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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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der ältesten ursprünglichen Form mit mehr oder minder veränder-
ter logischer Bedeutung wieder auf- und angenommen. Darum
tritt aber auch ganz besonders das historisch Gegebene und in den
verschiedenen Phasen historisch Gebildete in Sprache und Gram-
matik des Gaunerthums sehr farbig hervor, ohne daß die Gauner-
sprache sonst wesentlich von der Grammatik der "Sprache der Bil-
dung" abwiche, deren geschichtliche Ausbildung sie im genauesten
Anschluß durch alle Stadien mit durchlebt hat. Die specifische
Gaunersprachgrammatik beschränkt sich daher auch nur auf die
Darstellung und Erläuterung des vom Gaunerthum statuirten und
aus dem ihm zu Gebote stehenden großen bunten Sprachstoff mit
geistvoller und schlauer Wahl zusammengelesenen Wortvorraths
und auf die Erklärung der den einzelnen Wörtern in diesem Vor-
rath willkürlich beigelegten logischen Bedeutung. Bei dem tiefen
Geheimniß des mit der größten Eigenthümlichkeit, Kunst und
Berechnung vom Gaunerthum zusammengetragenen Sprachstoffs
und bei dem historisch nachgewiesenen argen Mangel an juristischer
und polizeilicher Aufmerksamkeit auf das Gaunerthum darf es nicht
befremden, daß die Gaunersprache niemals gründlich bearbeitet
wurde, obschon hier und da fleißige Theologen bei ihrer Seelsorge
in den untern Schichten des Volks gelegentliche Notiz nahmen
von den vereinzelt hervortretenden Typen der Gaunersprache. Selbst
als im Dreißigjährigen Kriege der gewaltige Andrang des in
kolossalen Räubergruppen repräsentirten Gaunerthums das social-
politische Leben mit seiner rechtlichen und sittlichen Sicherheit auf
das äußerste gefährdete, vermochte die gewaltsam gegen das Gau-
nerthum aufgerufene, unfertig und ungerüstet dem Feinde gegen-
über tretende Landespolizei so wenig die Sprache wie das Wesen
des Gaunerthums aufzufassen, daß eine wenn auch nur leidliche
Erkennung und grammatische Bearbeitung der Gaunersprache mög-
lich gewesen wäre. Dennoch läßt sich die fortlaufende Spur einer
Gaunersprachgeschichte verfolgen. Freilich muß man bei der Be-
achtung der immer nur gelegentlich und vereinzelt zum Vorschein
gekommenen gaunersprachlichen Erscheinungen wie von einer Klippe
zur andern springen, deren Fuß stets von der Brandung des rast-

der älteſten urſprünglichen Form mit mehr oder minder veränder-
ter logiſcher Bedeutung wieder auf- und angenommen. Darum
tritt aber auch ganz beſonders das hiſtoriſch Gegebene und in den
verſchiedenen Phaſen hiſtoriſch Gebildete in Sprache und Gram-
matik des Gaunerthums ſehr farbig hervor, ohne daß die Gauner-
ſprache ſonſt weſentlich von der Grammatik der „Sprache der Bil-
dung“ abwiche, deren geſchichtliche Ausbildung ſie im genaueſten
Anſchluß durch alle Stadien mit durchlebt hat. Die ſpecifiſche
Gaunerſprachgrammatik beſchränkt ſich daher auch nur auf die
Darſtellung und Erläuterung des vom Gaunerthum ſtatuirten und
aus dem ihm zu Gebote ſtehenden großen bunten Sprachſtoff mit
geiſtvoller und ſchlauer Wahl zuſammengeleſenen Wortvorraths
und auf die Erklärung der den einzelnen Wörtern in dieſem Vor-
rath willkürlich beigelegten logiſchen Bedeutung. Bei dem tiefen
Geheimniß des mit der größten Eigenthümlichkeit, Kunſt und
Berechnung vom Gaunerthum zuſammengetragenen Sprachſtoffs
und bei dem hiſtoriſch nachgewieſenen argen Mangel an juriſtiſcher
und polizeilicher Aufmerkſamkeit auf das Gaunerthum darf es nicht
