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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 278. Köln, 21. April 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No. 278. Köln, Samstag, den 21. April 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 277 d. Ztg. wurde eine zweite Ausgabe ausgegeben.

Uebersicht.

Deutschland. Berlin (Klatsch, - Sitzung der zweiten Kammer). Breslau. (Arbeiterbankett. - Schütte). Wien. (Ansprache Böhms an die Wiener). Aus Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz. - General Fabvier).

Polen. (Das ruthenische Comite).

Italien. Catania. (Erstürmung der Stadt). Malta. (Kapitulation Siragossa's und Agosta's). Genua. (Brief Avezzana's an einen englischen Schiffskommandanten. - Dekret Victor Emanuels). Turin. (De Launay. - Auflösung des Gemeinderaths in Alessandria).

Französische Republik. Paris. (Die Expedition nach Civita-Vecchia. - Vermischtes).

Großbritannien. London. (Unterhaus).

Ungarn. (Ausbleiben der Posten). Agram. (Der neue kroatisch-slavonisch-dalmatinische Raubstaat). Aus Syrmien. (Klaggesang der edlen Frauen des Asan Aga). Kronstadt. (Bem in Kronstadt).

Ostindien. London. (Der Sieg bei Gudscherat. - Vermischtes).

China. Hong-Kong. (Der Vertrag wegen Eröffnung Cantons für die Fremden).

Egypten. Cairo. (Die Verbindung zwischen Cairo und Suez).

Deutschland.
* Berlin, 18. April.

Wir sind aus sicherster Quelle in den Stand gesetzt, folgenden Beitrag zu dem alten Ruhm der preußischen Gerichtshöfe, ihrer bekannten Selbstständigkeit und Unparteilichkeit zu geben.

Die Gräfin Hatzfeld in Düsseldorf war bekanntlich zu zwei Monat Gefängniß verurtheilt und es fragte sich nun, ob die Amnestie vom 20. März v. J. nicht auch hier zur Anwendung kommen müsse. Die Sache kam an den Kassationshof. Hr. Oberprokurator John sagte nun in dem von ihm eingereichten Berichte, man möge sich doch beeilen und gar nicht auf das Gesuch der Gräfin Hatzfeld Rücksicht nehmen, da sie eine der gefährlichsten und thätigsten "Wühlerinnen" in Düsseldorf sei etc. Der Anwalt der Gräfin fand, als er sich die betreffenden Akten zeigen ließ, diesen Bericht nicht vor, man hatte denselben hinweggenommen, auf sein dringendes Gesuch erhielt er ihn endlich zur Ansicht.

Aber der Bericht des Oberprokurators John hatte seine Wirkung bei dem Gerichtshofe nicht verfehlt. Es besteht nämlich die Förmlichkeit, daß der Angeklagte in solchen Fällen sich bereit erklären muß, die Haft anzutreten und es erbat sich der Anwalt der Gräfin 14 Tage Frist für ihre Erklärung aus, welche stets gewährt wird - der Gerichtshof verweigerte jede Frist!!! - Glücklicherweise gelang das Spiel des Gerichtshofes nicht, die Erklärung wurde rasch herbeigeschafft.

Der christlich-germanische Musterstaat Preußen wollte in seiner gewaltigen Frömmigkeit das Unwesen der Bordelle nicht mehr dulden und am 1. Jan. 1847 wurden dieselben aufgehoben. Diese Maßregel hat indessen nur sehr traurige Früchte getragen, seit jener Zeit haben die syphilitischen Krankheiten progressiv zugenommen und jetzt ist die Charite und Bethanien so voll dieser Kranken, daß selbst die Hausvogtei sie behalten muß. Der fromme Kultusminister Ladenberg will sich nun das Verdienst der Wiederherstellung der Bordelle erwerben, um jenen Krankheiten, welche hier schon epidemisch geworden sind, zu begegnen, da die Sittlichkeit des vergangenen Systems eben zu nichts Anderem geführt hat, als zur - - Syphilis.

Der neue Saal des Kriminalgerichts für die Sitzung der Geschwornen sollte heute eröffnet werden, damit die erste Abtheilung die noch vorhandenen Untersuchungssachen in ihm zu Ende führen könne, mit Ausnahme der Preß- und politischen Prozesse, welche nur den Geschwornen vorbehalten sind. Vorgestern sprang aber eine Gasröhre und das eindringende Gas zerstörte die Frescomalereien der Decke derartig, daß dieselbe mit großen Kosten wird reparirt werden müssen und der Saal bis zum 1. Mai, an welchem Tage die erste Assisensitzung stattfinden soll, nicht geöffnet werden darf.

Es verlautet, daß im Justizministerium schon die Amnestieverordnung bereit liege. Die Gefangenen sind natürlich in Kategorien eingetheilt. Es sollen nur die begnadigt werden, die ihrer Jugend wegen und sonst keine klare politische Anschauung haben konnten!! Ausgenommen bleiben vorzüglich Alle, bei deren Verbrechen Eigenthum oder Person beschädigt oder verletzt sind. Sollte die Amnestie wirklich so ausfallen, so wäre der Willkür in der Auswahl der zu Begnadigenden, wie gewöhnlich, Thor und Thür geöffnet.

Herr Regierungsassessor Szuman, als tüchtiger Demokrat in Wreschen bei der Doppelwahl des Herrn v. Lipski gewählt, stimmte gestern und vorgestern zum Unwillen aller Polen gegen die Anträge der Linken.

Sitzung der zweiten Kammer.

(Wir gaben heute früh in der zweiten Ausgabe einen kurzen Auszug).

Der Abgeordnete Schaffraneck hat sich an den Minister des Innern gewendet mit dem Ersuchen, daß alle Sitzungsprotokolle beider Kammern in die polnische Sprache übersetzt und in 6000 Exemplaren an die Abgeordneten der polnisch sprechenden Bezirke vertheilt werden möge. Der Minister ist hiermit einverstanden, nur will er die ganze Angelegenheit der Kammer selbst überlassen

Der Präsident Grabow stellt daher die Frage, ob die Kammer damit einverstanden sei?

Abg. Bogedein hält die Protokolle für unzulänglich und für Nichtmitglieder unverständlich.

Schaffraneck widerlegt ihn in längerer Rede, und die Kammer beschließt endlich die Uebersetzung der Protokolle in die polnische Sprache und den Druck derselben in 5000 Exemplaren.

Moritz trägt darauf an, daß sein Gesetzentwurf über die Ablösung der Mühlenabgaben an die Justizkommission überwiesen werde und nicht der Gewerbekommission, wie es der Präsident gethan.

Es erhebt sich eine längere Debatte darüber, welcher Kommission dieser Gesetzentwurf übergeben werden muß.

Die Kammer entscheidet sich endlich für den Moritzschen Antrag.

Auch das von Elsner eingerichtete Lastengesetz wird auf dessen Antrag statt der Finanzkommission, der es der Präsident überwiesen hatte, der Agrarkommission zuertheilt.

Hierauf wird über den revidirten Gesetzentwurf betreffend "den Verkauf, das Vertheilen und das Anheften von Druckschriften oder bildlichen Darstellungen in öffentlichen Straßen" im Ganzen zum zweiten Mal abgestimmt und mit 167 gegen 163 Stimmen angenommen und wird dieser Gesetzentwurf nun der ersten Kammer zugesandt werden.

Schneeweiß Blömer und Osterrath stimmten mit der Rechten für den Gesetzentwurf.

Alsdann kommt man zum Clubgesetz

Referent Scherer: Das in dem § 3 ausgesprochene Prinzip, welches nur öffentliche Versammlungen anerkennt, und außerdem den Vereinen zur Pflicht macht, den vierten Theil der Plätze für Nichtmitglieder frei zu halten, wurde von 6 Abtheilungen als eine wirkliche, und darum unzulässige Beschränkung des freien Versammlungs- und Vereinsrechts erkannt. Der Centralausschuß theilt diese Ansicht und beantragt demgemäß die Streichung des ganzen Paragraphen.

Der Assistent des Ministers des Innern, Hr. v. Schleinitz, sucht den Paragraphen der Regierungsvorlage zu vertheidigen. Er sagt, in England könne man wohl das Versammlungsrecht ohne Beschränkung gestatten. Dort sind die Verhältnisse ganz anders als bei uns, die unsrigen gleichen mehr den französischen und darum müssen wir auch die französischen Clubgesetze einführen.

Dieser § 3 lautet:

"Bei dergleichen Versammlungen muß Jedermann der Zutritt gestattet werden; die Ortspolizeibehörde ist jedoch ermächtigt, auf den Antrag der Vorsteher, Unternehmer, Ordner oder Leiter zu gestatten, daß diese Oeffentlichkeit ausgeschlossen oder beschränkt werde Versammeln sich die Mitglieder solcher Vereine, welche ihre Statuten der Ortspolizeibehörde einzureichen haben, so haben sie den vierten Theil der Plätze für diejenigen frei zu lassen, welche dem Vereine fremd sind"

Jung und Eydam sprechen mit vielem Beifall gegen den Paragraphen, welcher einstimmig verworfen wird. (Allgem. Gelächter).

Referent Scherer: In Betreff der in dem zweiten Absatze des § 4 erwähnten Militärpersonen waren sämmtliche Abtheilungen der Ansicht, daß die bezügliche Bestimmung wegen deren Dienstkleidung, als lediglich disciplinarischer Natur, in das vorliegende Gesetz nicht hineingehöre. Von einigen Abtheilungen wurde dieselbe Ansicht auch rücksichtlich der im ersten Absatze erwähnten Polizeibeamten aufgestellt, während die Mehrzahl sich dahin entschied, daß für Polizeibeamte die Verpflichtung zur Dienstkleidung nur für den Fall ihres Erscheinens im Dienste gesetzlich auszusprechen sei, indem andernfalls eine Beschränkung des freien Vereins- und Versammlungsrechts in den Personen der Polizeibeamten darin liegen würde.

Wollheim spricht mehr im Allgemeinen und beweist das Verfassungswidrige des ganzen Gesetzes.

Caspary spricht gegen die disciplinarischen Vorschriften.

Hierauf wird der erste Satz des § 4, lautend:

"Polizeibeamte dürfen solchen Versammlungen nur in der Dienstkleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft beiwohnen," angenommen.

