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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 148. Köln, 21. November 1848. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 148. Köln, Dienstag den 21. November. 1848.

Den auswärtigen Freunden der "Neuen Rheinischen Zeitung" zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf.

Köln, 16. November 1848. Die Expedition der "N. Rh. Ztg."

Keine Steuern mehr!!!

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
Aufruf.
Köln, 20. November.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 20. Novbr.

Nach Berichten aus Berlin soll das Ministerium Brandenburg-Manteuffel gestürzt und ein neues, aus Camphausen, Beckerath und Unruh bestehend, gebildet worden sein. Das neue Ministerium, heißt es weiter, habe das Verbleiben der Nationalversammlung in Berlin als seine erste Bedingung aufgestellt.

Köln.

Liebe Kameraden und Brüder in der Linie.

Wir Landwehrmänner, die wir als Jünglinge das waren, was Ihr seid, ichten einmüthiglich an Euch unser männliches, aus treuem Herzen hervorgehendes Wort. Wir beschwören Euch im Namen Eurer Väter, im Namen Eurer Brüder, die unter uns sind, höret uns an und beherziget unsern Zuspruch:

Von unsern Vertretern in Berlin, von den Männern, die wir, die viele unter Euch, liebe Kameraden, als die besten und treuesten, gewählt haben, unsere gemeinsamen Rechte zu sichern, von diesen Ehrenmännern, von welchen auch viele in unsern Reihen gestanden haben, erschallt der Ruf:

Das Vaterland ist in Gefahr!

Ja, Kameraden, das Vaterland ist in Gefahr, nicht durch die Heere feindlicher Mächte, nicht durch des Aufruhrs wilde Rotten, nein, das ganze Volk ist verletzt durch die verrätherischen Diener der Krone. Auf uns, auf die Wehr des Landes, blicken unsere Brüder, blicken unsere Väter und Mütter mit Vertrauen; an uns erschallt der laute Ruf: Landwehr, zeige dich als des Landes Wehr!

Der hochselige König, Friedrich Wilhelm III., genannt der Gerechte, sagte: Der Soldat schwört Treue dem Könige und dem Vaterlande, doch der heiligste von den beiden Eiden gilt dem Vaterlande!

Treue Kameraden, wir können nicht wanken und zweifeln. Das Vaterland, wir, werden vertreten und beschützt durch unsere muthigen und kühnen Vertreter in Berlin. Unsere heiligste Pflicht ist es, diese muthigen, treuen Männer mit Gut und Blut zu vertreten und zu beschützen. Wie sie erklärt haben, wir stehen und fallen mit dem Volke, so rufen wir Reservisten, Landwehr 1. und 2. Aufgebots einstimmig ihnen mit feuriger Begeisterung zu:

Wir stehen und fallen mit der National-Versammlung.

Kameraden, sollte, was Gott der Allmächtige verhüten möge, die Stunde schlagen, wo wir für die Freiheit, für unsere heiligen Rechte, mit gewaffneter Hand in die Schranken treten müssen, so haben wir das Vertrauen zu Euch, Brüder, daß Ihr nicht die Waffen gebraucht, gegen uns, Eure älteren Kameraden, nicht gegen unsere Brüder, die Bürgerwehr. Wir haben einmüthig beschlossen, nicht auf Euch, unsere Brüder, die mörderische Waffe anzulegen, und Bruderblut zu vergießen. -- Dafür behüte uns Gott! Wir beschwören Euch, thut desgleichen.

Sollte es zum Kampfe kommen, der, so scheint es, jetzt unvermeidlich ist, und wir greifen Euch an, so marschiren wir, Gewehr im Arm, unaufhaltsam auf Euch los; wir schießen nicht, schießt auch Ihr nicht! Wenn auch einzelne unter Euch nach Bruderblut lechzen, die Kugeln in unsere Reihen senden, wir geben Euch das ehrliche Landwehrwort, wir schießen nicht wieder. Doch kommen wir Euch so nahe, daß wir uns Aug' in Aug' sehen können, und ihr fliegt dann nicht in unsere offenen Arme, Ihr zeigt uns dann herausfordernd die blanke Waffe, dann Wehe Euch und uns! Fluch dem, der den brudermörderischen Kampf beginnt! das Gewissen wird einst sein fürchterlicher Richter sein.

Wer aus dem Kampfe als Sieger hervorgeht, das ist noch ungewiß, wenn Ihr Euch zu Werkzeugen der Hofpartei hergebt, wenn Ihr Euch gebrauchen laßt, Euren Brüdern, Euren Vätern die Freiheit rauben zu wollen. Es wird entschieden sein, wenn Ihr nicht kämpft, wenn Ihr die herrlichsten Vorschriften der Religion, die Kindes- und Bruderliebe noch nicht vergessen habt.

Halberstadt, den 13. November 1848.

Im Namen ihrer Kameraden.

Salomon, Lieutenant der Landwehr-Pioniere.
Zinner, Lieutenant im 1. Bat. 27. Reg.
G. Winkler, Unteroff. der Landw.-Art. des 1. Bat. 27. Reg.
Schraube, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg 1. Aufg.
Frantz, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg. 1. Aufg.
Diekhoff, Unteroff. im 2. Aufg.
A. Grabenhorst, Wehrmann im 2. Aufg.
M. Müller, Wehrmann im 2. Aufg.
L. Hackfuß, Wehrmann im 1. Aufg. G.-L.
H. Heitefuß, Reservist der 4. Art.-Brig.

103 Berlin, 19. Nov.

Der vereinigte Instruktions- und Kriminalsenat des Kammergerichts hat in seiner Sitzung vom 17. d. M. mit 16. gegen 13 Stimmen beschlossen:

daß der Belagerungszustand von Berlin ungesetzlich, die Nationalversammlung in ihrem Rechte und in Erwägung dessen die Sistirung sämmtlicher Prozesse in dem Geschäftsbezirke des Kammergerichts anzuordnen sei.

Es steht in Aussicht, daß auch der Ober-Appellationsgerichts-Senat und somit das ganze Kammergericht diesem Beschlusse beitreten wird.

Die Auditeure der jetzt hier in Berlin stehenden Truppen haben sich entschieden geweigert, Kriegsgericht über Personen vom Civilstande abzuhalten, welche wegen Uebertretung der Wrangelschen Anordnung über den Belagerungszustand verhaftet worden sind; insbesondere haben sie angenommen, daß der § 18 des Militärstrafgesetzbuchs von 1845 auf die gegenwärtige Lage der Stadt Berlin durchaus nicht Anwendung finden kann, wenngleich Wrangel in seiner Proklamation sich auf jene Gesetzbestimmung zur Begründung seiner Anordnung bezogen hat. Vorzugsweise hat sich in dieser Art der Vorsitzende des Kriegsgerichts, Geh. Rath Saalbach, energisch ausgesprochen. Zur Beseitigung dieser Bedenken hat der General Wrangel eine, von sämmtlichen Ministern kontrasignirte Kabinetsordre extrahirt, in welcher der General Wrangel autorisirt wird, kriegsgerichtliche Erkenntnisse, selbst wenn sie auf den Tod lauten, statt des Königs zu bestätigen und zu vollstrecken. Die Auditeure haben sich jedoch hierdurch nicht bewegen lassen, von ihrer ausgesprochenen Erklärung abzugehen.