befremden, daß die Gaunerſprache niemals gründlich bearbeitet
wurde, obſchon hier und da fleißige Theologen bei ihrer Seelſorge
in den untern Schichten des Volks gelegentliche Notiz nahmen
von den vereinzelt hervortretenden Typen der Gaunerſprache. Selbſt
als im Dreißigjährigen Kriege der gewaltige Andrang des in
koloſſalen Räubergruppen repräſentirten Gaunerthums das ſocial-
politiſche Leben mit ſeiner rechtlichen und ſittlichen Sicherheit auf
das äußerſte gefährdete, vermochte die gewaltſam gegen das Gau-
nerthum aufgerufene, unfertig und ungerüſtet dem Feinde gegen-
über tretende Landespolizei ſo wenig die Sprache wie das Weſen
des Gaunerthums aufzufaſſen, daß eine wenn auch nur leidliche
Erkennung und grammatiſche Bearbeitung der Gaunerſprache mög-
lich geweſen wäre. Dennoch läßt ſich die fortlaufende Spur einer
Gaunerſprachgeſchichte verfolgen. Freilich muß man bei der Be-
achtung der immer nur gelegentlich und vereinzelt zum Vorſchein
gekommenen gaunerſprachlichen Erſcheinungen wie von einer Klippe
zur andern ſpringen, deren Fuß ſtets von der Brandung des raſt-

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[48/0060] der älteſten urſprünglichen Form mit mehr oder minder veränder- ter logiſcher Bedeutung wieder auf- und angenommen. Darum tritt aber auch ganz beſonders das hiſtoriſch Gegebene und in den verſchiedenen Phaſen hiſtoriſch Gebildete in Sprache und Gram- matik des Gaunerthums ſehr farbig hervor, ohne daß die Gauner- ſprache ſonſt weſentlich von der Grammatik der „Sprache der Bil- dung“ abwiche, deren geſchichtliche Ausbildung ſie im genaueſten Anſchluß durch alle Stadien mit durchlebt hat. Die ſpecifiſche Gaunerſprachgrammatik beſchränkt ſich daher auch nur auf die Darſtellung und Erläuterung des vom Gaunerthum ſtatuirten und aus dem ihm zu Gebote ſtehenden großen bunten Sprachſtoff mit geiſtvoller und ſchlauer Wahl zuſammengeleſenen Wortvorraths und auf die Erklärung der den einzelnen Wörtern in dieſem Vor- rath willkürlich beigelegten logiſchen Bedeutung. Bei dem tiefen Geheimniß des mit der größten Eigenthümlichkeit, Kunſt und Berechnung vom Gaunerthum zuſammengetragenen Sprachſtoffs und bei dem hiſtoriſch nachgewieſenen argen Mangel an juriſtiſcher und polizeilicher Aufmerkſamkeit auf das Gaunerthum darf es nicht befremden, daß die Gaunerſprache niemals gründlich bearbeitet wurde, obſchon hier und da fleißige Theologen bei ihrer Seelſorge in den untern Schichten des Volks gelegentliche Notiz nahmen von den vereinzelt hervortretenden Typen der Gaunerſprache. Selbſt als im Dreißigjährigen Kriege der gewaltige Andrang des in koloſſalen Räubergruppen repräſentirten Gaunerthums das ſocial- politiſche Leben mit ſeiner rechtlichen und ſittlichen Sicherheit auf das äußerſte gefährdete, vermochte die gewaltſam gegen das Gau- nerthum aufgerufene, unfertig und ungerüſtet dem Feinde gegen- über tretende Landespolizei ſo wenig die Sprache wie das Weſen des Gaunerthums aufzufaſſen, daß eine wenn auch nur leidliche Erkennung und grammatiſche Bearbeitung der Gaunerſprache mög- lich geweſen wäre. Dennoch läßt ſich die fortlaufende Spur einer Gaunerſprachgeſchichte verfolgen. Freilich muß man bei der Be- achtung der immer nur gelegentlich und vereinzelt zum Vorſchein gekommenen gaunerſprachlichen Erſcheinungen wie von einer Klippe zur andern ſpringen, deren Fuß ſtets von der Brandung des raſt-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/60>, abgerufen am 01.11.2024.