Referent Scherer: Zum § 5. Von der Mehrzahl der Abtheilungen ist, zumal mit Rücksicht auf die Streichung des § 3 die Nothwendigkeit, der Regierung das Recht und die Möglichkeit einzuräumen, von den in Versammlungen der in Rede stehenden Art gepflogenen Verhandlungen in grader und offener Weise sich Kunde verschaffen zu können, anerkannt worden. Der Centralausschuß hat sich auch dieser Meinung um so mehr anschließen zu müssen geglaubt, als er auch hier nicht im Stande war, in der bloß passiven Anwesenheit eines oder zweier Beamten der öffentlichen Sicherheit in einer sich mit öffentlichen Dingen beschäftigenden Versammlung die von anderer Seite behauptete Beeinträchtigung des freien Versammlungsrechts zu erblicken.

Berends gegen diesen §. Wenn ich auch den Belagerungszustand für Berlin von einem sehr großen Nachtheil halte, so muß ich mich doch gegen dieses Gesetz erklären, obgleich der Minister die Aufhebung des Belagerungszustandes von der Annahme dieses Gesetzes abhängig macht. Berlin verlangt nicht, daß das ganze Land seinetwegen der Versammlungsfreiheit beraubt werde und erträgt lieber noch länger den Druck des Belagerungszustandes.

Graf Schwerin: Wir sind der Ansicht, daß der Regierung nach der Verfassung sowohl, als nach dem Gesetz vom 6. April 1848 das Recht zusteht, ein Gesetz zur Beaufsichtigung der Versammlungen zu erlassen. Es ist sogar Pflicht der Regierung, alle politischen Vereine zu überwachen.

Der erste Satz des § 5 lautend:

"Die Ortspolizeibehörde ist befugt, in jede solche Versammlung zwei Polizei-Beamte oder zwei durch besondere Abzeichen erkennbare Abgeordnete zu senden, denen ein angemessener Platz einzuräumen ist," wird nach namentlicher Abstimmung mit 167 gegen 166 Stimmen verworfen. - Schneeweiß stimmte mit der Linken, dadurch ihre Majorität von einer Stimme.

Der Central-Ausschuß beantragt die Streichung des § 6.

Viebahn erklärt sich gleichfalls für Streichung, nur Graf Schwerin will den § beibehalten, damit die Abgeordneten der Obrigkeit sich nach den Namen der Redner erkundigen können.

Der § 6 wird mit großer Majorität verworfen.

§ 7 wird fast einstimmig verworfen.

Referent Scherer: Der im § 8 enthaltene Grundsatz, daß den Polizeibeamten unter gewissen Voraussetzungen das Recht einzuräumen sei, Versammlungen aufzulösen, ist vom Centralausschuß anerkannt worden.

Wesendonk: Nachdem der § 5 gefallen ist, sehe ich gar nicht ein, wie der § 8 auszuführen sein wird. Wenn nach der Ansicht des Grafen Schwerin der Polizei von Rechtswegen zustehe, allen Versammlungen beizuwohnen und zu bewachen, so wäre ja das ganze Gesetz nicht mehr nothwendig. Der vorliegende § gibt der Polizei die Befugniß, eine Versammlung aufzulösen, wenn ein Redner zu Vergehen aufregt. Wie leicht wird es nun Jemand sein, eine Versammlung auseinander zu sprengen, wenn er etwas aufregender spricht, als die Polizei vertragen kann, sie wird die Versammlung sofort auflösen. Als Beispiel erzählt der Redner die bekannten Vorfälle bei den Wahlversammlungen in Düsseldorf, die mit allgemeiner Indignation aufgenommen werden. - Es ist zwar richtig, daß das Versammlungsrecht gemißbraucht werden kann, aber deshalb brauchen wir solche Präventivmaßregeln nicht, die werden auch nichts nützen.

Müller (Siegen) spricht für den Gesetzentwurf und erzählt, daß von der Regierung zu Düsseldorf, welche, wie der vorige Redner mittheilte, den fast einstimmigen Beschluß gefaßt hatte, "daß es den Dienern der Polizei nicht frei stehe, in Versammlungen einzudringen," am andern Tag, nachdem er seinen Sitz im Kollegium eingenommen, der entgegengesetzte Beschluß gefaßt worden sei.

Wesendonk erwidert später in einer persönlichen Bemerkung, daß in dem, vom Abg. Müller (Siegen) erzählten Meinungsumschwung der Düsseldorfer Regierung eben den Beweis liege, daß das gegenwärtige Regierungssystem faul sei.

Präsident Grabow wünscht, daß sich der Redner künftig gemäßigter ausdrücke (Allgemeiner Widerspruch links: Oh! Oh!)

Wesendonk erwidert später, daß er künftig sich immer wieder des Ausdrucks faul bedienen werde. Freilich könne man unterm Belagerungszustand im Schauspielhause bei der Vorstellung des Hamlet den Satz: "es ist etwas faul im Staate Dänemark," verbieten, aber nicht auf dieser Tribüne.

Nachdem noch eine große Anzahl persönlicher Bemerkungen, größtentheils heitern Inhalts, gemacht worden sind, erhält der Referent Scherer noch das Wort, der zur Widerlegung einer Aeußerung Kirchmanns einen Satz der "demokratischen Corresp." vom 14. April vorliest

Der § 8 wird verworfen und statt dessen ein Amendement von Pape angenommen, wonach der § lautet:

"Versammlungen, in denen zum gewaltsamen Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichen Angriffen oder Widerstand gegen die Obrigkeit, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert oder aufgereizt wird, sind die Abgeordneten der Polizeibehörde befugt, aufzulösen, unbeschadet des gegen die Betheiligten gesetzlich einzuleitenden Strafverfahrens."

Bei der namentlichen Abstimmung haben 186 Mitglieder die Freiheit, mit Ja zu stimmen und nur 146 sprechen sich gegen den Paragraphen aus.

Schluß der Sitzung um 5 Uhr.

Berlin, vom 17. April.

Der Ausgang eines gestern stattgehabten Pistolenduells erregt in der Stadt eine um so allgemeinere Theilnahme, als die Betheiligten sehr bekannten Familien angehören und der Anlaß zu jenem Vorgange unter der schwebenden Tagesfrage in erster Reihe steht. Die Ankunft der Frankfurter Kaiserdeputation hatte den Assessor Neander, einen Sohn des bekannten Bischofs Neander, mit dem Studiosus Brandt, einem Sohn des Bürgermeisters von Brandenburg, in einen Streit verwickelt, der gestern durch Zweikampf ausgeglichen werden sollte. Das Ergebniß war ein sehr blutiges. Neander ist in Folge der erhaltenen Wunde sofort gestorben und Brandt hat eine lebensgefährliche Verletzung davon getragen.

Ein Schreiben des Polizeipräsidenten an den Präsidenten der ersten Kammer, Rudolph v. Auerswald, hat den letzteren zu einer Beschwerdeführung beim Minister des Innern veranlaßt. Herr von Hinkeldey verlangte Einlaßkarte für Konstabler zu den Tribünen der ersten Kammer, um die dort häufig vorkommenden Taschendiebstähle zu verhindern. Herr v. Auerswald glaubte dieser Forderung nicht stattgeben zu können und wies dieselbe mit dem Bemerken zurück, die Polizei innerhalb des Hauses obliege ihm selbst. Die Entgegnung, zu der sich Herr v. Hinkeldey hierdurch veranlaßt fand, soll nicht nur die Competenz des Kammerpräsidenten zur Ausübung derjenigen polizeilichen Befugnisse in Frage gestellt haben, zu welcher die Karten verlangt waren, sondern überdies auch dem Herrn v. Auerswald gewissermaßen die Verantwortlichkeit für alle nunmehr auf den Tribünen vorkommenden Taschendiebstähle aufgebürdet haben. Herr v. Auerswald hat dem Minister dies Schreiben mit dem Bemerken zugeschickt, daß der Ton desselben ungebührlich sei und eine scharfe Zurechtweisung erfordere.

61 Breslau, 17. April.

Gestern Abend fand im Wintergarten, der etwa 2000 Menschen faßt, das Ihnen bereits angezeigte Verbrüderungsbankett der Arbeiter statt. Der Saal war gedrängt voll, und mit den Emblemen der rothen Republik ausgeschmückt. Nees von Esenbeck führte den Vorsitz und hielt die Eröffnungsrede, worauf das Präsidium nebst Sekretären die phrygische Mütze feierlich aufsetzten, und zum Zeichen, daß die ganze Versammlung dieselbe adoptire, ein Mann und eine Frau aus ihrer Mitte auf der Tribüne damit dekorirt wurden. Sodann wurde Freiligrath's Marseillaise gesungen, und verschiedene Vorträge socialistischen Inhalts gehalten, von denen sich besonders der Vortrag eines deutsch-katholischen Predigers auszeichnete. Die Haltung der Versammlung, welche ich leider vor Schluß verlassen mußte, war musterhaft; nichts von dem Gähnen, Räkeln, Lack- und Wanzengeruch der königl. preuß. Lieutenants- und Geheimraths-Salons, nichts von der Flegelei ihres Hochmuths und ihrer Ladstockgrazie. Zu bedauern war, daß das Versammlungslokal sich soweit vom Mittelpunkt der Stadt befand, und dadurch viele vom Besuch des Bankett's abgehalten worden sind. Vielleicht wäre es möglich, ein ähnliches Bankett an einem Sonntag rund um den Ring im Freien abzuhalten, und so dem zahlreichen Proletariat der Stadt Gelegenheit zu geben, sich dabei zu betheiligen und auszubilden.

Die Breslauer Zeitung bringt heute die Nachricht: "Der Dr. Schütte aus Wien (in Wien schrieb der Abentheurer aus Berlin) hat keine Ausweisungsordre, wie man neuerdings wissen wollte, sondern eine Aufenthaltskarte für längere Zeit bekommen und ist ihm dieselbe ohne Weitläufigkeit ausgehändigt worden." In welchem infamen Kontrast steht diese Nachricht mit der dirnenhaften Unverschämtheit, welche sich Abramowitsch's Polizeiknecht Hinkeldey vor einigen Tagen gegen einen hier anwesenden, politisch ganz

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No. 278. Köln, Samstag, den 21. April 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 277 d. Ztg. wurde eine zweite Ausgabe ausgegeben.

Uebersicht.

Deutschland. Berlin (Klatsch, ‒ Sitzung der zweiten Kammer). Breslau. (Arbeiterbankett. ‒ Schütte). Wien. (Ansprache Böhms an die Wiener). Aus Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz. ‒ General Fabvier).

Polen. (Das ruthenische Comite).

