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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 260. Köln, 31. März 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 260. Köln, Samstag, den 31. März. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April - Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.

Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Niederlage der Piemontesen.) Berlin. (Vermischtes. - Kammer.) Königsberg. (Kriegsrechtsverhaftung und eine Reklamation.) Wien. (Vermischtes.) Hamburg. (Die Verlängerung des dänischen Waffenstillstandes.) Schleswig. (Die Landesversammlung. - Ein Gnadenact.) Kassel. (Ständedeputation beim Kurfürsten.) Bingen. (Volksvertretung.) Frankfurt. (Kaiserliches. - National-Versammlung.)

Ungarn. Vom Kriegsschauplatz. - Mehr Russen.

Franz. Republik. Paris. (Die Bank Proudhon's, die Milliarde und Italien. - Napoleon und die Bank, Falloux und Henri V. - Vermischtes. - National-Versammlung. - Niederlage der Piemontesen.) Bourges (Prozeß der Maigefangnen. - Huber's Erklärung.)

Deutschland.
* Köln, 30. März.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Berlin, 28. März.

Der Abg. Pflücker mit 8 seiner schlesischen Genossen, hatte bekanntlich den Antrag gestellt, eine Kommission zu ernennen, welche die Gewerbeverhältnisse und Gewerbegesetzgebung Preußens untersuchen solle und ermächtigt werde, Sachverständige zuzuziehen. Die Anhänger der octroyirten Gewerbeordnung waren über diesen unverfänglichen Antrag empört, sie fürchten auch die leiseste Kritik ihres ministeriellen Machwerks, weil sie wissen, daß dieses Gewerbekartenhaus bei jedem Hauch zusammenstürzen muß.

Wir haben nun in unserer sogenannten Volkskammer zwei Pracht-Exemplare glühender Liebhaber des alten Zunftzustandes, Bäckermeister Ludewig und Literat Möcke. Beide haben sich nun in Breslau ein Organ geschaffen, den sogenannten Central-Handwerkerverein, durch welchen sie nach allen Kräften, dem leisesten Gedanken selbst an eine freiere Gewerbeordnung, entgegenzuwirken suchen. Uns liegt ein Aktenstück über die wohlthätigen Bestrebungen dieser Herren vor. Sie schreiben an die lieben Brüder und Handwerksgenossen der ganzen Provinz: "Wie höchst gefährlich für das gedrückte Handwerk, so wie für unsere Bestrebungen überhaupt, die wiederholte Erneuerung einer Fachkommission ist, und wie sehr ist dies zu Gunsten der Herren Freihandelsmänner und Socialisten, denen unsere Verbrüderung ein Stein des Anstoßes ist, dies werdet Ihr, lieben Brüder, wohl anerkennen. Deshalb muß Alles für den von Möcke, und gegen den von Pflücker gestellten Antrag gethan werden. Wir fordern Euch auf, uns zu beiliegender Petition recht schleunigst zahlreiche Unterschriften zukommen zu lassen." Unterschrieben, das Direktorium des Central-Handwerkervereins.

Aus der Petition selbst entnehmen wir Folgendes: Der Pflückersche Antrag bezweckt in Wahrheit nichts anderes, als alle gewerblichen Vorlagen zu desavouiren und unsern Gegnern, den Freihandelsmännern, Socialisten und Kommunisten, Gelegenheit zu geben, uns gegenüber ihre Pläne und Absichten geltend zu machen und durchzusetzen. Sollen alle Handwerker zu Proletariern herabsinken? Soll der Handwerkerstand wider seinen Willen in die Reihen der politischen Opposition getrieben werden - so mag der Pflückersche Antrag in seinem ganzen Umfange angenommen werden.

Glücklicherweise sind die beiden talentvollen Abgeordneten von mehreren Handwerkervereinen zurückgewiesen worden und besonders der Verein zu Neiße hat den ehrenwerthen Bäckermeister mit seinem jungen Genossen recht tüchtig zurückgewiesen.

Heute war der zweite Tag der Verhandlungen gegen die Aufrührer vom 16. Oktober. Es wurden 11 Zeugen verhört und nur Einer, der Hauptmann v. Garn, war für Linden-Müller gravirend. Große Neugierde erregte die Erscheinung des alten Demagogen, Konditor Karbe.

Aus der ganzen Verhandlung geht übrigens bis jetzt evident hervor, daß die Bürgerwehr an jenem unglückseligen Tage ohne Ursache, ohne Kommando selbst, auf Fliehende geschossen hat, daß sie sich durch ihre Feigheit in vollständiger Desorganisation befand, daß sich die Wehrmänner fast unter einander getödtet hätten.

Eine Masse Beförderungen im Polizei- und Justizfach zeigen, daß unsere Regierung eifrigst bemüht ist, ihre getreuen Diener zu beloben. Der berüchtigte Polizeikommissarius Maaß II. ist Polizeiinspektor in Charlottenburg geworden. Der frühere Sattlergeselle Winkler, ein ganz ungebildeter Mensch, zum Obersten der Konstabler und Chef der ganzen Berliner exekutiven Polizei. Der Assessor Meyer, der reaktionärste im reaktionären Appellationssenat, wird jetzt Staatsanwalt in Berlin. Assessor Friedberg erhält die gleiche Stelle in Greifswald. Neumann wird als Oberstaatsanwalt in Bromberg die Polen zu bändigen versuchen. Der Oberlandesgerichtsrath v. Gerlach endlich, ein Gesinnungsgenosse seines Verwandten in der ersten Kammer, ist zum Oberstaatsanwalt in Breslau bestimmt.

Bei der Abstimmung über die ganze Adresse, enthielten sich heute die Herren Krackrügge, Parrisius und Haber der Abstimmung. Der Posener Demokrat Olawski stimmte mit der Rechten für die Adresse.

Der Graf Schwerin erzählte heute offenherzig genug, an viele schlesische Abg. der Rechten seien Briefe aus Schlesien gekommen, sie möchten doch von den Junkern weg sich auf die gemäßigte Linke setzen. Wird nichts helfen!

Es ist von der Versammlung, welche vor einigen Tagen zusammenkam, um über das Denkmal auf dem Friedrichshain zu sprechen, ein Comite ernannt worden, welchem sämmtliche Abg. Berlins und zwei Abgeordnete jeder Provinz angehören.

An der Börse war das Gerücht verbreitet, unser Gesammtministerium wolle abtreten.

