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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 209. Köln, 31. Januar 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 209. Köln, Mittwoch den 31. Januar. 1849.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Wahlnotizen). Düsseldorf. (Geheime Regierung innerhalb der offiziellen.) Rheydt, Stollberg, Andernach, Koblenz, Eichenheim, Aus dem Kreise Rheinbach, (Wahlbülletin.) Hamm. (Die Wahlen. -- Schwarzweiße Excesse.) Münster. (Incompetenzerklärung. -- Merkantilische Drohungen der Reaktion. -- Temme's Entlassung. -- Giese. -- Möllenhof. -- Noch ein Brief an das königl. Ober-Landes-Gericht.) Berlin. (Einige Proben aus dem neupreußischen Sonntagsblatte. -- Vorbereitungen in Brandenburg zur Aufnahme der Deputirten. -- Der "Bund der Royalisten." -- Ausweisung von Nees von Esenbeck. -- Wrangel und die Presse. -- Temme.) Breslau. (Der Rustikalcongreß. -- General Bem.) Von der östreichischen Grenze. (Der Krieg mit Piemont. -- Der Reichstag.) Wien. (Verurtheilungen. -- Faulheit an der Börse. -- Das nahende italische Frühjahr. -- Neuer Gouverneur für Gallizien. -- Ministerium, Bischöfe und Grundrechte. -- Metternich's Person und System.) Frankfurt. (Hochverrathsklage gegen den Abgeordneten Minkus.) Darmstadt. (Genuß der deutschen Grundrechte. -- Der große deutsche Kaiser. -- Bürgerwehrentwaffnung.) Dresden. (Sitzung der 2ten Kammer.)

Ungarn. Aus Siebenbürgen (die kriegführenden Parteien.)

Französische Republik. Paris (der Anklageakt gegen das Ministerium. -- Die Aussöhnung der Montagnards und Proudhonisten. -- L'Herminier's Cursus geschlossen. -- Aladenize's Verhaftung. -- Gährung in den Kasernen. -- Vermischtes. -- Die Situationen. -- Zustand in Paris. -- Albert Maurin.)

Italien. (Die spanische Intervention und die Maaßregeln dagegen. -- Ferari zum Kommandanten der römischen Civica ernannt. -- Die Stellung Radetzki's. -- Vermischtes.) Venedig (Geldangelegenheit. -- Die Wahlen zur Volksrepräsentation.

Großbritanien. London (Englands Ausfuhr nach seinen Kolonien. -- Die Auswanderung. -- Der Getreidemarkt.)

Belgien. Lüttich (der wachsende Wohlstand. -- Regierungsmaaßnahmen. -- Belgische Manteuffeleien. -- Die Cholera.)

Amerika. Californien (Gold, Quecksilber, Diamanten und Platina.) Chili (die Silbergruben bei Copiago.) Canada (die Parteien in der Legislatur. -- Die Staatsschulden. -- Der Handel.)

Asien. Persien. Neueste Nachrichten.

Deutschland.
068 Köln, 30. Jan.

Aus den neu angelangten Wahlberichten entnehmen wir Folgendes:

Selbst in Pommern sind auf dem platten Lande die Wahlen günstiger für die Demokratie ausgefallen, als man erwarten konnte. Das vom König von Preußen an die Nessiner Tagelöhner erlassene und wie Heuschreckenschwärme über das ganze Land ergossene Wahlplakat scheint nach den uns vorliegenden Wahlergebnissen nicht den gehofften Erfolg gehabt zu haben.

Sehr schlimm das, Majestät! Die übernatürlichen Wirkungen "von Gottes Gnaden" scheinen verteufelt im Kurse zu sinken. Traurig, aber wahr! Indeß -- andern Kursen geht's eben so. Das ist ein Trost.

Nun kommt auch "Meine treue, geliebte Niederlausitz" und -- wählt überwiegend demokratisch. Schrecklich, doch unabänderlich!

Ach! sogar in der lieben, lieben Mark müssen es die Kandidaten der "Galgenzeitung" und der Potsdam-Charlottenburger Camarilla erleben, daß ihnen in den meisten Fällen kleine Ackerleute oder Handwerker von den verdammten unpatriotisch gewordenen Bauern vorgezogen werden.

Aus Posen meldet die "Osts.-Z.":

"Drei Parteien haben hier gegen einander gekämpft, keine hat einen entschiedenen Sieg davon getragen, eine Niederlage dagegen die Reaktionäre. Seit Wochen wühlten die Schwarz-Weißen schon im Stillen, überschwemmten die Stadt und die Provinz mit hunderten von Plakaten -- und nun ist Alles vergebens gewesen. Von 164 haben sie höchstens 35 für sich. Etwa 20 sind unentschieden, 55 gehören der demokratischen Partei an und der Rest sind Polen. Die Demokraten sind überrascht wegen dieses für sie glänzenden Erfolges. Ihnen standen zu wenig Mittel zu Gebot, um bei dem äußerst schwierigen Terrain hier mit Erfolg wirksam zu sein. Der Verein für König und Vaterland hat indessen ihnen kräftig in die Hände gearbeitet."

X Düsseldorf, 28. Januar.

Die hiesige Regierung läßt sich immer tiefer in die Karten sehen. Wer hat denn eigentlich Trumpf aufgespielt? Das möchten Sie gerne wissen, und ich will nicht hinter dem Berge halten. Wer hat die sechs Regierungsräthe auf Suspension denunzirt? Wer hat den Belagerungszustand erklärt? Wer hat, nachdem das Associationsrecht wieder frei stand, den Polizei-Inspektor von Faldern in die geschlossene Versammlung der Wahlmänner geschickt, und als er hinausbuchstabirt war, veranlaßt, beim Wirthe Capellen einen Besuch zur folgenden anzukündigen? Sie glauben vielleicht Herr von Spiegel-Brandenburg, Herr Kommunist Drigalsly-Wrangel, Herr von Möller- von der Heidt! Fehlgeschossen. Es ist Herr von Mirbach-Manteuffel! Herr von Mirbach ist die Seele des Düsseldorfer Kabinets, er ist der Tyrann von Düsseldorf, dieser edle Kreuzritter. Fürwahr, man muß ihn sehen, diesen Don Quitxoten des absoluten Staats, mit seinem spanisch gefärbten Barte, mit seiner ritterlichen Tournüre, mit seiner siegenden Don-Juan-Miene, in allem zwar ein bischen verwittert, aber doch ohne Furcht und Tadel. Früher reis'te er in sehr difficilen Missionen mit fremden Namen. Aber ich singe mit Beranger:

Parlons bas
Ici pres j'ai vu Judas
J'ai vu Judas, j'ai vu Judas.

Später kam er nach Düsseldorf, nicht sehr geachtet, nicht sehr gefürchtet, aber vielleicht das Gegentheil wegen seinen Anticidentien, dabei immer übersehen. Nach der Märzrevolution trat er erst in seiner Größe hervor. Er nannte sie sehr bezeichnend ein Strohfeuerchen, wahrscheinlich in Erwartung eines künftigen Scheiterhaufens, der ihm dem Adel, Titel und Amt wegflammen soll. Treulich schwärmte er fort für König und Zöpfe, bis das letzte Ministerium ihm Gelegenheit gab, seine Talente zu entwickeln. Tiefsinnig hielt er einen Monolog: Mann-Teufel! das ist von nun an mein Motto! Und es ward sein Motto. Er ward der Dämon der Regierung. Spiegel sah in den Spiegel und sah nicht sich selbst, sondern Herrn von Mirbach. Drigalski stand des Morgens auf und er gewahrte, daß er es nicht selbst war, sondern Herr von Mirbach. Der ganze Belagerungszustand war das Werk dieses Herrn und innerhalb desselben war er Autokrat.

Nach Verscheiden seines geliebten Belagerungszustandes suchte Mirbach die süß gewordene Herrschaft auf andere Weise zu retten.

Er schickte seinen lieben Vetter in die Wahlversammlung, welche derselbe indeß bald zu verlassen die Nothwendigkeit sah. Per ardua ad astra (rother Adlerorden mit dem Stern) rief Herr von Mirbach! Auf's Neue! Und siehe, wie sollte der liebe Vetter die Pflichten der Verwandtschaft üben? Ja, in einer kleinen Versammlung von einigen technischen Regierungsräthen wurde festgestellt: die Polizei dürfe die Verfassung verletzen. Sogar das Militär wurde schon für den Abend beordert. Aber die Konstitutionellen sammelten sich, der Graf von Villiers, der Oberbürgermeisterei-Verwalter, die wenigen liberalen Beamten der Regierung erfuhren die Sache, traten zusammen und fanden, daß das doch zu weit gehe. Eine neue Versammlung der Kollegen wurde berufen (merkwürdiger Weise fehlte der Herr von Möller an diesem verhängnißvollen Tage, denn er hatte eine Reise unternommen) und alle stimmten gegen den Herrn von Mirbach, der hartnäckig bei seiner Meinung blieb. Wie Galilei einst von der Sonne sagte: sie bewegt sich doch! so behauptete er: die Polizei steht über der Verfassung. So wurde denn Contreordre erlassen, Graf Villiers erhielt das Regiment für den Abend. Herr von Faldern blieb aus der Versammlung, die Polizei verursachte keinen Aufruhr, Düsseldorf blieb ruhig. Wir sind neugierig, wie lange Herr von Mirbach-Manteuffel noch der Tyrann der Düsseldorfer Regierung und unserer lieben Stadt bleibt.

8 Rheidt, 29. Jan.

In Gladbach hat bei den Wahlen für die erste Kammer die demokratische Partei ihren Kandidaten durchgesetzt. Die Geldaristokratie und das spezifische Preußenthum hatte den katholischen Pfarrer Halm (ehemaligen Garnisonprediger in Düsseldorf) zu ihrem Kandidaten aufgestellt. Beim dritten Scrutinium erhielt Halm 49, und Wienand Schippers, der demokratische Kandidat, 56 Stimmen (die absolute Majorität war 52). In Rheydt hat natürlich die Reaktion entschieden gesiegt.

101 Stolberg, 29. Jan.

Obschon durch die Klüngelei unsrer gottbegnadigten Heuler, zur Wahl unserer 16 Wahlmänner die Stadt in acht Wahlbezirke zerrissen wurde, hat doch die Volkspartei entschieden gesiegt. Während wir nur 2 Wahlmänner zu den Unentschiedenen rechnen können, dürfen wir mit Bestimmtheit darauf zählen, daß die zu unserm Wahlkreise gehörende Wahlmänner der umliegenden Ortschaften, ihre Stimme nur Männern der Volkspartei geben werden: Dieses günstige Resultat haben wir außer den Manteuffelischen Schmähschriften, nur der energischen Betheiligung des Mittelstandes zu verdanken.

