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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die englisch-französische Vermittlung in Italien. - Der "konstitutionelle Ministerstaat.") Wien. (Der Reichstagsverrath. - Die Ungarn über die Gränze gerückt. - Vermischtes. - Gerücht vom Stürmen des Zeughauses in Prag. - Lager der ungarischen Armee.) Olmütz. (Erste Segnungen der kaiserlichen Gegenwart.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Berlin. (Die Aeußerungen des Königs am 15. Oktober.) Breslau. (Feier des 15. Oktober.) Trier. (Imandt.) Barmen. (Die Spionage.)

Donaufürstenthümer. Jaffy. (Die Russen in den Donaufürstenthümern.)

Italien. Turin. (Czarnowski an der Spitze der sardinischen Armee. - Neue Manifestationen. - Der Herzog von Savoyen. - Die Oestreicher vor Osoppo. - Radetzki in Mailand.)

Französische Republik. Paris. (Die "Reforme" über die Juniinsurrektion. - Die "Presse" über Cavaignac. - Vermischtes. - Nationalversammlung.)

Spanien. Madrid. (Cordova. - Cabrera.)

Großbritannien. London. (Die Journale. - Ernest Jones. - Joseph Ady. - Punsch.)

Griechenland. (Aufstand auf den jonischen Inseln).

Amerika. New-York. (Taylor in Cloy.) Mexico. (Paredes).

Deutschland.
* Köln, 21. Okt.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 21. Okt.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
61 Wien, 17. Okt.

Die Kroaten vor den Thoren und die Auersperger leben vollauf, sie jubeln mit den 8 Millionen, die Pillersdorff und Krauß ihnen durch die Reichstagspfütze zugeführt haben, während das arme Volk in der Stadt hungert und sich Tag und Nacht unter den Waffen abrackert. Jellachich und Auersperg halten in ihren Hauptquartiren Hof, und empfangen daselbst die aus der Stadt entflohenen Fürsten, Pfaffen, Büreaukraten und demuthgekrümmten Geldsäcke.

Doch hören Sie ein Stück aus der gestrigen um 4 Uhr beginnenden Sitzung unserer Reichstagsverräther.

Nachdem der neue Präsident Smolka, dessen Schnurrbart-Ungeheuer, wie zwei umgeworfene Obelisken, weithin die unter ihm sitzenden Sekretäre röthlich überschattet, angezeigt, daß 221 Gehaltsquittungen von Abgeordneten eingegangen und die Kammer dazu ihr pflichtschuldiges Bravo gerufen, betritt der hamburger deutsch-katholische Sonntagsprediger Schuselka, als Berichterstatter des permanenten Ausschusses, wieder die Bühne. (Tiefe Stille.)

"Wir haben, sagt er nach einigen vorausgesendeten Ruhe- und Ordnungs-Floskeln, eine telegraphische Depesche des Abgeordneten Fischer aus Olmütz erhalten. Er schreibt, daß er gestern Abend 6 Uhr bei Sr. Majestät zur Audienz zugelassen worden und Sr. Majestät nach Empfang der Reichstagsadresse geantwortet habe, sie sehe mit Vergnügen, daß der Reichstag sich so ordnungsmäßig benehme und werde ihm niemals die Anerkennung versagen, wenn er fortfahre, der Anarchie zu steuern. Schon beim ersten kaiserlich-apostolischen Worte konnte die Versammlung leise Bravo's kaum unterdrücken und nur die radikale Bedeutungslosigkeit der Antwort mußte aus Furcht vor dem Volke auf den Gallerien diese Bravo's wieder verschlingen machen. - Schuselka wird nun wahrscheinlich noch etwelche Deputationen an Se. Majestät entsenden und dann als Volksfutter vertheilen. - Einstweilen, meinte Herr Schulselka, muß uns auch nach dieser Antwort noch daran liegen, in unserm Defensivverhalten fortzufahren, weil Se. Majestät die vor unseren Thoren lauernden Armeen unberührt läßt und dieselben auch keine Miene machen, Abschied zu nehmen. - Hierauf verliest er unter dem jedesmaligen Bravo der sich mit dem Hofe, Jellachich, Auersperg und selbst mit dem Teufel so gerne vereinbarenden Versammlung die Ergebenheitsadressen vieler Städte und Ortschaften, welche auf die erste Aufforderung Wien den kräftigsten Beistand versprechen. Wird adacta gelegt.