In der Verfassungs-Commission sprach Kleist-Retzow sehr heftig gegen die Civilehe und stellte die Behauptung auf, in den Provinzen, welche die kirchliche Trauung zum Gesetz hätten, kämen Concubinate fast gar nicht vor, dagegen seien sie am Rhein, wo die Civilehe herrsche, außerordentlich häufig. Aber selbst Bodelschwingh widersprach ihm und nannte die Civilehe einen Fortschritt in der Gesetzgebung.

* Berlin, 28. März.

Sitzung der zweiten Kammer.

Abgeordneter Grebel zieht seinen Antrag die Suspendirung der neuen Gerichtsorganisation im Koblenzer Bezirk betreffend, zurück, da der Justizminister auf einen gleichen Antrag in der ersten Kammer erklärt hat, daß er in jenem Bezirk die neue Organisation bis zum 1. Juni suspendirt habe.

Vinke, als Referent der Adreßkommission, verliest die, mit Berücksichtigung der angenommenen Amendements, neu redigirte Adresse. Nach namentlicher Abstimmung wird die Adresse mit 186 gegen 145 Stimmen angenommen.

Auf den Vorschlag des Präsidenten Grabow beschließt die Kammer die Adresse durch eine aus 30 Mitgliedern (welche durch das Loos zu bezeichnen sind) bestehende Deputation dem Könige überreichen zu lassen. - Zur Deputation werden u. A. folgende Abgeordnete durch das Loos gezogen: Kleist (Schweinitz), Viebahn, Reuter (Tilsit), Rahn, Poninski (Löwenberg), Griesheim, Arnim, Sciba-Riedel, Pelzner, Küpfer, Hoeppe, Bloemer, Eydam u. s. w.

Der Minister des Innern Manteuffel nimmt das Wort: In der eben angenommenen Adresse ist von der Kammer ausgesprochen, daß sie einer weitern Mittheilung über die außer Berlin verhängten Belagerungszustände über einzelne Orte, entgegensehe. Ich lege der Kammer schon heute diese Mittheilungen zur Kenntnißnahme und Berathung vor.

Der Antrag auf unbeschränkte Portofreiheit kommt zur Debatte. Der Central-Ausschuß trägt auf Portofreiheit bis zu fünf Pfund für alle Sendungen von und an Abgeordnete an.

Bodelschwingh spricht gegen jede Portofreiheit für die Abgeordneten, das fiskalische Interesse werde dadurch beeinträchtigt.

Grebel und Bauer (Stolpe) machen einige Enthüllungen über die von Staatsbeamten unter Amtssiegel in Anspruch genommene Portofreiheit. - Minister v. d. Heydt wünscht, daß man ihm alle Contraventionen mittheile, damit er sie untersuchen könne.

Schließlich wird die motivirte Tagesordnung des Abgeordneten Bodelschwingh und ein Amendement des Abgeordneten Moritz verworfen und der Antrag des Central-Ausschusses angenommen.

Gegen den Antrag des Abg. Philipps, den Abgg. auf Verlangen 50 Exemplare der stenographischen Berichte täglich, zur Vertheilung unter ihere Wähler zu geben, erhebt sich sogleich der Minister Manteuffel, der ausrechnet, daß dies möglicherweise an 300,000 Thaler kosten könne. - Moritz widerlegt den Minister und setzt die große Wichtigkeit auseinander, welche die Vertheilung stenogr. Berichte auf dem Lande habe. Seiner Ansicht nach könne dies höchstens 20 - 30,000 Thlr. jährlich kosten, die man an anderer Stelle sparen könne.

Großjohann macht die faktische Berichtigung (bei Gelegenheit der Erwähnung der Schullehrer, die sich aus eigenen Mitteln die stenogr. Berichte nicht anschaffen könnten und welche auch so geringe Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage hätten), daß das Unterrichtsministerium vor den Wahlen alle Schullehrer aufforderte ihren Einfluß für die ministeriellen Wahlen geltend zu machen. Fürchtet das Ministerium vielleicht durch die Verbreitung der stenogr. Berichte jenen Einfluß zu verlieren?

Schließlich wird der Antrag der Commission angenommen, die stenogr. Berichte zum Kostenpreise und portofrei abzulassen.

Hierauf wird einstimmig die von einer Commission neu ausgearbeitete Geschäftsordnung ohne Diskussion angenommen. Desfallfige Abänderungsanträge zur Geschäftsordnung müssen einer besonderen Commission übergeben werden.

Nach der neuen Geschäftsordnung werden die Abtheilungen auf den Antrag von 50 Mitgliedern und wenn es die Mehrheit der Kammer beschließt, aufs Neue verlost. Demnach trägt Unruh und 58 andere Abg. auf eine neue Verlosung an, welche aber von der Majorität der Kammer verworfen wird.

Wesendonk glaubt, daß nach Annahme der neuen Geschäftsordnung auch das Bureau und die Abtheilungen erneuert werden müßten.

Dies ruft eine längere Debatte hervor. Viele Redner sprechen zur und über die Geschäftsordnung. Alles bleibt jedoch beim Alten. - Nächste Sitzung Sonnabend. -

Sitzung der ersten Kammer.

Die Herrencurie beschäftigte sich heute mit der Zurückweisung einer Interpellation von Fischer, Gierke u. s. w. über Auswanderung, und mit der von Milde, Dyhrn u. s. w., ob die Regierung gerüstet sei gegen die Truppenanhäufung der Russen an der Ostgrenze. - Arnim leugnete die Truppenanhäufung, welche übrigens in Rußland Sitte sei, das Vernehmen mit Rußland sei ein sehr gutes (wir zweifelten nie daran) u. s. w.

Bornemann und Stahl reichen einen Antrag ein, welcher den unglücklichen Entwürfen Rintelens Rechtsboden verschaffen soll. - Das alte Bureau, Auerswald, Wittgenstein, Baumstark, wird wieder gewählt.

X Königsberg, 22. März.

Endlich wird der Inhalt zweier kriegsgerichtlicher Erkenntnisse bekannt, auf welche unser ganzes Philisterium schon lange Zeit "neugierig" war, die uns aber durchaus nicht überrascht haben, da mir jedem königlich preußischen Kriegsgericht Alles zutrauen und noch außerdem die Zusammensetzung dieses kannten. Gefällt war das Urtheil schon lange, doch blieb es, wie bei unsern Kriegsgerichten Sitte oder vielmehr Unsitte, strenges Amtsgeheimniß bis zur Bestätigung resp. Milderung durch den König. Diese Letztere ist jetzt erfolgt und nach dem Muster der Wiener Standrechts-Begnadigungen zu Pulver und Blei ausgefallen. Hauptmann v. Czudnochowski, dessen Verbrechen darin besteht, daß er sich als Mitglied des demokratisch-constitutionellen Klubs an einer sehr zahmen Zustimmungsadresse an die Berliner Vereinbarer durch seine Namensunterschrift betheiligt, ist definitiv zu 3 Jahren Festungsarrest verdammt! - das andere Erkenntniß wollte 5 Militärs, derselben Schandthat überführt, noch schrecklichere Strafen octroyiren, doch in den unerschöpflichen Bornquell der Majestätsgnade getaucht, beschenkte es die Lieutenants v. Wegnern, Lentz, v. Koggenbrucke und Werner in unserm Vor-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 260. Köln, Samstag, den 31. März. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April ‒ Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen.

Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Niederlage der Piemontesen.) Berlin. (Vermischtes. ‒ Kammer.) Königsberg. (Kriegsrechtsverhaftung und eine Reklamation.) Wien. (Vermischtes.) Hamburg. (Die Verlängerung des dänischen Waffenstillstandes.) Schleswig. (Die Landesversammlung. ‒ Ein Gnadenact.) Kassel. (Ständedeputation beim Kurfürsten.) Bingen. (Volksvertretung.) Frankfurt. (Kaiserliches. ‒ National-Versammlung.)

Ungarn. Vom Kriegsschauplatz. ‒ Mehr Russen.

Franz. Republik. Paris. (Die Bank Proudhon's, die Milliarde und Italien. ‒ Napoleon und die Bank, Falloux und Henri V. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung. ‒ Niederlage der Piemontesen.) Bourges (Prozeß der Maigefangnen. ‒ Huber's Erklärung.)

Deutschland.
* Köln, 30. März.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Berlin, 28. März.

Der Abg. Pflücker mit 8 seiner schlesischen Genossen, hatte bekanntlich den Antrag gestellt, eine Kommission zu ernennen, welche die Gewerbeverhältnisse und Gewerbegesetzgebung Preußens untersuchen solle und ermächtigt werde, Sachverständige zuzuziehen. Die Anhänger der octroyirten Gewerbeordnung waren über diesen unverfänglichen Antrag empört, sie fürchten auch die leiseste Kritik ihres ministeriellen Machwerks, weil sie wissen, daß dieses Gewerbekartenhaus bei jedem Hauch zusammenstürzen muß.

Wir haben nun in unserer sogenannten Volkskammer zwei Pracht-Exemplare glühender Liebhaber des alten Zunftzustandes, Bäckermeister Ludewig und Literat Möcke. Beide haben sich nun in Breslau ein Organ geschaffen, den sogenannten Central-Handwerkerverein, durch welchen sie nach allen Kräften, dem leisesten Gedanken selbst an eine freiere Gewerbeordnung, entgegenzuwirken suchen. Uns liegt ein Aktenstück über die wohlthätigen Bestrebungen dieser Herren vor. Sie schreiben an die lieben Brüder und Handwerksgenossen der ganzen Provinz: „Wie höchst gefährlich für das gedrückte Handwerk, so wie für unsere Bestrebungen überhaupt, die wiederholte Erneuerung einer Fachkommission ist, und wie sehr ist dies zu Gunsten der Herren Freihandelsmänner und Socialisten, denen unsere Verbrüderung ein Stein des Anstoßes ist, dies werdet Ihr, lieben Brüder, wohl anerkennen. Deshalb muß Alles für den von Möcke, und gegen den von Pflücker gestellten Antrag gethan werden. Wir fordern Euch auf, uns zu beiliegender Petition recht schleunigst zahlreiche Unterschriften zukommen zu lassen.“ Unterschrieben, das Direktorium des Central-Handwerkervereins.

Aus der Petition selbst entnehmen wir Folgendes: Der Pflückersche Antrag bezweckt in Wahrheit nichts anderes, als alle gewerblichen Vorlagen zu desavouiren und unsern Gegnern, den Freihandelsmännern, Socialisten und Kommunisten, Gelegenheit zu geben, uns gegenüber ihre Pläne und Absichten geltend zu machen und durchzusetzen. Sollen alle Handwerker zu Proletariern herabsinken? Soll der Handwerkerstand wider seinen Willen in die Reihen der politischen Opposition getrieben werden ‒ so mag der Pflückersche Antrag in seinem ganzen Umfange angenommen werden.

Glücklicherweise sind die beiden talentvollen Abgeordneten von mehreren Handwerkervereinen zurückgewiesen worden und besonders der Verein zu Neiße hat den ehrenwerthen Bäckermeister mit seinem jungen Genossen recht tüchtig zurückgewiesen.

Heute war der zweite Tag der Verhandlungen gegen die Aufrührer vom 16. Oktober. Es wurden 11 Zeugen verhört und nur Einer, der Hauptmann v. Garn, war für Linden-Müller gravirend. Große Neugierde erregte die Erscheinung des alten Demagogen, Konditor Karbe.

Aus der ganzen Verhandlung geht übrigens bis jetzt evident hervor, daß die Bürgerwehr an jenem unglückseligen Tage ohne Ursache, ohne Kommando selbst, auf Fliehende geschossen hat, daß sie sich durch ihre Feigheit in vollständiger Desorganisation befand, daß sich die Wehrmänner fast unter einander getödtet hätten.

Eine Masse Beförderungen im Polizei- und Justizfach zeigen, daß unsere Regierung eifrigst bemüht ist, ihre getreuen Diener zu beloben. Der berüchtigte Polizeikommissarius Maaß II. ist Polizeiinspektor in Charlottenburg geworden. Der frühere Sattlergeselle Winkler, ein ganz ungebildeter Mensch, zum Obersten der Konstabler und Chef der ganzen Berliner exekutiven Polizei. Der Assessor Meyer, der reaktionärste im reaktionären Appellationssenat, wird jetzt Staatsanwalt in Berlin. Assessor Friedberg erhält die gleiche Stelle in Greifswald. Neumann wird als Oberstaatsanwalt in Bromberg die Polen zu bändigen versuchen. Der Oberlandesgerichtsrath v. Gerlach endlich, ein Gesinnungsgenosse seines Verwandten in der ersten Kammer, ist zum Oberstaatsanwalt in Breslau bestimmt.

Bei der Abstimmung über die ganze Adresse, enthielten sich heute die Herren Krackrügge, Parrisius und Haber der Abstimmung. Der Posener Demokrat Olawski stimmte mit der Rechten für die Adresse.

Der Graf Schwerin erzählte heute offenherzig genug, an viele schlesische Abg. der Rechten seien Briefe aus Schlesien gekommen, sie möchten doch von den Junkern weg sich auf die gemäßigte Linke setzen. Wird nichts helfen!

