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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 146. Köln, 18. November 1848.

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ung der Waffen ist gestern Abend wieder abgelaufen. Heute in der Frühe ist ausgetrommelt worden, jeder Bürger habe sein Gewehr in den Hausflur zu setzen, aus welchem die Soldaten es holen sollten. Wir sind voll Erwartung, ob bei dieser Manipulation nicht endlich der erste Schuß fällt, und ob nach demselben unsere Landeskinder im bunten Rocke noch ferner mit uns fraternisiren werden. Es ist wahr, bis jetzt haben sich weder Soldaten noch Bürger zu beklagen. Die Ersteren erhalten von den Letzteren Schnaps, Tabak, Plakate, Händedrücke etc. gratis, dafür bekommen die Letzteren auf ihre ewigen Fragen: ihr schießt doch nicht auf uns? unfehlbar ein dumpfes "Nein!"

So leben wir, so leben wir etc.

Die Herren L. Buhl, May und Stein hatten gestern eine heldenmüthige Aufforderung an die Bevölkerung erlassen: an einem Klub in der Leipzigerstraße trotz des Belagerungszustandes Theil zu nehmen. Man hätte nun in Einfalt denken sollen, diese Herren Demokraten würden doch wenigstens dafür gesorgt haben, daß der Klub ungestört bliebe, oder Gewalt mit Gewalt vertrieben werde. Doch nein -- nach Eröffnung des Klubs kamen die Herren Militärs und jagten die Herren Demokraten fort. Hr. Stein hatte das Vergnügen auf 1/4 Stunde verhaftet zu werden. Suum cuique.

Die Presse der "Reform" ist diese Nacht um 3 Uhr versiegelt worden. Ruge wird von der Polizei gesucht.

1 Uhr. Die Entwaffnung hat begonnen. Man wählt zuerst die guten Viertel: Linden, Behrenstraße. Die Soldaten machten dort Beute und verhafteten u. A. drei Kammergerichtsassessoren, die ihre Waffen nicht abgeben wollten. Man hofft, daß das Militär in den demokratischen Vierteln auf energischen Widerstand stoßen werde.

6 Uhr. Es ist vollkommen ruhig in der Stadt. Beim besten Willen kann ich nur im telegraphischen Depeschenton schreiben. Die friedliche Waffenauslieferung in einigen Straßen der Friedrichsstadt ist fortgesetzt worden. Der Demokrat v. Hochstätter wurde verhaftet. Zwei Bataillone der Bürgerwehr (das 5. und 14.) erklären in einem Anschlage, daß sie die Waffen nicht abgeben werden.

Karlsruhe.

Das Karlsruher Hofblättchen berichtet über die Berliner Ereignisse in folgender heiterer Weise:

Berlin schaut sich verdutzt und verblüfft an, und aus jedem Blicke lies't man die Worte: "Ist es möglich, in einem Tage und so leichten Kaufes solche Umwandlung?" Die Stadt hat ihr volkssouveränes rothbärtiges Antlitz mit dem befiederten Kalabreserhut abgelegt und das preußische Militärgesicht lacht strahlend aus dem bebuschten Helm hervor. General Wrangel, welcher sein Hauptquartier im hiesigen königlichen Schlosse aufgeschlagen hat, ist seit gestern das sichtbare Oberhaupt der Stadt. Im Kriegsministerium rathschlagt das Gesammtministerium in Permanenz, die kräftigsten Maßnahmen nach allen Seiten hin schleudernd. Man kann sagen, in Berlin ist ein Kaiserschnitt gemacht worden.

Italien.
*

Nachrichten aus Turin vom 10. November melden eine wichtige Krise. Beim Schluß der dritten und letzten geheimen Sitzung der piemonteschen Deputirtenkammer, in welcher das Ministerium seinen Rechenschaftsbericht zu Ende führen sollte, zog sich die Opposition in Masse zurück. Turin befand sich in Folge dieses Schrittes der Linken in der lebhaftesten Aufregung. -- Zu Genua hatte man am 9. Nov. den Advokaten Pellegrini verhaftet. Nach Briefen aus Rom vom 4. Nov. hielt man den Rücktritt des Kabinets Rossi für wahrscheinlich. -- In Padua ging es gegen Ende Okt. entsetzlich zu. Das östreichische Militär gab sich allen erdenklichen Exzessen hin: Mord, Diebstahl und Nothzucht gehörten zu den alltäglichen Dingen. Welden war niemals zufrieden; er plünderte die öffentlichen Kassen und brandschatzte sonst auf jede Weise. Nacht für Nacht fanden in den Kasernen Füsiladen statt. -- Aus Neapel meldet man unterm 4. Nov., daß Mr. Tempel zum großen Bedauern des Königs, des Ministeriums und der auswärtigen Diplomatie, noch nicht von Marseille eingetroffen war. Neapel war fortwährend ruhig. Ebenso Palermo und Messina.

Französische Republik.
19 Paris, 14. Nov.

Wenn Sie in den Fabrik-Korrespondenzen der deutschen Blätter, oder in den französischen Reaktions-Journalen pomphafte Phrasen über das vorgestrige Konstitutionsfest lesen, so glauben Sie kein Wort von all diesen Prahlereien. Ein Fest zur Feier der Konstitution! Die Feier war nichts als eine bewaffnete Drohung der Bourgeoisie gegen das Volk. Vater Marrast stand unter einem purpurnen Baldachin auf dem Altar, und las das große Werk, welches die Nationalversammlung unter so bittern Schweißtropfen, unter Kanonendonner, Belagerungszustand, nächtlichen Schlächtereien des Volkes, Vernichtung aller errungenen Freiheiten, zu Stuhl gefördert hat; der Erzbischof gab den Segen der Kirche dazu, und der General Cavaignac ließ die ganze Pariser Militärmacht, welche 4 Stunden Zeit dazu gebrauchte, vorbeimarschiren, um dem Volk die Ermahnung zu ertheilen, das heilige Buch der Bourgeoisherrschaft nie zu berühren. Die "Honetten," die Pfaffen und das Säbelregiment, -- erbauliche Verbrüderung! Ueber dem Baldachin, unter welchem Marrast stand, hatte man die lächerliche Inschrift angebracht: Liebet Euch untereinander! Und gerade hinter dem Baldachin befindet sich der Souterrain des Tuileriengartens, in welchem die Garde mobile nach der Junischlacht drei Nächte lang die gefangenen Insurgenten durch Pelotonfeuer niedermordeten. Liebet Euch untereinander! Der Marquis der "Honetten" las die Konstitution, welche das Recht der liebevollen Wölfe der Bourgeoisie garantiren soll, ihre geliebten Proletarier-Schafe zu plündern und auszusaugen, und der Säbel Cavaignac's zeigte sodann dem souveränen Volke die kleine Macht von 400,000 Bajonetten, um ihm den nöthigen Respekt vor dieser brüderlichen Liebe einzuflößen. Das war die ganze Historie der Konstitutionsfeier. Das Volk hatte sie richtig verstanden, denn es war fortgeblieben. Auf dem ganzen Platz sah man nur Juden, Börsenspekulanten und Bourgeoisweiber: nirgends eine Arbeiterblouse. Auch die Nationalgarde aus dem revolutionären Toulouse, für welche besonders Quartier gemacht war, hatte sich nicht eingefunden; ihre Erklärung lautete, daß sie in der Proklamation dieser Konstitution keinen Grund zu Festlichkeiten finde! Es war ein schmutziges Fest. Die Nationalgarden sahen ärgerlich aus, daß der Schnee ihre gestickten Uniformen verdarb; das "Vive la Republique" war sehr spärlich, und aus der 10. Legion rief man fast allgemein: "Vive la Republique democratique et sociale!" Die braven Mobilen dagegen waren schon Morgens um 8 Uhr voll ihres süßen Lieblings, des gebrannten Wassers. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb der General Cavaignac so früh, nachdem blos zwei Legionen vorübergezogen waren, das "Liebesfest" verließ, obwohl einige Franzosen neben mir meinten, er habe Furcht vor einem Attentat. "Liebet Euch untereinander!" Zweifelt Herr Cavaignac, daß die Arbeiter (vielleicht bald) Liebe mit Liebe vergelten könnten?

Paris, 15. Nov.

Die Nachrichten aus Berlin werden verschlungen. Aber unsere innern Angelegenheiten beschäftigen uns so, daß wir keine Zeit zu langen Kommentaren haben.

Fast alle Journale klatschen der preußischen Nationalversammlung Beifall zu, nur die alte Hyäne "Union" macht die beißende Bemerkung:

"Unsere Berichte aus Berlin reichen bis zum 11. Novbr. Nachmittags 4 Uhr. Bis zu diesem Augenblick hatte man noch keinen Kampf gewagt. Die Besiegung der Wiener bringt die Emeutiers von Berlin zum Nachdenken."

Armer Heinrich! Armer Lübis! Wie wenig kennt Ihr die deutschen Zustände. Es ist ein wahrer Jammer um die Pariser legitimistische Presse.

-- Marrast's gestrige Wiederwahl zum Präsidenten der Nationalversammlung hat die Spekulanten des Opernganges bedeutend verblüfft. Durch diese Wahl kennt man die eigentliche Stärke der Rue de Poitiers (rechts) oder der sogenannten Thierspartei. Sie beträgt nur 146 Mann und hat sehr enttäuscht.

-- Die Rue de Poitiers hat sich gespalten. Rechts sitzen Constitutionnel und Presse mit einigen legitimistischen Ueberbleibseln und links sitzen seit gestern Journal des Debats und Siecle. Die Rechte stimmt für Louis Bonaparte und die Linke hat sich für Cavaignac ausgesprochen. Die erste Frucht dieser Spaltung war die gestrige Wiederwahl Marrasts, die um so wichtiger ist, als sie gerade in die Periode der Präsidentenwahl fällt.

-- Gestern Abend war die Hälfte der Tuilerien (Galerie Diana), zum ersten Male seit dem Sturze des Königthums wieder glänzend erleuchtet. Changarnier, Befehlshaber der Bürgerwehr, gab den zum Verfassungsfest herbeigeeilten Offizieren darin ein großes (Verbrüderungs) Gastmahl.

-- In einem Briefe, worin er der fremden und hiesigen Bürgerwehr für ihren Eifer am Verfassungsfest dankt, sagt Marrast wörtlich:

"Mein Herr und Kollege (Changarnier)! Ich muß Ihnen im Namen des Bureaus der Nationalversammlung für die vortreffliche Ordnung danken, die am Sonntage bei allen Bewegungen der unter Ihrem Befehl stehenden Bürgerwehr obwaltete. Ich glaube nur der Uebersetzer der Gefühle der Nationalversammlung zu sein, wenn ich in ihrem und meinem Namen für die große Theilnahme an der feierlichen Promulgation der Verfassung diese Dankgefühle ausspreche. Paris hat schon einmal das Schauspiel genossen, die Bürgerwehr der Stadt und Umgegend muthig herbeieilen und im Verein mit unserm tapferen Heere für Rettung der bedrohten Civilisation kämpfen zu sehen (marcher ensemble avec courage ainsique notre vaillante armee au secours de la civilisation menacee) u. s. w.

Paris, 13. Novbr. 1848.

(gez.) A. Marrast,

Präsident der Nationalversammlung."

-- Der Minister des Innern hat auf das Gerücht hin, daß sich in Metz, Straßburg und andern Gränzorten neue deutsche Freischaaren zu bilden im Begriffe ständen (was übrigens eine reine Erdichtung mehrerer reaktionärer Blätter wäre) um neue Einfälle in die deutschen Grenzländer zu beabsichtigen, ein Rundschreiben an sämmtliche Ost-Departements-Präfekten erlassen, worin er die strengste Vorsicht bei fernerer Verleihung von Pässen sowohl für Deutsche als Franzosen, welche nach Deutschland Pässe verlangen, zu beobachten befiehlt.

-- Der Kassationshof versammelte sich heute Vormittags, um laut der neuen Verfassung zur Wahl derjenigen Glieder zu schreiten, welche mit den Gliedern der Nationalversammlung in den neugeschaffenen Justizhof für Hochverräther treten sollen. Gewählt wurden: 1) Rochez, 2) Berenger, 3) Harduin, 4) Hello, 5) Boissieux. Die Herren Pataille und Delapalme sind zu Stellvertretern ernannt worden.

-- Eine Post aus Neapel vom 2. Nov. meldet, daß Admiral Baudin mit 2 Kriegsfregatten gegen Tunis gesegelt ist, um den dortigen Bey, welcher Miene macht, die französische Republik nicht anzuerkennen, zur Rechenschaft zu ziehen.

-- Depeschen aus Rom vom 4. Nov. melden, daß sich die dortige Geistlichkeit beeilt hat, die Summe von 4 Mill. Piaster in verschiedenen Zahlungen zur Verfügung des Finanzministers zu stellen, welcher Miene gemacht zu haben scheint, die Konfiskation sämmtlicher Kirchengüter dem Parlament vorzuschlagen, das schwerlich gezögert haben würde, dieselbe auszusprechen.

-- Zu Narbonne riß die Polizei ein Plakat ab, das auf Wiedereinführung der Guillotine für die Reaktionäre und des Galgens für die Unterstützer der Tyrannen (Präsidenten u. s. w.) bildlich anträgt.