Bei der heute stattgefundenen Wahl zur ersten Kammer ist ein Aristokrat mit liberaler Maske -- zwar nur mit genauer Noth, weil drei Stimmzettel undeutlich -- durchgekommen.

102 Andernach, 29. Januar.

Bei der heute hier abgehaltenen Wahl für die erste Kammer wurde Herr Kaufmann Franz Joseph Nachtsheim, ein entschiedener Vertreter der Demokratie, fast einstimmig zum Wahlmann berufen.

15 Koblenz, 29. Januar.

Zu Wahlmännern für die erste Kammer wählte der erste hiesige Bezirk vier Demokraten, der zweite, (die Beamtenstadt) vier Kandidaten des Preußenvereins. Von den Wahlmännern des ländlichen Theils des Kreises sind die 5 auf der linken Rheinseite, in Winningen, Rübenach, Kesselheim und Bärlich gewählten entschiedene Demokraten; der in Ehrenbreitstein gewählte ein Beamter. Drei von den jetzt durchgesetzten Preußenvereinskandidaten waren auch im vorigen Frühjahr Wahlmänner, fielen aber vor acht Tagen glänzend durch. Ist es nun etwa ein Beweis des größeren geistigen Reichthums unserer Büreaukratie und Bourgeoisie, sich mit der vom Volk bereits zurückgewiesenen und abgestandenen Weisheit dieser Herren begnügen zu müssen?

X Eichenheim, 29. Januar.

Die Wahl für die erste Kammer (der Bürgermeisterei Eichenheim und Münstereifel) ist entschieden demokratisch ausgefallen. Unter den Wahlmännern für die zweite Kammer sind kaum drei Aristokraten, die übrigen entschieden demokratisch.

130 Aus dem Kreise Rheinbach, 28. Jan.

Aus allen Winkeln der Erde erscheinen Wahlberichte und unser Kreis bleibt zurück; er braucht sich doch wahrlich nicht zu schämen, denn 5/6 der Wahlmänner sind Demokraten.

Im heiligen Münstereiffel sind nur einzig Demokraten gewählt; in der ganzen Bürgermeisterei Buchenheim, Dank dem Bürgermeister und seiner Gehülfin, hat die reine Farbe gesiegt; nur in Rheinbach selbst hat der zukünftige Kommandant der Bürgerwehr, General Block, und drüben am gottbegnadeten Ziegelberge sein Compagnon Brandenburg den Sieg davon getragen. Das Pfäffchen zu Odendorf schreit, als hing's am Strick und predigt Menschenhaß und Reue; der Landrath zerrauft sich beinahe die Haare über ein solches Ergebniß; der Piusverein zu Rheinbach hat seinen Meister dort drüben dem Walde gefunden.

131 Hamm, 25. Januar.

Die am 22. d. hier stattgehabten Wahlen sind im Sinne der demokratischen Partei ausgefallen, denn 16 Wahlmänner gehören ihr an, während die sogenannten Konstitutionellen (Reaktionäre) mit aller Mühe bei ein bis zwei Stimmen Majorität nur 12 ihrer Kandidaten durchbrachten. Wenn Sie die schwarzweiße Hauptstadt der "lieben, treuen Markaner" kennen, dann dürfen Sie sich über dieses Resultat wundern. Es kam denn auch der schwarzweißen Partei so unerwartet, daß sie darüber in eine gränzenlose Wuth gerieth. Um sich Luft zu machen, pereinigten sich einige, wahrscheinlich durch höhere Einwirkung fanatisirte Anhänger des Schwarzweißenthums und demolirten am Abende des Wahltages an dem Hause des Glasers B ...., der als demokratischer Wahlmann aus der Urne hervorgegangen war, in dessen Abwesenheit. Fenster und Thüren. Steine von 6 Pfund Gewicht wurden in den Zimmern gefunden. Möbel etc. waren durch diese Steine zerstört oder beschädigt. Bei der Menge von Zeugen, die der Glaser B. namhaft gemacht, steht trotz unserer Manteuffel'schen Behörden und unserer verrosteten Kriminalordnung eine energische Bestrafung der Thäter zu erwarten. Die Leithämmel dieses Vandalismus sollen ein langer Gerichtsbote, ein Gardefeldwebel, ein Mitglied der koniglich preußischen Hermandad und ein Privatsekretär (alle per sang) gewesen sein!

068 Münster, 28 Januar.

Ich erhalte eben die ganz zuverläßige Nachricht, daß das Ober-Landes-Gericht Paderborn sich abermals incompetent erklärt hat. Rintelen konnte dies nicht anders erwarten. Die Akten reisen nun wieder nach Berlin.

Die rothe Reaktion kann sich noch immer wegen des Wahl-Resultats nicht beruhigen und während Herr Brüggemann aus seiner Gesinnungs-Genossin die schmutzige Lüge abschreibt, daß die Demokratie nur durch Lug und Trug gesiegt und nur Schund zu Wahlmännern gewählt habe, so weiß hier jedes Kind, in welcher Partei Bestechungen und Gemeinheiten allein vorgekommen sind.

Die Reaktion droht nun nichts mehr von Demokraten kaufen zu wollen. Sie Demokraten lachen darüber, denn sagen sie, hat nicht schnn immer die Frau von Flottwel ihren Zucker-Bedarf von Joest aus Köln in Quantitäten von 100 Hüten für sich und Andere bezogen.

Treibt nicht die Frau von K. förmlich Handel mit Schuhen, die sie von Brüssel bezieht; mit Manufacturwaaren von Köln, mit Thee und Kaffee von großen Handelsplätzen?

Bezieht nicht der Major v. D. von Sch. den Tabak auswärts für sich und seine Bekannten?

Läßt nicht der Graf Sch. der Wein von Peter Arnold Mumm aus Köln kommen für sich und wer ihn sonst von im kauft?

Hat nicht der Ritmeister 2mal Handel getrieben mit den 2 Faß Wein, die er von Bordeaux bezogen? Verkauft nicht der Offizier-Verein seine Weine gleich jedem Weinhändler? Billiger natürlich, weil er keine Gewerbesteuer zahlt!

105 Münster, 29. Januar.

Temme ist frei. Gestern (Sonntag) Abend 9 Uhr wurde er aus dem Zuchthause von seiner Frau, die aus Berlin mit dem Entlassungsbefehl Rintelens angekommen war, in Begleitung des Inquirenten, Criminal-Direktor Giese abgeholt. Zum Beweise, daß der Inquirent der hiesigen politischen Gefangenen kein Demosthenes ist, theile ich dessen schwere Rede stenographirt mit: Herr Direktor, ich habe Sie hineingebracht, ich will Sie auch wieder herausbringen." Aber mein lieber Mann, wann bringen Sie denn die übrigen politischen Gefangenen heraus, die Sie hineinbracht haben???

In Preußen spielt jetzt also die heilige Justiz Komödie. Man schämt sich, daß man Temme frei lassen muß, da schickt Rintelen Temme's Frau den Entlassungsbefehl für ihren Mann, mit dem sie nach Münster reisen kann. Wahrlich ein zarter, ritterlicher Justiz-Minister. Aber bei all dieser Ritterlichkeit ist des Pudels Kern, daß die preußische Justiz sich gefürchtet (?) oder geschämt hat die Akten nach Frankfurt zu schicken und um dem zu entgehen lieber Temme entläßt.

Das münstersche Gericht hat vor circa 8 Tagen über den Antrag einiger der December-Verhafteten auf Entlassung aus der Haft abgestimmt. Die Stimmen pro und contra waren gleich, da gab der Land- und Stadtgerichtsrath Dierix den Ausschlag durch seine Stimme und die Männer bleiben im Zuchthause.

Ist es nicht Hohn, wenn gleichzeitig dasselbe Gericht den Verhaftsbefehl gegen den hiesigen Assessor Möllenhof, der vor einigen Tagen zurückgekehrt ist, aufhebt, obgleich Möllenhof, wenn in dem Kongreß ein Verbrechen liegt, zu den incriminirtesten gehört; Assessor Möllenhof ist der Sohn des hiesigen geheimen Justizrath Möllenhof, eines sehr intimen Freundes von Herrn Bodelschwingh.

105 Münster, 29. Januar.

Die Erbitterung gegen das hiesige Gerichtspersonal ist groß. Zerbrochene Fensterscheiben etc. etc. zeugen daron. Neue Nahrung giebt ein so eben bekannt gewordener Brief eines der Gefangenen an das Ober-Landes-Gericht, woraus auch herausgeht, das während 6 Wochen kein Verhör etc. etc. stattgefunden hat.

"Königliches Ober-Landesgericht

Mehrere der mit mir zuchthäuslich gemaßregelten Congreß-Mitglieder haben bei Einem Königlichen Oberlandesgericht den Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellt, sind aber abschläglich beschieden worden. Ich erfahre, daß nur Eine Stimme -- die des Land- und Stadtgerichtsraths Dieriz -- die Schuld ber abschläglichen Antwort bringt.

Entweder sind aber alle Congreß-Mitglieder gleich schuldig; dann müssen auch alle zuchthäuslich gemaßregelt werden, gleichviel ob sie mit dem hiesigen Gerichtspersonal verwandt sind oder nicht; -- oder aber die Schuld ist nach der Weisheit des hiesigen Gerichts bei dem einen etwas mehr, bei dem andern etwas weniger Staatsumwälzung.

Da aber z. B. Hartmann eingesperrt bleibt, der sich fast gar nicht am Congreß betheiligt hat; gegen den Assessor Moellenhof aber der vor 7 Wochen erlassene Verhaftsbefehl jetzt bei dessen Rückkehr nach Münster zurückgenommen ist, obgleich er zu den incriminirtesten gehören würde, wie aus den bei den Akten liegenden gedruckten Auszügen dem Gericht klar sein muß.