Schuselka fährt fort: Der Ausschuß dürfte und darf den Standpunkt der Defensive keinen Augenblick verlassen, weil er den monarchischen Boden, das konstitutionelle Prinzip festhalten will, (mag das Volk dabei zu Grunde gehen, no matter) weil Wien in dieser Defensive nicht zu bezwingen ist, (merkwürdig, daß selbst politische Kretinen zu solcher Einsicht kommen!) mit Ergreifung der Offensive aber verloren sein würde. Solange Wien sich und sein Recht blos vertheidigt, wird es die Bewunderung Europas für sich haben und in der Geschichte groß dastehen, es wird dann die Interessen der Monarchie und die Forderungen der Humanität gleichmäßig beachten. Im Lager sind keine Veränderungen bemerkbar, die ungarische Armee steht an der Grenze, sie hat eine Deputation an Auersperg gesendet, die uns jedoch keine Mittheilung gemacht, (sie weiß zu gut, mit wem sie zu thun hat) wir bleiben also für den äußersten Fall gerüstet.

Ich bemerke hierzu: Der Kaiser hat einer der zu ihm geschickten Reichstagsdeputationen geantwortet, Jellachich und Auersperg würden nicht angreifen; Schuselka und die Schuselka's bereiteten hieraus mit bourgeois-dummer Sieges-Miene dem Volke Wiens sofort ein Strohlager der defensiven Unthätigkeit. Die Kerls begreifen nicht, was selbst die mit der Dummheit geparte Feigheit begreifen muß, daß nämlich Wien gerade durch die Defensive am allerbequemsten ruinirt wird. Auersperg und Jellachich erhalten vom Reichstage 8 Millionen, damit lagern sie sich recht gemüthlich rundum Wien, entwaffnen das Land, halten die Vorräthe auf, warten eine Armee aus Böhmen ab, ziehen außerdem alles Militär an sich, kurz, sie ersticken Wien. Aber Herr Schuselka und alle andern Herrn Reichsesel bleiben monarchisch glücklich in der Defensive. Zeigen Sie mir ein Blatt in der Geschichte, wo die Freiheit so niederträchtig verrathen wurde. Außer Schuselka und seiner Sippschaft sieht jeder Flachkopf ein, sah es gleich ein, daß man am 7. das Volk hätte gewähren lassen sollen. Das Volk würde den Auersperg, da er nur wenige Truppen besaß, trotz seiner festen Stellung hinausgetrieben und vernichtet, es würde den Lagerberg, worin jetzt Jellachich steckt, und alle Höhepunkte Wiens besetzt haben und Jellachich hätte dann niemals wagen können, bis vor die Mauern Wiens zu rücken, ohne vom Lagerberg und den andern Höhen aus ebenfalls seiner Vernichtung entgegen zu gehen. Dann aber und nur dann würde die kaiserliche apostolische Kamarilla sich zu einer andern Sprache bequemt haben, der monarchische Boden der Schuselka's würde, wo das Volk selbst ihn diktirt hätte, fester getreten worden sein, als er es gegenwärtig bleiben wird. So etwas übersteigt indessen den Horizont der Schuselka's.

Bevor Schuselka abtrat, bemerkte er noch, Wien bedürfe keiner Hilfe, es werde sich selbst vertheidigen. Dies bedeutet soviel als: Wir lassen die Ungarn an den Gränzen stehen. Se. Excellenz der Herr Ban möchten uns sonst böse werden. Wir haben sie abbestellt. Die Ungarn sind uns sehr unangenehm.