Es ist von der Versammlung, welche vor einigen Tagen zusammenkam, um über das Denkmal auf dem Friedrichshain zu sprechen, ein Comite ernannt worden, welchem sämmtliche Abg. Berlins und zwei Abgeordnete jeder Provinz angehören.

An der Börse war das Gerücht verbreitet, unser Gesammtministerium wolle abtreten.

In der Verfassungs-Commission sprach Kleist-Retzow sehr heftig gegen die Civilehe und stellte die Behauptung auf, in den Provinzen, welche die kirchliche Trauung zum Gesetz hätten, kämen Concubinate fast gar nicht vor, dagegen seien sie am Rhein, wo die Civilehe herrsche, außerordentlich häufig. Aber selbst Bodelschwingh widersprach ihm und nannte die Civilehe einen Fortschritt in der Gesetzgebung.

* Berlin, 28. März.

Sitzung der zweiten Kammer.

Abgeordneter Grebel zieht seinen Antrag die Suspendirung der neuen Gerichtsorganisation im Koblenzer Bezirk betreffend, zurück, da der Justizminister auf einen gleichen Antrag in der ersten Kammer erklärt hat, daß er in jenem Bezirk die neue Organisation bis zum 1. Juni suspendirt habe.

Vinke, als Referent der Adreßkommission, verliest die, mit Berücksichtigung der angenommenen Amendements, neu redigirte Adresse. Nach namentlicher Abstimmung wird die Adresse mit 186 gegen 145 Stimmen angenommen.

Auf den Vorschlag des Präsidenten Grabow beschließt die Kammer die Adresse durch eine aus 30 Mitgliedern (welche durch das Loos zu bezeichnen sind) bestehende Deputation dem Könige überreichen zu lassen. ‒ Zur Deputation werden u. A. folgende Abgeordnete durch das Loos gezogen: Kleist (Schweinitz), Viebahn, Reuter (Tilsit), Rahn, Poninski (Löwenberg), Griesheim, Arnim, Sciba-Riedel, Pelzner, Küpfer, Hoeppe, Bloemer, Eydam u. s. w.

Der Minister des Innern Manteuffel nimmt das Wort: In der eben angenommenen Adresse ist von der Kammer ausgesprochen, daß sie einer weitern Mittheilung über die außer Berlin verhängten Belagerungszustände über einzelne Orte, entgegensehe. Ich lege der Kammer schon heute diese Mittheilungen zur Kenntnißnahme und Berathung vor.

Der Antrag auf unbeschränkte Portofreiheit kommt zur Debatte. Der Central-Ausschuß trägt auf Portofreiheit bis zu fünf Pfund für alle Sendungen von und an Abgeordnete an.

Bodelschwingh spricht gegen jede Portofreiheit für die Abgeordneten, das fiskalische Interesse werde dadurch beeinträchtigt.

Grebel und Bauer (Stolpe) machen einige Enthüllungen über die von Staatsbeamten unter Amtssiegel in Anspruch genommene Portofreiheit. ‒ Minister v. d. Heydt wünscht, daß man ihm alle Contraventionen mittheile, damit er sie untersuchen könne.

Schließlich wird die motivirte Tagesordnung des Abgeordneten Bodelschwingh und ein Amendement des Abgeordneten Moritz verworfen und der Antrag des Central-Ausschusses angenommen.

Gegen den Antrag des Abg. Philipps, den Abgg. auf Verlangen 50 Exemplare der stenographischen Berichte täglich, zur Vertheilung unter ihere Wähler zu geben, erhebt sich sogleich der Minister Manteuffel, der ausrechnet, daß dies möglicherweise an 300,000 Thaler kosten könne. ‒ Moritz widerlegt den Minister und setzt die große Wichtigkeit auseinander, welche die Vertheilung stenogr. Berichte auf dem Lande habe. Seiner Ansicht nach könne dies höchstens 20 - 30,000 Thlr. jährlich kosten, die man an anderer Stelle sparen könne.

Großjohann macht die faktische Berichtigung (bei Gelegenheit der Erwähnung der Schullehrer, die sich aus eigenen Mitteln die stenogr. Berichte nicht anschaffen könnten und welche auch so geringe Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage hätten), daß das Unterrichtsministerium vor den Wahlen alle Schullehrer aufforderte ihren Einfluß für die ministeriellen Wahlen geltend zu machen. Fürchtet das Ministerium vielleicht durch die Verbreitung der stenogr. Berichte jenen Einfluß zu verlieren?

Schließlich wird der Antrag der Commission angenommen, die stenogr. Berichte zum Kostenpreise und portofrei abzulassen.

Hierauf wird einstimmig die von einer Commission neu ausgearbeitete Geschäftsordnung ohne Diskussion angenommen. Desfallfige Abänderungsanträge zur Geschäftsordnung müssen einer besonderen Commission übergeben werden.

Nach der neuen Geschäftsordnung werden die Abtheilungen auf den Antrag von 50 Mitgliedern und wenn es die Mehrheit der Kammer beschließt, aufs Neue verlost. Demnach trägt Unruh und 58 andere Abg. auf eine neue Verlosung an, welche aber von der Majorität der Kammer verworfen wird.

Wesendonk glaubt, daß nach Annahme der neuen Geschäftsordnung auch das Bureau und die Abtheilungen erneuert werden müßten.

Dies ruft eine längere Debatte hervor. Viele Redner sprechen zur und über die Geschäftsordnung. Alles bleibt jedoch beim Alten. ‒ Nächste Sitzung Sonnabend. ‒

Sitzung der ersten Kammer.

Die Herrencurie beschäftigte sich heute mit der Zurückweisung einer Interpellation von Fischer, Gierke u. s. w. über Auswanderung, und mit der von Milde, Dyhrn u. s. w., ob die Regierung gerüstet sei gegen die Truppenanhäufung der Russen an der Ostgrenze. ‒ Arnim leugnete die Truppenanhäufung, welche übrigens in Rußland Sitte sei, das Vernehmen mit Rußland sei ein sehr gutes (wir zweifelten nie daran) u. s. w.

Bornemann und Stahl reichen einen Antrag ein, welcher den unglücklichen Entwürfen Rintelens Rechtsboden verschaffen soll. ‒ Das alte Bureau, Auerswald, Wittgenstein, Baumstark, wird wieder gewählt.

X Königsberg, 22. März.