Da ich nun ferner aus gar großer Achtung vor dem hiesigen Gerichtspersonal, so wie noch weit mehr wegen einiger §§ des Th. II. Tit. XX. d. Allg. L. R. Partheilichkeit oder Nepotismus nicht annehmen kann, so geht klar hervor, daß meinem schwachen Verstande unerreichbare Gründe und Erwägungen in der vorliegenden Untersuchung maßgebend sind. Indem ich deßhalb über den hiermit gestellten Antrag: "mich sofort frei zu lassen" baldigst zu ballotiren bitte, befinde ich mich außer Stande denselben im

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 209. Köln, Mittwoch den 31. Januar. 1849.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Wahlnotizen). Düsseldorf. (Geheime Regierung innerhalb der offiziellen.) Rheydt, Stollberg, Andernach, Koblenz, Eichenheim, Aus dem Kreise Rheinbach, (Wahlbülletin.) Hamm. (Die Wahlen. — Schwarzweiße Excesse.) Münster. (Incompetenzerklärung. — Merkantilische Drohungen der Reaktion. — Temme's Entlassung. — Giese. — Möllenhof. — Noch ein Brief an das königl. Ober-Landes-Gericht.) Berlin. (Einige Proben aus dem neupreußischen Sonntagsblatte. — Vorbereitungen in Brandenburg zur Aufnahme der Deputirten. — Der „Bund der Royalisten.“ — Ausweisung von Nees von Esenbeck. — Wrangel und die Presse. — Temme.) Breslau. (Der Rustikalcongreß. — General Bem.) Von der östreichischen Grenze. (Der Krieg mit Piemont. — Der Reichstag.) Wien. (Verurtheilungen. — Faulheit an der Börse. — Das nahende italische Frühjahr. — Neuer Gouverneur für Gallizien. — Ministerium, Bischöfe und Grundrechte. — Metternich's Person und System.) Frankfurt. (Hochverrathsklage gegen den Abgeordneten Minkus.) Darmstadt. (Genuß der deutschen Grundrechte. — Der große deutsche Kaiser. — Bürgerwehrentwaffnung.) Dresden. (Sitzung der 2ten Kammer.)

Ungarn. Aus Siebenbürgen (die kriegführenden Parteien.)

Französische Republik. Paris (der Anklageakt gegen das Ministerium. — Die Aussöhnung der Montagnards und Proudhonisten. — L'Herminier's Cursus geschlossen. — Aladenize's Verhaftung. — Gährung in den Kasernen. — Vermischtes. — Die Situationen. — Zustand in Paris. — Albert Maurin.)

Italien. (Die spanische Intervention und die Maaßregeln dagegen. — Ferari zum Kommandanten der römischen Civica ernannt. — Die Stellung Radetzki's. — Vermischtes.) Venedig (Geldangelegenheit. — Die Wahlen zur Volksrepräsentation.

Großbritanien. London (Englands Ausfuhr nach seinen Kolonien. — Die Auswanderung. — Der Getreidemarkt.)

Belgien. Lüttich (der wachsende Wohlstand. — Regierungsmaaßnahmen. — Belgische Manteuffeleien. — Die Cholera.)

Amerika. Californien (Gold, Quecksilber, Diamanten und Platina.) Chili (die Silbergruben bei Copiago.) Canada (die Parteien in der Legislatur. — Die Staatsschulden. — Der Handel.)

Asien. Persien. Neueste Nachrichten.

Deutschland.
068 Köln, 30. Jan.

Aus den neu angelangten Wahlberichten entnehmen wir Folgendes:

Selbst in Pommern sind auf dem platten Lande die Wahlen günstiger für die Demokratie ausgefallen, als man erwarten konnte. Das vom König von Preußen an die Nessiner Tagelöhner erlassene und wie Heuschreckenschwärme über das ganze Land ergossene Wahlplakat scheint nach den uns vorliegenden Wahlergebnissen nicht den gehofften Erfolg gehabt zu haben.

Sehr schlimm das, Majestät! Die übernatürlichen Wirkungen „von Gottes Gnaden“ scheinen verteufelt im Kurse zu sinken. Traurig, aber wahr! Indeß — andern Kursen geht's eben so. Das ist ein Trost.

Nun kommt auch „Meine treue, geliebte Niederlausitz“ und — wählt überwiegend demokratisch. Schrecklich, doch unabänderlich!

Ach! sogar in der lieben, lieben Mark müssen es die Kandidaten der „Galgenzeitung“ und der Potsdam-Charlottenburger Camarilla erleben, daß ihnen in den meisten Fällen kleine Ackerleute oder Handwerker von den verdammten unpatriotisch gewordenen Bauern vorgezogen werden.

Aus Posen meldet die „Osts.-Z.“:

„Drei Parteien haben hier gegen einander gekämpft, keine hat einen entschiedenen Sieg davon getragen, eine Niederlage dagegen die Reaktionäre. Seit Wochen wühlten die Schwarz-Weißen schon im Stillen, überschwemmten die Stadt und die Provinz mit hunderten von Plakaten — und nun ist Alles vergebens gewesen. Von 164 haben sie höchstens 35 für sich. Etwa 20 sind unentschieden, 55 gehören der demokratischen Partei an und der Rest sind Polen. Die Demokraten sind überrascht wegen dieses für sie glänzenden Erfolges. Ihnen standen zu wenig Mittel zu Gebot, um bei dem äußerst schwierigen Terrain hier mit Erfolg wirksam zu sein. Der Verein für König und Vaterland hat indessen ihnen kräftig in die Hände gearbeitet.“

X Düsseldorf, 28. Januar.

Die hiesige Regierung läßt sich immer tiefer in die Karten sehen. Wer hat denn eigentlich Trumpf aufgespielt? Das möchten Sie gerne wissen, und ich will nicht hinter dem Berge halten. Wer hat die sechs Regierungsräthe auf Suspension denunzirt? Wer hat den Belagerungszustand erklärt? Wer hat, nachdem das Associationsrecht wieder frei stand, den Polizei-Inspektor von Faldern in die geschlossene Versammlung der Wahlmänner geschickt, und als er hinausbuchstabirt war, veranlaßt, beim Wirthe Capellen einen Besuch zur folgenden anzukündigen? Sie glauben vielleicht Herr von Spiegel-Brandenburg, Herr Kommunist Drigalsly-Wrangel, Herr von Möller- von der Heidt! Fehlgeschossen. Es ist Herr von Mirbach-Manteuffel! Herr von Mirbach ist die Seele des Düsseldorfer Kabinets, er ist der Tyrann von Düsseldorf, dieser edle Kreuzritter. Fürwahr, man muß ihn sehen, diesen Don Quitxoten des absoluten Staats, mit seinem spanisch gefärbten Barte, mit seiner ritterlichen Tournüre, mit seiner siegenden Don-Juan-Miene, in allem zwar ein bischen verwittert, aber doch ohne Furcht und Tadel. Früher reis'te er in sehr difficilen Missionen mit fremden Namen. Aber ich singe mit Beranger:

Parlons bas
Ici pres j'ai vu Judas
J'ai vu Judas, j'ai vu Judas.

Später kam er nach Düsseldorf, nicht sehr geachtet, nicht sehr gefürchtet, aber vielleicht das Gegentheil wegen seinen Anticidentien, dabei immer übersehen. Nach der Märzrevolution trat er erst in seiner Größe hervor. Er nannte sie sehr bezeichnend ein Strohfeuerchen, wahrscheinlich in Erwartung eines künftigen Scheiterhaufens, der ihm dem Adel, Titel und Amt wegflammen soll. Treulich schwärmte er fort für König und Zöpfe, bis das letzte Ministerium ihm Gelegenheit gab, seine Talente zu entwickeln. Tiefsinnig hielt er einen Monolog: Mann-Teufel! das ist von nun an mein Motto! Und es ward sein Motto. Er ward der Dämon der Regierung. Spiegel sah in den Spiegel und sah nicht sich selbst, sondern Herrn von Mirbach. Drigalski stand des Morgens auf und er gewahrte, daß er es nicht selbst war, sondern Herr von Mirbach. Der ganze Belagerungszustand war das Werk dieses Herrn und innerhalb desselben war er Autokrat.

Nach Verscheiden seines geliebten Belagerungszustandes suchte Mirbach die süß gewordene Herrschaft auf andere Weise zu retten.

Er schickte seinen lieben Vetter in die Wahlversammlung, welche derselbe indeß bald zu verlassen die Nothwendigkeit sah. Per ardua ad astra (rother Adlerorden mit dem Stern) rief Herr von Mirbach! Auf's Neue! Und siehe, wie sollte der liebe Vetter die Pflichten der Verwandtschaft üben? Ja, in einer kleinen Versammlung von einigen technischen Regierungsräthen wurde festgestellt: die Polizei dürfe die Verfassung verletzen. Sogar das Militär wurde schon für den Abend beordert. Aber die Konstitutionellen sammelten sich, der Graf von Villiers, der Oberbürgermeisterei-Verwalter, die wenigen liberalen Beamten der Regierung erfuhren die Sache, traten zusammen und fanden, daß das doch zu weit gehe. Eine neue Versammlung der Kollegen wurde berufen (merkwürdiger Weise fehlte der Herr von Möller an diesem verhängnißvollen Tage, denn er hatte eine Reise unternommen) und alle stimmten gegen den Herrn von Mirbach, der hartnäckig bei seiner Meinung blieb. Wie Galilei einst von der Sonne sagte: sie bewegt sich doch! so behauptete er: die Polizei steht über der Verfassung. So wurde denn Contreordre erlassen, Graf Villiers erhielt das Regiment für den Abend. Herr von Faldern blieb aus der Versammlung, die Polizei verursachte keinen Aufruhr, Düsseldorf blieb ruhig. Wir sind neugierig, wie lange Herr von Mirbach-Manteuffel noch der Tyrann der Düsseldorfer Regierung und unserer lieben Stadt bleibt.

8 Rheidt, 29. Jan.

In Gladbach hat bei den Wahlen für die erste Kammer die demokratische Partei ihren Kandidaten durchgesetzt. Die Geldaristokratie und das spezifische Preußenthum hatte den katholischen Pfarrer Halm (ehemaligen Garnisonprediger in Düsseldorf) zu ihrem Kandidaten aufgestellt. Beim dritten Scrutinium erhielt Halm 49, und Wienand Schippers, der demokratische Kandidat, 56 Stimmen (die absolute Majorität war 52). In Rheydt hat natürlich die Reaktion entschieden gesiegt.

101 Stolberg, 29. Jan.

Obschon durch die Klüngelei unsrer gottbegnadigten Heuler, zur Wahl unserer 16 Wahlmänner die Stadt in acht Wahlbezirke zerrissen wurde, hat doch die Volkspartei entschieden gesiegt. Während wir nur 2 Wahlmänner zu den Unentschiedenen rechnen können, dürfen wir mit Bestimmtheit darauf zählen, daß die zu unserm Wahlkreise gehörende Wahlmänner der umliegenden Ortschaften, ihre Stimme nur Männern der Volkspartei geben werden: Dieses günstige Resultat haben wir außer den Manteuffelischen Schmähschriften, nur der energischen Betheiligung des Mittelstandes zu verdanken.

Bei der heute stattgefundenen Wahl zur ersten Kammer ist ein Aristokrat mit liberaler Maske — zwar nur mit genauer Noth, weil drei Stimmzettel undeutlich — durchgekommen.

