kommt es uns nur darauf an, die Weise, wie sich beide abgrenzen, kennen zu lernen.
Der Keim liegt, wie wir wissen, ursprünglich oben auf dem Dotter ink. Umbil- dung der Keimhaut in den Dotter- sack, Sac- cus vitella- rius. Taf. IV. Fig. 4. Fig. 5. Form einer Platte. Würde er nun, überdeckt von der Dotterhaut, ganz gleich- mässig fortwachsen, so würde er bald den Dotter in Form eines gleichmässigen Sackes umhüllen. So ist aber die Vergrösserung des gesammten Keimes nicht. Vielmehr wird die Grenze zwischen der Mitte, die zum Embryo sich umformt, und dem Umfange, der Keimhaut nämlich, immer enger. Die Folge davon ist, dass bald, und zwar schon am 4ten Tage, nur eine enge Communication zwischen dem Embryo und dem unter ihm liegenden Sacke der Keimhaut besteht. Weil dieser Sack den Dotter bald ganz umschliesst, wird er der Dottersack (Saccus vitellarius) *) genannt. Die Dotterhaut umschliesst also jetzt, bevor sie schwindet, den Dottersack, der durch die aufgenommene Flüssigkeit noch grö- sser ist, als ursprünglich die Dotterkugel war, ferner den sehr viel kleinern Em- bryo mit dem sogleich zu beschreibenden Amnion und dem Harnsacke. Sie kön- nen sich diesen sehr einfachen Vorgang am besten versinnlichen, wenn Sie sich denken, vor Ihnen stünde die ursprüngliche Dotterkugel etwa tausendfach ver- grössert, mithin als ein ziemlich ansehnlicher Sack, und Sie schnürten nun entwe- der durch Umfassen mit der Hand oder mit einem Bindfaden einen kleinen Theil des Sackes von dem übrigen viel grössern ab, jedoch nur so weit, dass die Höh- lung beider Abschnitte noch durch eine Oeffnung mit einander verbunden blieben. Die grössere Abtheilung (b in der Abbildung) würde dann den Dottersack vor- stellen, die kleinere (a) den Embryo, und der offene Kanal (c) aus einer Ab- theilung in die andere wäre der Nabel.
Diese bildliche Darstellung würde in der That die richtigste Vorstellung nicht nur von dem Verhältnisse des Embryo zum Dottersacke geben, sondern auch eben so einfach als wahr zeigen, wie sich das Verhältniss ausbildet. Gerade so wird in der Mitte des Keimes eine längliche Stelle zuvörderst gewölbter und da- durch von dem übrigen Keime abgegrenzt. Dann krümmt sich der Rand dieser Stelle nach unten und das ganze abgegrenzte Feld erhebt sich in Form eines Schildes. Während nun innerhalb dieses Schildes eine Menge anderer Verände- rungen erfolgen, um den Embryo zu gestalten, die wir später ins Auge fassen werden, neigt sich der Rand immer mehr nach unten und er verengt sich, bis er schon am 4ten Tage nur noch einen länglichen Uebergang aus dem Embryo in den Dottersack frei lässt. Es ist also der Vorgang ganz so, wie wir ihn am Sacke
*) Auch Dotterblase; Darmsack; Darmblase; Vesicula intestinalis; Vesica vitellaria.
kommt es uns nur darauf an, die Weise, wie sich beide abgrenzen, kennen zu lernen.
Der Keim liegt, wie wir wissen, ursprünglich oben auf dem Dotter ink. Umbil- dung der Keimhaut in den Dotter- sack, Sac- cus vitella- rius. Taf. IV. Fig. 4. Fig. 5. Form einer Platte. Würde er nun, überdeckt von der Dotterhaut, ganz gleich- mäſsig fortwachsen, so würde er bald den Dotter in Form eines gleichmäſsigen Sackes umhüllen. So ist aber die Vergröſserung des gesammten Keimes nicht. Vielmehr wird die Grenze zwischen der Mitte, die zum Embryo sich umformt, und dem Umfange, der Keimhaut nämlich, immer enger. Die Folge davon ist, daſs bald, und zwar schon am 4ten Tage, nur eine enge Communication zwischen dem Embryo und dem unter ihm liegenden Sacke der Keimhaut besteht. Weil dieser Sack den Dotter bald ganz umschlieſst, wird er der Dottersack (Saccus vitellarius) *) genannt. Die Dotterhaut umschlieſst also jetzt, bevor sie schwindet, den Dottersack, der durch die aufgenommene Flüssigkeit noch grö- ſser ist, als ursprünglich die Dotterkugel war, ferner den sehr viel kleinern Em- bryo mit dem sogleich zu beschreibenden Amnion und dem Harnsacke. Sie kön- nen sich diesen sehr einfachen Vorgang am besten versinnlichen, wenn Sie sich denken, vor Ihnen stünde die ursprüngliche Dotterkugel etwa tausendfach ver- gröſsert, mithin als ein ziemlich ansehnlicher Sack, und Sie schnürten nun entwe- der durch Umfassen mit der Hand oder mit einem Bindfaden einen kleinen Theil des Sackes von dem übrigen viel gröſsern ab, jedoch nur so weit, daſs die Höh- lung beider Abschnitte noch durch eine Oeffnung mit einander verbunden blieben. Die gröſsere Abtheilung (b in der Abbildung) würde dann den Dottersack vor- stellen, die kleinere (a) den Embryo, und der offene Kanal (c) aus einer Ab- theilung in die andere wäre der Nabel.