-- Die Schaufenster der Pariser Bilderläden werden fortwährend belagert. Eine reiche Auswahl von zum Theil sehr geistreichen Zerrbildern gegen Bonaparte, Lamartine, Cavaignac, Ledru-Rollin und Raspail, die fünf Kandidaten für die Heirath der jungen Republik, ziehen stündlich immer mehr Neugierige heran. Die Polizei darf das nicht hindern.

-- Die zahlreichen Socialistenbankette lassen den Hrn. Marrast nicht ruhig schlafen. Das Bankett der Luxemburgdelegirten und Anhänger Louis Blanc's scheint ganz besonders seinen Schlummer gestört zu haben, denn er hat den Minister des Innern veranlaßt, bei den Organisatoren dieses Banketts mehrere Haussuchungen zu verfügen, gegen welche diese heute in den demokratischen Journalen stark reklamiren. Wahrscheinlich fürchtete Marrast einen neuen Sturm gegen die Civilisation, die unter seinem Scepter so vortrefflich gedeiht, daß über 11,000 Bankrotte angemeldet sind und die Hälfte der Pariser von Almosen lebt.

-- Marrast begibt sich am nächsten Sonntage nach Arras, um dort die Verfassung in Person vorzulesen. Die dortige Bürgerwehr hat ihn speziell eingeladen.

-- Die Kriegsgerichte sitzen immer noch fleißig und verurtheilen die Juniräuber immer noch frisch darauf los. Gestern wurden deren zwei zu 15jährigem resp. 10jährigem Gefängniß verurtheilt, weil sie Barrikadengeneräle gewesen! Merci Hr. Marrast.

Gestern versammelten sich 3--4000 Zimmerleute, Maurer und Proletarier, um sich zu besprechen, welche Maßregeln sie zu ergreifen hätten, um die Staatsbauten auf eigne Rechnung auszuführen, die auf dem Marsfelde für die Truppen beginnen. Es wurde ein Ausschuß zu Vivien, Staatsbautenminister, geschickt, der ihm jedoch erklärte, daß jene Bauten unter den Bereich des Kriegsministers gehörten, weshalb sie sich an den General Lamoriciere heute wenden sollen.

Nicht die geringste Störung ist vorgefallen!

National-Versammlung. Sitzung vom 15. November. Vizepräsidend Havin eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung.

Grandin wundert sich, daß der Moniteur nicht das letzte gestrige Skrutin (Namensliste der Stimmenden beim Budget) enthalten habe. Woher das komme?

Corbon: Ich präsidirte gestern und da die Versammlung beim letzten Skrutin nicht mehr vollzählig war (500), so wurde dasselbe verworfen und ich untersagte auf den Rath eines der Herren Schreiber das Einrücken der Namen in den Moniteur. (Erstaunen über dieses Verfahren des bornirten Vizepräsidenten "Arbeiters" Corbon).

Etchverry: Ich trug neulich darauf an, gar keinen Urlaub mehr zu bewilligen. Warum bringt man meinen Antrag nicht zur Sprache. Wenn diese Urlaubssucht fortdauert, so sind wir in wenigen Tagen nicht mehr beschlußfähig

Duclerc: Auch heute sind wir schon nicht mehr beschlußfähig. (Oho!) Man beginne den Namensaufruf.

Bewilligt. Ein Schreiber schreibt nun Alle auf, die nicht antworten. Man bemerkt darunter Louis Bonaparte, Jerome Bonaparte und dreihundert Andere, die nicht antworten, d. h. abwesend sind.

Viele springen aus den Sälen herbei und so mochten wohl etwa 500 vorhanden sein.

Man will zur Berathung der Bedingungen schreiten, welche die Arbeiter (Gesellen u. s. w.) zu erfüllen, wenn sie Verträge unter einander Behufs Ausführung von Bauten u. dgl. abschließen wollen. Diese Associationsverträge sind als Hauptfebruarprodukt höchst wichtig.

Bineau, der Budgetmann, protestirt gegen diese Verdrängung der Budgetdebatte.

Tourret, Handelsminister, sagt: Ich bin es, der die Tagesordnung hat ändern lassen, weil der Gegenstand eine schnelle Erledigung erfordert. Die National-Versammlung votirte bereits 3 Millionen Fr., um die Arbeiter-Associationen zu unterstützen. Es handelt sich demnächst darum, diese Summe zu vertheilen.

Havin: Es blieb gestern noch ein Skrutin über den Antrag Stourms auf 10,000 Fr. Reduktion vom Unterrichtsbudget zu erledigen über. Dies möchte vor allen Dingen erledigt werden.

Dies geschieht. Die Reduktion wird mit 300 gegen 235 Stimmen angenommen.

Jetzt schreitet die Versammlung zur Berathung des Gesetzentwurfs rücksichtlich der Arbeiter-Associationsverträge.

Tourret, Minister: Sie haben also 3 Millionen Fr. votirt, um diese Verträge zu ermuthigen. 440 Arbeiter-Associationen haben sich gemeldet, um an diesem Kapital Theil zu nehmen. 35 sind zugelassen worden, 144 wurden verworfen. Alle diese Anträge wurden von einer Kommission sorgfältig geprüft. 574,000 Fr. fallen hiernach auf Paris; 800,000 Fr. auf die Departements. Also im Ganzen wurden etwa 1,374,000 Fr. vertheilt. Die übrigen sind noch zu berücksichtigen und warten auf Bescheidung. Daher die Dringlichkeit der Sache. Drucker, Uhrmacher, Schmiede, Tischler, Färber u. s. w. sind es besonders, die sich associrten. Sind auch diese Associationen noch unvollständig, so sind sie doch eine Uebergangsbrücke. Vorläufig handelt es sich vor Allem um Sportelfreiheit für ihre Verträge.

Corbon will für das Dekret stimmen, wenn man dadurch nicht den Socialismus und Kommunismus ermuntere. (Murren vom Berge.)

Der Entwurf (1. Artikel) wird angenommen.

Art. 2 des Gesetzentwurfs über die Arbeiter-Associationen lautet:

"Die Darlehen, die der Staat den Arbeiter-Associationen macht, sind mit 3 Prozent zu verzinsen. Eben so sind die Darlehen des Staates selbst zurückzuzahlen, je nachdem die Associationen prosperiren. Die Zinszahlungen sowohl, als die Kapitalrückzahlungen, werden in die Staatskasse geleistet, und daraus ein Fonds gebildet, aus welchem künftig nach gegenwärtigem Gesetze und im Namen des Gesetzes vom 5. Juli c., wieder neue Associationen unterstützt werden sollen, sei es zwischen Arbeitern und Arbeitern, oder Arbeitern und Meistern etc."

Dupin, der Alte, fürchtet, daß diese Neuerung zum Sozialismus und Kommunismus führe, und bekämpft sie.

Alcan und Tourret unterstützen sie jedoch, und der Entwurf geht durch. Das ganze Gesetz wäre somit erledigt.

Fould wünscht, daß man die Tresorbons und Sparkassenbüchel Entschädigungsvorschläge der Regierung, von denen gestern die Rede war, sofort oder morgen diskutire; die Börse würde sich dann mehr beruhigen. (Ja, Ja, Nein! Nein!)

Trouve Chauvel, Finanzminister, hat nichts dagegen. Er ist bereit.

Bineau und Fauilos bekämpfen jedoch diese Eile. Der Montag sei festgesetzt. (Derselbe bleibt für die Berathung vorbehalten und Hr. Fould muß Geduld haben.)

Die Versammlung kehrt zum Unterrichts-Büdget zurück und genehmigt die davon noch übrig gebliebenen Posten.

Die Sitzung wird um 6 1/4 Uhr geschlossen.

* Herr Cavaignac.

(Fortsetzung statt Schluß.)

Herr Moreau, Volksrepräsentant, ehemaliger Maire des achten Arrondissement, bezeugt:

"Am Donnerstag Abend, den 22. Juni, sah ich eine Menschenmasse von 2000 Mann ungefähr; sie gaben sich ein Rendezvous für den andern Morgen. Man begann wirklich mit den Barrikaden am andern Morgen. Herr Recurt kam frühzeitig auf die Mairie. Ich gab Ordres, die von einem Beamten der Mairie schlecht ausgeführt wurden. Ich begab mich selbst auf den Weg und ließ die begonnenen Barrikaden zerstören. Der Rappel führte wenig Nationalgarde herbei, 2 oder 300. Auf meine Forderung, ein Regiment der Linie zu beschaffen, antwortete Recurt, daß dieß ihn nichts angehe. Die Emeute wurde stärker, man kam der Mairie ankündigen, es sei nothwendig, gegen die Nationalversammlung zu marschiren. Ich weigerte mich. Nationalgarden wurden gezwungen, Theil am Barrikadenbau zu nehme. Um 2 Uhr Freitags (23. Juni) kam Besloy. Er wurden gebeten, Mannschaften zu schicken; er nahm Notizen auf und entfernte sich. Ein einziger Polizeikommissar leistete mir wirkliche Dienste, um 2 1/2 Uhr kam eine Patrouille von 350 Mann auf die Mairie. Es wurde Abend. Recurt und Bixio kamen gegen 4 Uhr. Garnier-Pages und Pagnerre langten endlich an und sagten beim Eintreten in die Mairie: "Sein Sie ruhig; man wird Ihnen Hülfe schicken." Niemand kam. Mit einem Worte, wenn das Fb. St. Antoine nicht verlassen und ohne Hülfskräfte geblieben wäre, es wäre nicht der Emeute anheimgefallen. Ich hätte es behauptet."

Man sieht: alle Zeugnisse stimmen in diesen 2 Punkten überein.

Die Insurrekton war vorhergesehen.

Der Insurrektion war leicht zuvorzukommen.

Sehr wichtig sind die zwei folgenden Zeugenaussagen, die eine von Pagnerre, Sekretär der provisorischen Regierung, die andere von Panisse, Direktor der Sicherheitspolizei im Ministerium des Innern.

Herr Paguere:

"Ich glaube, daß wenn der Befehl die 56 Delegirten und Pujol zu arretiren, vollstreckt worden wäre, man wahrscheinlich der Insurrektion zuvorgekommen wäre. Der Befehl, Herrn Püjol und vier andere Individuen zu arretiren wurde dem Polizeipräfekten direkt ertheilt; aber der Befehl, die 56 Delegirten der Nationalversammlung zu arretiren, wurde am 22. Juni um 3 Uhr Morgens Herrn Recurt selbst gegeben."

Herr Panisse:

"Am 22. Juni, um 7 Uhr Abends, empfing ich den schriftlichen Befehl von Herrn Recurt, datirt vom Luxemburg, die 56 Delegirten des 12. Arrondissements arretiren zu lassen. Ich ließ die Verhaftsbefehle ausstellen: ich wollte sie am Abende durch Hrn. Recurt unterzeichnen lassen; aber ich konnte seine Signatur nicht erhalten, weil er am Mittagsessen war."

Herr Recurt dinirte! Und darum wird eine Ordre von der höchsten Wichtigkeit, welche die Insurrektion verhindert hätte, nicht unterzeichnet.

Diese Ordre war durch die Exekutivkommission selbst Herrn Recurt gegeben um 3 Uhr Morgens. Und wann wird sie unterschrieben? Um 7 Uhr Abends. Verlust von 9 Stunden, die Frankreich Ströme von Blut gekostet haben. Aber was wollt Ihr! Herr Recurt (vom National) war am Diniren.

Rebillaud, Gendarmerie-Oberst, bezeugt.

"Die Kaserne der Francs-Bourgeoisie wurde anderthalb Tag lang belagert; sie ergab sich nicht, obgleich von 1500 Mann angegriffen: es bedurfte im Anfange nur 150 Mann (und man hatte sie verlangt), um die Barrikaden zu verhindern."

Hr. Rey, Almosenier des Val-de-Grace, sagt aus:

"Freitags gegen Mittag war ich auf dem Pantheonplatze und sah Barrikaden aufgeworfen in der Rue Soufflot. Niemand widersetzte sich, obgleich 3 bis 400 Zuschauer zugegen waren. Ich forderte 4 bis 5 Nationalgarden auf, gegen die Barrikaden zu marschiren; sie schlugen es ab, weil sie nicht stark genug seien. Des andern Morgens war ich an demselben Platze; einige Nationalgarden interpellirten lebhaft einen Offizier und beklagten sich, keine Ordres erhalten zu haben."

Rousseau, Bataillonschef von der elften Legion, sagt aus:

"Ein Offizier drs Generalstabs war genöthigt, zu befehlen, zwei Bataillone zur Nationalversammlung zu schicken. Der beim Luxembourg kommandirende Offizier widersetzte sich dem Abmarsche dieser Truppen. Man war gezwungen, ihm zu sagen: Es handelt sich hier für Sie um ein Kriegsgericht. Am Donnerstag (22. Juni) war das ganze Quartier in lebhafter Aufre-

ung der Waffen ist gestern Abend wieder abgelaufen. Heute in der Frühe ist ausgetrommelt worden, jeder Bürger habe sein Gewehr in den Hausflur zu setzen, aus welchem die Soldaten es holen sollten. Wir sind voll Erwartung, ob bei dieser Manipulation nicht endlich der erste Schuß fällt, und ob nach demselben unsere Landeskinder im bunten Rocke noch ferner mit uns fraternisiren werden. Es ist wahr, bis jetzt haben sich weder Soldaten noch Bürger zu beklagen. Die Ersteren erhalten von den Letzteren Schnaps, Tabak, Plakate, Händedrücke etc. gratis, dafür bekommen die Letzteren auf ihre ewigen Fragen: ihr schießt doch nicht auf uns? unfehlbar ein dumpfes „Nein!“

So leben wir, so leben wir etc.