102 Andernach, 29. Januar.

Bei der heute hier abgehaltenen Wahl für die erste Kammer wurde Herr Kaufmann Franz Joseph Nachtsheim, ein entschiedener Vertreter der Demokratie, fast einstimmig zum Wahlmann berufen.

15 Koblenz, 29. Januar.

Zu Wahlmännern für die erste Kammer wählte der erste hiesige Bezirk vier Demokraten, der zweite, (die Beamtenstadt) vier Kandidaten des Preußenvereins. Von den Wahlmännern des ländlichen Theils des Kreises sind die 5 auf der linken Rheinseite, in Winningen, Rübenach, Kesselheim und Bärlich gewählten entschiedene Demokraten; der in Ehrenbreitstein gewählte ein Beamter. Drei von den jetzt durchgesetzten Preußenvereinskandidaten waren auch im vorigen Frühjahr Wahlmänner, fielen aber vor acht Tagen glänzend durch. Ist es nun etwa ein Beweis des größeren geistigen Reichthums unserer Büreaukratie und Bourgeoisie, sich mit der vom Volk bereits zurückgewiesenen und abgestandenen Weisheit dieser Herren begnügen zu müssen?

X Eichenheim, 29. Januar.

Die Wahl für die erste Kammer (der Bürgermeisterei Eichenheim und Münstereifel) ist entschieden demokratisch ausgefallen. Unter den Wahlmännern für die zweite Kammer sind kaum drei Aristokraten, die übrigen entschieden demokratisch.

130 Aus dem Kreise Rheinbach, 28. Jan.

Aus allen Winkeln der Erde erscheinen Wahlberichte und unser Kreis bleibt zurück; er braucht sich doch wahrlich nicht zu schämen, denn 5/6 der Wahlmänner sind Demokraten.

Im heiligen Münstereiffel sind nur einzig Demokraten gewählt; in der ganzen Bürgermeisterei Buchenheim, Dank dem Bürgermeister und seiner Gehülfin, hat die reine Farbe gesiegt; nur in Rheinbach selbst hat der zukünftige Kommandant der Bürgerwehr, General Block, und drüben am gottbegnadeten Ziegelberge sein Compagnon Brandenburg den Sieg davon getragen. Das Pfäffchen zu Odendorf schreit, als hing's am Strick und predigt Menschenhaß und Reue; der Landrath zerrauft sich beinahe die Haare über ein solches Ergebniß; der Piusverein zu Rheinbach hat seinen Meister dort drüben dem Walde gefunden.

131 Hamm, 25. Januar.

Die am 22. d. hier stattgehabten Wahlen sind im Sinne der demokratischen Partei ausgefallen, denn 16 Wahlmänner gehören ihr an, während die sogenannten Konstitutionellen (Reaktionäre) mit aller Mühe bei ein bis zwei Stimmen Majorität nur 12 ihrer Kandidaten durchbrachten. Wenn Sie die schwarzweiße Hauptstadt der „lieben, treuen Markaner“ kennen, dann dürfen Sie sich über dieses Resultat wundern. Es kam denn auch der schwarzweißen Partei so unerwartet, daß sie darüber in eine gränzenlose Wuth gerieth. Um sich Luft zu machen, pereinigten sich einige, wahrscheinlich durch höhere Einwirkung fanatisirte Anhänger des Schwarzweißenthums und demolirten am Abende des Wahltages an dem Hause des Glasers B ‥‥, der als demokratischer Wahlmann aus der Urne hervorgegangen war, in dessen Abwesenheit. Fenster und Thüren. Steine von 6 Pfund Gewicht wurden in den Zimmern gefunden. Möbel etc. waren durch diese Steine zerstört oder beschädigt. Bei der Menge von Zeugen, die der Glaser B. namhaft gemacht, steht trotz unserer Manteuffel'schen Behörden und unserer verrosteten Kriminalordnung eine energische Bestrafung der Thäter zu erwarten. Die Leithämmel dieses Vandalismus sollen ein langer Gerichtsbote, ein Gardefeldwebel, ein Mitglied der koniglich preußischen Hermandad und ein Privatsekretär (alle pér sang) gewesen sein!

068 Münster, 28 Januar.

Ich erhalte eben die ganz zuverläßige Nachricht, daß das Ober-Landes-Gericht Paderborn sich abermals incompetent erklärt hat. Rintelen konnte dies nicht anders erwarten. Die Akten reisen nun wieder nach Berlin.

Die rothe Reaktion kann sich noch immer wegen des Wahl-Resultats nicht beruhigen und während Herr Brüggemann aus seiner Gesinnungs-Genossin die schmutzige Lüge abschreibt, daß die Demokratie nur durch Lug und Trug gesiegt und nur Schund zu Wahlmännern gewählt habe, so weiß hier jedes Kind, in welcher Partei Bestechungen und Gemeinheiten allein vorgekommen sind.

Die Reaktion droht nun nichts mehr von Demokraten kaufen zu wollen. Sie Demokraten lachen darüber, denn sagen sie, hat nicht schnn immer die Frau von Flottwel ihren Zucker-Bedarf von Joest aus Köln in Quantitäten von 100 Hüten für sich und Andere bezogen.

Treibt nicht die Frau von K. förmlich Handel mit Schuhen, die sie von Brüssel bezieht; mit Manufacturwaaren von Köln, mit Thee und Kaffee von großen Handelsplätzen?

Bezieht nicht der Major v. D. von Sch. den Tabak auswärts für sich und seine Bekannten?

Läßt nicht der Graf Sch. der Wein von Peter Arnold Mumm aus Köln kommen für sich und wer ihn sonst von im kauft?

Hat nicht der Ritmeister 2mal Handel getrieben mit den 2 Faß Wein, die er von Bordeaux bezogen? Verkauft nicht der Offizier-Verein seine Weine gleich jedem Weinhändler? Billiger natürlich, weil er keine Gewerbesteuer zahlt!

105 Münster, 29. Januar.

Temme ist frei. Gestern (Sonntag) Abend 9 Uhr wurde er aus dem Zuchthause von seiner Frau, die aus Berlin mit dem Entlassungsbefehl Rintelens angekommen war, in Begleitung des Inquirenten, Criminal-Direktor Giese abgeholt. Zum Beweise, daß der Inquirent der hiesigen politischen Gefangenen kein Demosthenes ist, theile ich dessen schwere Rede stenographirt mit: Herr Direktor, ich habe Sie hineingebracht, ich will Sie auch wieder herausbringen.“ Aber mein lieber Mann, wann bringen Sie denn die übrigen politischen Gefangenen heraus, die Sie hineinbracht haben???

In Preußen spielt jetzt also die heilige Justiz Komödie. Man schämt sich, daß man Temme frei lassen muß, da schickt Rintelen Temme's Frau den Entlassungsbefehl für ihren Mann, mit dem sie nach Münster reisen kann. Wahrlich ein zarter, ritterlicher Justiz-Minister. Aber bei all dieser Ritterlichkeit ist des Pudels Kern, daß die preußische Justiz sich gefürchtet (?) oder geschämt hat die Akten nach Frankfurt zu schicken und um dem zu entgehen lieber Temme entläßt.

Das münstersche Gericht hat vor circa 8 Tagen über den Antrag einiger der December-Verhafteten auf Entlassung aus der Haft abgestimmt. Die Stimmen pro und contra waren gleich, da gab der Land- und Stadtgerichtsrath Dierix den Ausschlag durch seine Stimme und die Männer bleiben im Zuchthause.

Ist es nicht Hohn, wenn gleichzeitig dasselbe Gericht den Verhaftsbefehl gegen den hiesigen Assessor Möllenhof, der vor einigen Tagen zurückgekehrt ist, aufhebt, obgleich Möllenhof, wenn in dem Kongreß ein Verbrechen liegt, zu den incriminirtesten gehört; Assessor Möllenhof ist der Sohn des hiesigen geheimen Justizrath Möllenhof, eines sehr intimen Freundes von Herrn Bodelschwingh.

105 Münster, 29. Januar.

Die Erbitterung gegen das hiesige Gerichtspersonal ist groß. Zerbrochene Fensterscheiben etc. etc. zeugen daron. Neue Nahrung giebt ein so eben bekannt gewordener Brief eines der Gefangenen an das Ober-Landes-Gericht, woraus auch herausgeht, das während 6 Wochen kein Verhör etc. etc. stattgefunden hat.

„Königliches Ober-Landesgericht

Mehrere der mit mir zuchthäuslich gemaßregelten Congreß-Mitglieder haben bei Einem Königlichen Oberlandesgericht den Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellt, sind aber abschläglich beschieden worden. Ich erfahre, daß nur Eine Stimme — die des Land- und Stadtgerichtsraths Dieriz — die Schuld ber abschläglichen Antwort bringt.

Entweder sind aber alle Congreß-Mitglieder gleich schuldig; dann müssen auch alle zuchthäuslich gemaßregelt werden, gleichviel ob sie mit dem hiesigen Gerichtspersonal verwandt sind oder nicht; — oder aber die Schuld ist nach der Weisheit des hiesigen Gerichts bei dem einen etwas mehr, bei dem andern etwas weniger Staatsumwälzung.

Da aber z. B. Hartmann eingesperrt bleibt, der sich fast gar nicht am Congreß betheiligt hat; gegen den Assessor Moellenhof aber der vor 7 Wochen erlassene Verhaftsbefehl jetzt bei dessen Rückkehr nach Münster zurückgenommen ist, obgleich er zu den incriminirtesten gehören würde, wie aus den bei den Akten liegenden gedruckten Auszügen dem Gericht klar sein muß.