Endlich wird der Inhalt zweier kriegsgerichtlicher Erkenntnisse bekannt, auf welche unser ganzes Philisterium schon lange Zeit „neugierig“ war, die uns aber durchaus nicht überrascht haben, da mir jedem königlich preußischen Kriegsgericht Alles zutrauen und noch außerdem die Zusammensetzung dieses kannten. Gefällt war das Urtheil schon lange, doch blieb es, wie bei unsern Kriegsgerichten Sitte oder vielmehr Unsitte, strenges Amtsgeheimniß bis zur Bestätigung resp. Milderung durch den König. Diese Letztere ist jetzt erfolgt und nach dem Muster der Wiener Standrechts-Begnadigungen zu Pulver und Blei ausgefallen. Hauptmann v. Czudnochowski, dessen Verbrechen darin besteht, daß er sich als Mitglied des demokratisch-constitutionellen Klubs an einer sehr zahmen Zustimmungsadresse an die Berliner Vereinbarer durch seine Namensunterschrift betheiligt, ist definitiv zu 3 Jahren Festungsarrest verdammt! ‒ das andere Erkenntniß wollte 5 Militärs, derselben Schandthat überführt, noch schrecklichere Strafen octroyiren, doch in den unerschöpflichen Bornquell der Majestätsgnade getaucht, beschenkte es die Lieutenants v. Wegnern, Lentz, v. Koggenbrucke und Werner in unserm Vor-