Die Herren L. Buhl, May und Stein hatten gestern eine heldenmüthige Aufforderung an die Bevölkerung erlassen: an einem Klub in der Leipzigerstraße trotz des Belagerungszustandes Theil zu nehmen. Man hätte nun in Einfalt denken sollen, diese Herren Demokraten würden doch wenigstens dafür gesorgt haben, daß der Klub ungestört bliebe, oder Gewalt mit Gewalt vertrieben werde. Doch nein — nach Eröffnung des Klubs kamen die Herren Militärs und jagten die Herren Demokraten fort. Hr. Stein hatte das Vergnügen auf 1/4 Stunde verhaftet zu werden. Suum cuique.

Die Presse der „Reform“ ist diese Nacht um 3 Uhr versiegelt worden. Ruge wird von der Polizei gesucht.

1 Uhr. Die Entwaffnung hat begonnen. Man wählt zuerst die guten Viertel: Linden, Behrenstraße. Die Soldaten machten dort Beute und verhafteten u. A. drei Kammergerichtsassessoren, die ihre Waffen nicht abgeben wollten. Man hofft, daß das Militär in den demokratischen Vierteln auf energischen Widerstand stoßen werde.

6 Uhr. Es ist vollkommen ruhig in der Stadt. Beim besten Willen kann ich nur im telegraphischen Depeschenton schreiben. Die friedliche Waffenauslieferung in einigen Straßen der Friedrichsstadt ist fortgesetzt worden. Der Demokrat v. Hochstätter wurde verhaftet. Zwei Bataillone der Bürgerwehr (das 5. und 14.) erklären in einem Anschlage, daß sie die Waffen nicht abgeben werden.

Karlsruhe.

Das Karlsruher Hofblättchen berichtet über die Berliner Ereignisse in folgender heiterer Weise:

Berlin schaut sich verdutzt und verblüfft an, und aus jedem Blicke lies't man die Worte: „Ist es möglich, in einem Tage und so leichten Kaufes solche Umwandlung?“ Die Stadt hat ihr volkssouveränes rothbärtiges Antlitz mit dem befiederten Kalabreserhut abgelegt und das preußische Militärgesicht lacht strahlend aus dem bebuschten Helm hervor. General Wrangel, welcher sein Hauptquartier im hiesigen königlichen Schlosse aufgeschlagen hat, ist seit gestern das sichtbare Oberhaupt der Stadt. Im Kriegsministerium rathschlagt das Gesammtministerium in Permanenz, die kräftigsten Maßnahmen nach allen Seiten hin schleudernd. Man kann sagen, in Berlin ist ein Kaiserschnitt gemacht worden.

Italien.
*

Nachrichten aus Turin vom 10. November melden eine wichtige Krise. Beim Schluß der dritten und letzten geheimen Sitzung der piemonteschen Deputirtenkammer, in welcher das Ministerium seinen Rechenschaftsbericht zu Ende führen sollte, zog sich die Opposition in Masse zurück. Turin befand sich in Folge dieses Schrittes der Linken in der lebhaftesten Aufregung. — Zu Genua hatte man am 9. Nov. den Advokaten Pellegrini verhaftet. Nach Briefen aus Rom vom 4. Nov. hielt man den Rücktritt des Kabinets Rossi für wahrscheinlich. — In Padua ging es gegen Ende Okt. entsetzlich zu. Das östreichische Militär gab sich allen erdenklichen Exzessen hin: Mord, Diebstahl und Nothzucht gehörten zu den alltäglichen Dingen. Welden war niemals zufrieden; er plünderte die öffentlichen Kassen und brandschatzte sonst auf jede Weise. Nacht für Nacht fanden in den Kasernen Füsiladen statt. — Aus Neapel meldet man unterm 4. Nov., daß Mr. Tempel zum großen Bedauern des Königs, des Ministeriums und der auswärtigen Diplomatie, noch nicht von Marseille eingetroffen war. Neapel war fortwährend ruhig. Ebenso Palermo und Messina.

Französische Republik.
19 Paris, 14. Nov.

Wenn Sie in den Fabrik-Korrespondenzen der deutschen Blätter, oder in den französischen Reaktions-Journalen pomphafte Phrasen über das vorgestrige Konstitutionsfest lesen, so glauben Sie kein Wort von all diesen Prahlereien. Ein Fest zur Feier der Konstitution! Die Feier war nichts als eine bewaffnete Drohung der Bourgeoisie gegen das Volk. Vater Marrast stand unter einem purpurnen Baldachin auf dem Altar, und las das große Werk, welches die Nationalversammlung unter so bittern Schweißtropfen, unter Kanonendonner, Belagerungszustand, nächtlichen Schlächtereien des Volkes, Vernichtung aller errungenen Freiheiten, zu Stuhl gefördert hat; der Erzbischof gab den Segen der Kirche dazu, und der General Cavaignac ließ die ganze Pariser Militärmacht, welche 4 Stunden Zeit dazu gebrauchte, vorbeimarschiren, um dem Volk die Ermahnung zu ertheilen, das heilige Buch der Bourgeoisherrschaft nie zu berühren. Die „Honetten,“ die Pfaffen und das Säbelregiment, — erbauliche Verbrüderung! Ueber dem Baldachin, unter welchem Marrast stand, hatte man die lächerliche Inschrift angebracht: Liebet Euch untereinander! Und gerade hinter dem Baldachin befindet sich der Souterrain des Tuileriengartens, in welchem die Garde mobile nach der Junischlacht drei Nächte lang die gefangenen Insurgenten durch Pelotonfeuer niedermordeten. Liebet Euch untereinander! Der Marquis der „Honetten“ las die Konstitution, welche das Recht der liebevollen Wölfe der Bourgeoisie garantiren soll, ihre geliebten Proletarier-Schafe zu plündern und auszusaugen, und der Säbel Cavaignac's zeigte sodann dem souveränen Volke die kleine Macht von 400,000 Bajonetten, um ihm den nöthigen Respekt vor dieser brüderlichen Liebe einzuflößen. Das war die ganze Historie der Konstitutionsfeier. Das Volk hatte sie richtig verstanden, denn es war fortgeblieben. Auf dem ganzen Platz sah man nur Juden, Börsenspekulanten und Bourgeoisweiber: nirgends eine Arbeiterblouse. Auch die Nationalgarde aus dem revolutionären Toulouse, für welche besonders Quartier gemacht war, hatte sich nicht eingefunden; ihre Erklärung lautete, daß sie in der Proklamation dieser Konstitution keinen Grund zu Festlichkeiten finde! Es war ein schmutziges Fest. Die Nationalgarden sahen ärgerlich aus, daß der Schnee ihre gestickten Uniformen verdarb; das „Vive la Republique“ war sehr spärlich, und aus der 10. Legion rief man fast allgemein: „Vive la Republique democratique et sociale!“ Die braven Mobilen dagegen waren schon Morgens um 8 Uhr voll ihres süßen Lieblings, des gebrannten Wassers. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb der General Cavaignac so früh, nachdem blos zwei Legionen vorübergezogen waren, das „Liebesfest“ verließ, obwohl einige Franzosen neben mir meinten, er habe Furcht vor einem Attentat. „Liebet Euch untereinander!“ Zweifelt Herr Cavaignac, daß die Arbeiter (vielleicht bald) Liebe mit Liebe vergelten könnten?

Paris, 15. Nov.

Die Nachrichten aus Berlin werden verschlungen. Aber unsere innern Angelegenheiten beschäftigen uns so, daß wir keine Zeit zu langen Kommentaren haben.

Fast alle Journale klatschen der preußischen Nationalversammlung Beifall zu, nur die alte Hyäne „Union“ macht die beißende Bemerkung:

„Unsere Berichte aus Berlin reichen bis zum 11. Novbr. Nachmittags 4 Uhr. Bis zu diesem Augenblick hatte man noch keinen Kampf gewagt. Die Besiegung der Wiener bringt die Emeutiers von Berlin zum Nachdenken.“

Armer Heinrich! Armer Lübis! Wie wenig kennt Ihr die deutschen Zustände. Es ist ein wahrer Jammer um die Pariser legitimistische Presse.

— Marrast's gestrige Wiederwahl zum Präsidenten der Nationalversammlung hat die Spekulanten des Opernganges bedeutend verblüfft. Durch diese Wahl kennt man die eigentliche Stärke der Rue de Poitiers (rechts) oder der sogenannten Thierspartei. Sie beträgt nur 146 Mann und hat sehr enttäuscht.

— Die Rue de Poitiers hat sich gespalten. Rechts sitzen Constitutionnel und Presse mit einigen legitimistischen Ueberbleibseln und links sitzen seit gestern Journal des Debats und Siecle. Die Rechte stimmt für Louis Bonaparte und die Linke hat sich für Cavaignac ausgesprochen. Die erste Frucht dieser Spaltung war die gestrige Wiederwahl Marrasts, die um so wichtiger ist, als sie gerade in die Periode der Präsidentenwahl fällt.

— Gestern Abend war die Hälfte der Tuilerien (Galerie Diana), zum ersten Male seit dem Sturze des Königthums wieder glänzend erleuchtet. Changarnier, Befehlshaber der Bürgerwehr, gab den zum Verfassungsfest herbeigeeilten Offizieren darin ein großes (Verbrüderungs) Gastmahl.

— In einem Briefe, worin er der fremden und hiesigen Bürgerwehr für ihren Eifer am Verfassungsfest dankt, sagt Marrast wörtlich:

„Mein Herr und Kollege (Changarnier)! Ich muß Ihnen im Namen des Bureaus der Nationalversammlung für die vortreffliche Ordnung danken, die am Sonntage bei allen Bewegungen der unter Ihrem Befehl stehenden Bürgerwehr obwaltete. Ich glaube nur der Uebersetzer der Gefühle der Nationalversammlung zu sein, wenn ich in ihrem und meinem Namen für die große Theilnahme an der feierlichen Promulgation der Verfassung diese Dankgefühle ausspreche. Paris hat schon einmal das Schauspiel genossen, die Bürgerwehr der Stadt und Umgegend muthig herbeieilen und im Verein mit unserm tapferen Heere für Rettung der bedrohten Civilisation kämpfen zu sehen (marcher ensemble avec courage ainsique notre vaillante armée au secours de la civilisation menacée) u. s. w.

Paris, 13. Novbr. 1848.

(gez.) A. Marrast,

Präsident der Nationalversammlung.“

— Der Minister des Innern hat auf das Gerücht hin, daß sich in Metz, Straßburg und andern Gränzorten neue deutsche Freischaaren zu bilden im Begriffe ständen (was übrigens eine reine Erdichtung mehrerer reaktionärer Blätter wäre) um neue Einfälle in die deutschen Grenzländer zu beabsichtigen, ein Rundschreiben an sämmtliche Ost-Departements-Präfekten erlassen, worin er die strengste Vorsicht bei fernerer Verleihung von Pässen sowohl für Deutsche als Franzosen, welche nach Deutschland Pässe verlangen, zu beobachten befiehlt.

— Der Kassationshof versammelte sich heute Vormittags, um laut der neuen Verfassung zur Wahl derjenigen Glieder zu schreiten, welche mit den Gliedern der Nationalversammlung in den neugeschaffenen Justizhof für Hochverräther treten sollen. Gewählt wurden: 1) Rochez, 2) Berenger, 3) Harduin, 4) Hello, 5) Boissieux. Die Herren Pataille und Delapalme sind zu Stellvertretern ernannt worden.

— Eine Post aus Neapel vom 2. Nov. meldet, daß Admiral Baudin mit 2 Kriegsfregatten gegen Tunis gesegelt ist, um den dortigen Bey, welcher Miene macht, die französische Republik nicht anzuerkennen, zur Rechenschaft zu ziehen.

— Depeschen aus Rom vom 4. Nov. melden, daß sich die dortige Geistlichkeit beeilt hat, die Summe von 4 Mill. Piaster in verschiedenen Zahlungen zur Verfügung des Finanzministers zu stellen, welcher Miene gemacht zu haben scheint, die Konfiskation sämmtlicher Kirchengüter dem Parlament vorzuschlagen, das schwerlich gezögert haben würde, dieselbe auszusprechen.

— Zu Narbonne riß die Polizei ein Plakat ab, das auf Wiedereinführung der Guillotine für die Reaktionäre und des Galgens für die Unterstützer der Tyrannen (Präsidenten u. s. w.) bildlich anträgt.

— Die Schaufenster der Pariser Bilderläden werden fortwährend belagert. Eine reiche Auswahl von zum Theil sehr geistreichen Zerrbildern gegen Bonaparte, Lamartine, Cavaignac, Ledru-Rollin und Raspail, die fünf Kandidaten für die Heirath der jungen Republik, ziehen stündlich immer mehr Neugierige heran. Die Polizei darf das nicht hindern.

— Die zahlreichen Socialistenbankette lassen den Hrn. Marrast nicht ruhig schlafen. Das Bankett der Luxemburgdelegirten und Anhänger Louis Blanc's scheint ganz besonders seinen Schlummer gestört zu haben, denn er hat den Minister des Innern veranlaßt, bei den Organisatoren dieses Banketts mehrere Haussuchungen zu verfügen, gegen welche diese heute in den demokratischen Journalen stark reklamiren. Wahrscheinlich fürchtete Marrast einen neuen Sturm gegen die Civilisation, die unter seinem Scepter so vortrefflich gedeiht, daß über 11,000 Bankrotte angemeldet sind und die Hälfte der Pariser von Almosen lebt.