Da ich nun ferner aus gar großer Achtung vor dem hiesigen Gerichtspersonal, so wie noch weit mehr wegen einiger §§ des Th. II. Tit. XX. d. Allg. L. R. Partheilichkeit oder Nepotismus nicht annehmen kann, so geht klar hervor, daß meinem schwachen Verstande unerreichbare Gründe und Erwägungen in der vorliegenden Untersuchung maßgebend sind. Indem ich deßhalb über den hiermit gestellten Antrag: „mich sofort frei zu lassen“ baldigst zu ballotiren bitte, befinde ich mich außer Stande denselben im

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 209. Köln, Mittwoch den 31. Januar. 1849.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Wahlnotizen). Düsseldorf. (Geheime Regierung innerhalb der offiziellen.) Rheydt, Stollberg, Andernach, Koblenz, Eichenheim, Aus dem Kreise Rheinbach, (Wahlbülletin.) Hamm. (Die Wahlen. &#x2014; Schwarzweiße Excesse.) Münster. (Incompetenzerklärung. &#x2014; Merkantilische Drohungen der Reaktion. &#x2014; Temme's Entlassung. &#x2014; Giese. &#x2014; Möllenhof. &#x2014; Noch ein Brief an das königl. Ober-Landes-Gericht.) Berlin. (Einige Proben aus dem neupreußischen Sonntagsblatte. &#x2014; Vorbereitungen in Brandenburg zur Aufnahme der Deputirten. &#x2014; Der &#x201E;Bund der Royalisten.&#x201C; &#x2014; Ausweisung von Nees von Esenbeck. &#x2014; Wrangel und die Presse. &#x2014; Temme.) Breslau. (Der Rustikalcongreß. &#x2014; General Bem.) Von der östreichischen Grenze. (Der Krieg mit Piemont. &#x2014; Der Reichstag.) Wien. (Verurtheilungen. &#x2014; Faulheit an der Börse. &#x2014; Das nahende italische Frühjahr. &#x2014; Neuer Gouverneur für Gallizien. &#x2014; Ministerium, Bischöfe und Grundrechte. &#x2014; Metternich's Person und System.) Frankfurt. (Hochverrathsklage gegen den Abgeordneten Minkus.) Darmstadt. (Genuß der deutschen Grundrechte. &#x2014; Der große deutsche Kaiser. &#x2014; Bürgerwehrentwaffnung.) Dresden. (Sitzung der 2ten Kammer.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Aus Siebenbürgen (die kriegführenden Parteien.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris (der Anklageakt gegen das Ministerium. &#x2014; Die Aussöhnung der Montagnards und Proudhonisten. &#x2014; L'Herminier's Cursus geschlossen. &#x2014; Aladenize's Verhaftung. &#x2014; Gährung in den Kasernen. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; Die Situationen. &#x2014; Zustand in Paris. &#x2014; Albert Maurin.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Die spanische Intervention und die Maaßregeln dagegen. &#x2014; Ferari zum Kommandanten der römischen Civica ernannt. &#x2014; Die Stellung Radetzki's. &#x2014; Vermischtes.) Venedig (Geldangelegenheit. &#x2014; Die Wahlen zur Volksrepräsentation.</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritanien</hi>. London (Englands Ausfuhr nach seinen Kolonien. &#x2014; Die Auswanderung. &#x2014; Der Getreidemarkt.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Belgien</hi>. Lüttich (der wachsende Wohlstand. &#x2014; Regierungsmaaßnahmen. &#x2014; Belgische Manteuffeleien. &#x2014; Die Cholera.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika</hi>. Californien (Gold, Quecksilber, Diamanten und Platina.) Chili (die Silbergruben bei Copiago.) Canada (die Parteien in der Legislatur. &#x2014; Die Staatsschulden. &#x2014; Der Handel.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Asien</hi>. <hi rendition="#g">Persien</hi>. Neueste Nachrichten.</p>
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        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar209_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 30. Jan.</head>
          <p>Aus den neu angelangten Wahlberichten entnehmen wir Folgendes:</p>
          <p>Selbst in <hi rendition="#g">Pommern</hi> sind auf dem platten Lande die Wahlen günstiger für die Demokratie ausgefallen, als man erwarten konnte. Das vom König von Preußen an die Nessiner Tagelöhner erlassene und wie Heuschreckenschwärme über das ganze Land ergossene Wahlplakat scheint nach den uns vorliegenden Wahlergebnissen nicht den gehofften Erfolg gehabt zu haben.</p>
          <p>Sehr schlimm das, Majestät! Die übernatürlichen Wirkungen &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; scheinen verteufelt im Kurse zu sinken. Traurig, aber wahr! Indeß &#x2014; andern Kursen geht's eben so. Das ist ein Trost.</p>
          <p>Nun kommt auch &#x201E;Meine treue, geliebte Niederlausitz&#x201C; und &#x2014; wählt überwiegend demokratisch. Schrecklich, doch unabänderlich!</p>
          <p>Ach! sogar in der lieben, lieben Mark müssen es die Kandidaten der &#x201E;Galgenzeitung&#x201C; und der Potsdam-Charlottenburger Camarilla erleben, daß ihnen in den meisten Fällen kleine Ackerleute oder Handwerker von den verdammten unpatriotisch gewordenen Bauern vorgezogen werden.</p>
          <p>Aus Posen meldet die &#x201E;Osts.-Z.&#x201C;:</p>
          <p>&#x201E;Drei Parteien haben hier gegen einander gekämpft, keine hat einen entschiedenen Sieg davon getragen, eine Niederlage dagegen die Reaktionäre. Seit Wochen wühlten die Schwarz-Weißen schon im Stillen, überschwemmten die Stadt und die Provinz mit hunderten von Plakaten &#x2014; und nun ist Alles vergebens gewesen. Von 164 haben sie höchstens 35 für sich. Etwa 20 sind unentschieden, 55 gehören der demokratischen Partei an und der Rest sind Polen. Die Demokraten sind überrascht wegen dieses für sie glänzenden Erfolges. Ihnen standen zu wenig Mittel zu Gebot, um bei dem äußerst schwierigen Terrain hier mit Erfolg wirksam zu sein. Der Verein für König und Vaterland hat indessen ihnen kräftig in die Hände gearbeitet.&#x201C;</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Düsseldorf, 28. Januar.</head>
          <p>Die hiesige Regierung läßt sich immer tiefer in die Karten sehen. Wer hat denn eigentlich Trumpf aufgespielt? Das möchten Sie gerne wissen, und ich will nicht hinter dem Berge halten. Wer hat die sechs Regierungsräthe auf Suspension denunzirt? Wer hat den Belagerungszustand erklärt? Wer hat, nachdem das Associationsrecht wieder frei stand, den Polizei-Inspektor von Faldern in die geschlossene Versammlung der Wahlmänner geschickt, und als er hinausbuchstabirt war, veranlaßt, beim Wirthe Capellen einen Besuch zur folgenden anzukündigen? Sie glauben vielleicht Herr von Spiegel-Brandenburg, Herr Kommunist Drigalsly-Wrangel, Herr von Möller- von der Heidt! Fehlgeschossen. Es ist Herr von Mirbach-Manteuffel! Herr von Mirbach ist die Seele des Düsseldorfer Kabinets, er ist der Tyrann von Düsseldorf, dieser edle Kreuzritter. Fürwahr, man muß ihn sehen, diesen Don Quitxoten des absoluten Staats, mit seinem spanisch gefärbten Barte, mit seiner ritterlichen Tournüre, mit seiner siegenden Don-Juan-Miene, in allem zwar ein bischen verwittert, aber doch ohne Furcht und Tadel. Früher reis'te er in sehr difficilen Missionen mit fremden Namen. Aber ich singe mit Beranger:</p>
          <p rendition="#et">Parlons bas<lb/>
Ici pres j'ai vu Judas<lb/>
J'ai vu Judas, j'ai vu Judas.</p>
          <p>Später kam er nach Düsseldorf, nicht sehr geachtet, nicht sehr gefürchtet, aber vielleicht das Gegentheil wegen seinen Anticidentien, dabei immer übersehen. Nach der Märzrevolution trat er erst in seiner Größe hervor. Er nannte sie sehr bezeichnend ein Strohfeuerchen, wahrscheinlich in Erwartung eines künftigen Scheiterhaufens, der ihm dem Adel, Titel und Amt wegflammen soll. Treulich schwärmte er fort für König und Zöpfe, bis das letzte Ministerium ihm Gelegenheit gab, seine Talente zu entwickeln. Tiefsinnig hielt er einen Monolog: Mann-Teufel! das ist von nun an mein Motto! Und es ward sein Motto. Er ward der Dämon der Regierung. Spiegel sah in den Spiegel und sah nicht sich selbst, sondern Herrn von Mirbach. Drigalski stand des Morgens auf und er gewahrte, daß er es nicht selbst war, sondern Herr von Mirbach. Der ganze Belagerungszustand war das Werk dieses Herrn und innerhalb desselben war er Autokrat.</p>
          <p>Nach Verscheiden seines geliebten Belagerungszustandes suchte Mirbach die süß gewordene Herrschaft auf andere Weise zu retten.</p>
          <p>Er schickte seinen lieben Vetter in die Wahlversammlung, welche derselbe indeß bald zu verlassen die Nothwendigkeit sah. Per ardua ad astra (rother Adlerorden mit dem Stern) rief Herr von Mirbach! Auf's Neue! Und siehe, wie sollte der liebe Vetter die Pflichten der Verwandtschaft üben? Ja, in einer kleinen Versammlung von einigen technischen Regierungsräthen wurde festgestellt: die Polizei dürfe die Verfassung verletzen. Sogar das Militär wurde schon für den Abend beordert. Aber die Konstitutionellen sammelten sich, der Graf von Villiers, der Oberbürgermeisterei-Verwalter, die wenigen liberalen Beamten der Regierung erfuhren die Sache, traten zusammen und fanden, daß das doch zu weit gehe. Eine neue Versammlung der Kollegen wurde berufen (merkwürdiger Weise fehlte der Herr von Möller an diesem verhängnißvollen Tage, denn er hatte eine Reise unternommen) und alle stimmten gegen den Herrn von Mirbach, der hartnäckig bei seiner Meinung blieb. Wie Galilei einst von der Sonne sagte: sie bewegt sich doch! so behauptete er: die Polizei steht über der Verfassung. So wurde denn Contreordre erlassen, Graf Villiers erhielt das Regiment für den Abend. Herr von Faldern blieb aus der Versammlung, die Polizei verursachte keinen Aufruhr, Düsseldorf blieb ruhig. Wir sind neugierig, wie lange Herr von Mirbach-Manteuffel noch der Tyrann der Düsseldorfer Regierung und unserer lieben Stadt bleibt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>8</author></bibl> Rheidt, 29. Jan.</head>