X Berlin, 18. Nov.

Der Oberst von Sommerfeld, welcher den Befehl ausführen mußte, die Kommission der Nationalversammlung aus dem Schützenhause mit Militärgewalt zu vertreiben, hat seine Entlassung eingereicht.

Der Major v. Herwarth soll nach Spandau abgeführt sein, weil er bei der Vertreibung der Nationalversammlung aus dem Sitzungslokale im Milentz-Hotel, am Abend des 16. Nov. nicht energisch genug verfahren sei.

Zwei Hauptleute der Soldaten, die das Schützenhaus besetzten, als der Vicepräsident Plönnies am 13. d. M. mit Gewalt hinausgetrieben ward, haben den dort anwesenden Personen erklärt: "Meine Herren, glauben Sie nur, der Mund muß schweigen, das Herz muß brechen, die Nationalversammlung wird siegen."

Wir können aus zuverlässiger Quelle versichern, daß die Minister anfangen, die Gesetzmäßigkeit ihrer Maßregeln zu bezweifeln. Sie fangen an zu begreifen, daß, da sie verantwortliche Minister und zwar der Nationalversammlung verantwortlich sind, eine logische Folge dieser Verantwortlichkeit ist, daß die Nationalversammlung über die Gesetzlichkeit der Vertagung und Verlegung urtheilen konnte. Aber zugleich fühlen Sie auch, daß Sie zu weit gegangen sind, um zurückzugehen, und sie sind entschlossen, die Reaktion auf's Aeußerste zu treiben, weil es sich um ihre eigene persönliche Existenz handelt. Die Minister sind entschlossen, um ihre Existenz zu retten, das Land dem größten Unglück auszusetzen. Der Plan, den sie befolgen wollen, ist dieser:

Zunächst werden alle bedeutenden Städte in Belagerungszustand gesetzt werden, damit die Presse erstickt werde. Dann sollen die Provinzen einzeln, die eine nach der andern, wieder erobert werden. Die disponible Militärmacht wird zuerst in einer Provinz zusammengezogen; ist diese bezwungen, so wird die Landwehr herausgezogen, und mit der Linie vereint, in eine zweite Provinz geschickt, um diese zu unterdrücken, und so weiter.
Man hofft die Permanenzen einander gegenüber zu stellen, wie Oesterreich die Nationalitäten einander gegenüberstellt. Sind so die Provinzen eine nach der andern durch Concentration einer großen bewaffneten Macht bezwungen, so sollen alle Freiheiten für immer erstickt bleiben.

Auch in Westphalen hat das Verhalten der Nationalversammlung den größten Anklang gefunden, namentlich in Stadt und Kreis Münster. Die Stadtverordneten von Münster haben eine Zustimmungs-Adresse nach Berlin eingesandt. Die Bürgerwehr daselbst erklärt: "dem Ministerio Brandenburg den entschiedensten Widerstand entgegensetzen zu wollen", verlangt vom dasigen Magistrat für den Nothfall hinlängliche Munition und fordert sämmtliche Bürgerwehren Westphalens auf, sich ihrer Erklärung und ihren Plänen anzuschließen. Außerdem haben mehrere einflußreiche und angesehene Männer, sowie verschiedene Vereine in Paderborn, Bielefeld, Ahaus, Telgte, Drensteinfurt öffentlich einen Aufruf "an das Volk Westphalens" im Westphälischen Mer[unleserliches Material]r erlassen, worin zur Bildung von Sicherheitsausschüssen und einem Kongresse in Münster eingeladen wird, für die Sache und die Rechte der preußischen Nationalversammlung.

X Berlin, 19. Nov.

Unzählige Verhaftungen um nichts und wieder nichts werden täglich vorgenommen. Wer nur mit einem Soldaten spricht, wird der Verführung des Militärs angeklagt, vor ein Kriegsgericht gestellt und Wrangel hat vom Könige das Bestätigungsrecht aller kriegsrechtlichen Urtheile erhalten, mit dem Befehle solche sofort zu vollstrecken.

Gestern ist auch ein Soldat auf der Hasenheide bei Berlin erschossen worden, weil er, wie man sagt, vor einigen Tagen in Civilkleidern einer heimlichen Volksversammlung beigewohnt hat.

Dabei ist ein solches Spionirsystem eingeführt, daß keiner dem andern traut, und man in den Kaffee's und sonstigen öffentlichen Häusern kein lautes Gespräch, sondern nur ein leises Flüstern einzelner Personen hört.

Die Zellengefängnisse von Moabit wimmeln von Gefangenen.

Um das System hier ganz sicher zur Ausführung zu bringen, werden die Truppen täglich hier vergrößert. Es stehen jetzt in und um Berlin circa 70,000 Mann.

Ein Stern leuchtet uns in dieser düstren Nacht. Es ist die kräftige Erhebung der Bürger und namentlich der Landwehr, die sich von den verschiedensten Landestheilen kundgibt.

Von allen Seiten strömen der Nationalversammlung Adressen zu, worin dieselbe angegangen wird, nur die nöthigen Befehle zum Aufstande und zur Bewaffnung zu ertheilen. Es ist dieß natürlich Unsinn. Das Land muß handeln. Die Nationalversammlung giebt Gesetze. Die Nationalversammlung vertritt nur das Volk. Wie kann sie thatkräftig ein thatenloses Volk vertreten?

Zweihundertfünfzig Deputirte haben sich schriftlich verpflichtet, zu jeder Zeit und an jedem Orte, wo der Präsident sie hinberufen wird, zu erscheinen. Und die elende Galgenzeitung, redigirt von dem Hofschauspieler und Hanswurst Schneider nennt diese ungeheure Majorität der Nationalversammlung den Club Unruh! Nur noch Hofschauspieler sind "mit Gott, für König und Vaterland."

v. Wittgenstein, der wieder hier und in Potsdam tagen soll, steht nicht auf der Liste. Dieses Subjekt, einer Familie angehörig, die schon einmal die Rheinprovinz an die Preußen verrathen, steht nicht auf der Liste. Der Exminister Milde ist wieder in die National-Versammlung getreten.

An den Brandenburg hat Milde geschrieben, er habe die Habeas-Corpus-Akte aufs Schmählichste verletzt. Er, der das Gesetz als Fahne vor sich trage, möge doch für die Aufrechterhaltung der Gesetze sorgen. Der Hochverräther Brandenburg hat geantwortet, das gehe ihm nichts an. Das thue Wrangel, der dies zu verantworten habe und verantworten werde. Diese Korrespondenz hat Milde dem Präsidenten Unruh im Originale mitgetheilt.

* Berlin, 19. November.

Die Abgeordneten haben folgenden Aufruf erlassen:

Preußen!

Die National-Versammlung hat gegen die ungesetzlichen Gewaltmaßregeln des Ministeriums Brandenburg an das preußische Volk appellirt und Millionen haben geantwortet. Mit einstimmigem Jubel hat man unsere Beschlüsse für die Ehre und Freiheit des Vaterlandes anerkannt.

Auch die Krone hat die Volksstimme aufgefordert, sich zu erheben.

Es ist geschehen, und -- man sperrt den König ab vom Volke! "Man könne nicht zugeben," hat das Ministerium Brandenburg die Stirne, öffentlich zu sagen, "daß das Gefühl des Königs weich gemacht werde!!"