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          <p>Heute war der zweite Tag der Verhandlungen gegen die Aufrührer vom 16. Oktober. Es wurden 11 Zeugen verhört und nur Einer, der Hauptmann v. Garn, war für <hi rendition="#g">Linden-Müller</hi> gravirend. Große Neugierde erregte die Erscheinung des alten Demagogen, Konditor <hi rendition="#g">Karbe.</hi> </p>
          <p>Aus der ganzen Verhandlung geht übrigens bis jetzt evident hervor, daß die Bürgerwehr an jenem unglückseligen Tage ohne Ursache, ohne Kommando selbst, auf Fliehende geschossen hat, daß sie sich durch ihre Feigheit in vollständiger Desorganisation befand, daß sich die Wehrmänner fast unter einander getödtet hätten.</p>
          <p>Eine Masse Beförderungen im Polizei- und Justizfach zeigen, daß unsere Regierung eifrigst bemüht ist, ihre getreuen Diener zu beloben. Der berüchtigte Polizeikommissarius <hi rendition="#g">Maaß II.</hi> ist Polizeiinspektor in Charlottenburg geworden. Der frühere Sattlergeselle <hi rendition="#g">Winkler,</hi> ein ganz ungebildeter Mensch, zum Obersten der Konstabler und Chef der ganzen Berliner exekutiven Polizei. Der Assessor <hi rendition="#g">Meyer,</hi> der reaktionärste im reaktionären Appellationssenat, wird jetzt Staatsanwalt in Berlin. Assessor <hi rendition="#g">Friedberg</hi> erhält die gleiche Stelle in Greifswald. <hi rendition="#g">Neumann</hi> wird als Oberstaatsanwalt in Bromberg die Polen zu bändigen versuchen. Der Oberlandesgerichtsrath <hi rendition="#g">v. Gerlach</hi> endlich, ein Gesinnungsgenosse seines Verwandten in der ersten Kammer, ist zum Oberstaatsanwalt in Breslau bestimmt.</p>
          <p>Bei der Abstimmung über die ganze Adresse, enthielten sich heute die Herren Krackrügge, Parrisius und Haber der Abstimmung. Der Posener Demokrat <hi rendition="#g">Olawski</hi> stimmte mit der Rechten für die Adresse.</p>
          <p>Der Graf Schwerin erzählte heute offenherzig genug, an viele schlesische Abg. der Rechten seien Briefe aus Schlesien gekommen, sie möchten doch von den Junkern weg sich auf die gemäßigte Linke setzen. Wird nichts helfen!</p>
          <p>Es ist von der Versammlung, welche vor einigen Tagen zusammenkam, um über das Denkmal auf dem Friedrichshain zu sprechen, ein Comite ernannt worden, welchem sämmtliche Abg. Berlins und zwei Abgeordnete jeder Provinz angehören.</p>
          <p>An der Börse war das Gerücht verbreitet, unser Gesammtministerium wolle abtreten.</p>
          <p>In der Verfassungs-Commission sprach <hi rendition="#g">Kleist-</hi>Retzow sehr heftig gegen die Civilehe und stellte die Behauptung auf, in den Provinzen, welche die kirchliche Trauung zum Gesetz hätten, kämen Concubinate fast gar nicht vor, dagegen seien sie am Rhein, wo die Civilehe herrsche, außerordentlich häufig. Aber selbst Bodelschwingh widersprach ihm und nannte die Civilehe einen Fortschritt in der Gesetzgebung.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 28. März.</head>
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p>
          <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">Grebel</hi> zieht seinen Antrag die Suspendirung der neuen Gerichtsorganisation im Koblenzer Bezirk betreffend, zurück, da der Justizminister auf einen gleichen Antrag in der ersten Kammer erklärt hat, daß er in jenem Bezirk die neue Organisation bis zum 1. Juni suspendirt habe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vinke,</hi> als Referent der Adreßkommission, verliest die, mit Berücksichtigung der angenommenen Amendements, neu redigirte Adresse. Nach namentlicher Abstimmung wird die Adresse mit 186 gegen 145 Stimmen angenommen.</p>
          <p>Auf den Vorschlag des Präsidenten <hi rendition="#g">Grabow</hi> beschließt die Kammer die Adresse durch eine aus 30 Mitgliedern (welche durch das Loos zu bezeichnen sind) bestehende Deputation dem Könige überreichen zu lassen. &#x2012; Zur Deputation werden u. A. folgende Abgeordnete durch das Loos gezogen: Kleist (Schweinitz), Viebahn, Reuter (Tilsit), Rahn, Poninski (Löwenberg), Griesheim, Arnim, Sciba-Riedel, Pelzner, Küpfer, Hoeppe, Bloemer, Eydam u. s. w.</p>
          <p>Der Minister des Innern <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> nimmt das Wort: In der eben angenommenen Adresse ist von der Kammer ausgesprochen, daß sie einer weitern Mittheilung über die außer Berlin verhängten Belagerungszustände über einzelne Orte, entgegensehe. Ich lege der Kammer schon heute diese Mittheilungen zur Kenntnißnahme und Berathung vor.</p>
          <p>Der Antrag auf unbeschränkte Portofreiheit kommt zur Debatte. Der Central-Ausschuß trägt auf <hi rendition="#g">Portofreiheit bis zu fünf Pfund</hi> für alle Sendungen von und an Abgeordnete an.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bodelschwingh</hi> spricht gegen jede Portofreiheit für die Abgeordneten, das fiskalische Interesse werde dadurch beeinträchtigt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Grebel</hi> und <hi rendition="#g">Bauer</hi> (Stolpe) machen einige Enthüllungen über die von Staatsbeamten unter Amtssiegel in Anspruch genommene Portofreiheit. &#x2012; Minister <hi rendition="#g">v. d. Heydt</hi> wünscht, daß man ihm alle Contraventionen mittheile, damit er sie untersuchen könne.</p>
          <p>Schließlich wird die motivirte Tagesordnung des Abgeordneten Bodelschwingh und ein Amendement des Abgeordneten Moritz verworfen und der Antrag des Central-Ausschusses <hi rendition="#g">angenommen.</hi> </p>
          <p>Gegen den Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Philipps,</hi> den Abgg. auf Verlangen 50 Exemplare der stenographischen Berichte täglich, zur Vertheilung unter ihere Wähler zu geben, erhebt sich sogleich der Minister Manteuffel, der ausrechnet, daß dies möglicherweise an 300,000 Thaler kosten könne. &#x2012; Moritz widerlegt den Minister und setzt die große Wichtigkeit auseinander, welche die Vertheilung stenogr. Berichte auf dem Lande habe. Seiner Ansicht nach könne dies höchstens 20 - 30,000 Thlr. jährlich kosten, die man an anderer Stelle sparen könne.</p>
          <p><hi rendition="#g">Großjohann</hi> macht die faktische Berichtigung (bei Gelegenheit der Erwähnung der Schullehrer, die sich aus eigenen Mitteln die stenogr. Berichte nicht anschaffen könnten und welche auch so geringe Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage hätten), daß das Unterrichtsministerium vor den Wahlen alle Schullehrer aufforderte ihren Einfluß für die ministeriellen Wahlen geltend zu machen. Fürchtet das Ministerium vielleicht durch die Verbreitung der stenogr. Berichte jenen Einfluß zu verlieren?</p>
          <p>Schließlich wird der Antrag der Commission angenommen, die stenogr. Berichte zum Kostenpreise und portofrei abzulassen.</p>
          <p>Hierauf wird einstimmig die von einer Commission neu ausgearbeitete Geschäftsordnung ohne Diskussion angenommen. Desfallfige Abänderungsanträge zur Geschäftsordnung müssen einer besonderen Commission übergeben werden.</p>
          <p>Nach der neuen Geschäftsordnung werden die Abtheilungen auf den Antrag von 50 Mitgliedern und wenn es die Mehrheit der Kammer beschließt, aufs Neue verlost. Demnach trägt <hi rendition="#g">Unruh</hi> und 58 andere Abg. auf eine neue Verlosung an, welche aber von der Majorität der Kammer verworfen wird.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi> glaubt, daß nach Annahme der neuen Geschäftsordnung auch das Bureau und die Abtheilungen erneuert werden müßten.</p>