          <p>In Gladbach hat bei den Wahlen für die erste Kammer die demokratische Partei ihren Kandidaten durchgesetzt. Die Geldaristokratie und das spezifische Preußenthum hatte den katholischen Pfarrer Halm (ehemaligen Garnisonprediger in Düsseldorf) zu ihrem Kandidaten aufgestellt. Beim dritten Scrutinium erhielt Halm 49, und Wienand Schippers, der demokratische Kandidat, 56 Stimmen (die absolute Majorität war 52). In Rheydt hat natürlich die Reaktion entschieden gesiegt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>101</author></bibl> Stolberg, 29. Jan.</head>
          <p>Obschon durch die Klüngelei unsrer gottbegnadigten Heuler, zur Wahl unserer 16 Wahlmänner die Stadt in acht Wahlbezirke zerrissen wurde, hat doch die Volkspartei entschieden gesiegt. Während wir nur 2 Wahlmänner zu den Unentschiedenen rechnen können, dürfen wir mit Bestimmtheit darauf zählen, daß die zu unserm Wahlkreise gehörende Wahlmänner der umliegenden Ortschaften, ihre Stimme nur Männern der Volkspartei geben werden: Dieses günstige Resultat haben wir außer den Manteuffelischen Schmähschriften, nur der energischen Betheiligung des Mittelstandes zu verdanken.</p>
          <p>Bei der heute stattgefundenen Wahl zur ersten Kammer ist ein Aristokrat mit liberaler Maske &#x2014; zwar nur mit genauer Noth, weil drei Stimmzettel undeutlich &#x2014; durchgekommen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>102</author></bibl> Andernach, 29. Januar.</head>
          <p>Bei der heute hier abgehaltenen Wahl für die erste Kammer wurde Herr Kaufmann Franz Joseph Nachtsheim, ein entschiedener Vertreter der Demokratie, fast einstimmig zum Wahlmann berufen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Koblenz, 29. Januar.</head>
          <p>Zu Wahlmännern für die erste Kammer wählte der erste hiesige Bezirk vier Demokraten, der zweite, (die Beamtenstadt) vier Kandidaten des Preußenvereins. Von den Wahlmännern des ländlichen Theils des Kreises sind die 5 auf der linken Rheinseite, in Winningen, Rübenach, Kesselheim und Bärlich gewählten entschiedene Demokraten; der in Ehrenbreitstein gewählte ein Beamter. Drei von den jetzt durchgesetzten Preußenvereinskandidaten waren auch im vorigen Frühjahr Wahlmänner, fielen aber vor acht Tagen glänzend durch. Ist es nun etwa ein Beweis des größeren geistigen Reichthums unserer Büreaukratie und Bourgeoisie, sich mit der vom Volk bereits zurückgewiesenen und abgestandenen Weisheit dieser Herren begnügen zu müssen?</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Eichenheim, 29. Januar.</head>
          <p>Die Wahl für die erste Kammer (der Bürgermeisterei Eichenheim und Münstereifel) ist entschieden demokratisch ausgefallen. Unter den Wahlmännern für die zweite Kammer sind kaum drei Aristokraten, die übrigen entschieden demokratisch.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>130</author></bibl> Aus dem Kreise Rheinbach, 28. Jan.</head>
          <p>Aus allen Winkeln der Erde erscheinen Wahlberichte und unser Kreis bleibt zurück; er braucht sich doch wahrlich nicht zu schämen, denn 5/6 der Wahlmänner sind Demokraten.</p>
          <p>Im heiligen Münstereiffel sind nur einzig Demokraten gewählt; in der ganzen Bürgermeisterei Buchenheim, Dank dem Bürgermeister und seiner Gehülfin, hat die reine Farbe gesiegt; nur in Rheinbach selbst hat der zukünftige Kommandant der Bürgerwehr, General Block, und drüben am gottbegnadeten Ziegelberge sein Compagnon Brandenburg den Sieg davon getragen. Das Pfäffchen zu Odendorf schreit, als hing's am Strick und predigt Menschenhaß und Reue; der Landrath zerrauft sich beinahe die Haare über ein solches Ergebniß; der Piusverein zu Rheinbach hat seinen Meister dort drüben dem Walde gefunden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>131</author></bibl> Hamm, 25. Januar.</head>
          <p>Die am 22. d. hier stattgehabten Wahlen sind im Sinne der demokratischen Partei ausgefallen, denn 16 Wahlmänner gehören ihr an, während die sogenannten Konstitutionellen (Reaktionäre) mit aller Mühe bei <hi rendition="#g">ein</hi> bis <hi rendition="#g">zwei</hi> Stimmen Majorität nur 12 ihrer Kandidaten durchbrachten. Wenn Sie die schwarzweiße Hauptstadt der &#x201E;lieben, treuen Markaner&#x201C; kennen, dann dürfen Sie sich über dieses Resultat wundern. Es kam denn auch der schwarzweißen Partei so unerwartet, daß sie darüber in eine gränzenlose Wuth gerieth. Um sich Luft zu machen, pereinigten sich einige, wahrscheinlich durch höhere Einwirkung fanatisirte Anhänger des Schwarzweißenthums und demolirten am Abende des Wahltages an dem Hause des <hi rendition="#g">Glasers B &#x2025;&#x2025;,</hi> der als <hi rendition="#g">demokratischer Wahlmann</hi> aus der Urne hervorgegangen war, in dessen Abwesenheit. Fenster und Thüren. Steine von 6 Pfund Gewicht wurden in den Zimmern gefunden. Möbel etc. waren durch diese Steine zerstört oder beschädigt. Bei der Menge von Zeugen, die der Glaser B. namhaft gemacht, steht trotz unserer Manteuffel'schen Behörden und unserer verrosteten Kriminalordnung eine energische Bestrafung der Thäter zu erwarten. Die Leithämmel dieses Vandalismus sollen ein langer Gerichtsbote, ein Gardefeldwebel, ein Mitglied der koniglich preußischen Hermandad und ein Privatsekretär (alle pér sang) gewesen sein!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar209_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Münster, 28 Januar.</head>
          <p>Ich erhalte eben die ganz zuverläßige Nachricht, daß das Ober-Landes-Gericht Paderborn sich abermals incompetent erklärt hat. Rintelen konnte dies nicht anders erwarten. Die Akten reisen nun wieder nach Berlin.</p>
          <p>Die rothe Reaktion kann sich noch immer wegen des Wahl-Resultats nicht beruhigen und während Herr Brüggemann aus seiner Gesinnungs-Genossin die schmutzige Lüge abschreibt, daß die Demokratie nur durch Lug und Trug gesiegt und nur Schund zu Wahlmännern gewählt habe, so weiß hier jedes Kind, in welcher Partei Bestechungen und Gemeinheiten <hi rendition="#g">allein</hi> vorgekommen sind.</p>
          <p>Die Reaktion droht nun nichts mehr von Demokraten kaufen zu wollen. Sie Demokraten lachen darüber, denn sagen sie, hat nicht schnn immer die Frau von Flottwel ihren Zucker-Bedarf von Joest aus Köln in Quantitäten von 100 Hüten für sich und Andere bezogen.</p>
          <p>Treibt nicht die Frau von K. förmlich Handel mit Schuhen, die sie von Brüssel bezieht; mit Manufacturwaaren von Köln, mit Thee und Kaffee von großen Handelsplätzen?</p>
          <p>Bezieht nicht der Major v. D. von Sch. den Tabak auswärts für sich und seine Bekannten?</p>
          <p>Läßt nicht der Graf Sch. der Wein von Peter Arnold Mumm aus Köln kommen für sich und wer ihn sonst von im kauft?</p>
          <p>Hat nicht der Ritmeister 2mal Handel getrieben mit den 2 Faß Wein, die er von Bordeaux bezogen? Verkauft nicht der Offizier-Verein seine Weine gleich jedem Weinhändler? <hi rendition="#g">Billiger natürlich, weil er keine Gewerbesteuer zahlt</hi>!</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>105</author></bibl> Münster, 29. Januar.</head>
          <p>Temme ist frei. Gestern (Sonntag) Abend 9 Uhr wurde er aus dem Zuchthause von seiner Frau, die aus Berlin mit dem Entlassungsbefehl Rintelens angekommen war, in Begleitung des Inquirenten, Criminal-Direktor Giese abgeholt. Zum Beweise, daß der Inquirent der hiesigen politischen Gefangenen kein Demosthenes ist, theile ich dessen schwere Rede stenographirt mit: Herr Direktor, ich habe Sie hineingebracht, ich will Sie auch wieder herausbringen.&#x201C; Aber mein lieber Mann, wann bringen Sie denn die übrigen politischen Gefangenen heraus, die Sie hineinbracht haben???</p>
          <p>In Preußen spielt jetzt also die heilige Justiz Komödie. Man schämt sich, daß man Temme frei lassen muß, da schickt Rintelen Temme's Frau den Entlassungsbefehl für ihren Mann, mit dem sie nach Münster reisen kann. Wahrlich ein zarter, ritterlicher Justiz-Minister. Aber bei all dieser Ritterlichkeit ist des Pudels Kern, daß die preußische Justiz sich gefürchtet (?) oder geschämt hat die Akten nach Frankfurt zu schicken und um dem zu entgehen lieber Temme entläßt.</p>
          <p>Das münstersche Gericht hat vor circa 8 Tagen über den Antrag einiger der December-Verhafteten auf Entlassung aus der Haft abgestimmt. Die Stimmen pro und contra waren gleich, da gab der Land- und Stadtgerichtsrath Dierix den Ausschlag durch seine Stimme und die Männer bleiben im Zuchthause.</p>
          <p>Ist es nicht Hohn, wenn gleichzeitig dasselbe Gericht den Verhaftsbefehl gegen den hiesigen Assessor Möllenhof, der vor einigen Tagen zurückgekehrt ist, aufhebt, obgleich Möllenhof, wenn in dem Kongreß ein Verbrechen liegt, zu den incriminirtesten gehört; Assessor Möllenhof ist der Sohn des hiesigen geheimen Justizrath Möllenhof, eines sehr intimen Freundes von Herrn Bodelschwingh.</p>
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          <head><bibl><author>105</author></bibl> Münster, 29. Januar.</head>
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          <p>&#x201E;Königliches Ober-Landesgericht</p>
          <p>Mehrere der mit mir zuchthäuslich gemaßregelten Congreß-Mitglieder haben bei Einem Königlichen Oberlandesgericht den Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellt, sind aber abschläglich beschieden worden. Ich erfahre, daß nur Eine Stimme &#x2014; die des Land- und Stadtgerichtsraths Dieriz &#x2014; die Schuld ber abschläglichen Antwort bringt.</p>