Eure Adressen werden nicht überreicht, Eure Deputationen nicht

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 148. Köln, Dienstag den 21. November. 1848.

Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf.

Köln, 16. November 1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“

Keine Steuern mehr!!!

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
Aufruf.
Köln, 20. November.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 20. Novbr.

Nach Berichten aus Berlin soll das Ministerium Brandenburg-Manteuffel gestürzt und ein neues, aus Camphausen, Beckerath und Unruh bestehend, gebildet worden sein. Das neue Ministerium, heißt es weiter, habe das Verbleiben der Nationalversammlung in Berlin als seine erste Bedingung aufgestellt.

Köln.

Liebe Kameraden und Brüder in der Linie.

Wir Landwehrmänner, die wir als Jünglinge das waren, was Ihr seid, ichten einmüthiglich an Euch unser männliches, aus treuem Herzen hervorgehendes Wort. Wir beschwören Euch im Namen Eurer Väter, im Namen Eurer Brüder, die unter uns sind, höret uns an und beherziget unsern Zuspruch:

Von unsern Vertretern in Berlin, von den Männern, die wir, die viele unter Euch, liebe Kameraden, als die besten und treuesten, gewählt haben, unsere gemeinsamen Rechte zu sichern, von diesen Ehrenmännern, von welchen auch viele in unsern Reihen gestanden haben, erschallt der Ruf:

Das Vaterland ist in Gefahr!

Ja, Kameraden, das Vaterland ist in Gefahr, nicht durch die Heere feindlicher Mächte, nicht durch des Aufruhrs wilde Rotten, nein, das ganze Volk ist verletzt durch die verrätherischen Diener der Krone. Auf uns, auf die Wehr des Landes, blicken unsere Brüder, blicken unsere Väter und Mütter mit Vertrauen; an uns erschallt der laute Ruf: Landwehr, zeige dich als des Landes Wehr!

Der hochselige König, Friedrich Wilhelm III., genannt der Gerechte, sagte: Der Soldat schwört Treue dem Könige und dem Vaterlande, doch der heiligste von den beiden Eiden gilt dem Vaterlande!

Treue Kameraden, wir können nicht wanken und zweifeln. Das Vaterland, wir, werden vertreten und beschützt durch unsere muthigen und kühnen Vertreter in Berlin. Unsere heiligste Pflicht ist es, diese muthigen, treuen Männer mit Gut und Blut zu vertreten und zu beschützen. Wie sie erklärt haben, wir stehen und fallen mit dem Volke, so rufen wir Reservisten, Landwehr 1. und 2. Aufgebots einstimmig ihnen mit feuriger Begeisterung zu:

Wir stehen und fallen mit der National-Versammlung.

Kameraden, sollte, was Gott der Allmächtige verhüten möge, die Stunde schlagen, wo wir für die Freiheit, für unsere heiligen Rechte, mit gewaffneter Hand in die Schranken treten müssen, so haben wir das Vertrauen zu Euch, Brüder, daß Ihr nicht die Waffen gebraucht, gegen uns, Eure älteren Kameraden, nicht gegen unsere Brüder, die Bürgerwehr. Wir haben einmüthig beschlossen, nicht auf Euch, unsere Brüder, die mörderische Waffe anzulegen, und Bruderblut zu vergießen. — Dafür behüte uns Gott! Wir beschwören Euch, thut desgleichen.

Sollte es zum Kampfe kommen, der, so scheint es, jetzt unvermeidlich ist, und wir greifen Euch an, so marschiren wir, Gewehr im Arm, unaufhaltsam auf Euch los; wir schießen nicht, schießt auch Ihr nicht! Wenn auch einzelne unter Euch nach Bruderblut lechzen, die Kugeln in unsere Reihen senden, wir geben Euch das ehrliche Landwehrwort, wir schießen nicht wieder. Doch kommen wir Euch so nahe, daß wir uns Aug' in Aug' sehen können, und ihr fliegt dann nicht in unsere offenen Arme, Ihr zeigt uns dann herausfordernd die blanke Waffe, dann Wehe Euch und uns! Fluch dem, der den brudermörderischen Kampf beginnt! das Gewissen wird einst sein fürchterlicher Richter sein.

Wer aus dem Kampfe als Sieger hervorgeht, das ist noch ungewiß, wenn Ihr Euch zu Werkzeugen der Hofpartei hergebt, wenn Ihr Euch gebrauchen laßt, Euren Brüdern, Euren Vätern die Freiheit rauben zu wollen. Es wird entschieden sein, wenn Ihr nicht kämpft, wenn Ihr die herrlichsten Vorschriften der Religion, die Kindes- und Bruderliebe noch nicht vergessen habt.

Halberstadt, den 13. November 1848.

Im Namen ihrer Kameraden.

Salomon, Lieutenant der Landwehr-Pioniere.
Zinner, Lieutenant im 1. Bat. 27. Reg.
G. Winkler, Unteroff. der Landw.-Art. des 1. Bat. 27. Reg.
Schraube, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg 1. Aufg.
Frantz, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg. 1. Aufg.
Diekhoff, Unteroff. im 2. Aufg.
A. Grabenhorst, Wehrmann im 2. Aufg.
M. Müller, Wehrmann im 2. Aufg.
L. Hackfuß, Wehrmann im 1. Aufg. G.-L.
H. Heitefuß, Reservist der 4. Art.-Brig.

103 Berlin, 19. Nov.

Der vereinigte Instruktions- und Kriminalsenat des Kammergerichts hat in seiner Sitzung vom 17. d. M. mit 16. gegen 13 Stimmen beschlossen:

daß der Belagerungszustand von Berlin ungesetzlich, die Nationalversammlung in ihrem Rechte und in Erwägung dessen die Sistirung sämmtlicher Prozesse in dem Geschäftsbezirke des Kammergerichts anzuordnen sei.

Es steht in Aussicht, daß auch der Ober-Appellationsgerichts-Senat und somit das ganze Kammergericht diesem Beschlusse beitreten wird.

Die Auditeure der jetzt hier in Berlin stehenden Truppen haben sich entschieden geweigert, Kriegsgericht über Personen vom Civilstande abzuhalten, welche wegen Uebertretung der Wrangelschen Anordnung über den Belagerungszustand verhaftet worden sind; insbesondere haben sie angenommen, daß der § 18 des Militärstrafgesetzbuchs von 1845 auf die gegenwärtige Lage der Stadt Berlin durchaus nicht Anwendung finden kann, wenngleich Wrangel in seiner Proklamation sich auf jene Gesetzbestimmung zur Begründung seiner Anordnung bezogen hat. Vorzugsweise hat sich in dieser Art der Vorsitzende des Kriegsgerichts, Geh. Rath Saalbach, energisch ausgesprochen. Zur Beseitigung dieser Bedenken hat der General Wrangel eine, von sämmtlichen Ministern kontrasignirte Kabinetsordre extrahirt, in welcher der General Wrangel autorisirt wird, kriegsgerichtliche Erkenntnisse, selbst wenn sie auf den Tod lauten, statt des Königs zu bestätigen und zu vollstrecken. Die Auditeure haben sich jedoch hierdurch nicht bewegen lassen, von ihrer ausgesprochenen Erklärung abzugehen.