Italien. Catania. (Erstürmung der Stadt). Malta. (Kapitulation Siragossa's und Agosta's). Genua. (Brief Avezzana's an einen englischen Schiffskommandanten. ‒ Dekret Victor Emanuels). Turin. (De Launay. ‒ Auflösung des Gemeinderaths in Alessandria).

Französische Republik. Paris. (Die Expedition nach Civita-Vecchia. ‒ Vermischtes).

Großbritannien. London. (Unterhaus).

Ungarn. (Ausbleiben der Posten). Agram. (Der neue kroatisch-slavonisch-dalmatinische Raubstaat). Aus Syrmien. (Klaggesang der edlen Frauen des Asan Aga). Kronstadt. (Bem in Kronstadt).

Ostindien. London. (Der Sieg bei Gudscherat. ‒ Vermischtes).

China. Hong-Kong. (Der Vertrag wegen Eröffnung Cantons für die Fremden).

Egypten. Cairo. (Die Verbindung zwischen Cairo und Suez).

Deutschland.
* Berlin, 18. April.

Wir sind aus sicherster Quelle in den Stand gesetzt, folgenden Beitrag zu dem alten Ruhm der preußischen Gerichtshöfe, ihrer bekannten Selbstständigkeit und Unparteilichkeit zu geben.

Die Gräfin Hatzfeld in Düsseldorf war bekanntlich zu zwei Monat Gefängniß verurtheilt und es fragte sich nun, ob die Amnestie vom 20. März v. J. nicht auch hier zur Anwendung kommen müsse. Die Sache kam an den Kassationshof. Hr. Oberprokurator John sagte nun in dem von ihm eingereichten Berichte, man möge sich doch beeilen und gar nicht auf das Gesuch der Gräfin Hatzfeld Rücksicht nehmen, da sie eine der gefährlichsten und thätigsten „Wühlerinnen“ in Düsseldorf sei etc. Der Anwalt der Gräfin fand, als er sich die betreffenden Akten zeigen ließ, diesen Bericht nicht vor, man hatte denselben hinweggenommen, auf sein dringendes Gesuch erhielt er ihn endlich zur Ansicht.

Aber der Bericht des Oberprokurators John hatte seine Wirkung bei dem Gerichtshofe nicht verfehlt. Es besteht nämlich die Förmlichkeit, daß der Angeklagte in solchen Fällen sich bereit erklären muß, die Haft anzutreten und es erbat sich der Anwalt der Gräfin 14 Tage Frist für ihre Erklärung aus, welche stets gewährt wird ‒ der Gerichtshof verweigerte jede Frist!!! ‒ Glücklicherweise gelang das Spiel des Gerichtshofes nicht, die Erklärung wurde rasch herbeigeschafft.

Der christlich-germanische Musterstaat Preußen wollte in seiner gewaltigen Frömmigkeit das Unwesen der Bordelle nicht mehr dulden und am 1. Jan. 1847 wurden dieselben aufgehoben. Diese Maßregel hat indessen nur sehr traurige Früchte getragen, seit jener Zeit haben die syphilitischen Krankheiten progressiv zugenommen und jetzt ist die Charité und Bethanien so voll dieser Kranken, daß selbst die Hausvogtei sie behalten muß. Der fromme Kultusminister Ladenberg will sich nun das Verdienst der Wiederherstellung der Bordelle erwerben, um jenen Krankheiten, welche hier schon epidemisch geworden sind, zu begegnen, da die Sittlichkeit des vergangenen Systems eben zu nichts Anderem geführt hat, als zur ‒ ‒ Syphilis.

Der neue Saal des Kriminalgerichts für die Sitzung der Geschwornen sollte heute eröffnet werden, damit die erste Abtheilung die noch vorhandenen Untersuchungssachen in ihm zu Ende führen könne, mit Ausnahme der Preß- und politischen Prozesse, welche nur den Geschwornen vorbehalten sind. Vorgestern sprang aber eine Gasröhre und das eindringende Gas zerstörte die Frescomalereien der Decke derartig, daß dieselbe mit großen Kosten wird reparirt werden müssen und der Saal bis zum 1. Mai, an welchem Tage die erste Assisensitzung stattfinden soll, nicht geöffnet werden darf.

Es verlautet, daß im Justizministerium schon die Amnestieverordnung bereit liege. Die Gefangenen sind natürlich in Kategorien eingetheilt. Es sollen nur die begnadigt werden, die ihrer Jugend wegen und sonst keine klare politische Anschauung haben konnten!! Ausgenommen bleiben vorzüglich Alle, bei deren Verbrechen Eigenthum oder Person beschädigt oder verletzt sind. Sollte die Amnestie wirklich so ausfallen, so wäre der Willkür in der Auswahl der zu Begnadigenden, wie gewöhnlich, Thor und Thür geöffnet.

Herr Regierungsassessor Szuman, als tüchtiger Demokrat in Wreschen bei der Doppelwahl des Herrn v. Lipski gewählt, stimmte gestern und vorgestern zum Unwillen aller Polen gegen die Anträge der Linken.

Sitzung der zweiten Kammer.

(Wir gaben heute früh in der zweiten Ausgabe einen kurzen Auszug).

Der Abgeordnete Schaffraneck hat sich an den Minister des Innern gewendet mit dem Ersuchen, daß alle Sitzungsprotokolle beider Kammern in die polnische Sprache übersetzt und in 6000 Exemplaren an die Abgeordneten der polnisch sprechenden Bezirke vertheilt werden möge. Der Minister ist hiermit einverstanden, nur will er die ganze Angelegenheit der Kammer selbst überlassen

Der Präsident Grabow stellt daher die Frage, ob die Kammer damit einverstanden sei?

Abg. Bogedein hält die Protokolle für unzulänglich und für Nichtmitglieder unverständlich.

Schaffraneck widerlegt ihn in längerer Rede, und die Kammer beschließt endlich die Uebersetzung der Protokolle in die polnische Sprache und den Druck derselben in 5000 Exemplaren.

Moritz trägt darauf an, daß sein Gesetzentwurf über die Ablösung der Mühlenabgaben an die Justizkommission überwiesen werde und nicht der Gewerbekommission, wie es der Präsident gethan.

Es erhebt sich eine längere Debatte darüber, welcher Kommission dieser Gesetzentwurf übergeben werden muß.

Die Kammer entscheidet sich endlich für den Moritzschen Antrag.

Auch das von Elsner eingerichtete Lastengesetz wird auf dessen Antrag statt der Finanzkommission, der es der Präsident überwiesen hatte, der Agrarkommission zuertheilt.

Hierauf wird über den revidirten Gesetzentwurf betreffend „den Verkauf, das Vertheilen und das Anheften von Druckschriften oder bildlichen Darstellungen in öffentlichen Straßen“ im Ganzen zum zweiten Mal abgestimmt und mit 167 gegen 163 Stimmen angenommen und wird dieser Gesetzentwurf nun der ersten Kammer zugesandt werden.

Schneeweiß Blömer und Osterrath stimmten mit der Rechten für den Gesetzentwurf.

Alsdann kommt man zum Clubgesetz

Referent Scherer: Das in dem § 3 ausgesprochene Prinzip, welches nur öffentliche Versammlungen anerkennt, und außerdem den Vereinen zur Pflicht macht, den vierten Theil der Plätze für Nichtmitglieder frei zu halten, wurde von 6 Abtheilungen als eine wirkliche, und darum unzulässige Beschränkung des freien Versammlungs- und Vereinsrechts erkannt. Der Centralausschuß theilt diese Ansicht und beantragt demgemäß die Streichung des ganzen Paragraphen.

Der Assistent des Ministers des Innern, Hr. v. Schleinitz, sucht den Paragraphen der Regierungsvorlage zu vertheidigen. Er sagt, in England könne man wohl das Versammlungsrecht ohne Beschränkung gestatten. Dort sind die Verhältnisse ganz anders als bei uns, die unsrigen gleichen mehr den französischen und darum müssen wir auch die französischen Clubgesetze einführen.

Dieser § 3 lautet:

„Bei dergleichen Versammlungen muß Jedermann der Zutritt gestattet werden; die Ortspolizeibehörde ist jedoch ermächtigt, auf den Antrag der Vorsteher, Unternehmer, Ordner oder Leiter zu gestatten, daß diese Oeffentlichkeit ausgeschlossen oder beschränkt werde Versammeln sich die Mitglieder solcher Vereine, welche ihre Statuten der Ortspolizeibehörde einzureichen haben, so haben sie den vierten Theil der Plätze für diejenigen frei zu lassen, welche dem Vereine fremd sind“

Jung und Eydam sprechen mit vielem Beifall gegen den Paragraphen, welcher einstimmig verworfen wird. (Allgem. Gelächter).

Referent Scherer: In Betreff der in dem zweiten Absatze des § 4 erwähnten Militärpersonen waren sämmtliche Abtheilungen der Ansicht, daß die bezügliche Bestimmung wegen deren Dienstkleidung, als lediglich disciplinarischer Natur, in das vorliegende Gesetz nicht hineingehöre. Von einigen Abtheilungen wurde dieselbe Ansicht auch rücksichtlich der im ersten Absatze erwähnten Polizeibeamten aufgestellt, während die Mehrzahl sich dahin entschied, daß für Polizeibeamte die Verpflichtung zur Dienstkleidung nur für den Fall ihres Erscheinens im Dienste gesetzlich auszusprechen sei, indem andernfalls eine Beschränkung des freien Vereins- und Versammlungsrechts in den Personen der Polizeibeamten darin liegen würde.

Wollheim spricht mehr im Allgemeinen und beweist das Verfassungswidrige des ganzen Gesetzes.

Caspary spricht gegen die disciplinarischen Vorschriften.

Hierauf wird der erste Satz des § 4, lautend:

„Polizeibeamte dürfen solchen Versammlungen nur in der Dienstkleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft beiwohnen,“ angenommen.

Referent Scherer: Zum § 5. Von der Mehrzahl der Abtheilungen ist, zumal mit Rücksicht auf die Streichung des § 3 die Nothwendigkeit, der Regierung das Recht und die Möglichkeit einzuräumen, von den in Versammlungen der in Rede stehenden Art gepflogenen Verhandlungen in grader und offener Weise sich Kunde verschaffen zu können, anerkannt worden. Der Centralausschuß hat sich auch dieser Meinung um so mehr anschließen zu müssen geglaubt, als er auch hier nicht im Stande war, in der bloß passiven Anwesenheit eines oder zweier Beamten der öffentlichen Sicherheit in einer sich mit öffentlichen Dingen beschäftigenden Versammlung die von anderer Seite behauptete Beeinträchtigung des freien Versammlungsrechts zu erblicken.