— Marrast begibt sich am nächsten Sonntage nach Arras, um dort die Verfassung in Person vorzulesen. Die dortige Bürgerwehr hat ihn speziell eingeladen.

— Die Kriegsgerichte sitzen immer noch fleißig und verurtheilen die Juniräuber immer noch frisch darauf los. Gestern wurden deren zwei zu 15jährigem resp. 10jährigem Gefängniß verurtheilt, weil sie Barrikadengeneräle gewesen! Merci Hr. Marrast.

Gestern versammelten sich 3—4000 Zimmerleute, Maurer und Proletarier, um sich zu besprechen, welche Maßregeln sie zu ergreifen hätten, um die Staatsbauten auf eigne Rechnung auszuführen, die auf dem Marsfelde für die Truppen beginnen. Es wurde ein Ausschuß zu Vivien, Staatsbautenminister, geschickt, der ihm jedoch erklärte, daß jene Bauten unter den Bereich des Kriegsministers gehörten, weshalb sie sich an den General Lamoriciere heute wenden sollen.

Nicht die geringste Störung ist vorgefallen!

National-Versammlung. Sitzung vom 15. November. Vizepräsidend Havin eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung.

Grandin wundert sich, daß der Moniteur nicht das letzte gestrige Skrutin (Namensliste der Stimmenden beim Budget) enthalten habe. Woher das komme?

Corbon: Ich präsidirte gestern und da die Versammlung beim letzten Skrutin nicht mehr vollzählig war (500), so wurde dasselbe verworfen und ich untersagte auf den Rath eines der Herren Schreiber das Einrücken der Namen in den Moniteur. (Erstaunen über dieses Verfahren des bornirten Vizepräsidenten „Arbeiters“ Corbon).

Etchverry: Ich trug neulich darauf an, gar keinen Urlaub mehr zu bewilligen. Warum bringt man meinen Antrag nicht zur Sprache. Wenn diese Urlaubssucht fortdauert, so sind wir in wenigen Tagen nicht mehr beschlußfähig

Duclerc: Auch heute sind wir schon nicht mehr beschlußfähig. (Oho!) Man beginne den Namensaufruf.

Bewilligt. Ein Schreiber schreibt nun Alle auf, die nicht antworten. Man bemerkt darunter Louis Bonaparte, Jerome Bonaparte und dreihundert Andere, die nicht antworten, d. h. abwesend sind.

Viele springen aus den Sälen herbei und so mochten wohl etwa 500 vorhanden sein.

Man will zur Berathung der Bedingungen schreiten, welche die Arbeiter (Gesellen u. s. w.) zu erfüllen, wenn sie Verträge unter einander Behufs Ausführung von Bauten u. dgl. abschließen wollen. Diese Associationsverträge sind als Hauptfebruarprodukt höchst wichtig.

Bineau, der Budgetmann, protestirt gegen diese Verdrängung der Budgetdebatte.

Tourret, Handelsminister, sagt: Ich bin es, der die Tagesordnung hat ändern lassen, weil der Gegenstand eine schnelle Erledigung erfordert. Die National-Versammlung votirte bereits 3 Millionen Fr., um die Arbeiter-Associationen zu unterstützen. Es handelt sich demnächst darum, diese Summe zu vertheilen.

Havin: Es blieb gestern noch ein Skrutin über den Antrag Stourms auf 10,000 Fr. Reduktion vom Unterrichtsbudget zu erledigen über. Dies möchte vor allen Dingen erledigt werden.

Dies geschieht. Die Reduktion wird mit 300 gegen 235 Stimmen angenommen.

Jetzt schreitet die Versammlung zur Berathung des Gesetzentwurfs rücksichtlich der Arbeiter-Associationsverträge.

Tourret, Minister: Sie haben also 3 Millionen Fr. votirt, um diese Verträge zu ermuthigen. 440 Arbeiter-Associationen haben sich gemeldet, um an diesem Kapital Theil zu nehmen. 35 sind zugelassen worden, 144 wurden verworfen. Alle diese Anträge wurden von einer Kommission sorgfältig geprüft. 574,000 Fr. fallen hiernach auf Paris; 800,000 Fr. auf die Departements. Also im Ganzen wurden etwa 1,374,000 Fr. vertheilt. Die übrigen sind noch zu berücksichtigen und warten auf Bescheidung. Daher die Dringlichkeit der Sache. Drucker, Uhrmacher, Schmiede, Tischler, Färber u. s. w. sind es besonders, die sich associrten. Sind auch diese Associationen noch unvollständig, so sind sie doch eine Uebergangsbrücke. Vorläufig handelt es sich vor Allem um Sportelfreiheit für ihre Verträge.

Corbon will für das Dekret stimmen, wenn man dadurch nicht den Socialismus und Kommunismus ermuntere. (Murren vom Berge.)

Der Entwurf (1. Artikel) wird angenommen.

Art. 2 des Gesetzentwurfs über die Arbeiter-Associationen lautet:

„Die Darlehen, die der Staat den Arbeiter-Associationen macht, sind mit 3 Prozent zu verzinsen. Eben so sind die Darlehen des Staates selbst zurückzuzahlen, je nachdem die Associationen prosperiren. Die Zinszahlungen sowohl, als die Kapitalrückzahlungen, werden in die Staatskasse geleistet, und daraus ein Fonds gebildet, aus welchem künftig nach gegenwärtigem Gesetze und im Namen des Gesetzes vom 5. Juli c., wieder neue Associationen unterstützt werden sollen, sei es zwischen Arbeitern und Arbeitern, oder Arbeitern und Meistern etc.“

Dupin, der Alte, fürchtet, daß diese Neuerung zum Sozialismus und Kommunismus führe, und bekämpft sie.

Alcan und Tourret unterstützen sie jedoch, und der Entwurf geht durch. Das ganze Gesetz wäre somit erledigt.

Fould wünscht, daß man die Tresorbons und Sparkassenbüchel Entschädigungsvorschläge der Regierung, von denen gestern die Rede war, sofort oder morgen diskutire; die Börse würde sich dann mehr beruhigen. (Ja, Ja, Nein! Nein!)

Trouvé Chauvel, Finanzminister, hat nichts dagegen. Er ist bereit.

Bineau und Fauilos bekämpfen jedoch diese Eile. Der Montag sei festgesetzt. (Derselbe bleibt für die Berathung vorbehalten und Hr. Fould muß Geduld haben.)

Die Versammlung kehrt zum Unterrichts-Büdget zurück und genehmigt die davon noch übrig gebliebenen Posten.

Die Sitzung wird um 6 1/4 Uhr geschlossen.

* Herr Cavaignac.

(Fortsetzung statt Schluß.)

Herr Moreau, Volksrepräsentant, ehemaliger Maire des achten Arrondissement, bezeugt:

„Am Donnerstag Abend, den 22. Juni, sah ich eine Menschenmasse von 2000 Mann ungefähr; sie gaben sich ein Rendezvous für den andern Morgen. Man begann wirklich mit den Barrikaden am andern Morgen. Herr Recurt kam frühzeitig auf die Mairie. Ich gab Ordres, die von einem Beamten der Mairie schlecht ausgeführt wurden. Ich begab mich selbst auf den Weg und ließ die begonnenen Barrikaden zerstören. Der Rappel führte wenig Nationalgarde herbei, 2 oder 300. Auf meine Forderung, ein Regiment der Linie zu beschaffen, antwortete Recurt, daß dieß ihn nichts angehe. Die Emeute wurde stärker, man kam der Mairie ankündigen, es sei nothwendig, gegen die Nationalversammlung zu marschiren. Ich weigerte mich. Nationalgarden wurden gezwungen, Theil am Barrikadenbau zu nehme. Um 2 Uhr Freitags (23. Juni) kam Besloy. Er wurden gebeten, Mannschaften zu schicken; er nahm Notizen auf und entfernte sich. Ein einziger Polizeikommissar leistete mir wirkliche Dienste, um 2 1/2 Uhr kam eine Patrouille von 350 Mann auf die Mairie. Es wurde Abend. Recurt und Bixio kamen gegen 4 Uhr. Garnier-Pagès und Pagnerre langten endlich an und sagten beim Eintreten in die Mairie: „Sein Sie ruhig; man wird Ihnen Hülfe schicken.“ Niemand kam. Mit einem Worte, wenn das Fb. St. Antoine nicht verlassen und ohne Hülfskräfte geblieben wäre, es wäre nicht der Emeute anheimgefallen. Ich hätte es behauptet.“

Man sieht: alle Zeugnisse stimmen in diesen 2 Punkten überein.

Die Insurrekton war vorhergesehen.

Der Insurrektion war leicht zuvorzukommen.

Sehr wichtig sind die zwei folgenden Zeugenaussagen, die eine von Pagnerre, Sekretär der provisorischen Regierung, die andere von Panisse, Direktor der Sicherheitspolizei im Ministerium des Innern.

Herr Paguere:

„Ich glaube, daß wenn der Befehl die 56 Delegirten und Pujol zu arretiren, vollstreckt worden wäre, man wahrscheinlich der Insurrektion zuvorgekommen wäre. Der Befehl, Herrn Püjol und vier andere Individuen zu arretiren wurde dem Polizeipräfekten direkt ertheilt; aber der Befehl, die 56 Delegirten der Nationalversammlung zu arretiren, wurde am 22. Juni um 3 Uhr Morgens Herrn Recurt selbst gegeben.“

Herr Panisse:

„Am 22. Juni, um 7 Uhr Abends, empfing ich den schriftlichen Befehl von Herrn Recurt, datirt vom Luxemburg, die 56 Delegirten des 12. Arrondissements arretiren zu lassen. Ich ließ die Verhaftsbefehle ausstellen: ich wollte sie am Abende durch Hrn. Recurt unterzeichnen lassen; aber ich konnte seine Signatur nicht erhalten, weil er am Mittagsessen war.“

Herr Recurt dinirte! Und darum wird eine Ordre von der höchsten Wichtigkeit, welche die Insurrektion verhindert hätte, nicht unterzeichnet.

Diese Ordre war durch die Exekutivkommission selbst Herrn Recurt gegeben um 3 Uhr Morgens. Und wann wird sie unterschrieben? Um 7 Uhr Abends. Verlust von 9 Stunden, die Frankreich Ströme von Blut gekostet haben. Aber was wollt Ihr! Herr Recurt (vom National) war am Diniren.

Rebillaud, Gendarmerie-Oberst, bezeugt.

„Die Kaserne der Francs-Bourgeoisie wurde anderthalb Tag lang belagert; sie ergab sich nicht, obgleich von 1500 Mann angegriffen: es bedurfte im Anfange nur 150 Mann (und man hatte sie verlangt), um die Barrikaden zu verhindern.“

Hr. Rey, Almosenier des Val-de-Grace, sagt aus:

„Freitags gegen Mittag war ich auf dem Pantheonplatze und sah Barrikaden aufgeworfen in der Rue Soufflot. Niemand widersetzte sich, obgleich 3 bis 400 Zuschauer zugegen waren. Ich forderte 4 bis 5 Nationalgarden auf, gegen die Barrikaden zu marschiren; sie schlugen es ab, weil sie nicht stark genug seien. Des andern Morgens war ich an demselben Platze; einige Nationalgarden interpellirten lebhaft einen Offizier und beklagten sich, keine Ordres erhalten zu haben.“

Rousseau, Bataillonschef von der elften Legion, sagt aus:

„Ein Offizier drs Generalstabs war genöthigt, zu befehlen, zwei Bataillone zur Nationalversammlung zu schicken. Der beim Luxembourg kommandirende Offizier widersetzte sich dem Abmarsche dieser Truppen. Man war gezwungen, ihm zu sagen: Es handelt sich hier für Sie um ein Kriegsgericht. Am Donnerstag (22. Juni) war das ganze Quartier in lebhafter Aufre-