          <p>Entweder sind aber alle Congreß-Mitglieder gleich schuldig; dann müssen auch alle zuchthäuslich gemaßregelt werden, gleichviel ob sie mit dem hiesigen Gerichtspersonal verwandt sind oder nicht; &#x2014; oder aber die Schuld ist nach der Weisheit des hiesigen Gerichts bei dem einen etwas mehr, bei dem andern etwas weniger Staatsumwälzung.</p>
          <p>Da aber z. B. Hartmann eingesperrt bleibt, der sich fast gar nicht am Congreß betheiligt hat; gegen den Assessor Moellenhof aber der vor 7 Wochen erlassene Verhaftsbefehl jetzt bei dessen Rückkehr nach Münster zurückgenommen ist, obgleich er zu den incriminirtesten gehören würde, wie aus den bei den Akten liegenden gedruckten Auszügen dem Gericht klar sein muß.</p>
          <p>Da ich nun ferner aus gar großer Achtung vor dem hiesigen Gerichtspersonal, so wie noch weit mehr wegen einiger §§ des Th. II. Tit. XX. d. Allg. L. R. Partheilichkeit oder Nepotismus nicht annehmen kann, so geht klar hervor, daß meinem schwachen Verstande unerreichbare Gründe und Erwägungen in der vorliegenden Untersuchung maßgebend sind. Indem ich deßhalb über den hiermit gestellten Antrag: <hi rendition="#et">&#x201E;mich sofort frei zu lassen&#x201C;</hi> baldigst zu ballotiren bitte, befinde ich mich außer Stande denselben im
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[1143/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 209. Köln, Mittwoch den 31. Januar. 1849. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Wahlnotizen). Düsseldorf. (Geheime Regierung innerhalb der offiziellen.) Rheydt, Stollberg, Andernach, Koblenz, Eichenheim, Aus dem Kreise Rheinbach, (Wahlbülletin.) Hamm. (Die Wahlen. — Schwarzweiße Excesse.) Münster. (Incompetenzerklärung. — Merkantilische Drohungen der Reaktion. — Temme's Entlassung. — Giese. — Möllenhof. — Noch ein Brief an das königl. Ober-Landes-Gericht.) Berlin. (Einige Proben aus dem neupreußischen Sonntagsblatte. — Vorbereitungen in Brandenburg zur Aufnahme der Deputirten. — Der „Bund der Royalisten.“ — Ausweisung von Nees von Esenbeck. — Wrangel und die Presse. — Temme.) Breslau. (Der Rustikalcongreß. — General Bem.) Von der östreichischen Grenze. (Der Krieg mit Piemont. — Der Reichstag.) Wien. (Verurtheilungen. — Faulheit an der Börse. — Das nahende italische Frühjahr. — Neuer Gouverneur für Gallizien. — Ministerium, Bischöfe und Grundrechte. — Metternich's Person und System.) Frankfurt. (Hochverrathsklage gegen den Abgeordneten Minkus.) Darmstadt. (Genuß der deutschen Grundrechte. — Der große deutsche Kaiser. — Bürgerwehrentwaffnung.) Dresden. (Sitzung der 2ten Kammer.) Ungarn. Aus Siebenbürgen (die kriegführenden Parteien.) Französische Republik. Paris (der Anklageakt gegen das Ministerium. — Die Aussöhnung der Montagnards und Proudhonisten. — L'Herminier's Cursus geschlossen. — Aladenize's Verhaftung. — Gährung in den Kasernen. — Vermischtes. — Die Situationen. — Zustand in Paris. — Albert Maurin.) Italien. (Die spanische Intervention und die Maaßregeln dagegen. — Ferari zum Kommandanten der römischen Civica ernannt. — Die Stellung Radetzki's. — Vermischtes.) Venedig (Geldangelegenheit. — Die Wahlen zur Volksrepräsentation. Großbritanien. London (Englands Ausfuhr nach seinen Kolonien. — Die Auswanderung. — Der Getreidemarkt.) Belgien. Lüttich (der wachsende Wohlstand. — Regierungsmaaßnahmen. — Belgische Manteuffeleien. — Die Cholera.) Amerika. Californien (Gold, Quecksilber, Diamanten und Platina.) Chili (die Silbergruben bei Copiago.) Canada (die Parteien in der Legislatur. — Die Staatsschulden. — Der Handel.) Asien. Persien. Neueste Nachrichten. Deutschland. 068 Köln, 30. Jan. Aus den neu angelangten Wahlberichten entnehmen wir Folgendes: Selbst in Pommern sind auf dem platten Lande die Wahlen günstiger für die Demokratie ausgefallen, als man erwarten konnte. Das vom König von Preußen an die Nessiner Tagelöhner erlassene und wie Heuschreckenschwärme über das ganze Land ergossene Wahlplakat scheint nach den uns vorliegenden Wahlergebnissen nicht den gehofften Erfolg gehabt zu haben. Sehr schlimm das, Majestät! Die übernatürlichen Wirkungen „von Gottes Gnaden“ scheinen verteufelt im Kurse zu sinken. Traurig, aber wahr! Indeß — andern Kursen geht's eben so. Das ist ein Trost. Nun kommt auch „Meine treue, geliebte Niederlausitz“ und — wählt überwiegend demokratisch. Schrecklich, doch unabänderlich! Ach! sogar in der lieben, lieben Mark müssen es die Kandidaten der „Galgenzeitung“ und der Potsdam-Charlottenburger Camarilla erleben, daß ihnen in den meisten Fällen kleine Ackerleute oder Handwerker von den verdammten unpatriotisch gewordenen Bauern vorgezogen werden. Aus Posen meldet die „Osts.-Z.“: „Drei Parteien haben hier gegen einander gekämpft, keine hat einen entschiedenen Sieg davon getragen, eine Niederlage dagegen die Reaktionäre. Seit Wochen wühlten die Schwarz-Weißen schon im Stillen, überschwemmten die Stadt und die Provinz mit hunderten von Plakaten — und nun ist Alles vergebens gewesen. Von 164 haben sie höchstens 35 für sich. Etwa 20 sind unentschieden, 55 gehören der demokratischen Partei an und der Rest sind Polen. Die Demokraten sind überrascht wegen dieses für sie glänzenden Erfolges. Ihnen standen zu wenig Mittel zu Gebot, um bei dem äußerst schwierigen Terrain hier mit Erfolg wirksam zu sein. Der Verein für König und Vaterland hat indessen ihnen kräftig in die Hände gearbeitet.“ X Düsseldorf, 28. Januar. Die hiesige Regierung läßt sich immer tiefer in die Karten sehen. Wer hat denn eigentlich Trumpf aufgespielt? Das möchten Sie gerne wissen, und ich will nicht hinter dem Berge halten. Wer hat die sechs Regierungsräthe auf Suspension denunzirt? Wer hat den Belagerungszustand erklärt? Wer hat, nachdem das Associationsrecht wieder frei stand, den Polizei-Inspektor von Faldern in die geschlossene Versammlung der Wahlmänner geschickt, und als er hinausbuchstabirt war, veranlaßt, beim Wirthe Capellen einen Besuch zur folgenden anzukündigen? Sie glauben vielleicht Herr von Spiegel-Brandenburg, Herr Kommunist Drigalsly-Wrangel, Herr von Möller- von der Heidt! Fehlgeschossen. Es ist Herr von Mirbach-Manteuffel! Herr von Mirbach ist die Seele des Düsseldorfer Kabinets, er ist der Tyrann von Düsseldorf, dieser edle Kreuzritter. Fürwahr, man muß ihn sehen, diesen Don Quitxoten des absoluten Staats, mit seinem spanisch gefärbten Barte, mit seiner ritterlichen Tournüre, mit seiner siegenden Don-Juan-Miene, in allem zwar ein bischen verwittert, aber doch ohne Furcht und Tadel. Früher reis'te er in sehr difficilen Missionen mit fremden Namen. Aber ich singe mit Beranger: Parlons bas Ici pres j'ai vu Judas J'ai vu Judas, j'ai vu Judas. Später kam er nach Düsseldorf, nicht sehr geachtet, nicht sehr gefürchtet, aber vielleicht das Gegentheil wegen seinen Anticidentien, dabei immer übersehen. Nach der Märzrevolution trat er erst in seiner Größe hervor. Er nannte sie sehr bezeichnend ein Strohfeuerchen, wahrscheinlich in Erwartung eines künftigen Scheiterhaufens, der ihm dem Adel, Titel und Amt wegflammen soll. Treulich schwärmte er fort für König und Zöpfe, bis das letzte Ministerium ihm Gelegenheit gab, seine Talente zu entwickeln. Tiefsinnig hielt er einen Monolog: Mann-Teufel! das ist von nun an mein Motto! Und es ward sein Motto. Er ward der Dämon der Regierung. Spiegel sah in den Spiegel und sah nicht sich selbst, sondern Herrn von Mirbach. Drigalski stand des Morgens auf und er gewahrte, daß er es nicht selbst war, sondern Herr von Mirbach. Der ganze Belagerungszustand war das Werk dieses Herrn und innerhalb desselben war er Autokrat. Nach Verscheiden seines geliebten Belagerungszustandes suchte Mirbach die süß gewordene Herrschaft auf andere Weise zu retten. Er schickte seinen lieben Vetter in die Wahlversammlung, welche derselbe indeß bald zu verlassen die Nothwendigkeit sah. Per ardua ad astra (rother Adlerorden mit dem Stern) rief Herr von Mirbach! Auf's Neue! Und siehe, wie sollte der liebe Vetter die Pflichten der Verwandtschaft üben? Ja, in einer kleinen Versammlung von einigen technischen Regierungsräthen wurde festgestellt: die Polizei dürfe die Verfassung verletzen. Sogar das Militär wurde schon für den Abend beordert. Aber die Konstitutionellen sammelten sich, der Graf von Villiers, der Oberbürgermeisterei-Verwalter, die wenigen liberalen Beamten der Regierung erfuhren die Sache, traten zusammen und fanden, daß das doch zu weit gehe. Eine neue Versammlung der Kollegen wurde berufen (merkwürdiger Weise fehlte der Herr von Möller an diesem verhängnißvollen Tage, denn er hatte eine Reise unternommen) und alle stimmten gegen den Herrn von Mirbach, der hartnäckig bei seiner Meinung blieb. Wie Galilei einst von der Sonne sagte: sie bewegt sich doch! so behauptete er: die Polizei steht über der Verfassung. So wurde denn Contreordre erlassen, Graf Villiers erhielt das Regiment für den Abend. Herr von Faldern blieb aus der Versammlung, die Polizei verursachte keinen Aufruhr, Düsseldorf blieb ruhig. Wir sind neugierig, wie lange Herr von Mirbach-Manteuffel noch der Tyrann der Düsseldorfer Regierung und unserer lieben Stadt bleibt. 8 Rheidt, 29. Jan. In Gladbach hat bei den Wahlen für die erste Kammer die demokratische Partei ihren Kandidaten durchgesetzt. Die Geldaristokratie und das spezifische Preußenthum hatte den katholischen Pfarrer Halm (ehemaligen Garnisonprediger in Düsseldorf) zu ihrem Kandidaten aufgestellt. Beim dritten Scrutinium erhielt Halm 49, und Wienand Schippers, der demokratische Kandidat, 56 Stimmen (die absolute Majorität war 52). In Rheydt hat natürlich die Reaktion entschieden gesiegt. 