Berends gegen diesen §. Wenn ich auch den Belagerungszustand für Berlin von einem sehr großen Nachtheil halte, so muß ich mich doch gegen dieses Gesetz erklären, obgleich der Minister die Aufhebung des Belagerungszustandes von der Annahme dieses Gesetzes abhängig macht. Berlin verlangt nicht, daß das ganze Land seinetwegen der Versammlungsfreiheit beraubt werde und erträgt lieber noch länger den Druck des Belagerungszustandes.

Graf Schwerin: Wir sind der Ansicht, daß der Regierung nach der Verfassung sowohl, als nach dem Gesetz vom 6. April 1848 das Recht zusteht, ein Gesetz zur Beaufsichtigung der Versammlungen zu erlassen. Es ist sogar Pflicht der Regierung, alle politischen Vereine zu überwachen.

Der erste Satz des § 5 lautend:

„Die Ortspolizeibehörde ist befugt, in jede solche Versammlung zwei Polizei-Beamte oder zwei durch besondere Abzeichen erkennbare Abgeordnete zu senden, denen ein angemessener Platz einzuräumen ist,“ wird nach namentlicher Abstimmung mit 167 gegen 166 Stimmen verworfen. ‒ Schneeweiß stimmte mit der Linken, dadurch ihre Majorität von einer Stimme.

Der Central-Ausschuß beantragt die Streichung des § 6.

Viebahn erklärt sich gleichfalls für Streichung, nur Graf Schwerin will den § beibehalten, damit die Abgeordneten der Obrigkeit sich nach den Namen der Redner erkundigen können.

Der § 6 wird mit großer Majorität verworfen.

§ 7 wird fast einstimmig verworfen.

Referent Scherer: Der im § 8 enthaltene Grundsatz, daß den Polizeibeamten unter gewissen Voraussetzungen das Recht einzuräumen sei, Versammlungen aufzulösen, ist vom Centralausschuß anerkannt worden.

Wesendonk: Nachdem der § 5 gefallen ist, sehe ich gar nicht ein, wie der § 8 auszuführen sein wird. Wenn nach der Ansicht des Grafen Schwerin der Polizei von Rechtswegen zustehe, allen Versammlungen beizuwohnen und zu bewachen, so wäre ja das ganze Gesetz nicht mehr nothwendig. Der vorliegende § gibt der Polizei die Befugniß, eine Versammlung aufzulösen, wenn ein Redner zu Vergehen aufregt. Wie leicht wird es nun Jemand sein, eine Versammlung auseinander zu sprengen, wenn er etwas aufregender spricht, als die Polizei vertragen kann, sie wird die Versammlung sofort auflösen. Als Beispiel erzählt der Redner die bekannten Vorfälle bei den Wahlversammlungen in Düsseldorf, die mit allgemeiner Indignation aufgenommen werden. ‒ Es ist zwar richtig, daß das Versammlungsrecht gemißbraucht werden kann, aber deshalb brauchen wir solche Präventivmaßregeln nicht, die werden auch nichts nützen.

Müller (Siegen) spricht für den Gesetzentwurf und erzählt, daß von der Regierung zu Düsseldorf, welche, wie der vorige Redner mittheilte, den fast einstimmigen Beschluß gefaßt hatte, „daß es den Dienern der Polizei nicht frei stehe, in Versammlungen einzudringen,“ am andern Tag, nachdem er seinen Sitz im Kollegium eingenommen, der entgegengesetzte Beschluß gefaßt worden sei.

Wesendonk erwidert später in einer persönlichen Bemerkung, daß in dem, vom Abg. Müller (Siegen) erzählten Meinungsumschwung der Düsseldorfer Regierung eben den Beweis liege, daß das gegenwärtige Regierungssystem faul sei.

Präsident Grabow wünscht, daß sich der Redner künftig gemäßigter ausdrücke (Allgemeiner Widerspruch links: Oh! Oh!)

Wesendonk erwidert später, daß er künftig sich immer wieder des Ausdrucks faul bedienen werde. Freilich könne man unterm Belagerungszustand im Schauspielhause bei der Vorstellung des Hamlet den Satz: „es ist etwas faul im Staate Dänemark,“ verbieten, aber nicht auf dieser Tribüne.

Nachdem noch eine große Anzahl persönlicher Bemerkungen, größtentheils heitern Inhalts, gemacht worden sind, erhält der Referent Scherer noch das Wort, der zur Widerlegung einer Aeußerung Kirchmanns einen Satz der „demokratischen Corresp.“ vom 14. April vorliest

Der § 8 wird verworfen und statt dessen ein Amendement von Pape angenommen, wonach der § lautet:

„Versammlungen, in denen zum gewaltsamen Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichen Angriffen oder Widerstand gegen die Obrigkeit, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert oder aufgereizt wird, sind die Abgeordneten der Polizeibehörde befugt, aufzulösen, unbeschadet des gegen die Betheiligten gesetzlich einzuleitenden Strafverfahrens.“

Bei der namentlichen Abstimmung haben 186 Mitglieder die Freiheit, mit Ja zu stimmen und nur 146 sprechen sich gegen den Paragraphen aus.

Schluß der Sitzung um 5 Uhr.

Berlin, vom 17. April.

Der Ausgang eines gestern stattgehabten Pistolenduells erregt in der Stadt eine um so allgemeinere Theilnahme, als die Betheiligten sehr bekannten Familien angehören und der Anlaß zu jenem Vorgange unter der schwebenden Tagesfrage in erster Reihe steht. Die Ankunft der Frankfurter Kaiserdeputation hatte den Assessor Neander, einen Sohn des bekannten Bischofs Neander, mit dem Studiosus Brandt, einem Sohn des Bürgermeisters von Brandenburg, in einen Streit verwickelt, der gestern durch Zweikampf ausgeglichen werden sollte. Das Ergebniß war ein sehr blutiges. Neander ist in Folge der erhaltenen Wunde sofort gestorben und Brandt hat eine lebensgefährliche Verletzung davon getragen.

Ein Schreiben des Polizeipräsidenten an den Präsidenten der ersten Kammer, Rudolph v. Auerswald, hat den letzteren zu einer Beschwerdeführung beim Minister des Innern veranlaßt. Herr von Hinkeldey verlangte Einlaßkarte für Konstabler zu den Tribünen der ersten Kammer, um die dort häufig vorkommenden Taschendiebstähle zu verhindern. Herr v. Auerswald glaubte dieser Forderung nicht stattgeben zu können und wies dieselbe mit dem Bemerken zurück, die Polizei innerhalb des Hauses obliege ihm selbst. Die Entgegnung, zu der sich Herr v. Hinkeldey hierdurch veranlaßt fand, soll nicht nur die Competenz des Kammerpräsidenten zur Ausübung derjenigen polizeilichen Befugnisse in Frage gestellt haben, zu welcher die Karten verlangt waren, sondern überdies auch dem Herrn v. Auerswald gewissermaßen die Verantwortlichkeit für alle nunmehr auf den Tribünen vorkommenden Taschendiebstähle aufgebürdet haben. Herr v. Auerswald hat dem Minister dies Schreiben mit dem Bemerken zugeschickt, daß der Ton desselben ungebührlich sei und eine scharfe Zurechtweisung erfordere.

61 Breslau, 17. April.

Gestern Abend fand im Wintergarten, der etwa 2000 Menschen faßt, das Ihnen bereits angezeigte Verbrüderungsbankett der Arbeiter statt. Der Saal war gedrängt voll, und mit den Emblemen der rothen Republik ausgeschmückt. Nees von Esenbeck führte den Vorsitz und hielt die Eröffnungsrede, worauf das Präsidium nebst Sekretären die phrygische Mütze feierlich aufsetzten, und zum Zeichen, daß die ganze Versammlung dieselbe adoptire, ein Mann und eine Frau aus ihrer Mitte auf der Tribüne damit dekorirt wurden. Sodann wurde Freiligrath's Marseillaise gesungen, und verschiedene Vorträge socialistischen Inhalts gehalten, von denen sich besonders der Vortrag eines deutsch-katholischen Predigers auszeichnete. Die Haltung der Versammlung, welche ich leider vor Schluß verlassen mußte, war musterhaft; nichts von dem Gähnen, Räkeln, Lack- und Wanzengeruch der königl. preuß. Lieutenants- und Geheimraths-Salons, nichts von der Flegelei ihres Hochmuths und ihrer Ladstockgrazie. Zu bedauern war, daß das Versammlungslokal sich soweit vom Mittelpunkt der Stadt befand, und dadurch viele vom Besuch des Bankett's abgehalten worden sind. Vielleicht wäre es möglich, ein ähnliches Bankett an einem Sonntag rund um den Ring im Freien abzuhalten, und so dem zahlreichen Proletariat der Stadt Gelegenheit zu geben, sich dabei zu betheiligen und auszubilden.

Die Breslauer Zeitung bringt heute die Nachricht: „Der Dr. Schütte aus Wien (in Wien schrieb der Abentheurer aus Berlin) hat keine Ausweisungsordre, wie man neuerdings wissen wollte, sondern eine Aufenthaltskarte für längere Zeit bekommen und ist ihm dieselbe ohne Weitläufigkeit ausgehändigt worden.“ In welchem infamen Kontrast steht diese Nachricht mit der dirnenhaften Unverschämtheit, welche sich Abramowitsch's Polizeiknecht Hinkeldey vor einigen Tagen gegen einen hier anwesenden, politisch ganz