          <p>Dies ruft eine längere Debatte hervor. Viele Redner sprechen zur und über die Geschäftsordnung. Alles bleibt jedoch beim Alten. &#x2012; Nächste Sitzung Sonnabend. &#x2012;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar260_005" type="jArticle">
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der ersten Kammer.</hi> </p>
          <p>Die Herrencurie beschäftigte sich heute mit der Zurückweisung einer Interpellation von Fischer, Gierke u. s. w. über Auswanderung, und mit der von Milde, Dyhrn u. s. w., ob die Regierung gerüstet sei gegen die Truppenanhäufung der Russen an der Ostgrenze. &#x2012; <hi rendition="#g">Arnim</hi> leugnete die Truppenanhäufung, welche übrigens in Rußland Sitte sei, das Vernehmen mit Rußland sei ein sehr gutes (wir zweifelten nie daran) u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bornemann</hi> und <hi rendition="#g">Stahl</hi> reichen einen Antrag ein, welcher den unglücklichen Entwürfen Rintelens Rechtsboden verschaffen soll. &#x2012; Das alte Bureau, Auerswald, Wittgenstein, Baumstark, wird wieder gewählt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar260_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Königsberg, 22. März.</head>
          <p>Endlich wird der Inhalt zweier kriegsgerichtlicher Erkenntnisse bekannt, auf welche unser ganzes Philisterium schon lange Zeit &#x201E;<hi rendition="#g">neugierig</hi>&#x201C; war, die uns aber durchaus nicht überrascht haben, da mir jedem königlich preußischen Kriegsgericht Alles zutrauen und noch außerdem die Zusammensetzung dieses kannten. Gefällt war das Urtheil schon lange, doch blieb es, wie bei unsern Kriegsgerichten Sitte oder vielmehr Unsitte, strenges Amtsgeheimniß bis zur Bestätigung resp. Milderung durch den König. Diese Letztere ist jetzt erfolgt und nach dem Muster der Wiener Standrechts-Begnadigungen zu Pulver und Blei ausgefallen. Hauptmann v. Czudnochowski, dessen Verbrechen darin besteht, daß er sich als Mitglied des demokratisch-constitutionellen Klubs an einer sehr zahmen Zustimmungsadresse an die Berliner Vereinbarer durch seine Namensunterschrift betheiligt, ist definitiv zu 3 Jahren Festungsarrest verdammt! &#x2012; das andere Erkenntniß wollte 5 Militärs, derselben Schandthat überführt, noch schrecklichere Strafen octroyiren, doch in den unerschöpflichen Bornquell der Majestätsgnade getaucht, beschenkte es die Lieutenants v. Wegnern, Lentz, v. Koggenbrucke und Werner in unserm Vor-
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[1461/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 260. Köln, Samstag, den 31. März. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Bestellungen auf die Neue Rheinische Zeitung für das II. Quartal (April ‒ Juni) bitten wir möglichst frühzeitig zu machen. Unsere auswärtigen geehrten Abonnenten machen wir darauf aufmerksam, daß die Abonnements jedesmal am Schlusse des Quartals bei den Postämtern erneuert werden müssen. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Niederlage der Piemontesen.) Berlin. (Vermischtes. ‒ Kammer.) Königsberg. (Kriegsrechtsverhaftung und eine Reklamation.) Wien. (Vermischtes.) Hamburg. (Die Verlängerung des dänischen Waffenstillstandes.) Schleswig. (Die Landesversammlung. ‒ Ein Gnadenact.) Kassel. (Ständedeputation beim Kurfürsten.) Bingen. (Volksvertretung.) Frankfurt. (Kaiserliches. ‒ National-Versammlung.) Ungarn. Vom Kriegsschauplatz. ‒ Mehr Russen. Franz. Republik. Paris. (Die Bank Proudhon's, die Milliarde und Italien. ‒ Napoleon und die Bank, Falloux und Henri V. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung. ‒ Niederlage der Piemontesen.) Bourges (Prozeß der Maigefangnen. ‒ Huber's Erklärung.) Deutschland. * Köln, 30. März. _ * Berlin, 28. März. Der Abg. Pflücker mit 8 seiner schlesischen Genossen, hatte bekanntlich den Antrag gestellt, eine Kommission zu ernennen, welche die Gewerbeverhältnisse und Gewerbegesetzgebung Preußens untersuchen solle und ermächtigt werde, Sachverständige zuzuziehen. Die Anhänger der octroyirten Gewerbeordnung waren über diesen unverfänglichen Antrag empört, sie fürchten auch die leiseste Kritik ihres ministeriellen Machwerks, weil sie wissen, daß dieses Gewerbekartenhaus bei jedem Hauch zusammenstürzen muß. Wir haben nun in unserer sogenannten Volkskammer zwei Pracht-Exemplare glühender Liebhaber des alten Zunftzustandes, Bäckermeister Ludewig und Literat Möcke. Beide haben sich nun in Breslau ein Organ geschaffen, den sogenannten Central-Handwerkerverein, durch welchen sie nach allen Kräften, dem leisesten Gedanken selbst an eine freiere Gewerbeordnung, entgegenzuwirken suchen. Uns liegt ein Aktenstück über die wohlthätigen Bestrebungen dieser Herren vor. Sie schreiben an die lieben Brüder und Handwerksgenossen der ganzen Provinz: „Wie höchst gefährlich für das gedrückte Handwerk, so wie für unsere Bestrebungen überhaupt, die wiederholte Erneuerung einer Fachkommission ist, und wie sehr ist dies zu Gunsten der Herren Freihandelsmänner und Socialisten, denen unsere Verbrüderung ein Stein des Anstoßes ist, dies werdet Ihr, lieben Brüder, wohl anerkennen. Deshalb muß Alles für den von Möcke, und gegen den von Pflücker gestellten Antrag gethan werden. Wir fordern Euch auf, uns zu beiliegender Petition recht schleunigst zahlreiche Unterschriften zukommen zu lassen.“ Unterschrieben, das Direktorium des Central-Handwerkervereins. Aus der Petition selbst entnehmen wir Folgendes: Der Pflückersche Antrag bezweckt in Wahrheit nichts anderes, als alle gewerblichen Vorlagen zu desavouiren und unsern Gegnern, den Freihandelsmännern, Socialisten und Kommunisten, Gelegenheit zu geben, uns gegenüber ihre Pläne und Absichten geltend zu machen und durchzusetzen. Sollen alle Handwerker zu Proletariern herabsinken? Soll der Handwerkerstand wider seinen Willen in die Reihen der politischen Opposition getrieben werden ‒ so mag der Pflückersche Antrag in seinem ganzen Umfange angenommen werden. Glücklicherweise sind die beiden talentvollen Abgeordneten von mehreren Handwerkervereinen zurückgewiesen worden und besonders der Verein zu Neiße hat den ehrenwerthen Bäckermeister mit seinem jungen Genossen recht tüchtig zurückgewiesen. Heute war der zweite Tag der Verhandlungen gegen die Aufrührer vom 16. Oktober. Es wurden 11 Zeugen verhört und nur Einer, der Hauptmann v. Garn, war für Linden-Müller gravirend. Große Neugierde erregte die Erscheinung des alten Demagogen, Konditor Karbe. Aus der ganzen Verhandlung geht übrigens bis jetzt evident hervor, daß die Bürgerwehr an jenem unglückseligen Tage ohne Ursache, ohne Kommando selbst, auf Fliehende geschossen hat, daß sie sich durch ihre Feigheit in vollständiger Desorganisation befand, daß sich die Wehrmänner fast unter einander getödtet hätten. Eine Masse Beförderungen im Polizei- und Justizfach zeigen, daß unsere Regierung eifrigst bemüht ist, ihre getreuen Diener zu beloben. Der berüchtigte Polizeikommissarius Maaß II. ist Polizeiinspektor in Charlottenburg geworden. Der frühere Sattlergeselle Winkler, ein ganz ungebildeter Mensch, zum Obersten der Konstabler und Chef der ganzen Berliner exekutiven Polizei. Der Assessor Meyer, der reaktionärste im reaktionären Appellationssenat, wird jetzt Staatsanwalt in Berlin. Assessor Friedberg erhält die