X Berlin, 18. Nov.

Der Oberst von Sommerfeld, welcher den Befehl ausführen mußte, die Kommission der Nationalversammlung aus dem Schützenhause mit Militärgewalt zu vertreiben, hat seine Entlassung eingereicht.

Der Major v. Herwarth soll nach Spandau abgeführt sein, weil er bei der Vertreibung der Nationalversammlung aus dem Sitzungslokale im Milentz-Hotel, am Abend des 16. Nov. nicht energisch genug verfahren sei.

Zwei Hauptleute der Soldaten, die das Schützenhaus besetzten, als der Vicepräsident Plönnies am 13. d. M. mit Gewalt hinausgetrieben ward, haben den dort anwesenden Personen erklärt: „Meine Herren, glauben Sie nur, der Mund muß schweigen, das Herz muß brechen, die Nationalversammlung wird siegen.“

Wir können aus zuverlässiger Quelle versichern, daß die Minister anfangen, die Gesetzmäßigkeit ihrer Maßregeln zu bezweifeln. Sie fangen an zu begreifen, daß, da sie verantwortliche Minister und zwar der Nationalversammlung verantwortlich sind, eine logische Folge dieser Verantwortlichkeit ist, daß die Nationalversammlung über die Gesetzlichkeit der Vertagung und Verlegung urtheilen konnte. Aber zugleich fühlen Sie auch, daß Sie zu weit gegangen sind, um zurückzugehen, und sie sind entschlossen, die Reaktion auf's Aeußerste zu treiben, weil es sich um ihre eigene persönliche Existenz handelt. Die Minister sind entschlossen, um ihre Existenz zu retten, das Land dem größten Unglück auszusetzen. Der Plan, den sie befolgen wollen, ist dieser:

Zunächst werden alle bedeutenden Städte in Belagerungszustand gesetzt werden, damit die Presse erstickt werde. Dann sollen die Provinzen einzeln, die eine nach der andern, wieder erobert werden. Die disponible Militärmacht wird zuerst in einer Provinz zusammengezogen; ist diese bezwungen, so wird die Landwehr herausgezogen, und mit der Linie vereint, in eine zweite Provinz geschickt, um diese zu unterdrücken, und so weiter.
Man hofft die Permanenzen einander gegenüber zu stellen, wie Oesterreich die Nationalitäten einander gegenüberstellt. Sind so die Provinzen eine nach der andern durch Concentration einer großen bewaffneten Macht bezwungen, so sollen alle Freiheiten für immer erstickt bleiben.

Auch in Westphalen hat das Verhalten der Nationalversammlung den größten Anklang gefunden, namentlich in Stadt und Kreis Münster. Die Stadtverordneten von Münster haben eine Zustimmungs-Adresse nach Berlin eingesandt. Die Bürgerwehr daselbst erklärt: „dem Ministerio Brandenburg den entschiedensten Widerstand entgegensetzen zu wollen“, verlangt vom dasigen Magistrat für den Nothfall hinlängliche Munition und fordert sämmtliche Bürgerwehren Westphalens auf, sich ihrer Erklärung und ihren Plänen anzuschließen. Außerdem haben mehrere einflußreiche und angesehene Männer, sowie verschiedene Vereine in Paderborn, Bielefeld, Ahaus, Telgte, Drensteinfurt öffentlich einen Aufruf „an das Volk Westphalens“ im Westphälischen Mer[unleserliches Material]r erlassen, worin zur Bildung von Sicherheitsausschüssen und einem Kongresse in Münster eingeladen wird, für die Sache und die Rechte der preußischen Nationalversammlung.

X Berlin, 19. Nov.

Unzählige Verhaftungen um nichts und wieder nichts werden täglich vorgenommen. Wer nur mit einem Soldaten spricht, wird der Verführung des Militärs angeklagt, vor ein Kriegsgericht gestellt und Wrangel hat vom Könige das Bestätigungsrecht aller kriegsrechtlichen Urtheile erhalten, mit dem Befehle solche sofort zu vollstrecken.

Gestern ist auch ein Soldat auf der Hasenheide bei Berlin erschossen worden, weil er, wie man sagt, vor einigen Tagen in Civilkleidern einer heimlichen Volksversammlung beigewohnt hat.

Dabei ist ein solches Spionirsystem eingeführt, daß keiner dem andern traut, und man in den Kaffee's und sonstigen öffentlichen Häusern kein lautes Gespräch, sondern nur ein leises Flüstern einzelner Personen hört.

Die Zellengefängnisse von Moabit wimmeln von Gefangenen.

Um das System hier ganz sicher zur Ausführung zu bringen, werden die Truppen täglich hier vergrößert. Es stehen jetzt in und um Berlin circa 70,000 Mann.

Ein Stern leuchtet uns in dieser düstren Nacht. Es ist die kräftige Erhebung der Bürger und namentlich der Landwehr, die sich von den verschiedensten Landestheilen kundgibt.

Von allen Seiten strömen der Nationalversammlung Adressen zu, worin dieselbe angegangen wird, nur die nöthigen Befehle zum Aufstande und zur Bewaffnung zu ertheilen. Es ist dieß natürlich Unsinn. Das Land muß handeln. Die Nationalversammlung giebt Gesetze. Die Nationalversammlung vertritt nur das Volk. Wie kann sie thatkräftig ein thatenloses Volk vertreten?

Zweihundertfünfzig Deputirte haben sich schriftlich verpflichtet, zu jeder Zeit und an jedem Orte, wo der Präsident sie hinberufen wird, zu erscheinen. Und die elende Galgenzeitung, redigirt von dem Hofschauspieler und Hanswurst Schneider nennt diese ungeheure Majorität der Nationalversammlung den Club Unruh! Nur noch Hofschauspieler sind „mit Gott, für König und Vaterland.“

v. Wittgenstein, der wieder hier und in Potsdam tagen soll, steht nicht auf der Liste. Dieses Subjekt, einer Familie angehörig, die schon einmal die Rheinprovinz an die Preußen verrathen, steht nicht auf der Liste. Der Exminister Milde ist wieder in die National-Versammlung getreten.

An den Brandenburg hat Milde geschrieben, er habe die Habeas-Corpus-Akte aufs Schmählichste verletzt. Er, der das Gesetz als Fahne vor sich trage, möge doch für die Aufrechterhaltung der Gesetze sorgen. Der Hochverräther Brandenburg hat geantwortet, das gehe ihm nichts an. Das thue Wrangel, der dies zu verantworten habe und verantworten werde. Diese Korrespondenz hat Milde dem Präsidenten Unruh im Originale mitgetheilt.

* Berlin, 19. November.

Die Abgeordneten haben folgenden Aufruf erlassen:

Preußen!

Die National-Versammlung hat gegen die ungesetzlichen Gewaltmaßregeln des Ministeriums Brandenburg an das preußische Volk appellirt und Millionen haben geantwortet. Mit einstimmigem Jubel hat man unsere Beschlüsse für die Ehre und Freiheit des Vaterlandes anerkannt.

Auch die Krone hat die Volksstimme aufgefordert, sich zu erheben.