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No. 278. Köln, Samstag, den 21. April 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2012; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2012; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2012; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei <hi rendition="#g">F. W. Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <p> <hi rendition="#b">Zu Nro. 277 d. Ztg. wurde eine zweite Ausgabe ausgegeben.</hi> </p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Berlin (Klatsch, &#x2012; Sitzung der zweiten Kammer). Breslau. (Arbeiterbankett. &#x2012; Schütte). Wien. (Ansprache Böhms an die Wiener). Aus Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz. &#x2012; General Fabvier).</p>
        <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> (Das ruthenische Comite).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Catania. (Erstürmung der Stadt). Malta. (Kapitulation Siragossa's und Agosta's). Genua. (Brief Avezzana's an einen englischen Schiffskommandanten. &#x2012; Dekret Victor Emanuels). Turin. (De Launay. &#x2012; Auflösung des Gemeinderaths in Alessandria).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Die Expedition nach Civita-Vecchia. &#x2012; Vermischtes).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Unterhaus).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Ausbleiben der Posten). Agram. (Der neue kroatisch-slavonisch-dalmatinische Raubstaat). Aus Syrmien. (Klaggesang der edlen Frauen des Asan Aga). Kronstadt. (Bem in Kronstadt).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ostindien.</hi> London. (Der Sieg bei Gudscherat. &#x2012; Vermischtes).</p>
        <p><hi rendition="#g">China.</hi> Hong-Kong. (Der Vertrag wegen Eröffnung Cantons für die Fremden).</p>
        <p><hi rendition="#g">Egypten.</hi> Cairo. (Die Verbindung zwischen Cairo und Suez).</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 18. April.</head>
          <p>Wir sind aus sicherster Quelle in den Stand gesetzt, folgenden Beitrag zu dem alten Ruhm der preußischen Gerichtshöfe, ihrer bekannten Selbstständigkeit und Unparteilichkeit zu geben.</p>
          <p>Die Gräfin Hatzfeld in Düsseldorf war bekanntlich zu zwei Monat Gefängniß verurtheilt und es fragte sich nun, ob die Amnestie vom 20. März v. J. nicht auch hier zur Anwendung kommen müsse. Die Sache kam an den Kassationshof. Hr. Oberprokurator John sagte nun in dem von ihm eingereichten Berichte, man möge sich doch beeilen und gar nicht auf das Gesuch der Gräfin Hatzfeld Rücksicht nehmen, da sie eine der gefährlichsten und thätigsten &#x201E;Wühlerinnen&#x201C; in Düsseldorf sei etc. Der Anwalt der Gräfin fand, als er sich die betreffenden Akten zeigen ließ, diesen Bericht nicht vor, man hatte denselben hinweggenommen, auf sein dringendes Gesuch erhielt er ihn endlich zur Ansicht.</p>
          <p>Aber der Bericht des Oberprokurators John hatte seine Wirkung bei dem Gerichtshofe nicht verfehlt. Es besteht nämlich die Förmlichkeit, daß der Angeklagte in solchen Fällen sich bereit erklären muß, die Haft anzutreten und es erbat sich der Anwalt der Gräfin 14 Tage Frist für ihre Erklärung aus, welche stets gewährt wird &#x2012; der Gerichtshof verweigerte jede Frist!!! &#x2012; Glücklicherweise gelang das Spiel des Gerichtshofes nicht, die Erklärung wurde rasch herbeigeschafft.</p>
          <p>Der christlich-germanische Musterstaat Preußen wollte in seiner gewaltigen Frömmigkeit das Unwesen der Bordelle nicht mehr dulden und am 1. Jan. 1847 wurden dieselben aufgehoben. Diese Maßregel hat indessen nur sehr traurige Früchte getragen, seit jener Zeit haben die syphilitischen Krankheiten progressiv zugenommen und jetzt ist die Charité und Bethanien so voll dieser Kranken, daß selbst die Hausvogtei sie behalten muß. Der fromme Kultusminister Ladenberg will sich nun das Verdienst der Wiederherstellung der Bordelle erwerben, um jenen Krankheiten, welche hier schon epidemisch geworden sind, zu begegnen, da die Sittlichkeit des vergangenen Systems eben zu nichts Anderem geführt hat, als zur &#x2012; &#x2012; Syphilis.</p>
          <p>Der neue Saal des Kriminalgerichts für die Sitzung der Geschwornen sollte heute eröffnet werden, damit die erste Abtheilung die noch vorhandenen Untersuchungssachen in ihm zu Ende führen könne, mit Ausnahme der Preß- und politischen Prozesse, welche nur den Geschwornen vorbehalten sind. Vorgestern sprang aber eine Gasröhre und das eindringende Gas zerstörte die Frescomalereien der Decke derartig, daß dieselbe mit großen Kosten wird reparirt werden müssen und der Saal bis zum 1. Mai, an welchem Tage die erste Assisensitzung stattfinden soll, nicht geöffnet werden darf.</p>
          <p>Es verlautet, daß im Justizministerium schon die Amnestieverordnung bereit liege. Die Gefangenen sind natürlich in Kategorien eingetheilt. Es sollen nur die begnadigt werden, die ihrer Jugend wegen und sonst keine klare politische Anschauung haben konnten!! Ausgenommen bleiben vorzüglich Alle, bei deren Verbrechen Eigenthum oder Person beschädigt oder verletzt sind. Sollte die Amnestie wirklich so ausfallen, so wäre der Willkür in der Auswahl der zu Begnadigenden, wie gewöhnlich, Thor und Thür geöffnet.</p>
          <p>Herr Regierungsassessor <hi rendition="#g">Szuman,</hi> als tüchtiger Demokrat in Wreschen bei der Doppelwahl des Herrn <hi rendition="#g">v. Lipski</hi> gewählt, stimmte gestern und vorgestern zum Unwillen aller Polen gegen die Anträge der Linken.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Sitzung der zweiten Kammer.</hi> </p>
          <p>(Wir gaben heute früh in der zweiten Ausgabe einen kurzen Auszug).</p>
          <p>Der Abgeordnete Schaffraneck hat sich an den Minister des Innern gewendet mit dem Ersuchen, daß alle Sitzungsprotokolle beider Kammern in die polnische Sprache übersetzt und in 6000 Exemplaren an die Abgeordneten der polnisch sprechenden Bezirke vertheilt werden möge. Der Minister ist hiermit einverstanden, nur will er die ganze Angelegenheit der Kammer selbst überlassen</p>
          <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> stellt daher die Frage, ob die Kammer damit einverstanden sei?</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Bogedein</hi> hält die Protokolle für unzulänglich und für Nichtmitglieder unverständlich.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffraneck</hi> widerlegt ihn in längerer Rede, und die Kammer beschließt endlich die Uebersetzung der Protokolle in die polnische Sprache und den Druck derselben in 5000 Exemplaren.</p>
          <p><hi rendition="#g">Moritz</hi> trägt darauf an, daß sein Gesetzentwurf über die Ablösung der Mühlenabgaben an die Justizkommission überwiesen werde und nicht der Gewerbekommission, wie es der Präsident gethan.</p>
          <p>Es erhebt sich eine längere Debatte darüber, welcher Kommission dieser Gesetzentwurf übergeben werden muß.</p>
          <p>Die Kammer entscheidet sich endlich für den Moritzschen Antrag.</p>
          <p>Auch das von Elsner eingerichtete Lastengesetz wird auf dessen Antrag statt der Finanzkommission, der es der Präsident überwiesen hatte, der Agrarkommission zuertheilt.</p>
          <p>Hierauf wird über den revidirten Gesetzentwurf betreffend &#x201E;den Verkauf, das Vertheilen und das Anheften von Druckschriften oder bildlichen Darstellungen in öffentlichen Straßen&#x201C; im Ganzen zum zweiten Mal abgestimmt und mit 167 gegen 163 Stimmen angenommen und wird dieser Gesetzentwurf nun der ersten Kammer zugesandt werden.</p>
          <p>Schneeweiß Blömer und Osterrath stimmten mit der Rechten für den Gesetzentwurf.</p>
          <p>Alsdann kommt man zum Clubgesetz</p>
          <p>Referent <hi rendition="#g">Scherer:</hi> Das in dem § 3 ausgesprochene Prinzip, welches nur öffentliche Versammlungen anerkennt, und außerdem den Vereinen zur Pflicht macht, den vierten Theil der Plätze für Nichtmitglieder frei zu halten, wurde von 6 Abtheilungen als eine wirkliche, und darum unzulässige Beschränkung des freien Versammlungs- und Vereinsrechts erkannt. Der Centralausschuß theilt diese Ansicht und beantragt demgemäß die Streichung des ganzen Paragraphen.</p>
          <p>Der Assistent des Ministers des Innern, <hi rendition="#g">Hr. v. Schleinitz,</hi> sucht den Paragraphen der Regierungsvorlage zu vertheidigen. Er sagt, in England könne man wohl das Versammlungsrecht ohne Beschränkung gestatten. Dort sind die Verhältnisse ganz anders als bei uns, die unsrigen gleichen mehr den französischen und darum müssen wir auch die französischen Clubgesetze einführen.</p>
          <p>Dieser § 3 lautet:</p>
          <p>&#x201E;Bei dergleichen Versammlungen muß Jedermann der Zutritt gestattet werden; die Ortspolizeibehörde ist jedoch ermächtigt, auf den Antrag der Vorsteher, Unternehmer, Ordner oder Leiter zu gestatten, daß diese Oeffentlichkeit ausgeschlossen oder beschränkt werde Versammeln sich die Mitglieder solcher Vereine, welche ihre Statuten der Ortspolizeibehörde einzureichen haben, so haben sie den vierten Theil der Plätze für diejenigen frei zu lassen, welche dem Vereine fremd sind&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Jung</hi> und <hi rendition="#g">Eydam</hi> sprechen mit vielem Beifall gegen den Paragraphen, welcher einstimmig verworfen wird. (Allgem. Gelächter).</p>