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          <p><pb facs="#f0003" n="0761"/>
ung der Waffen ist gestern Abend wieder abgelaufen. Heute in der Frühe ist ausgetrommelt worden, jeder Bürger habe sein Gewehr in den Hausflur zu setzen, aus welchem die Soldaten es holen sollten. Wir sind voll Erwartung, ob bei dieser Manipulation nicht endlich der <hi rendition="#g">erste</hi> Schuß fällt, und ob nach demselben unsere Landeskinder im bunten Rocke noch ferner mit uns fraternisiren werden. Es ist wahr, bis jetzt haben sich weder Soldaten noch Bürger zu beklagen. Die Ersteren erhalten von den Letzteren Schnaps, Tabak, Plakate, Händedrücke etc. gratis, dafür bekommen die Letzteren auf ihre ewigen Fragen: ihr schießt doch nicht auf uns? unfehlbar ein dumpfes &#x201E;Nein!&#x201C;</p>
          <p>So leben wir, so leben wir etc.</p>
          <p>Die Herren L. Buhl, May und Stein hatten gestern eine heldenmüthige Aufforderung an die Bevölkerung erlassen: an einem Klub in der Leipzigerstraße trotz des Belagerungszustandes Theil zu nehmen. Man hätte nun in Einfalt denken sollen, diese Herren Demokraten würden doch wenigstens dafür gesorgt haben, daß der Klub ungestört bliebe, oder Gewalt mit Gewalt vertrieben werde. Doch nein &#x2014; nach Eröffnung des Klubs kamen die Herren Militärs und jagten die Herren Demokraten fort. Hr. Stein hatte das Vergnügen auf 1/4 Stunde verhaftet zu werden. Suum cuique.</p>
          <p>Die Presse der &#x201E;Reform&#x201C; ist diese Nacht um 3 Uhr versiegelt worden. Ruge wird von der Polizei gesucht.</p>
          <p>1 Uhr. Die Entwaffnung hat begonnen. Man wählt zuerst die guten Viertel: Linden, Behrenstraße. Die Soldaten machten dort Beute und verhafteten u. A. drei Kammergerichtsassessoren, die ihre Waffen nicht abgeben wollten. Man <hi rendition="#g">hofft</hi>, daß das Militär in den demokratischen Vierteln auf energischen Widerstand stoßen werde.</p>
          <p>6 Uhr. Es ist vollkommen ruhig in der Stadt. Beim besten Willen kann ich nur im telegraphischen Depeschenton schreiben. Die friedliche Waffenauslieferung in einigen Straßen der Friedrichsstadt ist fortgesetzt worden. Der Demokrat v. Hochstätter wurde verhaftet. Zwei Bataillone der Bürgerwehr (das 5. und 14.) erklären in einem Anschlage, daß sie die Waffen nicht abgeben werden.</p>
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          <head>Karlsruhe.</head>
          <p>Das Karlsruher Hofblättchen berichtet über die Berliner Ereignisse in folgender heiterer Weise:</p>
          <p>Berlin schaut sich verdutzt und verblüfft an, und aus jedem Blicke lies't man die Worte: &#x201E;Ist es möglich, in einem Tage und so leichten Kaufes solche Umwandlung?&#x201C; Die Stadt hat ihr volkssouveränes rothbärtiges Antlitz mit dem befiederten Kalabreserhut abgelegt und das preußische Militärgesicht lacht strahlend aus dem bebuschten Helm hervor. General Wrangel, welcher sein Hauptquartier im hiesigen königlichen Schlosse aufgeschlagen hat, ist seit gestern das sichtbare Oberhaupt der Stadt. Im Kriegsministerium rathschlagt das Gesammtministerium in Permanenz, die kräftigsten Maßnahmen nach allen Seiten hin schleudernd. Man kann sagen, in Berlin ist ein Kaiserschnitt gemacht worden.</p>
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        <head>Italien.</head>
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          <head>
            <bibl>
              <author>*</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>Nachrichten aus Turin vom 10. November melden eine wichtige Krise. Beim Schluß der dritten und letzten geheimen Sitzung der piemonteschen Deputirtenkammer, in welcher das Ministerium seinen Rechenschaftsbericht zu Ende führen sollte, <hi rendition="#g">zog sich die Opposition in Masse zurück</hi>. Turin befand sich in Folge dieses Schrittes der Linken in der lebhaftesten Aufregung. &#x2014; Zu Genua hatte man am 9. Nov. den Advokaten Pellegrini verhaftet. Nach Briefen aus Rom vom 4. Nov. hielt man den Rücktritt des Kabinets Rossi für wahrscheinlich. &#x2014; In Padua ging es gegen Ende Okt. entsetzlich zu. Das östreichische Militär gab sich allen erdenklichen Exzessen hin: Mord, Diebstahl und Nothzucht gehörten zu den alltäglichen Dingen. Welden war niemals zufrieden; er plünderte die öffentlichen Kassen und brandschatzte sonst auf jede Weise. Nacht für Nacht fanden in den Kasernen Füsiladen statt. &#x2014; Aus Neapel meldet man unterm 4. Nov., daß Mr. Tempel zum großen Bedauern des Königs, des Ministeriums und der auswärtigen Diplomatie, noch nicht von Marseille eingetroffen war. Neapel war fortwährend ruhig. Ebenso Palermo und Messina.</p>
        </div>
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        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar146_022" type="jArticle">
          <head><bibl><author>19</author></bibl> Paris, 14. Nov.</head>
          <p>Wenn Sie in den Fabrik-Korrespondenzen der deutschen Blätter, oder in den französischen Reaktions-Journalen pomphafte Phrasen über das vorgestrige Konstitutionsfest lesen, so glauben Sie kein Wort von all diesen Prahlereien. Ein Fest zur Feier der Konstitution! Die Feier war nichts als eine bewaffnete Drohung der Bourgeoisie gegen das Volk. Vater Marrast stand unter einem purpurnen Baldachin auf dem Altar, und las das große Werk, welches die Nationalversammlung unter so bittern Schweißtropfen, unter Kanonendonner, Belagerungszustand, nächtlichen Schlächtereien des Volkes, Vernichtung aller errungenen Freiheiten, zu Stuhl gefördert hat; der Erzbischof gab den Segen der Kirche dazu, und der General Cavaignac ließ die ganze Pariser Militärmacht, welche 4 Stunden Zeit dazu gebrauchte, vorbeimarschiren, um dem Volk die Ermahnung zu ertheilen, das heilige Buch der Bourgeoisherrschaft nie zu berühren. Die &#x201E;Honetten,&#x201C; die Pfaffen und das Säbelregiment, &#x2014; erbauliche Verbrüderung! Ueber dem Baldachin, unter welchem Marrast stand, hatte man die lächerliche Inschrift angebracht: Liebet Euch untereinander! Und gerade hinter dem Baldachin befindet sich der Souterrain des Tuileriengartens, in welchem die Garde mobile nach der Junischlacht drei Nächte lang die gefangenen Insurgenten durch Pelotonfeuer niedermordeten. Liebet Euch untereinander! Der Marquis der &#x201E;Honetten&#x201C; las die Konstitution, welche das Recht der liebevollen Wölfe der Bourgeoisie garantiren soll, ihre geliebten Proletarier-Schafe zu plündern und auszusaugen, und der Säbel Cavaignac's zeigte sodann dem souveränen Volke die kleine Macht von 400,000 Bajonetten, um ihm den nöthigen Respekt vor dieser brüderlichen Liebe einzuflößen. Das war die ganze Historie der Konstitutionsfeier. Das Volk hatte sie richtig verstanden, denn es war fortgeblieben. Auf dem ganzen Platz sah man nur Juden, Börsenspekulanten und Bourgeoisweiber: nirgends eine Arbeiterblouse. Auch die Nationalgarde aus dem revolutionären Toulouse, für welche besonders Quartier gemacht war, hatte sich nicht eingefunden; ihre Erklärung lautete, daß sie in der Proklamation dieser Konstitution keinen Grund zu Festlichkeiten finde! Es war ein schmutziges Fest. Die Nationalgarden sahen ärgerlich aus, daß der Schnee ihre gestickten Uniformen verdarb; das &#x201E;Vive la Republique&#x201C; war sehr spärlich, und aus der 10. Legion rief man fast allgemein: &#x201E;Vive la Republique democratique et sociale!&#x201C; Die braven Mobilen dagegen waren schon Morgens um 8 Uhr voll ihres süßen Lieblings, des gebrannten Wassers. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb der General Cavaignac so früh, nachdem blos zwei Legionen vorübergezogen waren, das &#x201E;Liebesfest&#x201C; verließ, obwohl einige Franzosen neben mir meinten, er habe Furcht vor einem Attentat. &#x201E;Liebet Euch untereinander!&#x201C; Zweifelt Herr Cavaignac, daß die Arbeiter (vielleicht bald) Liebe mit Liebe vergelten könnten?</p>
        </div>
        <div xml:id="ar146_023" type="jArticle">
          <head>Paris, 15. Nov.</head>
          <p>Die Nachrichten aus Berlin werden verschlungen. Aber unsere innern Angelegenheiten beschäftigen uns so, daß wir keine Zeit zu langen Kommentaren haben.</p>
          <p>Fast alle Journale klatschen der preußischen Nationalversammlung Beifall zu, nur die alte Hyäne &#x201E;Union&#x201C; macht die beißende Bemerkung:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Unsere Berichte aus Berlin reichen bis zum 11. Novbr. Nachmittags 4 Uhr. Bis zu diesem Augenblick hatte man noch keinen Kampf gewagt. Die Besiegung der Wiener bringt die <hi rendition="#g">Emeutiers</hi> von Berlin zum Nachdenken.&#x201C;</p>
          <p>Armer Heinrich! Armer Lübis! Wie wenig kennt Ihr die deutschen Zustände. Es ist ein wahrer Jammer um die Pariser legitimistische Presse.</p>
          <p> &#x2014; Marrast's gestrige Wiederwahl zum Präsidenten der Nationalversammlung hat die Spekulanten des Opernganges bedeutend verblüfft. Durch diese Wahl kennt man die eigentliche Stärke der Rue de Poitiers (rechts) oder der sogenannten Thierspartei. Sie beträgt nur 146 Mann und hat sehr enttäuscht.</p>
          <p> &#x2014; Die Rue de Poitiers hat sich gespalten. Rechts sitzen Constitutionnel und Presse mit einigen legitimistischen Ueberbleibseln und links sitzen seit gestern Journal des Debats und Siecle. Die Rechte stimmt für Louis Bonaparte und die Linke hat sich für Cavaignac ausgesprochen. Die erste Frucht dieser Spaltung war die gestrige Wiederwahl Marrasts, die um so wichtiger ist, als sie gerade in die Periode der Präsidentenwahl fällt.</p>
          <p> &#x2014; Gestern Abend war die Hälfte der Tuilerien (Galerie Diana), zum ersten Male seit dem Sturze des Königthums wieder glänzend erleuchtet. Changarnier, Befehlshaber der Bürgerwehr, gab den zum Verfassungsfest herbeigeeilten Offizieren darin ein großes (Verbrüderungs) Gastmahl.</p>
          <p> &#x2014; In einem Briefe, worin er der fremden und hiesigen Bürgerwehr für ihren Eifer am Verfassungsfest dankt, sagt Marrast wörtlich:</p>
          <p>&#x201E;Mein Herr und Kollege (Changarnier)! Ich muß Ihnen im Namen des Bureaus der Nationalversammlung für die vortreffliche Ordnung danken, die am Sonntage bei allen Bewegungen der unter Ihrem Befehl stehenden Bürgerwehr obwaltete. Ich glaube nur der Uebersetzer der Gefühle der Nationalversammlung zu sein, wenn ich in ihrem und meinem Namen für die große Theilnahme an der feierlichen Promulgation der Verfassung diese Dankgefühle ausspreche. Paris hat schon einmal das Schauspiel genossen, die Bürgerwehr der Stadt und Umgegend muthig herbeieilen und im Verein mit unserm tapferen Heere für Rettung der bedrohten Civilisation kämpfen zu sehen (marcher ensemble avec courage ainsique notre vaillante armée au secours de la civilisation menacée) u. s. w.</p>
          <p>Paris, 13. Novbr. 1848.</p>
          <p>(gez.) A. <hi rendition="#g">Marrast</hi>,</p>
          <p>Präsident der Nationalversammlung.&#x201C;</p>
          <p> &#x2014; Der Minister des Innern hat auf das Gerücht hin, daß sich in Metz, Straßburg und andern Gränzorten neue deutsche Freischaaren zu bilden im Begriffe ständen (was übrigens eine reine Erdichtung mehrerer reaktionärer Blätter wäre) um neue Einfälle in die deutschen Grenzländer zu beabsichtigen, ein Rundschreiben an sämmtliche Ost-Departements-Präfekten erlassen, worin er die strengste Vorsicht bei fernerer Verleihung von Pässen sowohl für Deutsche als Franzosen, welche nach Deutschland Pässe verlangen, zu beobachten befiehlt.</p>
          <p> &#x2014; Der Kassationshof versammelte sich heute Vormittags, um laut der neuen Verfassung zur Wahl derjenigen Glieder zu schreiten, welche mit den Gliedern der Nationalversammlung in den neugeschaffenen <hi rendition="#g">Justizhof für Hochverräther</hi> treten sollen. Gewählt wurden: 1) Rochez, 2) Berenger, 3) Harduin, 4) Hello, 5) Boissieux. Die Herren Pataille und Delapalme sind zu Stellvertretern ernannt worden.</p>