Es ist geschehen, und — man sperrt den König ab vom Volke! „Man könne nicht zugeben,“ hat das Ministerium Brandenburg die Stirne, öffentlich zu sagen, „daß das Gefühl des Königs weich gemacht werde!!“

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          <p>Kameraden, sollte, was Gott der Allmächtige verhüten möge, die Stunde schlagen, wo wir für die Freiheit, für unsere heiligen Rechte, mit gewaffneter Hand in die Schranken treten müssen, so haben wir das Vertrauen zu Euch, Brüder, daß Ihr nicht die Waffen gebraucht, gegen uns, Eure älteren Kameraden, nicht gegen unsere Brüder, die Bürgerwehr. Wir haben einmüthig beschlossen, nicht auf Euch, unsere Brüder, die mörderische Waffe anzulegen, und Bruderblut zu vergießen. &#x2014; Dafür behüte uns Gott! Wir beschwören Euch, thut desgleichen.</p>
          <p>Sollte es zum Kampfe kommen, der, so scheint es, jetzt unvermeidlich ist, und wir greifen Euch an, so marschiren wir, Gewehr im Arm, unaufhaltsam auf Euch los; wir schießen nicht, schießt auch Ihr nicht! Wenn auch einzelne unter Euch nach Bruderblut lechzen, die Kugeln in unsere Reihen senden, wir geben Euch das ehrliche Landwehrwort, wir schießen nicht wieder. Doch kommen wir Euch so nahe, daß wir uns Aug' in Aug' sehen können, und ihr fliegt dann nicht in unsere offenen Arme, Ihr zeigt uns dann herausfordernd die blanke Waffe, dann Wehe Euch und uns! Fluch dem, der den brudermörderischen Kampf beginnt! das Gewissen wird einst sein fürchterlicher Richter sein.</p>
          <p>Wer aus dem Kampfe als Sieger hervorgeht, das ist noch ungewiß, wenn Ihr Euch zu Werkzeugen der Hofpartei hergebt, wenn Ihr Euch gebrauchen laßt, Euren Brüdern, Euren Vätern die Freiheit rauben zu wollen. Es wird entschieden sein, wenn Ihr nicht kämpft, wenn Ihr die herrlichsten Vorschriften der Religion, die Kindes- und Bruderliebe noch nicht vergessen habt.</p>
          <p>Halberstadt, den 13. November 1848.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Im Namen ihrer Kameraden.</hi> </p>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#g">Salomon,</hi> Lieutenant der Landwehr-Pioniere.<lb/><hi rendition="#g">Zinner,</hi> Lieutenant im 1. Bat. 27. Reg.<lb/><hi rendition="#g">G. Winkler,</hi> Unteroff. der Landw.-Art. des 1. Bat. 27. Reg.<lb/><hi rendition="#g">Schraube,</hi> Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg 1. Aufg.<lb/><hi rendition="#g">Frantz,</hi> Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg. 1. Aufg.<lb/><hi rendition="#g">Diekhoff,</hi> Unteroff. im 2. Aufg.<lb/><hi rendition="#g">A. Grabenhorst,</hi> Wehrmann im 2. Aufg.<lb/><hi rendition="#g">M. Müller,</hi> Wehrmann im 2. Aufg.<lb/><hi rendition="#g">L. Hackfuß,</hi> Wehrmann im 1. Aufg. G.-L.<lb/><hi rendition="#g">H. Heitefuß,</hi> Reservist der 4. Art.-Brig.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar148-2_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 19. Nov.</head>
          <p>Der vereinigte Instruktions- und Kriminalsenat des Kammergerichts hat in seiner Sitzung vom 17. d. M. mit 16. gegen 13 Stimmen beschlossen:</p>
          <p rendition="#et">daß der Belagerungszustand von Berlin ungesetzlich, die Nationalversammlung in ihrem Rechte und in Erwägung dessen die Sistirung sämmtlicher Prozesse in dem Geschäftsbezirke des Kammergerichts anzuordnen sei.</p>
          <p>Es steht in Aussicht, daß auch der Ober-Appellationsgerichts-Senat und somit das ganze Kammergericht diesem Beschlusse beitreten wird.</p>
          <p>Die Auditeure der jetzt hier in Berlin stehenden Truppen haben sich entschieden geweigert, Kriegsgericht über Personen vom Civilstande abzuhalten, welche wegen Uebertretung der Wrangelschen Anordnung über den Belagerungszustand verhaftet worden sind; insbesondere haben sie angenommen, daß der § 18 des Militärstrafgesetzbuchs von 1845 auf die gegenwärtige Lage der Stadt Berlin durchaus nicht Anwendung finden kann, wenngleich Wrangel in seiner Proklamation sich auf jene Gesetzbestimmung zur Begründung seiner Anordnung bezogen hat. Vorzugsweise hat sich in dieser Art der Vorsitzende des Kriegsgerichts, Geh. Rath Saalbach, energisch ausgesprochen. Zur Beseitigung dieser Bedenken hat der General Wrangel eine, von sämmtlichen Ministern kontrasignirte Kabinetsordre extrahirt, in welcher der General Wrangel autorisirt wird, <hi rendition="#b">kriegsgerichtliche Erkenntnisse, selbst wenn sie auf den Tod lauten, statt des Königs zu bestätigen und zu vollstrecken.</hi> Die Auditeure haben sich jedoch hierdurch nicht bewegen lassen, von ihrer ausgesprochenen Erklärung abzugehen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar148-2_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 18. Nov.</head>
          <p>Der Oberst von Sommerfeld, welcher den Befehl ausführen mußte, die Kommission der Nationalversammlung aus dem Schützenhause mit Militärgewalt zu vertreiben, hat seine Entlassung eingereicht.</p>
          <p>Der Major v. Herwarth soll nach Spandau abgeführt sein, weil er bei der Vertreibung der Nationalversammlung aus dem Sitzungslokale im Milentz-Hotel, am Abend des 16. Nov. nicht energisch genug verfahren sei.</p>
          <p>Zwei Hauptleute der Soldaten, die das Schützenhaus besetzten, als der Vicepräsident Plönnies am 13. d. M. mit Gewalt hinausgetrieben ward, haben den dort anwesenden Personen erklärt: &#x201E;Meine Herren, glauben Sie nur, der Mund muß schweigen, das Herz muß brechen, die Nationalversammlung wird siegen.&#x201C;</p>
          <p>Wir können aus zuverlässiger Quelle versichern, daß die Minister anfangen, die Gesetzmäßigkeit ihrer Maßregeln zu bezweifeln. Sie fangen an zu begreifen, daß, da sie verantwortliche Minister und zwar der Nationalversammlung verantwortlich sind, eine logische Folge dieser Verantwortlichkeit ist, daß die Nationalversammlung über die Gesetzlichkeit der Vertagung und Verlegung urtheilen konnte. Aber zugleich fühlen Sie auch, daß Sie zu weit gegangen sind, um zurückzugehen, und sie sind entschlossen, die Reaktion auf's Aeußerste zu treiben, weil es sich um ihre eigene persönliche Existenz handelt. Die Minister sind entschlossen, um ihre Existenz zu retten, das Land dem größten Unglück auszusetzen. Der Plan, den sie befolgen wollen, ist dieser:</p>