Nach seiner Defensiv-Exkoriation brachte Schuselka eine provisorische Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde vor, damit die bewaffneten Arbeiterschaaren nicht ohne Gesetz blieben. Vor diesen Arbeiterschaaren, vor dem Volke, welches die Schuselka's Pöbel nennen und dessen geringstes Niesen Anarchie heißt, fühlen diese Käutze mehr geheimes Grauen, als vor 10,000 Jellachich's. Die Disziplinar-Verordnung wird angenommen und wahrscheinlich zur Folge haben, daß alle tüchtigen Leute die Waffen hinwegwerfen.

1) Jeder Vertheidiger schwört, die Rechte des Volkes und konstitutionellen Thrones zu wahren; auch dem Oberkommandanten Folge zu leisten. (Einstimmig angenommen, von Republikanern also keine Spur).

2) Kriegsrechtlich wird behandelt, wer vor dem Feinde nicht Folge leistet oder seinen Posten verläßt. Und nun die Hauptsache:

Gscheitzer: Welche Strafen kommen hierbei zur Anwendung?

Schuselka: Das bleibt den Vorgesetzten überlassen. (Der Bourgeois kann also beliebig zusammenschießen lassen.)

Borrosch verlangt die Einsetzung eines Kriegsgerichts. (O armes Volk, deine Freunde sind deine teuflichsten Feinde!)

Schuselka: Das versteht sich von selber; ich werde morgen eine Gerichtsordnung vorlegen.

Fedorowicz meint, man könne den Militärkodex dazu verwenden.

Gschnitzer: Was heißt: Vor dem Feinde?

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die englisch-französische Vermittlung in Italien. ‒ Der „konstitutionelle Ministerstaat.“) Wien. (Der Reichstagsverrath. ‒ Die Ungarn über die Gränze gerückt. ‒ Vermischtes. ‒ Gerücht vom Stürmen des Zeughauses in Prag. ‒ Lager der ungarischen Armee.) Olmütz. (Erste Segnungen der kaiserlichen Gegenwart.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Berlin. (Die Aeußerungen des Königs am 15. Oktober.) Breslau. (Feier des 15. Oktober.) Trier. (Imandt.) Barmen. (Die Spionage.)

Donaufürstenthümer. Jaffy. (Die Russen in den Donaufürstenthümern.)

Italien. Turin. (Czarnowski an der Spitze der sardinischen Armee. ‒ Neue Manifestationen. ‒ Der Herzog von Savoyen. ‒ Die Oestreicher vor Osoppo. ‒ Radetzki in Mailand.)

Französische Republik. Paris. (Die „Reforme“ über die Juniinsurrektion. ‒ Die „Presse“ über Cavaignac. ‒ Vermischtes. ‒ Nationalversammlung.)

Spanien. Madrid. (Cordova. ‒ Cabrera.)

Großbritannien. London. (Die Journale. ‒ Ernest Jones. ‒ Joseph Ady. ‒ Punsch.)

Griechenland. (Aufstand auf den jonischen Inseln).

Amerika. New-York. (Taylor in Cloy.) Mexico. (Paredes).

Deutschland.
* Köln, 21. Okt.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 21. Okt.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
61 Wien, 17. Okt.

Die Kroaten vor den Thoren und die Auersperger leben vollauf, sie jubeln mit den 8 Millionen, die Pillersdorff und Krauß ihnen durch die Reichstagspfütze zugeführt haben, während das arme Volk in der Stadt hungert und sich Tag und Nacht unter den Waffen abrackert. Jellachich und Auersperg halten in ihren Hauptquartiren Hof, und empfangen daselbst die aus der Stadt entflohenen Fürsten, Pfaffen, Büreaukraten und demuthgekrümmten Geldsäcke.

Doch hören Sie ein Stück aus der gestrigen um 4 Uhr beginnenden Sitzung unserer Reichstagsverräther.

Nachdem der neue Präsident Smolka, dessen Schnurrbart-Ungeheuer, wie zwei umgeworfene Obelisken, weithin die unter ihm sitzenden Sekretäre röthlich überschattet, angezeigt, daß 221 Gehaltsquittungen von Abgeordneten eingegangen und die Kammer dazu ihr pflichtschuldiges Bravo gerufen, betritt der hamburger deutsch-katholische Sonntagsprediger Schuselka, als Berichterstatter des permanenten Ausschusses, wieder die Bühne. (Tiefe Stille.)