          <p> &#x2014; Eine Post aus Neapel vom 2. Nov. meldet, daß Admiral Baudin mit 2 Kriegsfregatten gegen Tunis gesegelt ist, um den dortigen Bey, welcher Miene macht, die französische Republik nicht anzuerkennen, zur Rechenschaft zu ziehen.</p>
          <p> &#x2014; Depeschen aus Rom vom 4. Nov. melden, daß sich die dortige Geistlichkeit beeilt hat, die Summe von 4 Mill. Piaster in verschiedenen Zahlungen zur Verfügung des Finanzministers zu stellen, welcher Miene gemacht zu haben scheint, die Konfiskation sämmtlicher Kirchengüter dem Parlament vorzuschlagen, das schwerlich gezögert haben würde, dieselbe auszusprechen.</p>
          <p> &#x2014; Zu Narbonne riß die Polizei ein Plakat ab, das auf Wiedereinführung der Guillotine für die Reaktionäre und des Galgens für die Unterstützer der Tyrannen (Präsidenten u. s. w.) bildlich anträgt.</p>
          <p> &#x2014; Die Schaufenster der Pariser Bilderläden werden fortwährend belagert. Eine reiche Auswahl von zum Theil sehr geistreichen Zerrbildern gegen Bonaparte, Lamartine, Cavaignac, Ledru-Rollin und Raspail, die fünf Kandidaten für die Heirath der jungen Republik, ziehen stündlich immer mehr Neugierige heran. Die Polizei darf das nicht hindern.</p>
          <p> &#x2014; Die zahlreichen Socialistenbankette lassen den Hrn. Marrast nicht ruhig schlafen. Das Bankett der Luxemburgdelegirten und Anhänger Louis Blanc's scheint ganz besonders seinen Schlummer gestört zu haben, denn er hat den Minister des Innern veranlaßt, bei den Organisatoren dieses Banketts mehrere Haussuchungen zu verfügen, gegen welche diese heute in den demokratischen Journalen stark reklamiren. Wahrscheinlich fürchtete Marrast einen neuen Sturm gegen die Civilisation, die unter seinem Scepter so vortrefflich gedeiht, daß über 11,000 Bankrotte angemeldet sind und die Hälfte der Pariser von Almosen lebt.</p>
          <p> &#x2014; Marrast begibt sich am nächsten Sonntage nach Arras, um dort die Verfassung in Person vorzulesen. Die dortige Bürgerwehr hat ihn speziell eingeladen.</p>
          <p> &#x2014; Die Kriegsgerichte sitzen immer noch fleißig und verurtheilen die Juniräuber immer noch frisch darauf los. Gestern wurden deren zwei zu 15jährigem resp. 10jährigem Gefängniß verurtheilt, weil sie Barrikadengeneräle gewesen! Merci Hr. Marrast.</p>
          <p>Gestern versammelten sich 3&#x2014;4000 Zimmerleute, Maurer und Proletarier, um sich zu besprechen, welche Maßregeln sie zu ergreifen hätten, um die Staatsbauten auf eigne Rechnung auszuführen, die auf dem Marsfelde für die Truppen beginnen. Es wurde ein Ausschuß zu Vivien, Staatsbautenminister, geschickt, der ihm jedoch erklärte, daß jene Bauten unter den Bereich des Kriegsministers gehörten, weshalb sie sich an den General Lamoriciere heute wenden sollen.</p>
          <p>Nicht die geringste Störung ist vorgefallen!</p>
          <p><hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 15. November. Vizepräsidend Havin eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Grandin</hi> wundert sich, daß der Moniteur nicht das letzte gestrige Skrutin (Namensliste der Stimmenden beim Budget) enthalten habe. Woher das komme?</p>
          <p><hi rendition="#g">Corbon</hi>: Ich präsidirte gestern und da die Versammlung beim letzten Skrutin nicht mehr vollzählig war (500), so wurde dasselbe verworfen und ich untersagte auf den Rath eines der Herren Schreiber das Einrücken der Namen in den Moniteur. (Erstaunen über dieses Verfahren des bornirten Vizepräsidenten &#x201E;Arbeiters&#x201C; Corbon).</p>
          <p><hi rendition="#g">Etchverry</hi>: Ich trug neulich darauf an, gar keinen Urlaub mehr zu bewilligen. Warum bringt man meinen Antrag nicht zur Sprache. Wenn diese Urlaubssucht fortdauert, so sind wir in wenigen Tagen nicht mehr beschlußfähig</p>
          <p><hi rendition="#g">Duclerc</hi>: Auch heute sind wir schon nicht mehr beschlußfähig. (Oho!) Man beginne den Namensaufruf.</p>
          <p>Bewilligt. Ein Schreiber schreibt nun Alle auf, die nicht antworten. Man bemerkt darunter Louis Bonaparte, Jerome Bonaparte und dreihundert Andere, die nicht antworten, d. h. abwesend sind.</p>
          <p>Viele springen aus den Sälen herbei und so mochten wohl etwa 500 vorhanden sein.</p>
          <p>Man will zur Berathung der Bedingungen schreiten, welche die Arbeiter (Gesellen u. s. w.) zu erfüllen, wenn sie Verträge unter einander Behufs Ausführung von Bauten u. dgl. abschließen wollen. Diese Associationsverträge sind als Hauptfebruarprodukt höchst wichtig.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bineau</hi>, der Budgetmann, protestirt gegen diese Verdrängung der Budgetdebatte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Tourret</hi>, Handelsminister, sagt: Ich bin es, der die Tagesordnung hat ändern lassen, weil der Gegenstand eine schnelle Erledigung erfordert. Die National-Versammlung votirte bereits 3 Millionen Fr., um die Arbeiter-Associationen zu unterstützen. Es handelt sich demnächst darum, diese Summe zu vertheilen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Havin</hi>: Es blieb gestern noch ein Skrutin über den Antrag Stourms auf 10,000 Fr. Reduktion vom Unterrichtsbudget zu erledigen über. Dies möchte vor allen Dingen erledigt werden.</p>
          <p>Dies geschieht. Die Reduktion wird mit 300 gegen 235 Stimmen angenommen.</p>
          <p>Jetzt schreitet die Versammlung zur Berathung des Gesetzentwurfs rücksichtlich der Arbeiter-Associationsverträge.</p>
          <p><hi rendition="#g">Tourret</hi>, Minister: Sie haben also 3 Millionen Fr. votirt, um diese Verträge zu ermuthigen. 440 Arbeiter-Associationen haben sich gemeldet, um an diesem Kapital Theil zu nehmen. 35 sind zugelassen worden, 144 wurden verworfen. Alle diese Anträge wurden von einer Kommission sorgfältig geprüft. 574,000 Fr. fallen hiernach auf Paris; 800,000 Fr. auf die Departements. Also im Ganzen wurden etwa 1,374,000 Fr. vertheilt. Die übrigen sind noch zu berücksichtigen und warten auf Bescheidung. Daher die Dringlichkeit der Sache. Drucker, Uhrmacher, Schmiede, Tischler, Färber u. s. w. sind es besonders, die sich associrten. Sind auch diese Associationen noch unvollständig, so sind sie doch eine Uebergangsbrücke. Vorläufig handelt es sich vor Allem um Sportelfreiheit für ihre Verträge.</p>
          <p><hi rendition="#g">Corbon</hi> will für das Dekret stimmen, wenn man dadurch nicht den Socialismus und Kommunismus ermuntere. (Murren vom Berge.)</p>
          <p>Der Entwurf (1. Artikel) wird angenommen.</p>
          <p>Art. 2 des Gesetzentwurfs über die Arbeiter-Associationen lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Die Darlehen, die der Staat den Arbeiter-Associationen macht, sind mit 3 Prozent zu verzinsen. Eben so sind die Darlehen des Staates selbst zurückzuzahlen, je nachdem die Associationen prosperiren. Die Zinszahlungen sowohl, als die Kapitalrückzahlungen, werden in die Staatskasse geleistet, und daraus ein Fonds gebildet, aus welchem künftig nach gegenwärtigem Gesetze und im Namen des Gesetzes vom 5. Juli c., wieder neue Associationen unterstützt werden sollen, sei es zwischen Arbeitern und Arbeitern, oder Arbeitern und Meistern etc.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Dupin</hi>, der Alte, fürchtet, daß diese Neuerung zum Sozialismus und Kommunismus führe, und bekämpft sie.</p>
          <p><hi rendition="#g">Alcan</hi> und <hi rendition="#g">Tourret</hi> unterstützen sie jedoch, und der Entwurf geht durch. Das ganze Gesetz wäre somit erledigt.</p>
          <p>Fould wünscht, daß man die Tresorbons und Sparkassenbüchel Entschädigungsvorschläge der Regierung, von denen gestern die Rede war, sofort oder morgen diskutire; die Börse würde sich dann mehr beruhigen. (Ja, Ja, Nein! Nein!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Trouvé Chauvel</hi>, Finanzminister, hat nichts dagegen. Er ist bereit.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bineau</hi> und <hi rendition="#g">Fauilos</hi> bekämpfen jedoch diese Eile. Der Montag sei festgesetzt. (Derselbe bleibt für die Berathung vorbehalten und Hr. Fould muß Geduld haben.)</p>
          <p>Die Versammlung kehrt zum Unterrichts-Büdget zurück und genehmigt die davon noch übrig gebliebenen Posten.</p>
          <p>Die Sitzung wird um 6 1/4 Uhr geschlossen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar146_024" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Herr Cavaignac.</head>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung statt Schluß.)</ref>
          </p>
          <p>Herr <hi rendition="#g">Moreau</hi>, Volksrepräsentant, ehemaliger Maire des achten Arrondissement, bezeugt:</p>
          <p>&#x201E;Am Donnerstag Abend, den 22. Juni, sah ich eine Menschenmasse von 2000 Mann ungefähr; sie gaben sich ein Rendezvous für den andern Morgen. Man begann wirklich mit den Barrikaden am andern Morgen. Herr Recurt kam frühzeitig auf die Mairie. Ich gab Ordres, die von einem Beamten der Mairie schlecht ausgeführt wurden. Ich begab mich selbst auf den Weg und ließ die begonnenen Barrikaden zerstören. Der Rappel führte wenig Nationalgarde herbei, 2 oder 300. Auf meine Forderung, ein Regiment der Linie zu beschaffen, antwortete Recurt, daß dieß ihn nichts angehe. Die Emeute wurde stärker, man kam der Mairie ankündigen, es sei nothwendig, gegen die Nationalversammlung zu marschiren. Ich weigerte mich. <hi rendition="#g">Nationalgarden</hi> wurden <hi rendition="#g">gezwungen</hi>, Theil am Barrikadenbau zu nehme. Um 2 Uhr Freitags (23. Juni) kam Besloy. Er wurden gebeten, Mannschaften zu schicken; er nahm Notizen auf und entfernte sich. Ein einziger Polizeikommissar leistete mir wirkliche Dienste, um 2 1/2 Uhr kam eine Patrouille von 350 Mann auf die Mairie. Es wurde Abend. Recurt und Bixio kamen gegen 4 Uhr. Garnier-Pagès und Pagnerre langten endlich an und sagten beim Eintreten in die Mairie: &#x201E;Sein Sie ruhig; man wird Ihnen Hülfe schicken.&#x201C; <hi rendition="#g">Niemand kam</hi>. Mit einem Worte, wenn das <hi rendition="#g">Fb. St. Antoine nicht verlassen und ohne Hülfskräfte geblieben wäre,</hi> es wäre nicht der Emeute anheimgefallen. Ich hätte es behauptet.&#x201C;</p>
          <p>Man sieht: alle Zeugnisse stimmen in diesen 2 Punkten überein.</p>
          <p>Die Insurrekton war vorhergesehen.</p>
          <p>Der Insurrektion war leicht zuvorzukommen.</p>
          <p>Sehr wichtig sind die zwei folgenden Zeugenaussagen, die eine von <hi rendition="#g">Pagnerre, Sekretär der provisorischen Regierung,</hi> die andere von <hi rendition="#g">Panisse, Direktor der Sicherheitspolizei im Ministerium des Innern</hi>.</p>
          <p><hi rendition="#g">Herr Paguere</hi>:</p>
          <p>&#x201E;Ich glaube, daß wenn der Befehl die 56 Delegirten und Pujol zu arretiren, vollstreckt worden wäre, <hi rendition="#g">man wahrscheinlich der Insurrektion zuvorgekommen wäre</hi>. Der Befehl, Herrn Püjol und vier andere Individuen zu arretiren wurde dem Polizeipräfekten direkt ertheilt; aber der Befehl, die 56 Delegirten der Nationalversammlung zu arretiren, wurde am 22. Juni um <hi rendition="#g">3 Uhr Morgens Herrn Recurt selbst</hi> gegeben.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Herr Panisse</hi>:</p>
          <p>&#x201E;Am 22. Juni, um <hi rendition="#g">7 Uhr Abends</hi>, empfing ich den schriftlichen Befehl von Herrn Recurt, datirt vom Luxemburg, die 56 Delegirten des 12. Arrondissements arretiren zu lassen. Ich ließ die Verhaftsbefehle ausstellen: ich wollte sie am Abende durch Hrn. Recurt unterzeichnen lassen; aber ich konnte seine Signatur nicht erhalten, <hi rendition="#g">weil er am Mittagsessen war</hi>.&#x201C;</p>
          <p>Herr Recurt <hi rendition="#g">dinirte!</hi> Und darum wird eine Ordre von der höchsten Wichtigkeit, welche die Insurrektion verhindert hätte, nicht unterzeichnet.</p>