gleiche Stelle in Greifswald. Neumann wird als Oberstaatsanwalt in Bromberg die Polen zu bändigen versuchen. Der Oberlandesgerichtsrath v. Gerlach endlich, ein Gesinnungsgenosse seines Verwandten in der ersten Kammer, ist zum Oberstaatsanwalt in Breslau bestimmt. Bei der Abstimmung über die ganze Adresse, enthielten sich heute die Herren Krackrügge, Parrisius und Haber der Abstimmung. Der Posener Demokrat Olawski stimmte mit der Rechten für die Adresse. Der Graf Schwerin erzählte heute offenherzig genug, an viele schlesische Abg. der Rechten seien Briefe aus Schlesien gekommen, sie möchten doch von den Junkern weg sich auf die gemäßigte Linke setzen. Wird nichts helfen! Es ist von der Versammlung, welche vor einigen Tagen zusammenkam, um über das Denkmal auf dem Friedrichshain zu sprechen, ein Comite ernannt worden, welchem sämmtliche Abg. Berlins und zwei Abgeordnete jeder Provinz angehören. An der Börse war das Gerücht verbreitet, unser Gesammtministerium wolle abtreten. In der Verfassungs-Commission sprach Kleist-Retzow sehr heftig gegen die Civilehe und stellte die Behauptung auf, in den Provinzen, welche die kirchliche Trauung zum Gesetz hätten, kämen Concubinate fast gar nicht vor, dagegen seien sie am Rhein, wo die Civilehe herrsche, außerordentlich häufig. Aber selbst Bodelschwingh widersprach ihm und nannte die Civilehe einen Fortschritt in der Gesetzgebung. * Berlin, 28. März. Sitzung der zweiten Kammer. Abgeordneter Grebel zieht seinen Antrag die Suspendirung der neuen Gerichtsorganisation im Koblenzer Bezirk betreffend, zurück, da der Justizminister auf einen gleichen Antrag in der ersten Kammer erklärt hat, daß er in jenem Bezirk die neue Organisation bis zum 1. Juni suspendirt habe. Vinke, als Referent der Adreßkommission, verliest die, mit Berücksichtigung der angenommenen Amendements, neu redigirte Adresse. Nach namentlicher Abstimmung wird die Adresse mit 186 gegen 145 Stimmen angenommen. Auf den Vorschlag des Präsidenten Grabow beschließt die Kammer die Adresse durch eine aus 30 Mitgliedern (welche durch das Loos zu bezeichnen sind) bestehende Deputation dem Könige überreichen zu lassen. ‒ Zur Deputation werden u. A. folgende Abgeordnete durch das Loos gezogen: Kleist (Schweinitz), Viebahn, Reuter (Tilsit), Rahn, Poninski (Löwenberg), Griesheim, Arnim, Sciba-Riedel, Pelzner, Küpfer, Hoeppe, Bloemer, Eydam u. s. w. Der Minister des Innern Manteuffel nimmt das Wort: In der eben angenommenen Adresse ist von der Kammer ausgesprochen, daß sie einer weitern Mittheilung über die außer Berlin verhängten Belagerungszustände über einzelne Orte, entgegensehe. Ich lege der Kammer schon heute diese Mittheilungen zur Kenntnißnahme und Berathung vor. Der Antrag auf unbeschränkte Portofreiheit kommt zur Debatte. Der Central-Ausschuß trägt auf Portofreiheit bis zu fünf Pfund für alle Sendungen von und an Abgeordnete an. Bodelschwingh spricht gegen jede Portofreiheit für die Abgeordneten, das fiskalische Interesse werde dadurch beeinträchtigt. Grebel und Bauer (Stolpe) machen einige Enthüllungen über die von Staatsbeamten unter Amtssiegel in Anspruch genommene Portofreiheit. ‒ Minister v. d. Heydt wünscht, daß man ihm alle Contraventionen mittheile, damit er sie untersuchen könne. Schließlich wird die motivirte Tagesordnung des Abgeordneten Bodelschwingh und ein Amendement des Abgeordneten Moritz verworfen und der Antrag des Central-Ausschusses angenommen. Gegen den Antrag des Abg. Philipps, den Abgg. auf Verlangen 50 Exemplare der stenographischen Berichte täglich, zur Vertheilung unter ihere Wähler zu geben, erhebt sich sogleich der Minister Manteuffel, der ausrechnet, daß dies möglicherweise an 300,000 Thaler kosten könne. ‒ Moritz widerlegt den Minister und setzt die große Wichtigkeit auseinander, welche die Vertheilung stenogr. Berichte auf dem Lande habe. Seiner Ansicht nach könne dies höchstens 20 - 30,000 Thlr. jährlich kosten, die man an anderer Stelle sparen könne. Großjohann macht die faktische Berichtigung (bei Gelegenheit der Erwähnung der Schullehrer, die sich aus eigenen Mitteln die stenogr. Berichte nicht anschaffen könnten und welche auch so geringe Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage hätten), daß das Unterrichtsministerium vor den Wahlen alle Schullehrer aufforderte ihren Einfluß für die ministeriellen Wahlen geltend zu machen. Fürchtet das Ministerium vielleicht durch die Verbreitung der stenogr. Berichte jenen Einfluß zu verlieren? Schließlich wird der Antrag der Commission angenommen, die stenogr. Berichte zum Kostenpreise und portofrei abzulassen. Hierauf wird einstimmig die von einer Commission neu ausgearbeitete Geschäftsordnung ohne Diskussion angenommen. Desfallfige Abänderungsanträge zur Geschäftsordnung müssen einer besonderen Commission übergeben werden. Nach der neuen Geschäftsordnung werden die Abtheilungen auf den Antrag von 50 Mitgliedern und wenn es die Mehrheit der Kammer beschließt, aufs Neue verlost. Demnach trägt Unruh und 58 andere Abg. auf eine neue Verlosung an, welche aber von der Majorität der Kammer verworfen wird. Wesendonk glaubt, daß nach Annahme der neuen Geschäftsordnung auch das Bureau und die Abtheilungen erneuert werden müßten. Dies ruft eine längere Debatte hervor. Viele Redner sprechen zur und über die Geschäftsordnung. Alles bleibt jedoch beim Alten. ‒ Nächste Sitzung Sonnabend. ‒ Sitzung der ersten Kammer. Die Herrencurie beschäftigte sich heute mit der Zurückweisung einer Interpellation von Fischer, Gierke u. s. w. über Auswanderung, und mit der von Milde, Dyhrn u. s. w., ob die Regierung gerüstet sei gegen die Truppenanhäufung der Russen an der Ostgrenze. ‒ Arnim leugnete die Truppenanhäufung, welche übrigens in Rußland Sitte sei, das Vernehmen mit Rußland sei ein sehr gutes (wir zweifelten nie daran) u. s. w. Bornemann und Stahl reichen einen Antrag ein, welcher den unglücklichen Entwürfen Rintelens Rechtsboden verschaffen soll. ‒ Das alte Bureau, Auerswald, Wittgenstein, Baumstark, wird wieder gewählt. X Königsberg, 22. März. Endlich wird der Inhalt zweier kriegsgerichtlicher Erkenntnisse bekannt, auf welche unser ganzes Philisterium schon lange Zeit „neugierig“ war, die uns aber durchaus nicht überrascht haben, da mir jedem königlich preußischen Kriegsgericht Alles zutrauen und noch außerdem die Zusammensetzung dieses kannten. Gefällt war das Urtheil schon lange, doch blieb es, wie bei unsern Kriegsgerichten Sitte oder vielmehr Unsitte, strenges Amtsgeheimniß bis zur Bestätigung resp. Milderung durch den König. Diese Letztere ist jetzt erfolgt und nach dem Muster der Wiener Standrechts-Begnadigungen zu Pulver und Blei ausgefallen. Hauptmann v. Czudnochowski, dessen Verbrechen darin besteht, daß er sich als Mitglied des demokratisch-constitutionellen Klubs an einer sehr zahmen Zustimmungsadresse an die Berliner Vereinbarer durch seine Namensunterschrift betheiligt, ist definitiv zu 3 Jahren Festungsarrest verdammt! ‒ das andere Erkenntniß wollte 5 Militärs, derselben Schandthat überführt, noch schrecklichere Strafen octroyiren, doch in den unerschöpflichen Bornquell der Majestätsgnade getaucht, beschenkte es die Lieutenants v. Wegnern, Lentz, v. Koggenbrucke und Werner in unserm Vor-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 260. Köln, 31. März 1849, S. 1461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz260_1849/1>, abgerufen am 29.03.2024.