„Wir haben, sagt er nach einigen vorausgesendeten Ruhe- und Ordnungs-Floskeln, eine telegraphische Depesche des Abgeordneten Fischer aus Olmütz erhalten. Er schreibt, daß er gestern Abend 6 Uhr bei Sr. Majestät zur Audienz zugelassen worden und Sr. Majestät nach Empfang der Reichstagsadresse geantwortet habe, sie sehe mit Vergnügen, daß der Reichstag sich so ordnungsmäßig benehme und werde ihm niemals die Anerkennung versagen, wenn er fortfahre, der Anarchie zu steuern. Schon beim ersten kaiserlich-apostolischen Worte konnte die Versammlung leise Bravo's kaum unterdrücken und nur die radikale Bedeutungslosigkeit der Antwort mußte aus Furcht vor dem Volke auf den Gallerien diese Bravo's wieder verschlingen machen. ‒ Schuselka wird nun wahrscheinlich noch etwelche Deputationen an Se. Majestät entsenden und dann als Volksfutter vertheilen. ‒ Einstweilen, meinte Herr Schulselka, muß uns auch nach dieser Antwort noch daran liegen, in unserm Defensivverhalten fortzufahren, weil Se. Majestät die vor unseren Thoren lauernden Armeen unberührt läßt und dieselben auch keine Miene machen, Abschied zu nehmen. ‒ Hierauf verliest er unter dem jedesmaligen Bravo der sich mit dem Hofe, Jellachich, Auersperg und selbst mit dem Teufel so gerne vereinbarenden Versammlung die Ergebenheitsadressen vieler Städte und Ortschaften, welche auf die erste Aufforderung Wien den kräftigsten Beistand versprechen. Wird adacta gelegt.

Schuselka fährt fort: Der Ausschuß dürfte und darf den Standpunkt der Defensive keinen Augenblick verlassen, weil er den monarchischen Boden, das konstitutionelle Prinzip festhalten will, (mag das Volk dabei zu Grunde gehen, no matter) weil Wien in dieser Defensive nicht zu bezwingen ist, (merkwürdig, daß selbst politische Kretinen zu solcher Einsicht kommen!) mit Ergreifung der Offensive aber verloren sein würde. Solange Wien sich und sein Recht blos vertheidigt, wird es die Bewunderung Europas für sich haben und in der Geschichte groß dastehen, es wird dann die Interessen der Monarchie und die Forderungen der Humanität gleichmäßig beachten. Im Lager sind keine Veränderungen bemerkbar, die ungarische Armee steht an der Grenze, sie hat eine Deputation an Auersperg gesendet, die uns jedoch keine Mittheilung gemacht, (sie weiß zu gut, mit wem sie zu thun hat) wir bleiben also für den äußersten Fall gerüstet.

Ich bemerke hierzu: Der Kaiser hat einer der zu ihm geschickten Reichstagsdeputationen geantwortet, Jellachich und Auersperg würden nicht angreifen; Schuselka und die Schuselka's bereiteten hieraus mit bourgeois-dummer Sieges-Miene dem Volke Wiens sofort ein Strohlager der defensiven Unthätigkeit. Die Kerls begreifen nicht, was selbst die mit der Dummheit geparte Feigheit begreifen muß, daß nämlich Wien gerade durch die Defensive am allerbequemsten ruinirt wird. Auersperg und Jellachich erhalten vom Reichstage 8 Millionen, damit lagern sie sich recht gemüthlich rundum Wien, entwaffnen das Land, halten die Vorräthe auf, warten eine Armee aus Böhmen ab, ziehen außerdem alles Militär an sich, kurz, sie ersticken Wien. Aber Herr Schuselka und alle andern Herrn Reichsesel bleiben monarchisch glücklich in der Defensive. Zeigen Sie mir ein Blatt in der Geschichte, wo die Freiheit so niederträchtig verrathen wurde. Außer Schuselka und seiner Sippschaft sieht jeder Flachkopf ein, sah es gleich ein, daß man am 7. das Volk hätte gewähren lassen sollen. Das Volk würde den Auersperg, da er nur wenige Truppen besaß, trotz seiner festen Stellung hinausgetrieben und vernichtet, es würde den Lagerberg, worin jetzt Jellachich steckt, und alle Höhepunkte Wiens besetzt haben und Jellachich hätte dann niemals wagen können, bis vor die Mauern Wiens zu rücken, ohne vom Lagerberg und den andern Höhen aus ebenfalls seiner Vernichtung entgegen zu gehen. Dann aber und nur dann würde die kaiserliche apostolische Kamarilla sich zu einer andern Sprache bequemt haben, der monarchische Boden der Schuselka's würde, wo das Volk selbst ihn diktirt hätte, fester getreten worden sein, als er es gegenwärtig bleiben wird. So etwas übersteigt indessen den Horizont der Schuselka's.