          <p>Diese Ordre war durch die Exekutivkommission selbst Herrn Recurt gegeben um <hi rendition="#g">3 Uhr Morgens</hi>. Und wann wird sie unterschrieben? Um <hi rendition="#g">7 Uhr Abends</hi>. Verlust von 9 Stunden, die Frankreich Ströme von Blut gekostet haben. Aber was wollt Ihr! <hi rendition="#g">Herr Recurt (vom National) war am Diniren</hi>.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rebillaud</hi>, Gendarmerie-Oberst, bezeugt.</p>
          <p>&#x201E;Die Kaserne der Francs-Bourgeoisie wurde anderthalb Tag lang belagert; sie ergab sich nicht, obgleich von 1500 Mann angegriffen: es bedurfte im Anfange nur <hi rendition="#g">150 Mann (und man hatte sie verlangt), um die Barrikaden zu verhindern</hi>.&#x201C;</p>
          <p>Hr. <hi rendition="#g">Rey</hi>, Almosenier des Val-de-Grace, sagt aus:</p>
          <p>&#x201E;Freitags gegen Mittag war ich auf dem Pantheonplatze und sah Barrikaden aufgeworfen in der Rue Soufflot. Niemand widersetzte sich, obgleich 3 bis 400 Zuschauer zugegen waren. Ich forderte 4 bis 5 Nationalgarden auf, gegen die Barrikaden zu marschiren; <hi rendition="#g">sie schlugen es ab, weil sie nicht stark genug seien</hi>. Des andern Morgens war ich an demselben Platze; einige Nationalgarden interpellirten lebhaft einen Offizier und beklagten sich, keine Ordres erhalten zu haben.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Rousseau</hi>, Bataillonschef von der elften Legion, sagt aus:</p>
          <p>&#x201E;Ein Offizier drs Generalstabs war genöthigt, zu befehlen, zwei Bataillone zur Nationalversammlung zu schicken. Der beim Luxembourg kommandirende Offizier widersetzte sich dem Abmarsche dieser Truppen. Man war gezwungen, ihm zu sagen: <hi rendition="#g">Es handelt sich hier für Sie um ein Kriegsgericht</hi>. Am Donnerstag (22. Juni) war das ganze Quartier in lebhafter Aufre-
</p>
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</TEI>
[0761/0003] ung der Waffen ist gestern Abend wieder abgelaufen. Heute in der Frühe ist ausgetrommelt worden, jeder Bürger habe sein Gewehr in den Hausflur zu setzen, aus welchem die Soldaten es holen sollten. Wir sind voll Erwartung, ob bei dieser Manipulation nicht endlich der erste Schuß fällt, und ob nach demselben unsere Landeskinder im bunten Rocke noch ferner mit uns fraternisiren werden. Es ist wahr, bis jetzt haben sich weder Soldaten noch Bürger zu beklagen. Die Ersteren erhalten von den Letzteren Schnaps, Tabak, Plakate, Händedrücke etc. gratis, dafür bekommen die Letzteren auf ihre ewigen Fragen: ihr schießt doch nicht auf uns? unfehlbar ein dumpfes „Nein!“ So leben wir, so leben wir etc. Die Herren L. Buhl, May und Stein hatten gestern eine heldenmüthige Aufforderung an die Bevölkerung erlassen: an einem Klub in der Leipzigerstraße trotz des Belagerungszustandes Theil zu nehmen. Man hätte nun in Einfalt denken sollen, diese Herren Demokraten würden doch wenigstens dafür gesorgt haben, daß der Klub ungestört bliebe, oder Gewalt mit Gewalt vertrieben werde. Doch nein — nach Eröffnung des Klubs kamen die Herren Militärs und jagten die Herren Demokraten fort. Hr. Stein hatte das Vergnügen auf 1/4 Stunde verhaftet zu werden. Suum cuique. Die Presse der „Reform“ ist diese Nacht um 3 Uhr versiegelt worden. Ruge wird von der Polizei gesucht. 1 Uhr. Die Entwaffnung hat begonnen. Man wählt zuerst die guten Viertel: Linden, Behrenstraße. Die Soldaten machten dort Beute und verhafteten u. A. drei Kammergerichtsassessoren, die ihre Waffen nicht abgeben wollten. Man hofft, daß das Militär in den demokratischen Vierteln auf energischen Widerstand stoßen werde. 6 Uhr. Es ist vollkommen ruhig in der Stadt. Beim besten Willen kann ich nur im telegraphischen Depeschenton schreiben. Die friedliche Waffenauslieferung in einigen Straßen der Friedrichsstadt ist fortgesetzt worden. Der Demokrat v. Hochstätter wurde verhaftet. Zwei Bataillone der Bürgerwehr (das 5. und 14.) erklären in einem Anschlage, daß sie die Waffen nicht abgeben werden. Karlsruhe. Das Karlsruher Hofblättchen berichtet über die Berliner Ereignisse in folgender heiterer Weise: Berlin schaut sich verdutzt und verblüfft an, und aus jedem Blicke lies't man die Worte: „Ist es möglich, in einem Tage und so leichten Kaufes solche Umwandlung?“ Die Stadt hat ihr volkssouveränes rothbärtiges Antlitz mit dem befiederten Kalabreserhut abgelegt und das preußische Militärgesicht lacht strahlend aus dem bebuschten Helm hervor. General Wrangel, welcher sein Hauptquartier im hiesigen königlichen Schlosse aufgeschlagen hat, ist seit gestern das sichtbare Oberhaupt der Stadt. Im Kriegsministerium rathschlagt das Gesammtministerium in Permanenz, die kräftigsten Maßnahmen nach allen Seiten hin schleudernd. Man kann sagen, in Berlin ist ein Kaiserschnitt gemacht worden. Italien. * Nachrichten aus Turin vom 10. November melden eine wichtige Krise. Beim Schluß der dritten und letzten geheimen Sitzung der piemonteschen Deputirtenkammer, in welcher das Ministerium seinen Rechenschaftsbericht zu Ende führen sollte, zog sich die Opposition in Masse zurück. Turin befand sich in Folge dieses Schrittes der Linken in der lebhaftesten Aufregung. — Zu Genua hatte man am 9. Nov. den Advokaten Pellegrini verhaftet. Nach Briefen aus Rom vom 4. Nov. hielt man den Rücktritt des Kabinets Rossi für wahrscheinlich. — In Padua ging es gegen Ende Okt. entsetzlich zu. Das östreichische Militär gab sich allen erdenklichen Exzessen hin: Mord, Diebstahl und Nothzucht gehörten zu den alltäglichen Dingen. Welden war niemals zufrieden; er plünderte die öffentlichen Kassen und brandschatzte sonst auf jede Weise. Nacht für Nacht fanden in den Kasernen Füsiladen statt. — Aus Neapel meldet man unterm 4. Nov., daß Mr. Tempel zum großen Bedauern des Königs, des Ministeriums und der auswärtigen Diplomatie, noch nicht von Marseille eingetroffen war. Neapel war fortwährend ruhig. Ebenso Palermo und Messina. Französische Republik. 19 Paris, 14. Nov. Wenn Sie in den Fabrik-Korrespondenzen der deutschen Blätter, oder in den französischen Reaktions-Journalen pomphafte Phrasen über das vorgestrige Konstitutionsfest lesen, so glauben Sie kein Wort von all diesen Prahlereien. Ein Fest zur Feier der Konstitution! Die Feier war nichts als eine bewaffnete Drohung der Bourgeoisie gegen das Volk. Vater Marrast stand unter einem purpurnen Baldachin auf dem Altar, und las das große Werk, welches die Nationalversammlung unter so bittern Schweißtropfen, unter Kanonendonner, Belagerungszustand, nächtlichen Schlächtereien des Volkes, Vernichtung aller errungenen Freiheiten, zu Stuhl gefördert hat; der Erzbischof gab den Segen der Kirche dazu, und der General Cavaignac ließ die ganze Pariser Militärmacht, welche 4 Stunden Zeit dazu gebrauchte, vorbeimarschiren, um dem Volk die Ermahnung zu ertheilen, das heilige Buch der Bourgeoisherrschaft nie zu berühren. Die „Honetten,“ die Pfaffen und das Säbelregiment, — erbauliche Verbrüderung! Ueber dem Baldachin, unter welchem Marrast stand, hatte man die lächerliche Inschrift angebracht: Liebet Euch untereinander! Und gerade hinter dem Baldachin befindet sich der Souterrain des Tuileriengartens, in welchem die Garde mobile nach der Junischlacht drei Nächte lang die gefangenen Insurgenten durch Pelotonfeuer niedermordeten. Liebet Euch untereinander! Der Marquis der „Honetten“ las die Konstitution, welche das Recht der liebevollen Wölfe der Bourgeoisie garantiren soll, ihre geliebten Proletarier-Schafe zu plündern und auszusaugen, und der Säbel Cavaignac's zeigte sodann dem souveränen Volke die kleine Macht von 400,000 Bajonetten, um ihm den nöthigen Respekt vor dieser brüderlichen Liebe einzuflößen. Das war die ganze Historie der Konstitutionsfeier. Das Volk hatte sie richtig verstanden, denn es war fortgeblieben. Auf dem ganzen Platz sah man nur Juden, Börsenspekulanten und Bourgeoisweiber: nirgends eine Arbeiterblouse. Auch die Nationalgarde aus dem revolutionären Toulouse, für welche besonders Quartier gemacht war, hatte sich nicht eingefunden; ihre Erklärung lautete, daß sie in der Proklamation dieser Konstitution keinen Grund zu Festlichkeiten finde! Es war ein schmutziges Fest. Die Nationalgarden sahen ärgerlich aus, daß der Schnee ihre gestickten Uniformen verdarb; das „Vive la Republique“ war sehr spärlich, und aus der 10. Legion rief man fast allgemein: „Vive la Republique democratique et sociale!“ Die braven Mobilen dagegen waren schon Morgens um 8 Uhr voll ihres süßen Lieblings, des gebrannten Wassers. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb der General Cavaignac so früh, nachdem blos zwei Legionen vorübergezogen waren, das „Liebesfest“ verließ, obwohl einige Franzosen neben mir meinten, er habe Furcht vor einem Attentat. „Liebet Euch untereinander!“ Zweifelt Herr Cavaignac, daß die Arbeiter (vielleicht bald) Liebe mit Liebe vergelten könnten? Paris, 15. Nov. Die Nachrichten aus Berlin werden verschlungen. Aber unsere innern Angelegenheiten beschäftigen uns so, daß wir keine Zeit zu langen Kommentaren haben. Fast alle Journale klatschen der preußischen Nationalversammlung Beifall zu, nur die alte Hyäne „Union“ macht die beißende Bemerkung: „Unsere Berichte aus Berlin reichen bis zum 11. Novbr. Nachmittags 4 Uhr. Bis zu diesem Augenblick hatte man noch keinen Kampf gewagt. Die Besiegung der Wiener bringt die Emeutiers von Berlin zum Nachdenken.“ Armer Heinrich! Armer Lübis! Wie wenig kennt Ihr die deutschen Zustände. Es ist ein wahrer Jammer um die Pariser legitimistische Presse. — Marrast's gestrige Wiederwahl zum Präsidenten der Nationalversammlung hat die Spekulanten des Opernganges bedeutend verblüfft. Durch diese Wahl kennt man die eigentliche Stärke der Rue de Poitiers (rechts) oder der sogenannten Thierspartei. Sie beträgt nur 146 Mann und hat sehr enttäuscht. — Die Rue de Poitiers hat sich gespalten. Rechts sitzen Constitutionnel und Presse mit einigen legitimistischen Ueberbleibseln und links sitzen seit gestern Journal des Debats und Siecle. Die Rechte stimmt für Louis Bonaparte und die Linke hat sich für Cavaignac ausgesprochen. Die erste Frucht dieser Spaltung war die gestrige Wiederwahl Marrasts, die um so wichtiger ist, als sie gerade in die Periode der Präsidentenwahl fällt. — Gestern Abend war die Hälfte der Tuilerien (Galerie Diana), zum ersten Male seit dem Sturze des Königthums wieder glänzend erleuchtet. Changarnier, Befehlshaber der Bürgerwehr, gab den zum Verfassungsfest herbeigeeilten Offizieren darin ein großes (Verbrüderungs) Gastmahl. — In einem Briefe, worin er der fremden und hiesigen Bürgerwehr für ihren Eifer am Verfassungsfest dankt, sagt Marrast wörtlich: „Mein Herr und Kollege (Changarnier)! Ich muß Ihnen im Namen des Bureaus der Nationalversammlung für die vortreffliche Ordnung danken, die am Sonntage bei allen Bewegungen der unter Ihrem Befehl stehenden Bürgerwehr obwaltete. Ich glaube nur der Uebersetzer der Gefühle der Nationalversammlung zu sein, wenn ich in ihrem und meinem Namen für die große Theilnahme an der feierlichen Promulgation der Verfassung diese Dankgefühle ausspreche. Paris hat schon einmal das Schauspiel genossen, die Bürgerwehr der Stadt und Umgegend muthig herbeieilen und im Verein mit unserm tapferen Heere für Rettung der bedrohten Civilisation kämpfen zu sehen (marcher ensemble avec courage ainsique notre vaillante armée au secours de la civilisation menacée) u. s. w. Paris, 13. Novbr. 1848. (gez.) A. Marrast, Präsident der Nationalversammlung.