101 Stolberg, 29. Jan. Obschon durch die Klüngelei unsrer gottbegnadigten Heuler, zur Wahl unserer 16 Wahlmänner die Stadt in acht Wahlbezirke zerrissen wurde, hat doch die Volkspartei entschieden gesiegt. Während wir nur 2 Wahlmänner zu den Unentschiedenen rechnen können, dürfen wir mit Bestimmtheit darauf zählen, daß die zu unserm Wahlkreise gehörende Wahlmänner der umliegenden Ortschaften, ihre Stimme nur Männern der Volkspartei geben werden: Dieses günstige Resultat haben wir außer den Manteuffelischen Schmähschriften, nur der energischen Betheiligung des Mittelstandes zu verdanken. Bei der heute stattgefundenen Wahl zur ersten Kammer ist ein Aristokrat mit liberaler Maske — zwar nur mit genauer Noth, weil drei Stimmzettel undeutlich — durchgekommen. 102 Andernach, 29. Januar. Bei der heute hier abgehaltenen Wahl für die erste Kammer wurde Herr Kaufmann Franz Joseph Nachtsheim, ein entschiedener Vertreter der Demokratie, fast einstimmig zum Wahlmann berufen. 15 Koblenz, 29. Januar. Zu Wahlmännern für die erste Kammer wählte der erste hiesige Bezirk vier Demokraten, der zweite, (die Beamtenstadt) vier Kandidaten des Preußenvereins. Von den Wahlmännern des ländlichen Theils des Kreises sind die 5 auf der linken Rheinseite, in Winningen, Rübenach, Kesselheim und Bärlich gewählten entschiedene Demokraten; der in Ehrenbreitstein gewählte ein Beamter. Drei von den jetzt durchgesetzten Preußenvereinskandidaten waren auch im vorigen Frühjahr Wahlmänner, fielen aber vor acht Tagen glänzend durch. Ist es nun etwa ein Beweis des größeren geistigen Reichthums unserer Büreaukratie und Bourgeoisie, sich mit der vom Volk bereits zurückgewiesenen und abgestandenen Weisheit dieser Herren begnügen zu müssen? X Eichenheim, 29. Januar. Die Wahl für die erste Kammer (der Bürgermeisterei Eichenheim und Münstereifel) ist entschieden demokratisch ausgefallen. Unter den Wahlmännern für die zweite Kammer sind kaum drei Aristokraten, die übrigen entschieden demokratisch. 130 Aus dem Kreise Rheinbach, 28. Jan. Aus allen Winkeln der Erde erscheinen Wahlberichte und unser Kreis bleibt zurück; er braucht sich doch wahrlich nicht zu schämen, denn 5/6 der Wahlmänner sind Demokraten. Im heiligen Münstereiffel sind nur einzig Demokraten gewählt; in der ganzen Bürgermeisterei Buchenheim, Dank dem Bürgermeister und seiner Gehülfin, hat die reine Farbe gesiegt; nur in Rheinbach selbst hat der zukünftige Kommandant der Bürgerwehr, General Block, und drüben am gottbegnadeten Ziegelberge sein Compagnon Brandenburg den Sieg davon getragen. Das Pfäffchen zu Odendorf schreit, als hing's am Strick und predigt Menschenhaß und Reue; der Landrath zerrauft sich beinahe die Haare über ein solches Ergebniß; der Piusverein zu Rheinbach hat seinen Meister dort drüben dem Walde gefunden. 131 Hamm, 25. Januar. Die am 22. d. hier stattgehabten Wahlen sind im Sinne der demokratischen Partei ausgefallen, denn 16 Wahlmänner gehören ihr an, während die sogenannten Konstitutionellen (Reaktionäre) mit aller Mühe bei ein bis zwei Stimmen Majorität nur 12 ihrer Kandidaten durchbrachten. Wenn Sie die schwarzweiße Hauptstadt der „lieben, treuen Markaner“ kennen, dann dürfen Sie sich über dieses Resultat wundern. Es kam denn auch der schwarzweißen Partei so unerwartet, daß sie darüber in eine gränzenlose Wuth gerieth. Um sich Luft zu machen, pereinigten sich einige, wahrscheinlich durch höhere Einwirkung fanatisirte Anhänger des Schwarzweißenthums und demolirten am Abende des Wahltages an dem Hause des Glasers B ‥‥, der als demokratischer Wahlmann aus der Urne hervorgegangen war, in dessen Abwesenheit. Fenster und Thüren. Steine von 6 Pfund Gewicht wurden in den Zimmern gefunden. Möbel etc. waren durch diese Steine zerstört oder beschädigt. Bei der Menge von Zeugen, die der Glaser B. namhaft gemacht, steht trotz unserer Manteuffel'schen Behörden und unserer verrosteten Kriminalordnung eine energische Bestrafung der Thäter zu erwarten. Die Leithämmel dieses Vandalismus sollen ein langer Gerichtsbote, ein Gardefeldwebel, ein Mitglied der koniglich preußischen Hermandad und ein Privatsekretär (alle pér sang) gewesen sein! 068 Münster, 28 Januar. Ich erhalte eben die ganz zuverläßige Nachricht, daß das Ober-Landes-Gericht Paderborn sich abermals incompetent erklärt hat. Rintelen konnte dies nicht anders erwarten. Die Akten reisen nun wieder nach Berlin. Die rothe Reaktion kann sich noch immer wegen des Wahl-Resultats nicht beruhigen und während Herr Brüggemann aus seiner Gesinnungs-Genossin die schmutzige Lüge abschreibt, daß die Demokratie nur durch Lug und Trug gesiegt und nur Schund zu Wahlmännern gewählt habe, so weiß hier jedes Kind, in welcher Partei Bestechungen und Gemeinheiten allein vorgekommen sind. Die Reaktion droht nun nichts mehr von Demokraten kaufen zu wollen. Sie Demokraten lachen darüber, denn sagen sie, hat nicht schnn immer die Frau von Flottwel ihren Zucker-Bedarf von Joest aus Köln in Quantitäten von 100 Hüten für sich und Andere bezogen. Treibt nicht die Frau von K. förmlich Handel mit Schuhen, die sie von Brüssel bezieht; mit Manufacturwaaren von Köln, mit Thee und Kaffee von großen Handelsplätzen? Bezieht nicht der Major v. D. von Sch. den Tabak auswärts für sich und seine Bekannten? Läßt nicht der Graf Sch. der Wein von Peter Arnold Mumm aus Köln kommen für sich und wer ihn sonst von im kauft? Hat nicht der Ritmeister 2mal Handel getrieben mit den 2 Faß Wein, die er von Bordeaux bezogen? Verkauft nicht der Offizier-Verein seine Weine gleich jedem Weinhändler? Billiger natürlich, weil er keine Gewerbesteuer zahlt! 105 Münster, 29. Januar. Temme ist frei. Gestern (Sonntag) Abend 9 Uhr wurde er aus dem Zuchthause von seiner Frau, die aus Berlin mit dem Entlassungsbefehl Rintelens angekommen war, in Begleitung des Inquirenten, Criminal-Direktor Giese abgeholt. Zum Beweise, daß der Inquirent der hiesigen politischen Gefangenen kein Demosthenes ist, theile ich dessen schwere Rede stenographirt mit: Herr Direktor, ich habe Sie hineingebracht, ich will Sie auch wieder herausbringen.“ Aber mein lieber Mann, wann bringen Sie denn die übrigen politischen Gefangenen heraus, die Sie hineinbracht haben??? In Preußen spielt jetzt also die heilige Justiz Komödie. Man schämt sich, daß man Temme frei lassen muß, da schickt Rintelen Temme's Frau den Entlassungsbefehl für ihren Mann, mit dem sie nach Münster reisen kann. Wahrlich ein zarter, ritterlicher Justiz-Minister. Aber bei all dieser Ritterlichkeit ist des Pudels Kern, daß die preußische Justiz sich gefürchtet (?) oder geschämt hat die Akten nach Frankfurt zu schicken und um dem zu entgehen lieber Temme entläßt. Das münstersche Gericht hat vor circa 8 Tagen über den Antrag einiger der December-Verhafteten auf Entlassung aus der Haft abgestimmt. Die Stimmen pro und contra waren gleich, da gab der Land- und Stadtgerichtsrath Dierix den Ausschlag durch seine Stimme und die Männer bleiben im Zuchthause. Ist es nicht Hohn, wenn gleichzeitig dasselbe Gericht den Verhaftsbefehl gegen den hiesigen Assessor Möllenhof, der vor einigen Tagen zurückgekehrt ist, aufhebt, obgleich Möllenhof, wenn in dem Kongreß ein Verbrechen liegt, zu den incriminirtesten gehört; Assessor Möllenhof ist der Sohn des hiesigen geheimen Justizrath Möllenhof, eines sehr intimen Freundes von Herrn Bodelschwingh. 105 Münster, 29. Januar. Die Erbitterung gegen das hiesige Gerichtspersonal ist groß. Zerbrochene Fensterscheiben etc. etc. zeugen daron. Neue Nahrung giebt ein so eben bekannt gewordener Brief eines der Gefangenen an das Ober-Landes-Gericht, woraus auch herausgeht, das während 6 Wochen kein Verhör etc. etc. stattgefunden hat. „Königliches Ober-Landesgericht Mehrere der mit mir zuchthäuslich gemaßregelten Congreß-Mitglieder haben bei Einem Königlichen Oberlandesgericht den Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellt, sind aber abschläglich beschieden worden. Ich erfahre, daß nur Eine Stimme — die des Land- und Stadtgerichtsraths Dieriz — die Schuld ber abschläglichen Antwort bringt. Entweder sind aber alle Congreß-Mitglieder gleich schuldig; dann müssen auch alle zuchthäuslich gemaßregelt werden, gleichviel ob sie mit dem hiesigen Gerichtspersonal verwandt sind oder nicht; — oder aber die Schuld ist nach der Weisheit des hiesigen Gerichts bei dem einen etwas mehr, bei dem andern etwas weniger Staatsumwälzung. Da aber z. B. Hartmann eingesperrt bleibt, der sich fast gar nicht am Congreß betheiligt hat; gegen den Assessor Moellenhof aber der vor 7 Wochen erlassene Verhaftsbefehl jetzt bei dessen Rückkehr nach Münster zurückgenommen ist, obgleich er zu den incriminirtesten gehören würde, wie aus den bei den Akten liegenden gedruckten Auszügen dem Gericht klar sein muß. Da ich nun ferner aus gar großer Achtung vor dem hiesigen Gerichtspersonal, so wie noch weit mehr wegen einiger §§ des Th. II. Tit. XX. d. Allg. L. R. Partheilichkeit oder Nepotismus nicht annehmen kann, so geht klar hervor, daß meinem schwachen Verstande unerreichbare Gründe und Erwägungen in der vorliegenden Untersuchung maßgebend sind. Indem ich deßhalb über den hiermit gestellten Antrag: „mich sofort frei zu lassen“ baldigst zu ballotiren bitte, befinde ich mich außer Stande denselben im

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 209. Köln, 31. Januar 1849, S. 1143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz209_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.