Bevor Schuselka abtrat, bemerkte er noch, Wien bedürfe keiner Hilfe, es werde sich selbst vertheidigen. Dies bedeutet soviel als: Wir lassen die Ungarn an den Gränzen stehen. Se. Excellenz der Herr Ban möchten uns sonst böse werden. Wir haben sie abbestellt. Die Ungarn sind uns sehr unangenehm.

Nach seiner Defensiv-Exkoriation brachte Schuselka eine provisorische Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde vor, damit die bewaffneten Arbeiterschaaren nicht ohne Gesetz blieben. Vor diesen Arbeiterschaaren, vor dem Volke, welches die Schuselka's Pöbel nennen und dessen geringstes Niesen Anarchie heißt, fühlen diese Käutze mehr geheimes Grauen, als vor 10,000 Jellachich's. Die Disziplinar-Verordnung wird angenommen und wahrscheinlich zur Folge haben, daß alle tüchtigen Leute die Waffen hinwegwerfen.

1) Jeder Vertheidiger schwört, die Rechte des Volkes und konstitutionellen Thrones zu wahren; auch dem Oberkommandanten Folge zu leisten. (Einstimmig angenommen, von Republikanern also keine Spur).

2) Kriegsrechtlich wird behandelt, wer vor dem Feinde nicht Folge leistet oder seinen Posten verläßt. Und nun die Hauptsache:

Gscheitzer: Welche Strafen kommen hierbei zur Anwendung?

Schuselka: Das bleibt den Vorgesetzten überlassen. (Der Bourgeois kann also beliebig zusammenschießen lassen.)

Borrosch verlangt die Einsetzung eines Kriegsgerichts. (O armes Volk, deine Freunde sind deine teuflichsten Feinde!)

Schuselka: Das versteht sich von selber; ich werde morgen eine Gerichtsordnung vorlegen.