          <p rendition="#et">Zunächst werden alle bedeutenden Städte in Belagerungszustand gesetzt werden, damit die Presse erstickt werde. Dann sollen die Provinzen einzeln, die eine nach der andern, <hi rendition="#g">wieder erobert</hi> werden. Die disponible Militärmacht wird zuerst in einer Provinz zusammengezogen; ist diese bezwungen, so wird die Landwehr herausgezogen, und mit der Linie vereint, in eine zweite Provinz geschickt, um diese zu unterdrücken, und so weiter.<lb/>
Man hofft die Permanenzen einander gegenüber zu stellen, wie Oesterreich die Nationalitäten einander gegenüberstellt. Sind so die Provinzen eine nach der andern durch Concentration einer großen bewaffneten Macht bezwungen, so sollen alle Freiheiten für immer erstickt bleiben.</p>
          <p>Auch in Westphalen hat das Verhalten der Nationalversammlung den größten Anklang gefunden, namentlich in Stadt und Kreis Münster. Die Stadtverordneten von Münster haben eine Zustimmungs-Adresse nach Berlin eingesandt. Die Bürgerwehr daselbst erklärt: &#x201E;dem Ministerio Brandenburg den entschiedensten Widerstand entgegensetzen zu wollen&#x201C;, verlangt vom dasigen Magistrat für den Nothfall hinlängliche Munition und fordert sämmtliche Bürgerwehren Westphalens auf, sich ihrer Erklärung und ihren Plänen anzuschließen. Außerdem haben mehrere einflußreiche und angesehene Männer, sowie verschiedene Vereine in Paderborn, Bielefeld, Ahaus, Telgte, Drensteinfurt öffentlich einen Aufruf &#x201E;an das Volk Westphalens&#x201C; im Westphälischen Mer<gap reason="illegible"/>r erlassen, worin zur Bildung von Sicherheitsausschüssen und einem Kongresse in Münster eingeladen wird, für die Sache und die Rechte der preußischen Nationalversammlung.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar148-2_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 19. Nov.</head>
          <p>Unzählige Verhaftungen um nichts und wieder nichts werden täglich vorgenommen. Wer nur mit einem Soldaten spricht, wird der Verführung des Militärs angeklagt, vor ein Kriegsgericht gestellt <hi rendition="#g">und Wrangel hat vom Könige das Bestätigungsrecht aller kriegsrechtlichen Urtheile erhalten, mit dem Befehle solche sofort zu vollstrecken.</hi> </p>
          <p><hi rendition="#g">Gestern ist auch ein Soldat auf der Hasenheide bei Berlin erschossen worden,</hi> weil er, wie man sagt, vor einigen Tagen <hi rendition="#g">in Civilkleidern</hi> einer heimlichen Volksversammlung beigewohnt hat.</p>
          <p>Dabei ist ein solches Spionirsystem eingeführt, daß keiner dem andern traut, und man in den Kaffee's und sonstigen öffentlichen Häusern kein lautes Gespräch, sondern nur ein leises Flüstern einzelner Personen hört.</p>
          <p>Die Zellengefängnisse von Moabit wimmeln von Gefangenen.</p>
          <p>Um das System hier ganz sicher zur Ausführung zu bringen, werden die Truppen täglich hier vergrößert. Es stehen jetzt in und um Berlin circa 70,000 Mann.</p>
          <p>Ein Stern leuchtet uns in dieser düstren Nacht. Es ist die kräftige Erhebung der Bürger und namentlich der <hi rendition="#b">Landwehr,</hi> die sich von den verschiedensten Landestheilen kundgibt.</p>
          <p>Von allen Seiten strömen der Nationalversammlung Adressen zu, worin dieselbe angegangen wird, nur die nöthigen Befehle zum Aufstande und zur Bewaffnung zu ertheilen. Es ist dieß natürlich Unsinn. <hi rendition="#g">Das Land muß handeln</hi>. Die Nationalversammlung <hi rendition="#g">giebt Gesetze</hi>. Die Nationalversammlung <hi rendition="#g">vertritt</hi> nur das Volk. Wie kann sie <hi rendition="#g">thatkräftig</hi> ein <hi rendition="#g">thatenloses</hi> Volk vertreten?</p>
          <p><hi rendition="#g">Zweihundertfünfzig Deputirte</hi> haben sich <hi rendition="#g">schriftlich verpflichtet, zu jeder Zeit und an jedem Orte, wo der Präsident sie hinberufen wird, zu erscheinen</hi>. Und die <hi rendition="#g">elende Galgenzeitung,</hi> redigirt von dem Hofschauspieler und Hanswurst <hi rendition="#g">Schneider</hi> nennt diese ungeheure Majorität der Nationalversammlung den <hi rendition="#g">Club Unruh!</hi> Nur noch Hofschauspieler sind &#x201E;mit Gott, für König und Vaterland.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Wittgenstein,</hi> der wieder hier und in <hi rendition="#g">Potsdam tagen soll, steht nicht auf der Liste</hi>. Dieses Subjekt, einer Familie angehörig, <hi rendition="#g">die schon einmal die Rheinprovinz an die Preußen verrathen,</hi> steht nicht auf der Liste. <hi rendition="#g">Der Exminister Milde ist wieder in die National-Versammlung getreten</hi>.</p>
          <p>An den <hi rendition="#g">Brandenburg</hi> hat <hi rendition="#g">Milde</hi> geschrieben, <hi rendition="#g">er habe die Habeas-Corpus-Akte aufs Schmählichste verletzt</hi>. Er, der <hi rendition="#g">das Gesetz</hi> als Fahne vor sich trage, <hi rendition="#g">möge doch für die Aufrechterhaltung der Gesetze sorgen</hi>. Der Hochverräther <hi rendition="#g">Brandenburg hat geantwortet, das gehe ihm nichts an. Das thue Wrangel, der dies zu verantworten habe und verantworten werde. Diese Korrespondenz hat Milde dem Präsidenten Unruh im Originale mitgetheilt.</hi> </p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 19. November.</head>
          <p>Die Abgeordneten haben folgenden Aufruf erlassen:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Preußen!</hi> </p>
          <p>Die National-Versammlung hat gegen die ungesetzlichen Gewaltmaßregeln des Ministeriums Brandenburg an das preußische Volk appellirt und Millionen haben geantwortet. Mit einstimmigem Jubel hat man unsere Beschlüsse für die Ehre und Freiheit des Vaterlandes anerkannt.</p>
          <p>Auch die Krone hat die Volksstimme aufgefordert, sich zu erheben.</p>
          <p>Es ist geschehen, und &#x2014; man sperrt den König ab vom Volke! &#x201E;Man könne nicht zugeben,&#x201C; hat das Ministerium Brandenburg die Stirne, öffentlich zu sagen, &#x201E;daß das Gefühl des Königs weich gemacht werde!!&#x201C;</p>
          <p>Eure Adressen werden nicht überreicht, Eure Deputationen nicht
</p>