“ — Der Minister des Innern hat auf das Gerücht hin, daß sich in Metz, Straßburg und andern Gränzorten neue deutsche Freischaaren zu bilden im Begriffe ständen (was übrigens eine reine Erdichtung mehrerer reaktionärer Blätter wäre) um neue Einfälle in die deutschen Grenzländer zu beabsichtigen, ein Rundschreiben an sämmtliche Ost-Departements-Präfekten erlassen, worin er die strengste Vorsicht bei fernerer Verleihung von Pässen sowohl für Deutsche als Franzosen, welche nach Deutschland Pässe verlangen, zu beobachten befiehlt. — Der Kassationshof versammelte sich heute Vormittags, um laut der neuen Verfassung zur Wahl derjenigen Glieder zu schreiten, welche mit den Gliedern der Nationalversammlung in den neugeschaffenen Justizhof für Hochverräther treten sollen. Gewählt wurden: 1) Rochez, 2) Berenger, 3) Harduin, 4) Hello, 5) Boissieux. Die Herren Pataille und Delapalme sind zu Stellvertretern ernannt worden. — Eine Post aus Neapel vom 2. Nov. meldet, daß Admiral Baudin mit 2 Kriegsfregatten gegen Tunis gesegelt ist, um den dortigen Bey, welcher Miene macht, die französische Republik nicht anzuerkennen, zur Rechenschaft zu ziehen. — Depeschen aus Rom vom 4. Nov. melden, daß sich die dortige Geistlichkeit beeilt hat, die Summe von 4 Mill. Piaster in verschiedenen Zahlungen zur Verfügung des Finanzministers zu stellen, welcher Miene gemacht zu haben scheint, die Konfiskation sämmtlicher Kirchengüter dem Parlament vorzuschlagen, das schwerlich gezögert haben würde, dieselbe auszusprechen. — Zu Narbonne riß die Polizei ein Plakat ab, das auf Wiedereinführung der Guillotine für die Reaktionäre und des Galgens für die Unterstützer der Tyrannen (Präsidenten u. s. w.) bildlich anträgt. — Die Schaufenster der Pariser Bilderläden werden fortwährend belagert. Eine reiche Auswahl von zum Theil sehr geistreichen Zerrbildern gegen Bonaparte, Lamartine, Cavaignac, Ledru-Rollin und Raspail, die fünf Kandidaten für die Heirath der jungen Republik, ziehen stündlich immer mehr Neugierige heran. Die Polizei darf das nicht hindern. — Die zahlreichen Socialistenbankette lassen den Hrn. Marrast nicht ruhig schlafen. Das Bankett der Luxemburgdelegirten und Anhänger Louis Blanc's scheint ganz besonders seinen Schlummer gestört zu haben, denn er hat den Minister des Innern veranlaßt, bei den Organisatoren dieses Banketts mehrere Haussuchungen zu verfügen, gegen welche diese heute in den demokratischen Journalen stark reklamiren. Wahrscheinlich fürchtete Marrast einen neuen Sturm gegen die Civilisation, die unter seinem Scepter so vortrefflich gedeiht, daß über 11,000 Bankrotte angemeldet sind und die Hälfte der Pariser von Almosen lebt. — Marrast begibt sich am nächsten Sonntage nach Arras, um dort die Verfassung in Person vorzulesen. Die dortige Bürgerwehr hat ihn speziell eingeladen. — Die Kriegsgerichte sitzen immer noch fleißig und verurtheilen die Juniräuber immer noch frisch darauf los. Gestern wurden deren zwei zu 15jährigem resp. 10jährigem Gefängniß verurtheilt, weil sie Barrikadengeneräle gewesen! Merci Hr. Marrast. Gestern versammelten sich 3—4000 Zimmerleute, Maurer und Proletarier, um sich zu besprechen, welche Maßregeln sie zu ergreifen hätten, um die Staatsbauten auf eigne Rechnung auszuführen, die auf dem Marsfelde für die Truppen beginnen. Es wurde ein Ausschuß zu Vivien, Staatsbautenminister, geschickt, der ihm jedoch erklärte, daß jene Bauten unter den Bereich des Kriegsministers gehörten, weshalb sie sich an den General Lamoriciere heute wenden sollen. Nicht die geringste Störung ist vorgefallen! National-Versammlung. Sitzung vom 15. November. Vizepräsidend Havin eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Grandin wundert sich, daß der Moniteur nicht das letzte gestrige Skrutin (Namensliste der Stimmenden beim Budget) enthalten habe. Woher das komme? Corbon: Ich präsidirte gestern und da die Versammlung beim letzten Skrutin nicht mehr vollzählig war (500), so wurde dasselbe verworfen und ich untersagte auf den Rath eines der Herren Schreiber das Einrücken der Namen in den Moniteur. (Erstaunen über dieses Verfahren des bornirten Vizepräsidenten „Arbeiters“ Corbon). Etchverry: Ich trug neulich darauf an, gar keinen Urlaub mehr zu bewilligen. Warum bringt man meinen Antrag nicht zur Sprache. Wenn diese Urlaubssucht fortdauert, so sind wir in wenigen Tagen nicht mehr beschlußfähig Duclerc: Auch heute sind wir schon nicht mehr beschlußfähig. (Oho!) Man beginne den Namensaufruf. Bewilligt. Ein Schreiber schreibt nun Alle auf, die nicht antworten. Man bemerkt darunter Louis Bonaparte, Jerome Bonaparte und dreihundert Andere, die nicht antworten, d. h. abwesend sind. Viele springen aus den Sälen herbei und so mochten wohl etwa 500 vorhanden sein. Man will zur Berathung der Bedingungen schreiten, welche die Arbeiter (Gesellen u. s. w.) zu erfüllen, wenn sie Verträge unter einander Behufs Ausführung von Bauten u. dgl. abschließen wollen. Diese Associationsverträge sind als Hauptfebruarprodukt höchst wichtig. Bineau, der Budgetmann, protestirt gegen diese Verdrängung der Budgetdebatte. Tourret, Handelsminister, sagt: Ich bin es, der die Tagesordnung hat ändern lassen, weil der Gegenstand eine schnelle Erledigung erfordert. Die National-Versammlung votirte bereits 3 Millionen Fr., um die Arbeiter-Associationen zu unterstützen. Es handelt sich demnächst darum, diese Summe zu vertheilen. Havin: Es blieb gestern noch ein Skrutin über den Antrag Stourms auf 10,000 Fr. Reduktion vom Unterrichtsbudget zu erledigen über. Dies möchte vor allen Dingen erledigt werden. Dies geschieht. Die Reduktion wird mit 300 gegen 235 Stimmen angenommen. Jetzt schreitet die Versammlung zur Berathung des Gesetzentwurfs rücksichtlich der Arbeiter-Associationsverträge. Tourret, Minister: Sie haben also 3 Millionen Fr. votirt, um diese Verträge zu ermuthigen. 440 Arbeiter-Associationen haben sich gemeldet, um an diesem Kapital Theil zu nehmen. 35 sind zugelassen worden, 144 wurden verworfen. Alle diese Anträge wurden von einer Kommission sorgfältig geprüft. 574,000 Fr. fallen hiernach auf Paris; 800,000 Fr. auf die Departements. Also im Ganzen wurden etwa 1,374,000 Fr. vertheilt. Die übrigen sind noch zu berücksichtigen und warten auf Bescheidung. Daher die Dringlichkeit der Sache. Drucker, Uhrmacher, Schmiede, Tischler, Färber u. s. w. sind es besonders, die sich associrten. Sind auch diese Associationen noch unvollständig, so sind sie doch eine Uebergangsbrücke. Vorläufig handelt es sich vor Allem um Sportelfreiheit für ihre Verträge. Corbon will für das Dekret stimmen, wenn man dadurch nicht den Socialismus und Kommunismus ermuntere. (Murren vom Berge.) Der Entwurf (1. Artikel) wird angenommen. Art. 2 des Gesetzentwurfs über die Arbeiter-Associationen lautet: „Die Darlehen, die der Staat den Arbeiter-Associationen macht, sind mit 3 Prozent zu verzinsen. Eben so sind die Darlehen des Staates selbst zurückzuzahlen, je nachdem die Associationen prosperiren. Die Zinszahlungen sowohl, als die Kapitalrückzahlungen, werden in die Staatskasse geleistet, und daraus ein Fonds gebildet, aus welchem künftig nach gegenwärtigem Gesetze und im Namen des Gesetzes vom 5. Juli c., wieder neue Associationen unterstützt werden sollen, sei es zwischen Arbeitern und Arbeitern, oder Arbeitern und Meistern etc.“ Dupin, der Alte, fürchtet, daß diese Neuerung zum Sozialismus und Kommunismus führe, und bekämpft sie. Alcan und Tourret unterstützen sie jedoch, und der Entwurf geht durch. Das ganze Gesetz wäre somit erledigt. Fould wünscht, daß man die Tresorbons und Sparkassenbüchel Entschädigungsvorschläge der Regierung, von denen gestern die Rede war, sofort oder morgen diskutire; die Börse würde sich dann mehr beruhigen. (Ja, Ja, Nein! Nein!) Trouvé Chauvel, Finanzminister, hat nichts dagegen. Er ist bereit. Bineau und Fauilos bekämpfen jedoch diese Eile. Der Montag sei festgesetzt. (Derselbe bleibt für die Berathung vorbehalten und Hr. Fould muß Geduld haben.) Die Versammlung kehrt zum Unterrichts-Büdget zurück und genehmigt die davon noch übrig gebliebenen Posten. Die Sitzung wird um 6 1/4 Uhr geschlossen. * Herr Cavaignac. (Fortsetzung statt Schluß.) Herr Moreau, Volksrepräsentant, ehemaliger Maire des achten Arrondissement, bezeugt: „Am Donnerstag Abend, den 22. Juni, sah ich eine Menschenmasse von 2000 Mann ungefähr; sie gaben sich ein Rendezvous für den andern Morgen. Man begann wirklich mit den Barrikaden am andern Morgen. Herr Recurt kam frühzeitig auf die Mairie. Ich gab Ordres, die von einem Beamten der Mairie schlecht ausgeführt wurden. Ich begab mich selbst auf den Weg und ließ die begonnenen Barrikaden zerstören. Der Rappel führte wenig Nationalgarde herbei, 2 oder 300. Auf meine Forderung, ein Regiment der Linie zu beschaffen, antwortete Recurt, daß dieß ihn nichts angehe. Die Emeute wurde stärker, man kam der Mairie ankündigen, es sei nothwendig, gegen die Nationalversammlung zu marschiren. Ich weigerte mich. Nationalgarden wurden gezwungen, Theil am Barrikadenbau zu nehme. Um 2 Uhr Freitags (23. Juni) kam Besloy. Er wurden gebeten, Mannschaften zu schicken; er nahm Notizen auf und entfernte sich. Ein einziger Polizeikommissar leistete mir wirkliche Dienste, um 2 1/2 Uhr kam eine Patrouille von 350 Mann auf die Mairie. Es wurde Abend. Recurt und Bixio kamen gegen 4 Uhr. Garnier-Pagès und Pagnerre langten endlich an und sagten beim Eintreten in die Mairie: „Sein Sie ruhig; man wird Ihnen Hülfe schicken.“ Niemand kam. Mit einem Worte, wenn das Fb. St. Antoine nicht verlassen und ohne Hülfskräfte geblieben wäre, es wäre nicht der Emeute anheimgefallen. Ich hätte es behauptet.“ Man sieht: alle Zeugnisse stimmen in diesen 2 Punkten überein. Die Insurrekton war vorhergesehen. Der Insurrektion war leicht zuvorzukommen. Sehr wichtig sind die zwei folgenden Zeugenaussagen, die eine von Pagnerre, Sekretär der provisorischen Regierung, die andere von Panisse, Direktor der Sicherheitspolizei im Ministerium des Innern. Herr Paguere: „Ich glaube, daß wenn der Befehl die 56 Delegirten und Pujol zu arretiren, vollstreckt worden wäre, man wahrscheinlich der Insurrektion zuvorgekommen wäre. Der Befehl, Herrn Püjol und vier andere Individuen zu arretiren wurde dem Polizeipräfekten direkt ertheilt; aber der Befehl, die 56 Delegirten der Nationalversammlung zu arretiren, wurde am 22. Juni um 3 Uhr Morgens Herrn Recurt selbst gegeben.“ Herr Panisse: „Am 22. Juni, um 7 Uhr Abends, empfing ich den schriftlichen Befehl von Herrn Recurt, datirt vom Luxemburg, die 56 Delegirten des 12. Arrondissements arretiren zu lassen. Ich ließ die Verhaftsbefehle ausstellen: ich wollte sie am Abende durch Hrn. Recurt unterzeichnen lassen; aber ich konnte seine Signatur nicht erhalten, weil er am Mittagsessen war.“ Herr Recurt dinirte! Und darum wird eine Ordre von der höchsten Wichtigkeit, welche die Insurrektion verhindert hätte, nicht unterzeichnet. Diese Ordre war durch die Exekutivkommission selbst Herrn Recurt gegeben um 3 Uhr Morgens. Und wann wird sie unterschrieben? Um 7 Uhr Abends. Verlust von 9 Stunden, die Frankreich Ströme von Blut gekostet haben. Aber was wollt Ihr! Herr Recurt (vom National) war am Diniren. Rebillaud, Gendarmerie-Oberst, bezeugt. „Die Kaserne der Francs-Bourgeoisie wurde anderthalb Tag lang belagert; sie ergab sich nicht, obgleich von 1500 Mann angegriffen: es bedurfte im Anfange nur 150 Mann (und man hatte sie verlangt), um die Barrikaden zu verhindern.“ Hr. Rey, Almosenier des Val-de-Grace, sagt aus: „Freitags gegen Mittag war ich auf dem Pantheonplatze und sah Barrikaden aufgeworfen in der Rue Soufflot. Niemand widersetzte sich, obgleich 3 bis 400 Zuschauer zugegen waren. Ich forderte 4 bis 5 Nationalgarden auf, gegen die Barrikaden zu marschiren; sie schlugen es ab, weil sie nicht stark genug seien. Des andern Morgens war ich an demselben Platze; einige Nationalgarden interpellirten lebhaft einen Offizier und beklagten sich, keine Ordres erhalten zu haben.“ Rousseau, Bataillonschef von der elften Legion, sagt aus: „Ein Offizier drs Generalstabs war genöthigt, zu befehlen, zwei Bataillone zur Nationalversammlung zu schicken. Der beim Luxembourg kommandirende Offizier widersetzte sich dem Abmarsche dieser Truppen. Man war gezwungen, ihm zu sagen: Es handelt sich hier für Sie um ein Kriegsgericht. Am Donnerstag (22. Juni) war das ganze Quartier in lebhafter Aufre-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 146. Köln, 18. November 1848, S. 0761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz146_1848/3>, abgerufen am 25.04.2024.