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[0617/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die englisch-französische Vermittlung in Italien. ‒ Der „konstitutionelle Ministerstaat.“) Wien. (Der Reichstagsverrath. ‒ Die Ungarn über die Gränze gerückt. ‒ Vermischtes. ‒ Gerücht vom Stürmen des Zeughauses in Prag. ‒ Lager der ungarischen Armee.) Olmütz. (Erste Segnungen der kaiserlichen Gegenwart.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Berlin. (Die Aeußerungen des Königs am 15. Oktober.) Breslau. (Feier des 15. Oktober.) Trier. (Imandt.) Barmen. (Die Spionage.) Donaufürstenthümer. Jaffy. (Die Russen in den Donaufürstenthümern.) Italien. Turin. (Czarnowski an der Spitze der sardinischen Armee. ‒ Neue Manifestationen. ‒ Der Herzog von Savoyen. ‒ Die Oestreicher vor Osoppo. ‒ Radetzki in Mailand.) Französische Republik. Paris. (Die „Reforme“ über die Juniinsurrektion. ‒ Die „Presse“ über Cavaignac. ‒ Vermischtes. ‒ Nationalversammlung.) Spanien. Madrid. (Cordova. ‒ Cabrera.) Großbritannien. London. (Die Journale. ‒ Ernest Jones. ‒ Joseph Ady. ‒ Punsch.) Griechenland. (Aufstand auf den jonischen Inseln). Amerika. New-York. (Taylor in Cloy.) Mexico. (Paredes). Deutschland. * Köln, 21. Okt. _ * Köln, 21. Okt. _ 61 Wien, 17. Okt. Die Kroaten vor den Thoren und die Auersperger leben vollauf, sie jubeln mit den 8 Millionen, die Pillersdorff und Krauß ihnen durch die Reichstagspfütze zugeführt haben, während das arme Volk in der Stadt hungert und sich Tag und Nacht unter den Waffen abrackert. Jellachich und Auersperg halten in ihren Hauptquartiren Hof, und empfangen daselbst die aus der Stadt entflohenen Fürsten, Pfaffen, Büreaukraten und demuthgekrümmten Geldsäcke. Doch hören Sie ein Stück aus der gestrigen um 4 Uhr beginnenden Sitzung unserer Reichstagsverräther. Nachdem der neue Präsident Smolka, dessen Schnurrbart-Ungeheuer, wie zwei umgeworfene Obelisken, weithin die unter ihm sitzenden Sekretäre röthlich überschattet, angezeigt, daß 221 Gehaltsquittungen von Abgeordneten eingegangen und die Kammer dazu ihr pflichtschuldiges Bravo gerufen, betritt der hamburger deutsch-katholische Sonntagsprediger Schuselka, als Berichterstatter des permanenten Ausschusses, wieder die Bühne. (Tiefe Stille.) „Wir haben, sagt er nach einigen vorausgesendeten Ruhe- und Ordnungs-Floskeln, eine telegraphische Depesche des Abgeordneten Fischer aus Olmütz erhalten. Er schreibt, daß er gestern Abend 6 Uhr bei Sr. Majestät zur Audienz zugelassen worden und Sr. Majestät nach Empfang der Reichstagsadresse geantwortet habe, sie sehe mit Vergnügen, daß der Reichstag sich so ordnungsmäßig benehme und werde ihm niemals die Anerkennung versagen, wenn er fortfahre, der Anarchie zu steuern. Schon beim ersten kaiserlich-apostolischen Worte konnte die Versammlung leise Bravo's kaum unterdrücken und nur die radikale Bedeutungslosigkeit der Antwort mußte aus Furcht vor dem Volke auf den Gallerien diese Bravo's wieder verschlingen machen. ‒ Schuselka wird nun wahrscheinlich noch etwelche Deputationen an Se. Majestät entsenden und dann als Volksfutter vertheilen. ‒ Einstweilen, meinte Herr Schulselka, muß uns auch nach dieser Antwort noch daran liegen, in unserm Defensivverhalten fortzufahren, weil Se. Majestät die vor unseren Thoren lauernden Armeen unberührt läßt und dieselben auch keine Miene machen, Abschied zu nehmen. ‒ Hierauf verliest er unter dem jedesmaligen Bravo der sich mit dem Hofe, Jellachich, Auersperg und selbst mit dem Teufel so gerne vereinbarenden Versammlung die Ergebenheitsadressen vieler Städte und Ortschaften, welche auf die erste Aufforderung Wien den kräftigsten Beistand versprechen. Wird adacta gelegt. Schuselka fährt fort: Der Ausschuß dürfte und darf den Standpunkt der Defensive keinen Augenblick verlassen, weil er den monarchischen Boden, das konstitutionelle Prinzip festhalten will, (mag das Volk dabei zu Grunde gehen, no matter) weil Wien in dieser Defensive nicht zu bezwingen ist, (merkwürdig, daß selbst politische Kretinen zu solcher Einsicht kommen!) mit Ergreifung der Offensive aber