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[0777/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 148. Köln, Dienstag den 21. November. 1848. Den auswärtigen Freunden der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zeigen wir hiermit an, daß uns von dem hiesigen Ober-Postamte die Genehmigung ertheilt worden ist, vom heutigen Tage bis Ende Quartals Abonnements zum Preise von 1 Thlr. incl. des Postaufschlags entgegenzunehmen. Wir fordern demnach das auswärtige Publikum zur regen Theilnahme auf. Köln, 16. November 1848. Die Expedition der „N. Rh. Ztg.“ Keine Steuern mehr!!! Zweite Ausgabe. Deutschland. Aufruf. Köln, 20. November. _ * Köln, 20. Novbr. Nach Berichten aus Berlin soll das Ministerium Brandenburg-Manteuffel gestürzt und ein neues, aus Camphausen, Beckerath und Unruh bestehend, gebildet worden sein. Das neue Ministerium, heißt es weiter, habe das Verbleiben der Nationalversammlung in Berlin als seine erste Bedingung aufgestellt. Köln. Liebe Kameraden und Brüder in der Linie. Wir Landwehrmänner, die wir als Jünglinge das waren, was Ihr seid, ichten einmüthiglich an Euch unser männliches, aus treuem Herzen hervorgehendes Wort. Wir beschwören Euch im Namen Eurer Väter, im Namen Eurer Brüder, die unter uns sind, höret uns an und beherziget unsern Zuspruch: Von unsern Vertretern in Berlin, von den Männern, die wir, die viele unter Euch, liebe Kameraden, als die besten und treuesten, gewählt haben, unsere gemeinsamen Rechte zu sichern, von diesen Ehrenmännern, von welchen auch viele in unsern Reihen gestanden haben, erschallt der Ruf: Das Vaterland ist in Gefahr! Ja, Kameraden, das Vaterland ist in Gefahr, nicht durch die Heere feindlicher Mächte, nicht durch des Aufruhrs wilde Rotten, nein, das ganze Volk ist verletzt durch die verrätherischen Diener der Krone. Auf uns, auf die Wehr des Landes, blicken unsere Brüder, blicken unsere Väter und Mütter mit Vertrauen; an uns erschallt der laute Ruf: Landwehr, zeige dich als des Landes Wehr! Der hochselige König, Friedrich Wilhelm III., genannt der Gerechte, sagte: Der Soldat schwört Treue dem Könige und dem Vaterlande, doch der heiligste von den beiden Eiden gilt dem Vaterlande! Treue Kameraden, wir können nicht wanken und zweifeln. Das Vaterland, wir, werden vertreten und beschützt durch unsere muthigen und kühnen Vertreter in Berlin. Unsere heiligste Pflicht ist es, diese muthigen, treuen Männer mit Gut und Blut zu vertreten und zu beschützen. Wie sie erklärt haben, wir stehen und fallen mit dem Volke, so rufen wir Reservisten, Landwehr 1. und 2. Aufgebots einstimmig ihnen mit feuriger Begeisterung zu: Wir stehen und fallen mit der National-Versammlung. Kameraden, sollte, was Gott der Allmächtige verhüten möge, die Stunde schlagen, wo wir für die Freiheit, für unsere heiligen Rechte, mit gewaffneter Hand in die Schranken treten müssen, so haben wir das Vertrauen zu Euch, Brüder, daß Ihr nicht die Waffen gebraucht, gegen uns, Eure älteren Kameraden, nicht gegen unsere Brüder, die Bürgerwehr. Wir haben einmüthig beschlossen, nicht auf Euch, unsere Brüder, die mörderische Waffe anzulegen, und Bruderblut zu vergießen. — Dafür behüte uns Gott! Wir beschwören Euch, thut desgleichen. Sollte es zum Kampfe kommen, der, so scheint es, jetzt unvermeidlich ist, und wir greifen Euch an, so marschiren wir, Gewehr im Arm, unaufhaltsam auf Euch los; wir schießen nicht, schießt auch Ihr nicht! Wenn auch einzelne unter Euch nach Bruderblut lechzen, die Kugeln in unsere Reihen senden, wir geben Euch das ehrliche Landwehrwort, wir schießen nicht wieder. Doch kommen wir Euch so nahe, daß wir uns Aug' in Aug' sehen können, und ihr fliegt dann nicht in unsere offenen Arme, Ihr zeigt uns dann herausfordernd die blanke Waffe, dann Wehe Euch und uns! Fluch dem, der den brudermörderischen Kampf beginnt! das Gewissen wird einst sein fürchterlicher Richter sein. Wer aus dem Kampfe als Sieger hervorgeht, das ist noch ungewiß, wenn Ihr Euch zu Werkzeugen der Hofpartei hergebt, wenn Ihr Euch gebrauchen laßt, Euren Brüdern, Euren Vätern die Freiheit rauben zu wollen. Es wird entschieden sein, wenn Ihr nicht kämpft, wenn Ihr die herrlichsten Vorschriften der Religion, die Kindes- und Bruderliebe noch nicht vergessen habt. Halberstadt, den 13. November 1848. Im Namen ihrer Kameraden. Salomon, Lieutenant der Landwehr-Pioniere. Zinner, Lieutenant im 1. Bat. 27. Reg. G. Winkler, Unteroff. der Landw.-Art. des 1. Bat. 27. Reg. Schraube, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg 1. Aufg. Frantz, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg. 1. Aufg. Diekhoff, Unteroff. im 2. Aufg. A. Grabenhorst, Wehrmann im 2. Aufg. M. Müller, Wehrmann im 2. Aufg. L. Hackfuß, Wehrmann im 1. Aufg. G.-L. H. Heitefuß, Reservist der 4. Art.-Brig. 103 Berlin, 19. Nov. Der vereinigte Instruktions- und Kriminalsenat des Kammergerichts hat in seiner Sitzung vom 17. d. M. mit 16. gegen 13 Stimmen beschlossen: daß der Belagerungszustand von Berlin ungesetzlich, die Nationalversammlung in ihrem Rechte und in Erwägung dessen die Sistirung sämmtlicher Prozesse in dem Geschäftsbezirke des Kammergerichts anzuordnen sei. Es steht in Aussicht, daß auch der Ober-Appellationsgerichts-Senat und somit das ganze Kammergericht diesem Beschlusse beitreten wird. Die Auditeure der jetzt hier in Berlin stehenden Truppen haben sich entschieden geweigert, Kriegsgericht über Personen vom Civilstande abzuhalten, welche wegen Uebertretung der Wrangelschen Anordnung über den Belagerungszustand verhaftet worden sind; insbesondere haben sie angenommen, daß der § 18 des Militärstrafgesetzbuchs von 1845 auf die gegenwärtige Lage der Stadt Berlin durchaus nicht Anwendung finden kann, wenngleich Wrangel in seiner Proklamation sich auf jene Gesetzbestimmung zur Begründung seiner Anordnung bezogen hat. Vorzugsweise hat sich in dieser Art der Vorsitzende des Kriegsgerichts, Geh. Rath Saalbach, energisch ausgesprochen. Zur Beseitigung dieser Bedenken hat der General Wrangel eine, von sämmtlichen Ministern kontrasignirte Kabinetsordre extrahirt, in welcher der General Wrangel autorisirt wird, kriegsgerichtliche Erkenntnisse, selbst wenn sie auf den Tod lauten, statt des Königs zu bestätigen und zu vollstrecken. Die Auditeure haben sich jedoch hierdurch nicht bewegen lassen, von ihrer ausgesprochenen Erklärung abzugehen. X Berlin, 18. Nov. Der Oberst von Sommerfeld, welcher den Befehl ausführen mußte, die Kommission der Nationalversammlung aus dem Schützenhause mit Militärgewalt zu vertreiben, hat seine Entlassung eingereicht. Der Major v. Herwarth soll nach Spandau abgeführt sein, weil er bei der Vertreibung der Nationalversammlung aus dem Sitzungslokale im Milentz-Hotel, am Abend des 16. Nov. nicht energisch genug verfahren sei. Zwei Hauptleute der Soldaten, die das Schützenhaus besetzten, als der Vicepräsident Plönnies am 13. d. M. mit Gewalt hinausgetrieben ward, haben den dort anwesenden Personen erklärt: „Meine Herren, glauben Sie nur, der Mund muß schweigen, das Herz muß brechen, die Nationalversammlung wird siegen.