          <p>Referent <hi rendition="#g">Scherer:</hi> In Betreff der in dem zweiten Absatze des § 4 erwähnten Militärpersonen waren sämmtliche Abtheilungen der Ansicht, daß die bezügliche Bestimmung wegen deren Dienstkleidung, als lediglich disciplinarischer Natur, in das vorliegende Gesetz nicht hineingehöre. Von einigen Abtheilungen wurde dieselbe Ansicht auch rücksichtlich der im ersten Absatze erwähnten Polizeibeamten aufgestellt, während die Mehrzahl sich dahin entschied, daß für Polizeibeamte die Verpflichtung zur Dienstkleidung nur für den Fall ihres Erscheinens im Dienste gesetzlich auszusprechen sei, indem andernfalls eine Beschränkung des freien Vereins- und Versammlungsrechts in den Personen der Polizeibeamten darin liegen würde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wollheim</hi> spricht mehr im Allgemeinen und beweist das Verfassungswidrige des ganzen Gesetzes.</p>
          <p><hi rendition="#g">Caspary</hi> spricht gegen die disciplinarischen Vorschriften.</p>
          <p>Hierauf wird der erste Satz des § 4, lautend:</p>
          <p>&#x201E;Polizeibeamte dürfen solchen Versammlungen nur in der Dienstkleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft beiwohnen,&#x201C; angenommen.</p>
          <p>Referent <hi rendition="#g">Scherer:</hi> Zum § 5. Von der Mehrzahl der Abtheilungen ist, zumal mit Rücksicht auf die Streichung des § 3 die Nothwendigkeit, der Regierung das Recht und die Möglichkeit einzuräumen, von den in Versammlungen der in Rede stehenden Art gepflogenen Verhandlungen in grader und offener Weise sich Kunde verschaffen zu können, anerkannt worden. Der Centralausschuß hat sich auch dieser Meinung um so mehr anschließen zu müssen geglaubt, als er auch hier nicht im Stande war, in der bloß passiven Anwesenheit eines oder zweier Beamten der öffentlichen Sicherheit in einer sich mit öffentlichen Dingen beschäftigenden Versammlung die von anderer Seite behauptete Beeinträchtigung des freien Versammlungsrechts zu erblicken.</p>
          <p><hi rendition="#g">Berends</hi> gegen diesen §. Wenn ich auch den Belagerungszustand für Berlin von einem sehr großen Nachtheil halte, so muß ich mich doch gegen dieses Gesetz erklären, obgleich der Minister die Aufhebung des Belagerungszustandes von der Annahme dieses Gesetzes abhängig macht. Berlin verlangt nicht, daß das ganze Land seinetwegen der Versammlungsfreiheit beraubt werde und erträgt lieber noch länger den Druck des Belagerungszustandes.</p>
          <p><hi rendition="#g">Graf Schwerin:</hi> Wir sind der Ansicht, daß der Regierung nach der Verfassung sowohl, als nach dem Gesetz vom 6. April 1848 das Recht zusteht, ein Gesetz zur Beaufsichtigung der Versammlungen zu erlassen. Es ist sogar Pflicht der Regierung, alle politischen Vereine zu überwachen.</p>
          <p>Der erste Satz des § 5 lautend:</p>
          <p>&#x201E;Die Ortspolizeibehörde ist befugt, in jede solche Versammlung zwei Polizei-Beamte oder zwei durch besondere Abzeichen erkennbare Abgeordnete zu senden, denen ein angemessener Platz einzuräumen ist,&#x201C; wird nach namentlicher Abstimmung mit 167 gegen 166 Stimmen verworfen. &#x2012; Schneeweiß stimmte mit der Linken, dadurch ihre Majorität von einer Stimme.</p>
          <p>Der Central-Ausschuß beantragt die Streichung des § 6.</p>
          <p><hi rendition="#g">Viebahn</hi> erklärt sich gleichfalls für Streichung, nur Graf <hi rendition="#g">Schwerin</hi> will den § beibehalten, damit die Abgeordneten der Obrigkeit sich nach den Namen der Redner erkundigen können.</p>
          <p>Der § 6 wird mit großer Majorität verworfen.</p>
          <p>§ 7 wird fast einstimmig verworfen.</p>
          <p>Referent <hi rendition="#g">Scherer:</hi> Der im § 8 enthaltene Grundsatz, daß den Polizeibeamten unter gewissen Voraussetzungen das Recht einzuräumen sei, Versammlungen aufzulösen, ist vom Centralausschuß anerkannt worden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk:</hi> Nachdem der § 5 gefallen ist, sehe ich gar nicht ein, wie der § 8 auszuführen sein wird. Wenn nach der Ansicht des Grafen Schwerin der Polizei von Rechtswegen zustehe, allen Versammlungen beizuwohnen und zu bewachen, so wäre ja das ganze Gesetz nicht mehr nothwendig. Der vorliegende § gibt der Polizei die Befugniß, eine Versammlung aufzulösen, wenn ein Redner zu Vergehen aufregt. Wie leicht wird es nun Jemand sein, eine Versammlung auseinander zu sprengen, wenn er etwas aufregender spricht, als die Polizei vertragen kann, sie wird die Versammlung sofort auflösen. Als Beispiel erzählt der Redner die bekannten Vorfälle bei den Wahlversammlungen in Düsseldorf, die mit allgemeiner Indignation aufgenommen werden. &#x2012; Es ist zwar richtig, daß das Versammlungsrecht gemißbraucht werden kann, aber deshalb brauchen wir solche Präventivmaßregeln nicht, die werden auch nichts nützen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Müller</hi> (Siegen) spricht für den Gesetzentwurf und erzählt, daß von der Regierung zu Düsseldorf, welche, wie der vorige Redner mittheilte, den fast einstimmigen Beschluß gefaßt hatte, &#x201E;daß es den Dienern der Polizei nicht frei stehe, in Versammlungen einzudringen,&#x201C; am andern Tag, nachdem er seinen Sitz im Kollegium eingenommen, der entgegengesetzte Beschluß gefaßt worden sei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi> erwidert später in einer persönlichen Bemerkung, daß in dem, vom Abg. Müller (Siegen) erzählten Meinungsumschwung der Düsseldorfer Regierung eben den Beweis liege, daß das gegenwärtige Regierungssystem faul sei.</p>
          <p>Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> wünscht, daß sich der Redner künftig gemäßigter ausdrücke (Allgemeiner Widerspruch links: Oh! Oh!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi> erwidert später, daß er künftig sich immer wieder des Ausdrucks faul bedienen werde. Freilich könne man unterm Belagerungszustand im Schauspielhause bei der Vorstellung des Hamlet den Satz: &#x201E;es ist etwas faul im Staate Dänemark,&#x201C; verbieten, aber nicht auf dieser Tribüne.</p>
          <p>Nachdem noch eine große Anzahl persönlicher Bemerkungen, größtentheils heitern Inhalts, gemacht worden sind, erhält der Referent <hi rendition="#g">Scherer</hi> noch das Wort, der zur Widerlegung einer Aeußerung Kirchmanns einen Satz der &#x201E;demokratischen Corresp.&#x201C; vom 14. April vorliest</p>
          <p>Der § 8 wird verworfen und statt dessen ein Amendement von <hi rendition="#g">Pape</hi> angenommen, wonach der § lautet:</p>
          <p>&#x201E;Versammlungen, in denen zum gewaltsamen Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichen Angriffen oder Widerstand gegen die Obrigkeit, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert oder aufgereizt wird, sind die Abgeordneten der Polizeibehörde befugt, aufzulösen, unbeschadet des gegen die Betheiligten gesetzlich einzuleitenden Strafverfahrens.&#x201C;</p>
          <p>Bei der namentlichen Abstimmung haben 186 Mitglieder die Freiheit, mit Ja zu stimmen und nur 146 sprechen sich <hi rendition="#g">gegen</hi> den Paragraphen aus.</p>
          <p>Schluß der Sitzung um 5 Uhr.</p>
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          <head>Berlin, vom 17. April.</head>
          <p>Der Ausgang eines gestern stattgehabten Pistolenduells erregt in der Stadt eine um so allgemeinere Theilnahme, als die Betheiligten sehr bekannten Familien angehören und der Anlaß zu jenem Vorgange unter der schwebenden Tagesfrage in erster Reihe steht. Die Ankunft der Frankfurter Kaiserdeputation hatte den Assessor Neander, einen Sohn des bekannten Bischofs Neander, mit dem Studiosus Brandt, einem Sohn des Bürgermeisters von Brandenburg, in einen Streit verwickelt, der gestern durch Zweikampf ausgeglichen werden sollte. Das Ergebniß war ein sehr blutiges. Neander ist in Folge der erhaltenen Wunde sofort gestorben und Brandt hat eine lebensgefährliche Verletzung davon getragen.</p>
          <p>Ein Schreiben des Polizeipräsidenten an den Präsidenten der ersten Kammer, Rudolph v. Auerswald, hat den letzteren zu einer Beschwerdeführung beim Minister des Innern veranlaßt. Herr von Hinkeldey verlangte Einlaßkarte für Konstabler zu den Tribünen der ersten Kammer, um die dort häufig vorkommenden Taschendiebstähle zu verhindern. Herr v. Auerswald glaubte dieser Forderung nicht stattgeben zu können und wies dieselbe mit dem Bemerken zurück, die Polizei innerhalb des Hauses obliege ihm selbst. Die Entgegnung, zu der sich Herr v. Hinkeldey hierdurch veranlaßt fand, soll nicht nur die Competenz des Kammerpräsidenten zur Ausübung derjenigen polizeilichen Befugnisse in Frage gestellt haben, zu welcher die Karten verlangt waren, sondern überdies auch dem Herrn v. Auerswald gewissermaßen die Verantwortlichkeit für alle nunmehr auf den Tribünen vorkommenden Taschendiebstähle aufgebürdet haben. Herr v. Auerswald hat dem Minister dies Schreiben mit dem Bemerken zugeschickt, daß der Ton desselben ungebührlich sei und eine scharfe Zurechtweisung erfordere.</p>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 17. April.</head>
          <p>Gestern Abend fand im Wintergarten, der etwa 2000 Menschen faßt, das Ihnen bereits angezeigte Verbrüderungsbankett der Arbeiter statt. Der Saal war gedrängt voll, und mit den Emblemen der rothen Republik ausgeschmückt. <hi rendition="#g">Nees von Esenbeck</hi> führte den Vorsitz und hielt die Eröffnungsrede, worauf das Präsidium nebst Sekretären die phrygische Mütze feierlich aufsetzten, und zum Zeichen, daß die ganze Versammlung dieselbe adoptire, ein Mann und eine Frau aus ihrer Mitte auf der Tribüne damit dekorirt wurden. Sodann wurde Freiligrath's Marseillaise gesungen, und verschiedene Vorträge socialistischen Inhalts gehalten, von denen sich besonders der Vortrag eines deutsch-katholischen Predigers auszeichnete. Die Haltung der Versammlung, welche ich leider vor Schluß verlassen mußte, war musterhaft; nichts von dem Gähnen, Räkeln, Lack- und Wanzengeruch der königl. preuß. Lieutenants- und Geheimraths-Salons, nichts von der Flegelei ihres Hochmuths und ihrer Ladstockgrazie. Zu bedauern war, daß das Versammlungslokal sich soweit vom Mittelpunkt der Stadt befand, und dadurch viele vom Besuch des Bankett's abgehalten worden sind. Vielleicht wäre es möglich, ein ähnliches Bankett an einem Sonntag rund um den Ring im Freien abzuhalten, und so dem zahlreichen Proletariat der Stadt Gelegenheit zu geben, sich dabei zu betheiligen und auszubilden.</p>
