. Ztg.) Darmstadt, 12. Juli, „Kanonendonner.“ (Frkf. J.) Hanau, 11. Juli. „Glockengeläute.“ (Frkf. J.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 45. Köln, 15. Juli 1848, S. 0221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz045_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.