Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898."Ach Mama, das glaub ich gern." "Nun, -- aber --?" meiner Mutter Stimme klang "Aber Benno ist ganz andrer Meinung darüber, Meine Mutter verstummte wieder, diesmal völlig "Ach Kind, Schattenseiten hat am Ende ja auch Ich mußte in all meiner Betrübnis lächeln, und Darauf durfte ich es nicht ankommen lassen, dieser Und ich glitt aus dem Bett und schlich mich zu ihr "Mama!" flüsterte ich, "gieb mir noch einen Kuß." "Ja, mein Herzenskind. Weine nur nicht mehr. "Nein, Mama. Aber höre, was ich dir sagen will. „Ach Mama, das glaub ich gern.“ „Nun, — aber —?“ meiner Mutter Stimme klang „Aber Benno iſt ganz andrer Meinung darüber, Meine Mutter verſtummte wieder, diesmal völlig „Ach Kind, Schattenſeiten hat am Ende ja auch Ich mußte in all meiner Betrübnis lächeln, und Darauf durfte ich es nicht ankommen laſſen, dieſer Und ich glitt aus dem Bett und ſchlich mich zu ihr „Mama!“ flüſterte ich, „gieb mir noch einen Kuß.“ „Ja, mein Herzenskind. Weine nur nicht mehr. „Nein, Mama. Aber höre, was ich dir ſagen will. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0180" n="176"/> <fw type="pageNum" place="top">— 176 —<lb/></fw> <p>„Ach Mama, <hi rendition="#g">das</hi> glaub ich gern.“</p><lb/> <p>„Nun, — aber —?“ meiner Mutter Stimme klang<lb/> ängſtlich geſpannt.</p><lb/> <p>„Aber Benno iſt ganz andrer Meinung darüber,<lb/> Mama.“</p><lb/> <p>Meine Mutter verſtummte wieder, diesmal völlig<lb/> verblüfft. Sie hatte mir ja ſo gut zureden wollen, und<lb/> hatte mir nun, ohne es zu wiſſen, abgeredet. Lange er¬<lb/> trug ſie das nicht, mein liebes Mütterchen. Und im<lb/> Drange ihres Herzens, zu helfen und das Glück zu bauen,<lb/> wie ſie es meinte, verleugnete ſie heldenmütig alle ihre<lb/> heiligſten Ueberzeugungen für mich und ſagte etwas un¬<lb/> ſicher:</p><lb/> <p>„Ach Kind, Schattenſeiten hat am Ende ja auch<lb/> eine Ehe, wo der Mann herrſcht. Du kannſt dir doch<lb/> denken, daß das nicht immer grade leicht für die Frau<lb/> iſt. Wenn ich ſo zurückdenke, iſt es auch nicht immer<lb/> angenehm geweſen.“</p><lb/> <p>Ich mußte in all meiner Betrübnis lächeln, und<lb/> ihre fromme Lüge rührte mich. Und plötzlich überfiel<lb/> mich die Angſt, die Mutter könnte jemals, durch einen<lb/> unſeligen Zufall, aus Bennos Weſen erraten, was ich<lb/> dieſen glauben ließ.</p><lb/> <p>Darauf durfte ich es nicht ankommen laſſen, dieſer<lb/> Möglichkeit mußte ich vorbeugen.</p><lb/> <p>Und ich glitt aus dem Bett und ſchlich mich zu ihr<lb/> hin. Ich taſtete nach dem lieben Kopf im Nachthäubchen.</p><lb/> <p>„Mama!“ flüſterte ich, „gieb mir noch einen Kuß.“</p><lb/> <p>„Ja, mein Herzenskind. Weine nur nicht mehr.<lb/> Ich kann's nicht ertragen.“</p><lb/> <p>„Nein, Mama. Aber höre, was ich dir ſagen will.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0180]
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„Ach Mama, das glaub ich gern.“
„Nun, — aber —?“ meiner Mutter Stimme klang
ängſtlich geſpannt.
„Aber Benno iſt ganz andrer Meinung darüber,
Mama.“
Meine Mutter verſtummte wieder, diesmal völlig
verblüfft. Sie hatte mir ja ſo gut zureden wollen, und
hatte mir nun, ohne es zu wiſſen, abgeredet. Lange er¬
trug ſie das nicht, mein liebes Mütterchen. Und im
Drange ihres Herzens, zu helfen und das Glück zu bauen,
wie ſie es meinte, verleugnete ſie heldenmütig alle ihre
heiligſten Ueberzeugungen für mich und ſagte etwas un¬
ſicher:
„Ach Kind, Schattenſeiten hat am Ende ja auch
eine Ehe, wo der Mann herrſcht. Du kannſt dir doch
denken, daß das nicht immer grade leicht für die Frau
iſt. Wenn ich ſo zurückdenke, iſt es auch nicht immer
angenehm geweſen.“
Ich mußte in all meiner Betrübnis lächeln, und
ihre fromme Lüge rührte mich. Und plötzlich überfiel
mich die Angſt, die Mutter könnte jemals, durch einen
unſeligen Zufall, aus Bennos Weſen erraten, was ich
dieſen glauben ließ.
Darauf durfte ich es nicht ankommen laſſen, dieſer
Möglichkeit mußte ich vorbeugen.
Und ich glitt aus dem Bett und ſchlich mich zu ihr
hin. Ich taſtete nach dem lieben Kopf im Nachthäubchen.
„Mama!“ flüſterte ich, „gieb mir noch einen Kuß.“
„Ja, mein Herzenskind. Weine nur nicht mehr.
Ich kann's nicht ertragen.“
„Nein, Mama. Aber höre, was ich dir ſagen will.
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Zitationshilfe: | Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/180>, abgerufen am 14.06.2024. |