          <p>Die Breslauer Zeitung bringt heute die Nachricht: &#x201E;Der <hi rendition="#g">Dr. Schütte</hi> aus Wien (in Wien schrieb der Abentheurer aus Berlin) hat keine Ausweisungsordre, wie man neuerdings wissen wollte, sondern eine Aufenthaltskarte für längere Zeit bekommen und ist ihm dieselbe ohne Weitläufigkeit ausgehändigt worden.&#x201C; In welchem infamen Kontrast steht diese Nachricht mit der dirnenhaften Unverschämtheit, welche sich Abramowitsch's Polizeiknecht Hinkeldey vor einigen Tagen gegen einen hier anwesenden, politisch ganz
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[1567/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No. 278. Köln, Samstag, den 21. April 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zu Nro. 277 d. Ztg. wurde eine zweite Ausgabe ausgegeben. Uebersicht. Deutschland. Berlin (Klatsch, ‒ Sitzung der zweiten Kammer). Breslau. (Arbeiterbankett. ‒ Schütte). Wien. (Ansprache Böhms an die Wiener). Aus Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz. ‒ General Fabvier). Polen. (Das ruthenische Comite). Italien. Catania. (Erstürmung der Stadt). Malta. (Kapitulation Siragossa's und Agosta's). Genua. (Brief Avezzana's an einen englischen Schiffskommandanten. ‒ Dekret Victor Emanuels). Turin. (De Launay. ‒ Auflösung des Gemeinderaths in Alessandria). Französische Republik. Paris. (Die Expedition nach Civita-Vecchia. ‒ Vermischtes). Großbritannien. London. (Unterhaus). Ungarn. (Ausbleiben der Posten). Agram. (Der neue kroatisch-slavonisch-dalmatinische Raubstaat). Aus Syrmien. (Klaggesang der edlen Frauen des Asan Aga). Kronstadt. (Bem in Kronstadt). Ostindien. London. (Der Sieg bei Gudscherat. ‒ Vermischtes). China. Hong-Kong. (Der Vertrag wegen Eröffnung Cantons für die Fremden). Egypten. Cairo. (Die Verbindung zwischen Cairo und Suez). Deutschland. * Berlin, 18. April. Wir sind aus sicherster Quelle in den Stand gesetzt, folgenden Beitrag zu dem alten Ruhm der preußischen Gerichtshöfe, ihrer bekannten Selbstständigkeit und Unparteilichkeit zu geben. Die Gräfin Hatzfeld in Düsseldorf war bekanntlich zu zwei Monat Gefängniß verurtheilt und es fragte sich nun, ob die Amnestie vom 20. März v. J. nicht auch hier zur Anwendung kommen müsse. Die Sache kam an den Kassationshof. Hr. Oberprokurator John sagte nun in dem von ihm eingereichten Berichte, man möge sich doch beeilen und gar nicht auf das Gesuch der Gräfin Hatzfeld Rücksicht nehmen, da sie eine der gefährlichsten und thätigsten „Wühlerinnen“ in Düsseldorf sei etc. Der Anwalt der Gräfin fand, als er sich die betreffenden Akten zeigen ließ, diesen Bericht nicht vor, man hatte denselben hinweggenommen, auf sein dringendes Gesuch erhielt er ihn endlich zur Ansicht. Aber der Bericht des Oberprokurators John hatte seine Wirkung bei dem Gerichtshofe nicht verfehlt. Es besteht nämlich die Förmlichkeit, daß der Angeklagte in solchen Fällen sich bereit erklären muß, die Haft anzutreten und es erbat sich der Anwalt der Gräfin 14 Tage Frist für ihre Erklärung aus, welche stets gewährt wird ‒ der Gerichtshof verweigerte jede Frist!!! ‒ Glücklicherweise gelang das Spiel des Gerichtshofes nicht, die Erklärung wurde rasch herbeigeschafft. Der christlich-germanische Musterstaat Preußen wollte in seiner gewaltigen Frömmigkeit das Unwesen der Bordelle nicht mehr dulden und am 1. Jan. 1847 wurden dieselben aufgehoben. Diese Maßregel hat indessen nur sehr traurige Früchte getragen, seit jener Zeit haben die syphilitischen Krankheiten progressiv zugenommen und jetzt ist die Charité und Bethanien so voll dieser Kranken, daß selbst die Hausvogtei sie behalten muß. Der fromme Kultusminister Ladenberg will sich nun das Verdienst der Wiederherstellung der Bordelle erwerben, um jenen Krankheiten, welche hier schon epidemisch geworden sind, zu begegnen, da die Sittlichkeit des vergangenen Systems eben zu nichts Anderem geführt hat, als zur ‒ ‒ Syphilis. Der neue Saal des Kriminalgerichts für die Sitzung der Geschwornen sollte heute eröffnet werden, damit die erste Abtheilung die noch vorhandenen Untersuchungssachen in ihm zu Ende führen könne, mit Ausnahme der Preß- und politischen Prozesse, welche nur den Geschwornen vorbehalten sind. Vorgestern sprang aber eine Gasröhre und das eindringende Gas zerstörte die Frescomalereien der Decke derartig, daß dieselbe mit großen Kosten wird reparirt werden müssen und der Saal bis zum 1. Mai, an welchem Tage die erste Assisensitzung stattfinden soll, nicht geöffnet werden darf. Es verlautet, daß im Justizministerium schon die Amnestieverordnung bereit liege. Die Gefangenen sind natürlich in Kategorien eingetheilt. Es sollen nur die begnadigt werden, die ihrer Jugend wegen und sonst keine klare politische Anschauung haben konnten!! Ausgenommen bleiben vorzüglich Alle, bei deren Verbrechen Eigenthum oder Person beschädigt oder verletzt sind. Sollte die Amnestie wirklich so ausfallen, so wäre der Willkür in der Auswahl der zu Begnadigenden, wie gewöhnlich, Thor und Thür geöffnet. Herr Regierungsassessor Szuman, als tüchtiger Demokrat in Wreschen bei der Doppelwahl des Herrn v. Lipski gewählt, stimmte gestern und vorgestern zum Unwillen aller Polen gegen die Anträge der Linken. Sitzung der zweiten Kammer. (Wir gaben heute früh in der zweiten Ausgabe einen kurzen Auszug). Der Abgeordnete Schaffraneck hat sich an den Minister des Innern gewendet mit dem Ersuchen, daß alle Sitzungsprotokolle beider Kammern in die polnische Sprache übersetzt und in 6000 Exemplaren an die Abgeordneten der polnisch sprechenden Bezirke vertheilt werden möge. Der Minister ist hiermit einverstanden, nur will er die ganze Angelegenheit der Kammer selbst überlassen Der Präsident Grabow stellt daher die Frage, ob die Kammer damit einverstanden sei? Abg. Bogedein hält die Protokolle für unzulänglich und für Nichtmitglieder unverständlich. Schaffraneck widerlegt ihn in längerer Rede, und die Kammer beschließt endlich die Uebersetzung der Protokolle in die polnische Sprache und den Druck derselben in 5000 Exemplaren. Moritz trägt darauf an, daß sein Gesetzentwurf über die Ablösung der Mühlenabgaben an die Justizkommission überwiesen werde und nicht der Gewerbekommission, wie es der Präsident gethan. Es erhebt sich eine längere Debatte darüber, welcher Kommission dieser Gesetzentwurf übergeben werden muß. Die Kammer entscheidet sich endlich für den Moritzschen Antrag. Auch das von Elsner eingerichtete Lastengesetz wird auf dessen Antrag statt der Finanzkommission, der es der Präsident überwiesen hatte, der Agrarkommission zuertheilt. Hierauf wird über den revidirten Gesetzentwurf betreffend „den Verkauf, das Vertheilen und das Anheften von Druckschriften oder bildlichen Darstellungen in öffentlichen Straßen“ im Ganzen zum zweiten Mal abgestimmt und mit 167 gegen 163 Stimmen angenommen und wird dieser Gesetzentwurf nun der ersten Kammer zugesandt werden. Schneeweiß Blömer und Osterrath stimmten mit der Rechten für den Gesetzentwurf. Alsdann kommt man zum Clubgesetz Referent Scherer: Das in dem § 3 ausgesprochene Prinzip, welches nur öffentliche Versammlungen anerkennt, und außerdem den Vereinen zur Pflicht macht, den vierten Theil der Plätze für Nichtmitglieder frei zu halten, wurde von 6 Abtheilungen als eine wirkliche, und darum unzulässige Beschränkung des freien Versammlungs- und Vereinsrechts erkannt. Der Centralausschuß theilt diese Ansicht und beantragt demgemäß die Streichung des ganzen Paragraphen. Der Assistent des Ministers des Innern, Hr. v. Schleinitz, sucht den Paragraphen der Regierungsvorlage zu vertheidigen. Er sagt, in England könne man wohl das Versammlungsrecht ohne Beschränkung gestatten. Dort sind die Verhältnisse ganz anders als bei uns, die unsrigen gleichen mehr den französischen und darum müssen wir auch die französischen Clubgesetze einführen. Dieser § 3 lautet: „Bei dergleichen Versammlungen muß Jedermann der Zutritt gestattet werden; die Ortspolizeibehörde ist jedoch ermächtigt, auf den Antrag der Vorsteher, Unternehmer, Ordner oder Leiter zu gestatten, daß diese Oeffentlichkeit ausgeschlossen oder beschränkt werde Versammeln sich die Mitglieder solcher Vereine, welche ihre Statuten der Ortspolizeibehörde einzureichen haben, so haben sie den vierten Theil der Plätze für diejenigen frei zu lassen, welche dem Vereine fremd sind“ Jung und Eydam sprechen mit vielem Beifall gegen den Paragraphen, welcher einstimmig verworfen wird. (Allgem. Gelächter). Referent Scherer: In Betreff der in dem zweiten Absatze des § 4 erwähnten Militärpersonen waren sämmtliche Abtheilungen der Ansicht, daß die bezügliche Bestimmung wegen deren Dienstkleidung, als lediglich disciplinarischer Natur, in das vorliegende Gesetz nicht hineingehöre. Von einigen Abtheilungen wurde dieselbe Ansicht auch rücksichtlich der im ersten Absatze erwähnten Polizeibeamten aufgestellt, während die Mehrzahl sich dahin entschied, daß für Polizeibeamte die