Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906.damit sie noch ein bisschen sich freuen könne. Man schickte ihr aus Aufmerksamkeit Seefische, Austern, Champagner, beaf tea jellie ins Haus. Sie dachte: "Für die Würmer mästet man mich." Aber sie sagte: "Ich danke euch von ganzem Herzen. Es hat mich so erfreut." Dem ältesten Sohne sagte sie: "Du, ich habe 45 Jahre hindurch meine armen Dienstboten morgens um 5 Uhr aus dem Schlafe getrieben, wegen der Hausordnung. Glaubst du, dass das nun die Strafe ist?!?" "Ja. Ich glaube es. Ich weiss es!" Die Verwandten kamen meistens nachmittags. Da war das Haus schon in Ordnung. Die Sterbende sagte bei der Jause: "Willst du den Tee licht oder dunkler, bitte, du kannst beides haben, nein, es macht wirklich keine Mühe?!? Mit Milch oder mit Rum?!? Oder mit Zitrone?!? Bitte, bediene dich doch. Ja, was du mir da erzählst, ist wirklich sehr komisch. Nein, wer hätte das gedacht?! Marie, servieren Sie die Orangen-Creme. Bitte, nehmen Sie von den Südfrüchten. Auf meine Datteln und Malagatrauben bin ich wirklich sehr stolz. Ich verrate nicht die Quelle." "Dieses Geheimnis nehme ich ins Grab mit," sagte sie lächelnd, worauf sie jemand vorwurfsvoll auf die Hand tippte. Abends war sie ganz erschöpft von der Jause und den Gesprächen. Um 9 Uhr spielte ihre alte Schwester mit ihr Bezigue und liess sie absichtlich gewinnen. damit sie noch ein bisschen sich freuen könne. Man schickte ihr aus Aufmerksamkeit Seefische, Austern, Champagner, beaf tea jellie ins Haus. Sie dachte: „Für die Würmer mästet man mich.“ Aber sie sagte: „Ich danke euch von ganzem Herzen. Es hat mich so erfreut.“ Dem ältesten Sohne sagte sie: „Du, ich habe 45 Jahre hindurch meine armen Dienstboten morgens um 5 Uhr aus dem Schlafe getrieben, wegen der Hausordnung. Glaubst du, dass das nun die Strafe ist?!?“ „Ja. Ich glaube es. Ich weiss es!“ Die Verwandten kamen meistens nachmittags. Da war das Haus schon in Ordnung. Die Sterbende sagte bei der Jause: „Willst du den Tee licht oder dunkler, bitte, du kannst beides haben, nein, es macht wirklich keine Mühe?!? Mit Milch oder mit Rum?!? Oder mit Zitrone?!? Bitte, bediene dich doch. Ja, was du mir da erzählst, ist wirklich sehr komisch. Nein, wer hätte das gedacht?! Marie, servieren Sie die Orangen-Creme. Bitte, nehmen Sie von den Südfrüchten. Auf meine Datteln und Malagatrauben bin ich wirklich sehr stolz. Ich verrate nicht die Quelle.“ „Dieses Geheimnis nehme ich ins Grab mit,“ sagte sie lächelnd, worauf sie jemand vorwurfsvoll auf die Hand tippte. Abends war sie ganz erschöpft von der Jause und den Gesprächen. Um 9 Uhr spielte ihre alte Schwester mit ihr Bézigue und liess sie absichtlich gewinnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0188" n="188"/> damit sie noch ein bisschen sich freuen könne. Man schickte ihr aus Aufmerksamkeit Seefische, Austern, Champagner, beaf tea jellie ins Haus.</p> <p>Sie dachte: „Für die Würmer mästet man mich.“</p> <p>Aber sie sagte: „Ich danke euch von ganzem Herzen. Es hat mich so erfreut.“</p> <p>Dem ältesten Sohne sagte sie: „Du, ich habe 45 Jahre hindurch meine armen Dienstboten morgens um 5 Uhr aus dem Schlafe getrieben, wegen der Hausordnung. Glaubst du, dass das nun die Strafe ist?!?“</p> <p>„Ja. Ich glaube es. Ich weiss es!“</p> <p>Die Verwandten kamen meistens nachmittags. Da war das Haus schon in Ordnung.</p> <p>Die Sterbende sagte bei der Jause: „Willst du den Tee licht oder dunkler, bitte, du kannst beides haben, nein, es macht wirklich keine Mühe?!? Mit Milch oder mit Rum?!? Oder mit Zitrone?!? Bitte, bediene dich doch. Ja, was du mir da erzählst, ist wirklich sehr komisch. Nein, wer hätte das gedacht?! Marie, servieren Sie die Orangen-Creme. Bitte, nehmen Sie von den Südfrüchten. Auf meine Datteln und Malagatrauben bin ich wirklich sehr stolz. Ich verrate nicht die Quelle.“</p> <p>„Dieses Geheimnis nehme ich ins Grab mit,“ sagte sie lächelnd, worauf sie jemand vorwurfsvoll auf die Hand tippte. Abends war sie ganz erschöpft von der Jause und den Gesprächen.</p> <p>Um 9 Uhr spielte ihre alte Schwester mit ihr Bézigue und liess sie absichtlich gewinnen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0188]
damit sie noch ein bisschen sich freuen könne. Man schickte ihr aus Aufmerksamkeit Seefische, Austern, Champagner, beaf tea jellie ins Haus.
Sie dachte: „Für die Würmer mästet man mich.“
Aber sie sagte: „Ich danke euch von ganzem Herzen. Es hat mich so erfreut.“
Dem ältesten Sohne sagte sie: „Du, ich habe 45 Jahre hindurch meine armen Dienstboten morgens um 5 Uhr aus dem Schlafe getrieben, wegen der Hausordnung. Glaubst du, dass das nun die Strafe ist?!?“
„Ja. Ich glaube es. Ich weiss es!“
Die Verwandten kamen meistens nachmittags. Da war das Haus schon in Ordnung.
Die Sterbende sagte bei der Jause: „Willst du den Tee licht oder dunkler, bitte, du kannst beides haben, nein, es macht wirklich keine Mühe?!? Mit Milch oder mit Rum?!? Oder mit Zitrone?!? Bitte, bediene dich doch. Ja, was du mir da erzählst, ist wirklich sehr komisch. Nein, wer hätte das gedacht?! Marie, servieren Sie die Orangen-Creme. Bitte, nehmen Sie von den Südfrüchten. Auf meine Datteln und Malagatrauben bin ich wirklich sehr stolz. Ich verrate nicht die Quelle.“
„Dieses Geheimnis nehme ich ins Grab mit,“ sagte sie lächelnd, worauf sie jemand vorwurfsvoll auf die Hand tippte. Abends war sie ganz erschöpft von der Jause und den Gesprächen.
Um 9 Uhr spielte ihre alte Schwester mit ihr Bézigue und liess sie absichtlich gewinnen.
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Zitationshilfe: | Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altenberg_prodromos_1906/188>, abgerufen am 18.06.2024. |