Diese bildliche Darstellung würde in der That die richtigste Vorstellung nicht nur von dem Verhältnisse des Embryo zum Dottersacke geben, sondern auch eben so einfach als wahr zeigen, wie sich das Verhältniſs ausbildet. Gerade so wird in der Mitte des Keimes eine längliche Stelle zuvörderst gewölbter und da- durch von dem übrigen Keime abgegrenzt. Dann krümmt sich der Rand dieser Stelle nach unten und das ganze abgegrenzte Feld erhebt sich in Form eines Schildes. Während nun innerhalb dieses Schildes eine Menge anderer Verände- rungen erfolgen, um den Embryo zu gestalten, die wir später ins Auge fassen werden, neigt sich der Rand immer mehr nach unten und er verengt sich, bis er schon am 4ten Tage nur noch einen länglichen Uebergang aus dem Embryo in den Dottersack frei läſst. Es ist also der Vorgang ganz so, wie wir ihn am Sacke
*) Auch Dotterblase; Darmsack; Darmblase; Vesicula intestinalis; Vesica vitellaria.
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[45/0055]
kommt es uns nur darauf an, die Weise, wie sich beide abgrenzen, kennen zu
lernen.
Der Keim liegt, wie wir wissen, ursprünglich oben auf dem Dotter in
Form einer Platte. Würde er nun, überdeckt von der Dotterhaut, ganz gleich-
mäſsig fortwachsen, so würde er bald den Dotter in Form eines gleichmäſsigen
Sackes umhüllen. So ist aber die Vergröſserung des gesammten Keimes nicht.
Vielmehr wird die Grenze zwischen der Mitte, die zum Embryo sich umformt,
und dem Umfange, der Keimhaut nämlich, immer enger. Die Folge davon ist,
daſs bald, und zwar schon am 4ten Tage, nur eine enge Communication zwischen
dem Embryo und dem unter ihm liegenden Sacke der Keimhaut besteht. Weil
dieser Sack den Dotter bald ganz umschlieſst, wird er der Dottersack (Saccus
vitellarius) *) genannt. Die Dotterhaut umschlieſst also jetzt, bevor sie
schwindet, den Dottersack, der durch die aufgenommene Flüssigkeit noch grö-
ſser ist, als ursprünglich die Dotterkugel war, ferner den sehr viel kleinern Em-
bryo mit dem sogleich zu beschreibenden Amnion und dem Harnsacke. Sie kön-
nen sich diesen sehr einfachen Vorgang am besten versinnlichen, wenn Sie sich
denken, vor Ihnen stünde die ursprüngliche Dotterkugel etwa tausendfach ver-
gröſsert, mithin als ein ziemlich ansehnlicher Sack, und Sie schnürten nun entwe-
der durch Umfassen mit der Hand oder mit einem Bindfaden einen kleinen Theil
des Sackes von dem übrigen viel gröſsern ab, jedoch nur so weit, daſs die Höh-
lung beider Abschnitte noch durch eine Oeffnung mit einander verbunden blieben.
Die gröſsere Abtheilung (b in der Abbildung) würde dann den Dottersack vor-
stellen, die kleinere (a) den Embryo, und der offene Kanal (c) aus einer Ab-
theilung in die andere wäre der Nabel.
k. Umbil-
dung der
Keimhaut in
den Dotter-
sack, Sac-
cus vitella-
rius. Taf. IV.
Fig. 4. Fig. 5.
Diese bildliche Darstellung würde in der That die richtigste Vorstellung
nicht nur von dem Verhältnisse des Embryo zum Dottersacke geben, sondern
auch eben so einfach als wahr zeigen, wie sich das Verhältniſs ausbildet. Gerade
so wird in der Mitte des Keimes eine längliche Stelle zuvörderst gewölbter und da-
durch von dem übrigen Keime abgegrenzt. Dann krümmt sich der Rand dieser
Stelle nach unten und das ganze abgegrenzte Feld erhebt sich in Form eines
Schildes. Während nun innerhalb dieses Schildes eine Menge anderer Verände-
rungen erfolgen, um den Embryo zu gestalten, die wir später ins Auge fassen
werden, neigt sich der Rand immer mehr nach unten und er verengt sich, bis er
schon am 4ten Tage nur noch einen länglichen Uebergang aus dem Embryo in
den Dottersack frei läſst. Es ist also der Vorgang ganz so, wie wir ihn am Sacke
*) Auch Dotterblase; Darmsack; Darmblase; Vesicula intestinalis; Vesica vitellaria.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/55>, abgerufen am 15.06.2024.
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