Verpflichtung zur Dienstkleidung nur für den Fall ihres Erscheinens im Dienste gesetzlich auszusprechen sei, indem andernfalls eine Beschränkung des freien Vereins- und Versammlungsrechts in den Personen der Polizeibeamten darin liegen würde. Wollheim spricht mehr im Allgemeinen und beweist das Verfassungswidrige des ganzen Gesetzes. Caspary spricht gegen die disciplinarischen Vorschriften. Hierauf wird der erste Satz des § 4, lautend: „Polizeibeamte dürfen solchen Versammlungen nur in der Dienstkleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft beiwohnen,“ angenommen. Referent Scherer: Zum § 5. Von der Mehrzahl der Abtheilungen ist, zumal mit Rücksicht auf die Streichung des § 3 die Nothwendigkeit, der Regierung das Recht und die Möglichkeit einzuräumen, von den in Versammlungen der in Rede stehenden Art gepflogenen Verhandlungen in grader und offener Weise sich Kunde verschaffen zu können, anerkannt worden. Der Centralausschuß hat sich auch dieser Meinung um so mehr anschließen zu müssen geglaubt, als er auch hier nicht im Stande war, in der bloß passiven Anwesenheit eines oder zweier Beamten der öffentlichen Sicherheit in einer sich mit öffentlichen Dingen beschäftigenden Versammlung die von anderer Seite behauptete Beeinträchtigung des freien Versammlungsrechts zu erblicken. Berends gegen diesen §. Wenn ich auch den Belagerungszustand für Berlin von einem sehr großen Nachtheil halte, so muß ich mich doch gegen dieses Gesetz erklären, obgleich der Minister die Aufhebung des Belagerungszustandes von der Annahme dieses Gesetzes abhängig macht. Berlin verlangt nicht, daß das ganze Land seinetwegen der Versammlungsfreiheit beraubt werde und erträgt lieber noch länger den Druck des Belagerungszustandes. Graf Schwerin: Wir sind der Ansicht, daß der Regierung nach der Verfassung sowohl, als nach dem Gesetz vom 6. April 1848 das Recht zusteht, ein Gesetz zur Beaufsichtigung der Versammlungen zu erlassen. Es ist sogar Pflicht der Regierung, alle politischen Vereine zu überwachen. Der erste Satz des § 5 lautend: „Die Ortspolizeibehörde ist befugt, in jede solche Versammlung zwei Polizei-Beamte oder zwei durch besondere Abzeichen erkennbare Abgeordnete zu senden, denen ein angemessener Platz einzuräumen ist,“ wird nach namentlicher Abstimmung mit 167 gegen 166 Stimmen verworfen. ‒ Schneeweiß stimmte mit der Linken, dadurch ihre Majorität von einer Stimme. Der Central-Ausschuß beantragt die Streichung des § 6. Viebahn erklärt sich gleichfalls für Streichung, nur Graf Schwerin will den § beibehalten, damit die Abgeordneten der Obrigkeit sich nach den Namen der Redner erkundigen können. Der § 6 wird mit großer Majorität verworfen. § 7 wird fast einstimmig verworfen. Referent Scherer: Der im § 8 enthaltene Grundsatz, daß den Polizeibeamten unter gewissen Voraussetzungen das Recht einzuräumen sei, Versammlungen aufzulösen, ist vom Centralausschuß anerkannt worden. Wesendonk: Nachdem der § 5 gefallen ist, sehe ich gar nicht ein, wie der § 8 auszuführen sein wird. Wenn nach der Ansicht des Grafen Schwerin der Polizei von Rechtswegen zustehe, allen Versammlungen beizuwohnen und zu bewachen, so wäre ja das ganze Gesetz nicht mehr nothwendig. Der vorliegende § gibt der Polizei die Befugniß, eine Versammlung aufzulösen, wenn ein Redner zu Vergehen aufregt. Wie leicht wird es nun Jemand sein, eine Versammlung auseinander zu sprengen, wenn er etwas aufregender spricht, als die Polizei vertragen kann, sie wird die Versammlung sofort auflösen. Als Beispiel erzählt der Redner die bekannten Vorfälle bei den Wahlversammlungen in Düsseldorf, die mit allgemeiner Indignation aufgenommen werden. ‒ Es ist zwar richtig, daß das Versammlungsrecht gemißbraucht werden kann, aber deshalb brauchen wir solche Präventivmaßregeln nicht, die werden auch nichts nützen. Müller (Siegen) spricht für den Gesetzentwurf und erzählt, daß von der Regierung zu Düsseldorf, welche, wie der vorige Redner mittheilte, den fast einstimmigen Beschluß gefaßt hatte, „daß es den Dienern der Polizei nicht frei stehe, in Versammlungen einzudringen,“ am andern Tag, nachdem er seinen Sitz im Kollegium eingenommen, der entgegengesetzte Beschluß gefaßt worden sei. Wesendonk erwidert später in einer persönlichen Bemerkung, daß in dem, vom Abg. Müller (Siegen) erzählten Meinungsumschwung der Düsseldorfer Regierung eben den Beweis liege, daß das gegenwärtige Regierungssystem faul sei. Präsident Grabow wünscht, daß sich der Redner künftig gemäßigter ausdrücke (Allgemeiner Widerspruch links: Oh! Oh!) Wesendonk erwidert später, daß er künftig sich immer wieder des Ausdrucks faul bedienen werde. Freilich könne man unterm Belagerungszustand im Schauspielhause bei der Vorstellung des Hamlet den Satz: „es ist etwas faul im Staate Dänemark,“ verbieten, aber nicht auf dieser Tribüne. Nachdem noch eine große Anzahl persönlicher Bemerkungen, größtentheils heitern Inhalts, gemacht worden sind, erhält der Referent Scherer noch das Wort, der zur Widerlegung einer Aeußerung Kirchmanns einen Satz der „demokratischen Corresp.“ vom 14. April vorliest Der § 8 wird verworfen und statt dessen ein Amendement von Pape angenommen, wonach der § lautet: „Versammlungen, in denen zum gewaltsamen Umsturz oder zu gewaltsamer Aenderung der Verfassung, zu thätlichen Angriffen oder Widerstand gegen die Obrigkeit, oder zu Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Eigenthum aufgefordert oder aufgereizt wird, sind die Abgeordneten der Polizeibehörde befugt, aufzulösen, unbeschadet des gegen die Betheiligten gesetzlich einzuleitenden Strafverfahrens.“ Bei der namentlichen Abstimmung haben 186 Mitglieder die Freiheit, mit Ja zu stimmen und nur 146 sprechen sich gegen den Paragraphen aus. Schluß der Sitzung um 5 Uhr. Berlin, vom 17. April. Der Ausgang eines gestern stattgehabten Pistolenduells erregt in der Stadt eine um so allgemeinere Theilnahme, als die Betheiligten sehr bekannten Familien angehören und der Anlaß zu jenem Vorgange unter der schwebenden Tagesfrage in erster Reihe steht. Die Ankunft der Frankfurter Kaiserdeputation hatte den Assessor Neander, einen Sohn des bekannten Bischofs Neander, mit dem Studiosus Brandt, einem Sohn des Bürgermeisters von Brandenburg, in einen Streit verwickelt, der gestern durch Zweikampf ausgeglichen werden sollte. Das Ergebniß war ein sehr blutiges. Neander ist in Folge der erhaltenen Wunde sofort gestorben und Brandt hat eine lebensgefährliche Verletzung davon getragen. Ein Schreiben des Polizeipräsidenten an den Präsidenten der ersten Kammer, Rudolph v. Auerswald, hat den letzteren zu einer Beschwerdeführung beim Minister des Innern veranlaßt. Herr von Hinkeldey verlangte Einlaßkarte für Konstabler zu den Tribünen der ersten Kammer, um die dort häufig vorkommenden Taschendiebstähle zu verhindern. Herr v. Auerswald glaubte dieser Forderung nicht stattgeben zu können und wies dieselbe mit dem Bemerken zurück, die Polizei innerhalb des Hauses obliege ihm selbst. Die Entgegnung, zu der sich Herr v. Hinkeldey hierdurch veranlaßt fand, soll nicht nur die Competenz des Kammerpräsidenten zur Ausübung derjenigen polizeilichen Befugnisse in Frage gestellt haben, zu welcher die Karten verlangt waren, sondern überdies auch dem Herrn v. Auerswald gewissermaßen die Verantwortlichkeit für alle nunmehr auf den Tribünen vorkommenden Taschendiebstähle aufgebürdet haben. Herr v. Auerswald hat dem Minister dies Schreiben mit dem Bemerken zugeschickt, daß der Ton desselben ungebührlich sei und eine scharfe Zurechtweisung erfordere. 61 Breslau, 17. April. Gestern Abend fand im Wintergarten, der etwa 2000 Menschen faßt, das Ihnen bereits angezeigte Verbrüderungsbankett der Arbeiter statt. Der Saal war gedrängt voll, und mit den Emblemen der rothen Republik ausgeschmückt. Nees von Esenbeck führte den Vorsitz und hielt die Eröffnungsrede, worauf das Präsidium nebst Sekretären die phrygische Mütze feierlich aufsetzten, und zum Zeichen, daß die ganze Versammlung dieselbe adoptire, ein Mann und eine Frau aus ihrer Mitte auf der Tribüne damit dekorirt wurden. Sodann wurde Freiligrath's Marseillaise gesungen, und verschiedene Vorträge socialistischen Inhalts gehalten, von denen sich besonders der Vortrag eines deutsch-katholischen Predigers auszeichnete. Die Haltung der Versammlung, welche ich leider vor Schluß verlassen mußte, war musterhaft; nichts von dem Gähnen, Räkeln, Lack- und Wanzengeruch der königl. preuß. Lieutenants- und Geheimraths-Salons, nichts von der Flegelei ihres Hochmuths und ihrer Ladstockgrazie. Zu bedauern war, daß das Versammlungslokal sich soweit vom Mittelpunkt der Stadt befand, und dadurch viele vom Besuch des Bankett's abgehalten worden sind. Vielleicht wäre es möglich, ein ähnliches Bankett an einem Sonntag rund um den Ring im Freien abzuhalten, und so dem zahlreichen Proletariat der Stadt Gelegenheit zu geben, sich dabei zu betheiligen und auszubilden. Die Breslauer Zeitung bringt heute die Nachricht: „Der Dr. Schütte aus Wien (in Wien schrieb der Abentheurer aus Berlin) hat keine Ausweisungsordre, wie man neuerdings wissen wollte, sondern eine Aufenthaltskarte für längere Zeit bekommen und ist ihm dieselbe ohne Weitläufigkeit ausgehändigt worden.“ In welchem infamen Kontrast steht diese Nachricht mit der dirnenhaften Unverschämtheit, welche sich Abramowitsch's Polizeiknecht Hinkeldey vor einigen Tagen gegen einen hier anwesenden, politisch ganz

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 278. Köln, 21. April 1849, S. 1567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz278_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.