verloren sein würde. Solange Wien sich und sein Recht blos vertheidigt, wird es die Bewunderung Europas für sich haben und in der Geschichte groß dastehen, es wird dann die Interessen der Monarchie und die Forderungen der Humanität gleichmäßig beachten. Im Lager sind keine Veränderungen bemerkbar, die ungarische Armee steht an der Grenze, sie hat eine Deputation an Auersperg gesendet, die uns jedoch keine Mittheilung gemacht, (sie weiß zu gut, mit wem sie zu thun hat) wir bleiben also für den äußersten Fall gerüstet. Ich bemerke hierzu: Der Kaiser hat einer der zu ihm geschickten Reichstagsdeputationen geantwortet, Jellachich und Auersperg würden nicht angreifen; Schuselka und die Schuselka's bereiteten hieraus mit bourgeois-dummer Sieges-Miene dem Volke Wiens sofort ein Strohlager der defensiven Unthätigkeit. Die Kerls begreifen nicht, was selbst die mit der Dummheit geparte Feigheit begreifen muß, daß nämlich Wien gerade durch die Defensive am allerbequemsten ruinirt wird. Auersperg und Jellachich erhalten vom Reichstage 8 Millionen, damit lagern sie sich recht gemüthlich rundum Wien, entwaffnen das Land, halten die Vorräthe auf, warten eine Armee aus Böhmen ab, ziehen außerdem alles Militär an sich, kurz, sie ersticken Wien. Aber Herr Schuselka und alle andern Herrn Reichsesel bleiben monarchisch glücklich in der Defensive. Zeigen Sie mir ein Blatt in der Geschichte, wo die Freiheit so niederträchtig verrathen wurde. Außer Schuselka und seiner Sippschaft sieht jeder Flachkopf ein, sah es gleich ein, daß man am 7. das Volk hätte gewähren lassen sollen. Das Volk würde den Auersperg, da er nur wenige Truppen besaß, trotz seiner festen Stellung hinausgetrieben und vernichtet, es würde den Lagerberg, worin jetzt Jellachich steckt, und alle Höhepunkte Wiens besetzt haben und Jellachich hätte dann niemals wagen können, bis vor die Mauern Wiens zu rücken, ohne vom Lagerberg und den andern Höhen aus ebenfalls seiner Vernichtung entgegen zu gehen. Dann aber und nur dann würde die kaiserliche apostolische Kamarilla sich zu einer andern Sprache bequemt haben, der monarchische Boden der Schuselka's würde, wo das Volk selbst ihn diktirt hätte, fester getreten worden sein, als er es gegenwärtig bleiben wird. So etwas übersteigt indessen den Horizont der Schuselka's. Bevor Schuselka abtrat, bemerkte er noch, Wien bedürfe keiner Hilfe, es werde sich selbst vertheidigen. Dies bedeutet soviel als: Wir lassen die Ungarn an den Gränzen stehen. Se. Excellenz der Herr Ban möchten uns sonst böse werden. Wir haben sie abbestellt. Die Ungarn sind uns sehr unangenehm. Nach seiner Defensiv-Exkoriation brachte Schuselka eine provisorische Disziplinar-Verordnung für die mobile Garde vor, damit die bewaffneten Arbeiterschaaren nicht ohne Gesetz blieben. Vor diesen Arbeiterschaaren, vor dem Volke, welches die Schuselka's Pöbel nennen und dessen geringstes Niesen Anarchie heißt, fühlen diese Käutze mehr geheimes Grauen, als vor 10,000 Jellachich's. Die Disziplinar-Verordnung wird angenommen und wahrscheinlich zur Folge haben, daß alle tüchtigen Leute die Waffen hinwegwerfen. 1) Jeder Vertheidiger schwört, die Rechte des Volkes und konstitutionellen Thrones zu wahren; auch dem Oberkommandanten Folge zu leisten. (Einstimmig angenommen, von Republikanern also keine Spur). 2) Kriegsrechtlich wird behandelt, wer vor dem Feinde nicht Folge leistet oder seinen Posten verläßt. Und nun die Hauptsache: Gscheitzer: Welche Strafen kommen hierbei zur Anwendung? Schuselka: Das bleibt den Vorgesetzten überlassen. (Der Bourgeois kann also beliebig zusammenschießen lassen.) Borrosch verlangt die Einsetzung eines Kriegsgerichts. (O armes Volk, deine Freunde sind deine teuflichsten Feinde!) Schuselka: Das versteht sich von selber; ich werde morgen eine Gerichtsordnung vorlegen. Fedorowicz meint, man könne den Militärkodex dazu verwenden. Gschnitzer: Was heißt: Vor dem Feinde?

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848, S. 0617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz123i_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.