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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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zose leichtes Blut hat, der Spanier schwarzes, der
Italiener heißes, der Deutsche warmes. Der Fran¬
zos ist leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬
kisch und rachsüchtig und der Deutsche keusch und
treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu
fassen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬
tion Jemand ist. Schade nur, Prinzessin, daß
ich in Italien die liebsten Menschen fand, von
warmem Blut und dem besten Herzen, fleißig, em¬
sig, rechtschaffene Familienväter und treue Freunde.
Sollte ich sie darum hassen, oder die Franzo¬
sen, weil Montesquieu und Rousseau, weil Buf¬
fon und Laplace Franzosen waren, oder alle Deutsche
darum lieben, weil sie alle grad, ehrlich, Män¬
ner von Wort, Biedermänner und keusch wie Jo¬
seph sind?"

Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den
Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen
lassen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere
und Menschen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬
gen. Die Fürstin, sichtlich im Innern bewegt, nahm
das Wort:

"Sie haben Recht, die Nationalität ist auch
nur ein Götze, geknetet und angestrichen aus
Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber,
Herr Schadow, ein schön geformtes Götterbild bleibt's,
schöner als Ihre Apollo und Jupiter!"

Der Meister hatte eine Prise genommen:
"Ja, die Kostüms sind recht hübsch, ich zweifle

zoſe leichtes Blut hat, der Spanier ſchwarzes, der
Italiener heißes, der Deutſche warmes. Der Fran¬
zos iſt leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬
kiſch und rachſüchtig und der Deutſche keuſch und
treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu
faſſen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬
tion Jemand iſt. Schade nur, Prinzeſſin, daß
ich in Italien die liebſten Menſchen fand, von
warmem Blut und dem beſten Herzen, fleißig, em¬
ſig, rechtſchaffene Familienväter und treue Freunde.
Sollte ich ſie darum haſſen, oder die Franzo¬
ſen, weil Montesquieu und Rouſſeau, weil Buf¬
fon und Laplace Franzoſen waren, oder alle Deutſche
darum lieben, weil ſie alle grad, ehrlich, Män¬
ner von Wort, Biedermänner und keuſch wie Jo¬
ſeph ſind?“

Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den
Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen
laſſen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere
und Menſchen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬
gen. Die Fürſtin, ſichtlich im Innern bewegt, nahm
das Wort:

„Sie haben Recht, die Nationalität iſt auch
nur ein Götze, geknetet und angeſtrichen aus
Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber,
Herr Schadow, ein ſchön geformtes Götterbild bleibt's,
ſchöner als Ihre Apollo und Jupiter!“

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[127/0137] zoſe leichtes Blut hat, der Spanier ſchwarzes, der Italiener heißes, der Deutſche warmes. Der Fran¬ zos iſt leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬ kiſch und rachſüchtig und der Deutſche keuſch und treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu faſſen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬ tion Jemand iſt. Schade nur, Prinzeſſin, daß ich in Italien die liebſten Menſchen fand, von warmem Blut und dem beſten Herzen, fleißig, em¬ ſig, rechtſchaffene Familienväter und treue Freunde. Sollte ich ſie darum haſſen, oder die Franzo¬ ſen, weil Montesquieu und Rouſſeau, weil Buf¬ fon und Laplace Franzoſen waren, oder alle Deutſche darum lieben, weil ſie alle grad, ehrlich, Män¬ ner von Wort, Biedermänner und keuſch wie Jo¬ ſeph ſind?“ Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen laſſen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere und Menſchen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬ gen. Die Fürſtin, ſichtlich im Innern bewegt, nahm das Wort: „Sie haben Recht, die Nationalität iſt auch nur ein Götze, geknetet und angeſtrichen aus Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber, Herr Schadow, ein ſchön geformtes Götterbild bleibt's, ſchöner als Ihre Apollo und Jupiter!“ Der Meiſter hatte eine Priſe genommen: „Ja, die Koſtüms ſind recht hübſch, ich zweifle

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/137>, abgerufen am 20.05.2024.