“ Wir können aus zuverlässiger Quelle versichern, daß die Minister anfangen, die Gesetzmäßigkeit ihrer Maßregeln zu bezweifeln. Sie fangen an zu begreifen, daß, da sie verantwortliche Minister und zwar der Nationalversammlung verantwortlich sind, eine logische Folge dieser Verantwortlichkeit ist, daß die Nationalversammlung über die Gesetzlichkeit der Vertagung und Verlegung urtheilen konnte. Aber zugleich fühlen Sie auch, daß Sie zu weit gegangen sind, um zurückzugehen, und sie sind entschlossen, die Reaktion auf's Aeußerste zu treiben, weil es sich um ihre eigene persönliche Existenz handelt. Die Minister sind entschlossen, um ihre Existenz zu retten, das Land dem größten Unglück auszusetzen. Der Plan, den sie befolgen wollen, ist dieser: Zunächst werden alle bedeutenden Städte in Belagerungszustand gesetzt werden, damit die Presse erstickt werde. Dann sollen die Provinzen einzeln, die eine nach der andern, wieder erobert werden. Die disponible Militärmacht wird zuerst in einer Provinz zusammengezogen; ist diese bezwungen, so wird die Landwehr herausgezogen, und mit der Linie vereint, in eine zweite Provinz geschickt, um diese zu unterdrücken, und so weiter. Man hofft die Permanenzen einander gegenüber zu stellen, wie Oesterreich die Nationalitäten einander gegenüberstellt. Sind so die Provinzen eine nach der andern durch Concentration einer großen bewaffneten Macht bezwungen, so sollen alle Freiheiten für immer erstickt bleiben. Auch in Westphalen hat das Verhalten der Nationalversammlung den größten Anklang gefunden, namentlich in Stadt und Kreis Münster. Die Stadtverordneten von Münster haben eine Zustimmungs-Adresse nach Berlin eingesandt. Die Bürgerwehr daselbst erklärt: „dem Ministerio Brandenburg den entschiedensten Widerstand entgegensetzen zu wollen“, verlangt vom dasigen Magistrat für den Nothfall hinlängliche Munition und fordert sämmtliche Bürgerwehren Westphalens auf, sich ihrer Erklärung und ihren Plänen anzuschließen. Außerdem haben mehrere einflußreiche und angesehene Männer, sowie verschiedene Vereine in Paderborn, Bielefeld, Ahaus, Telgte, Drensteinfurt öffentlich einen Aufruf „an das Volk Westphalens“ im Westphälischen Mer_ r erlassen, worin zur Bildung von Sicherheitsausschüssen und einem Kongresse in Münster eingeladen wird, für die Sache und die Rechte der preußischen Nationalversammlung. X Berlin, 19. Nov. Unzählige Verhaftungen um nichts und wieder nichts werden täglich vorgenommen. Wer nur mit einem Soldaten spricht, wird der Verführung des Militärs angeklagt, vor ein Kriegsgericht gestellt und Wrangel hat vom Könige das Bestätigungsrecht aller kriegsrechtlichen Urtheile erhalten, mit dem Befehle solche sofort zu vollstrecken. Gestern ist auch ein Soldat auf der Hasenheide bei Berlin erschossen worden, weil er, wie man sagt, vor einigen Tagen in Civilkleidern einer heimlichen Volksversammlung beigewohnt hat. Dabei ist ein solches Spionirsystem eingeführt, daß keiner dem andern traut, und man in den Kaffee's und sonstigen öffentlichen Häusern kein lautes Gespräch, sondern nur ein leises Flüstern einzelner Personen hört. Die Zellengefängnisse von Moabit wimmeln von Gefangenen. Um das System hier ganz sicher zur Ausführung zu bringen, werden die Truppen täglich hier vergrößert. Es stehen jetzt in und um Berlin circa 70,000 Mann. Ein Stern leuchtet uns in dieser düstren Nacht. Es ist die kräftige Erhebung der Bürger und namentlich der Landwehr, die sich von den verschiedensten Landestheilen kundgibt. Von allen Seiten strömen der Nationalversammlung Adressen zu, worin dieselbe angegangen wird, nur die nöthigen Befehle zum Aufstande und zur Bewaffnung zu ertheilen. Es ist dieß natürlich Unsinn. Das Land muß handeln. Die Nationalversammlung giebt Gesetze. Die Nationalversammlung vertritt nur das Volk. Wie kann sie thatkräftig ein thatenloses Volk vertreten? Zweihundertfünfzig Deputirte haben sich schriftlich verpflichtet, zu jeder Zeit und an jedem Orte, wo der Präsident sie hinberufen wird, zu erscheinen. Und die elende Galgenzeitung, redigirt von dem Hofschauspieler und Hanswurst Schneider nennt diese ungeheure Majorität der Nationalversammlung den Club Unruh! Nur noch Hofschauspieler sind „mit Gott, für König und Vaterland.“ v. Wittgenstein, der wieder hier und in Potsdam tagen soll, steht nicht auf der Liste. Dieses Subjekt, einer Familie angehörig, die schon einmal die Rheinprovinz an die Preußen verrathen, steht nicht auf der Liste. Der Exminister Milde ist wieder in die National-Versammlung getreten. An den Brandenburg hat Milde geschrieben, er habe die Habeas-Corpus-Akte aufs Schmählichste verletzt. Er, der das Gesetz als Fahne vor sich trage, möge doch für die Aufrechterhaltung der Gesetze sorgen. Der Hochverräther Brandenburg hat geantwortet, das gehe ihm nichts an. Das thue Wrangel, der dies zu verantworten habe und verantworten werde. Diese Korrespondenz hat Milde dem Präsidenten Unruh im Originale mitgetheilt. * Berlin, 19. November. Die Abgeordneten haben folgenden Aufruf erlassen: Preußen! Die National-Versammlung hat gegen die ungesetzlichen Gewaltmaßregeln des Ministeriums Brandenburg an das preußische Volk appellirt und Millionen haben geantwortet. Mit einstimmigem Jubel hat man unsere Beschlüsse für die Ehre und Freiheit des Vaterlandes anerkannt. Auch die Krone hat die Volksstimme aufgefordert, sich zu erheben. Es ist geschehen, und — man sperrt den König ab vom Volke! „Man könne nicht zugeben,“ hat das Ministerium Brandenburg die Stirne, öffentlich zu sagen, „daß das Gefühl des Königs weich gemacht werde!!“ Eure Adressen werden nicht überreicht, Eure Deputationen nicht

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 148. Köln, 21. November 1848. Zweite Ausgabe, S. 0777. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz148ii_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.