Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich werde seine Rückkehr erwarten. Sie werden sofort abreisen. Die Calesche ist angespannt. Und wenn ich mich weigere? Dann würde ich mich genöthigt sehen, Sie mit Gewalt über die Grenze des Guts zu schaffen. Kann ich Ihnen beim Packen des Koffers behülflich sein? Ich danke Ihnen, ich werde das selbst besorgen. Beeilen Sie sich gefälligst! Die Calesche ist angespannt. Mit diesen Worten verließ mich der seines Herrn würdige Diener; ich hätte mich an ihm vergreifen können; aber seine athletische Gestalt flößte mir Mäßigung ein. Ich begann meine geringen Habseligkeiten zu packen, schrieb dann rasch einige Zeilen an Fräulein von Halden, worin ich ihr meine erzwungene Entfernung anzeigte mit dem Versprechen, das Aeußerste aufzubieten, um sie baldigst aus der Gewalt des Tyrannen zu befreien. Ich hatte dieses Schreiben eben versiegelt, als der Verwalter wieder eintrat. Fertig? fragte er mit cyklopischem Lächeln. Sogleich. Wenn Sie die Gute haben wollen, meinen Koffer zu verschließen, werd' ich unterdessen eines meiner Bucher suchen, welches in einem andern Zimmer liegen muß. -- O, ich verstehe, Sie wollen den Brief da an seine Adresse besorgen. Nun, Herr Candidat, -- ich mein' es im Grund nicht böse, obgleich mich dieses summarische Verfahren des alten Herrn königlich amüsirt. Aber es kann ihm nichts schaden, wenn Sie ihm einen groben Brief unters Sophakissen stecken. Ich weiß von nichts. Den Koffer will ich unterdessen besorgen. Ich eilte auf das Zimmer des Fräuleins, schob den Brief unter ein auf der Toilette, liegendes Schnupftuch und ging nach einem wehmüthigen Blick auf die heilige Stätte die Treppe hinunter in den Hof, wo mich der Ich werde seine Rückkehr erwarten. Sie werden sofort abreisen. Die Calesche ist angespannt. Und wenn ich mich weigere? Dann würde ich mich genöthigt sehen, Sie mit Gewalt über die Grenze des Guts zu schaffen. Kann ich Ihnen beim Packen des Koffers behülflich sein? Ich danke Ihnen, ich werde das selbst besorgen. Beeilen Sie sich gefälligst! Die Calesche ist angespannt. Mit diesen Worten verließ mich der seines Herrn würdige Diener; ich hätte mich an ihm vergreifen können; aber seine athletische Gestalt flößte mir Mäßigung ein. Ich begann meine geringen Habseligkeiten zu packen, schrieb dann rasch einige Zeilen an Fräulein von Halden, worin ich ihr meine erzwungene Entfernung anzeigte mit dem Versprechen, das Aeußerste aufzubieten, um sie baldigst aus der Gewalt des Tyrannen zu befreien. Ich hatte dieses Schreiben eben versiegelt, als der Verwalter wieder eintrat. Fertig? fragte er mit cyklopischem Lächeln. Sogleich. Wenn Sie die Gute haben wollen, meinen Koffer zu verschließen, werd' ich unterdessen eines meiner Bucher suchen, welches in einem andern Zimmer liegen muß. — O, ich verstehe, Sie wollen den Brief da an seine Adresse besorgen. Nun, Herr Candidat, — ich mein' es im Grund nicht böse, obgleich mich dieses summarische Verfahren des alten Herrn königlich amüsirt. Aber es kann ihm nichts schaden, wenn Sie ihm einen groben Brief unters Sophakissen stecken. Ich weiß von nichts. Den Koffer will ich unterdessen besorgen. Ich eilte auf das Zimmer des Fräuleins, schob den Brief unter ein auf der Toilette, liegendes Schnupftuch und ging nach einem wehmüthigen Blick auf die heilige Stätte die Treppe hinunter in den Hof, wo mich der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0063"/> <p>Ich werde seine Rückkehr erwarten. </p><lb/> <p>Sie werden sofort abreisen. Die Calesche ist angespannt. </p><lb/> <p>Und wenn ich mich weigere? </p><lb/> <p>Dann würde ich mich genöthigt sehen, Sie mit Gewalt über die Grenze des Guts zu schaffen. Kann ich Ihnen beim Packen des Koffers behülflich sein? </p><lb/> <p>Ich danke Ihnen, ich werde das selbst besorgen.</p><lb/> <p>Beeilen Sie sich gefälligst! Die Calesche ist angespannt. </p><lb/> <p>Mit diesen Worten verließ mich der seines Herrn würdige Diener; ich hätte mich an ihm vergreifen können; aber seine athletische Gestalt flößte mir Mäßigung ein. 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Ich werde seine Rückkehr erwarten.
Sie werden sofort abreisen. Die Calesche ist angespannt.
Und wenn ich mich weigere?
Dann würde ich mich genöthigt sehen, Sie mit Gewalt über die Grenze des Guts zu schaffen. Kann ich Ihnen beim Packen des Koffers behülflich sein?
Ich danke Ihnen, ich werde das selbst besorgen.
Beeilen Sie sich gefälligst! Die Calesche ist angespannt.
Mit diesen Worten verließ mich der seines Herrn würdige Diener; ich hätte mich an ihm vergreifen können; aber seine athletische Gestalt flößte mir Mäßigung ein. Ich begann meine geringen Habseligkeiten zu packen, schrieb dann rasch einige Zeilen an Fräulein von Halden, worin ich ihr meine erzwungene Entfernung anzeigte mit dem Versprechen, das Aeußerste aufzubieten, um sie baldigst aus der Gewalt des Tyrannen zu befreien. Ich hatte dieses Schreiben eben versiegelt, als der Verwalter wieder eintrat.
Fertig? fragte er mit cyklopischem Lächeln.
Sogleich. Wenn Sie die Gute haben wollen, meinen Koffer zu verschließen, werd' ich unterdessen eines meiner Bucher suchen, welches in einem andern Zimmer liegen muß. —
O, ich verstehe, Sie wollen den Brief da an seine Adresse besorgen. Nun, Herr Candidat, — ich mein' es im Grund nicht böse, obgleich mich dieses summarische Verfahren des alten Herrn königlich amüsirt. Aber es kann ihm nichts schaden, wenn Sie ihm einen groben Brief unters Sophakissen stecken. Ich weiß von nichts. Den Koffer will ich unterdessen besorgen.
Ich eilte auf das Zimmer des Fräuleins, schob den Brief unter ein auf der Toilette, liegendes Schnupftuch und ging nach einem wehmüthigen Blick auf die heilige Stätte die Treppe hinunter in den Hof, wo mich der
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Zitationshilfe: | Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/63>, abgerufen am 13.06.2024. |