Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
So misslangen die Versuche, die man 1865 in Oberschlesien damit anstellte, gänzlich. Viele verwarfen deshalb diese Methode. Professor A. Lielegg1) liess sich aber durch die ersten Misserfolge nicht abschrecken und studierte die sehr komplizierten Erscheinungen des Spektrums der Bessemerflamme mit der grössten Ausdauer. Schon 1865 wies er auf bestimmte Liniengruppen, die in der Kochperiode im Spektrum sichtbar werden, bei dem Eintritt in die Frischperiode an Glanz und Deutlichkeit zunahmen und gegen das Ende derselben abnahmen. Er sprach die Ansicht aus, dass diese Linien von Kohlen- oxydgas herrührten und dass die Beobachtung derselben brauchbare Anhaltspunkte zur Beurteilung des Bessemerprozesses geben werde. Lielegg hatte seine Versuche auf dem Bessemerwerk zu Graz an- gestellt, wo denn auch bald darauf die Beobachtung mit dem Spektrum mit Erfolg angewendet wurde; dasselbe geschah zu Ternitz in Nieder- österreich und auf der Maximilianhütte in Bayern, während die Erfolge in Neuberg und zu Hörde unbefriedigend blieben. In England machte Watt2) ähnliche vergleichende Versuche. Watt und Lielegg setzten dabei bestimmt voraus, dass die betreffenden Liniengruppen von der Verbrennung des Kohlenstoffs herrührten, und sie wollten die Ab- weichungen von dem reinen Kohlenoxydgasspektrum durch die abweichenden Bedingungen der Entstehung des Kohlenoxydgases erklären. Brunner in Neuberg wies aber 1868 darauf hin, dass diese Linien weit eher dem Mangan und Eisen als dem Kohlenstoff zuzuschreiben seien. Dies gab eine neue Anregung zur Untersuchung und Hasenöhrl zu Königshütte, Dr. Wiechmann und v. Lichtenfels in Neuberg fanden 1869 Brunners Vermutung bestätigt.
Im Jahre 1868 erregte ein Verfahren des Amerikaners John Francis Bennett von Pittsburg die Aufmerksamkeit der Metallurgen, das darin bestand, mittels Durchleitens von Kohlensäure beim Bessemer- prozess Schwefel und Phosphor zu entfernen. Bennett hatte schon 1867 in Amerika ein Patent erworben und nahm am 12. August 1867 und am 7. Januar 1867 zwei Patente in England durch Ch. D. Abel. In dem letzteren beschreibt er sein Verfahren folgendermassen: Erst wird Luft durch das geschmolzene Roheisen im Konverter geblasen, bis der Kohlenstoff grösstenteils abgeschieden ist, dann bläst man eine halbe Minute oder kürzer Kohlensäure durch die Masse und hierauf bläst man zum Schluss nochmals etwa 15 Minuten Luft hin-
1) Siehe Berichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867 und 1868.
2) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 64.
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
So miſslangen die Versuche, die man 1865 in Oberschlesien damit anstellte, gänzlich. Viele verwarfen deshalb diese Methode. Professor A. Lielegg1) lieſs sich aber durch die ersten Miſserfolge nicht abschrecken und studierte die sehr komplizierten Erscheinungen des Spektrums der Bessemerflamme mit der gröſsten Ausdauer. Schon 1865 wies er auf bestimmte Liniengruppen, die in der Kochperiode im Spektrum sichtbar werden, bei dem Eintritt in die Frischperiode an Glanz und Deutlichkeit zunahmen und gegen das Ende derselben abnahmen. Er sprach die Ansicht aus, daſs diese Linien von Kohlen- oxydgas herrührten und daſs die Beobachtung derselben brauchbare Anhaltspunkte zur Beurteilung des Bessemerprozesses geben werde. Lielegg hatte seine Versuche auf dem Bessemerwerk zu Graz an- gestellt, wo denn auch bald darauf die Beobachtung mit dem Spektrum mit Erfolg angewendet wurde; dasselbe geschah zu Ternitz in Nieder- österreich und auf der Maximilianhütte in Bayern, während die Erfolge in Neuberg und zu Hörde unbefriedigend blieben. In England machte Watt2) ähnliche vergleichende Versuche. Watt und Lielegg setzten dabei bestimmt voraus, daſs die betreffenden Liniengruppen von der Verbrennung des Kohlenstoffs herrührten, und sie wollten die Ab- weichungen von dem reinen Kohlenoxydgasspektrum durch die abweichenden Bedingungen der Entstehung des Kohlenoxydgases erklären. Brunner in Neuberg wies aber 1868 darauf hin, daſs diese Linien weit eher dem Mangan und Eisen als dem Kohlenstoff zuzuschreiben seien. Dies gab eine neue Anregung zur Untersuchung und Hasenöhrl zu Königshütte, Dr. Wiechmann und v. Lichtenfels in Neuberg fanden 1869 Brunners Vermutung bestätigt.
Im Jahre 1868 erregte ein Verfahren des Amerikaners John Francis Bennett von Pittsburg die Aufmerksamkeit der Metallurgen, das darin bestand, mittels Durchleitens von Kohlensäure beim Bessemer- prozeſs Schwefel und Phosphor zu entfernen. Bennett hatte schon 1867 in Amerika ein Patent erworben und nahm am 12. August 1867 und am 7. Januar 1867 zwei Patente in England durch Ch. D. Abel. In dem letzteren beschreibt er sein Verfahren folgendermaſsen: Erst wird Luft durch das geschmolzene Roheisen im Konverter geblasen, bis der Kohlenstoff gröſstenteils abgeschieden ist, dann bläst man eine halbe Minute oder kürzer Kohlensäure durch die Masse und hierauf bläst man zum Schluſs nochmals etwa 15 Minuten Luft hin-
1) Siehe Berichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867 und 1868.
2) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 64.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0181"n="165"/><fwplace="top"type="header">Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.</fw><lb/><p>So miſslangen die Versuche, die man 1865 in Oberschlesien damit<lb/>
anstellte, gänzlich. Viele verwarfen deshalb diese Methode. Professor<lb/>
A. <hirendition="#g">Lielegg</hi><noteplace="foot"n="1)">Siehe Berichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867<lb/>
und 1868.</note> lieſs sich aber durch die ersten Miſserfolge nicht<lb/>
abschrecken und studierte die sehr komplizierten Erscheinungen des<lb/>
Spektrums der Bessemerflamme mit der gröſsten Ausdauer. Schon<lb/>
1865 wies er auf bestimmte Liniengruppen, die in der Kochperiode im<lb/>
Spektrum sichtbar werden, bei dem Eintritt in die Frischperiode<lb/>
an Glanz und Deutlichkeit zunahmen und gegen das Ende derselben<lb/>
abnahmen. Er sprach die Ansicht aus, daſs diese Linien von Kohlen-<lb/>
oxydgas herrührten und daſs die Beobachtung derselben brauchbare<lb/>
Anhaltspunkte zur Beurteilung des Bessemerprozesses geben werde.<lb/><hirendition="#g">Lielegg</hi> hatte seine Versuche auf dem Bessemerwerk zu Graz an-<lb/>
gestellt, wo denn auch bald darauf die Beobachtung mit dem Spektrum<lb/>
mit Erfolg angewendet wurde; dasselbe geschah zu Ternitz in Nieder-<lb/>
österreich und auf der Maximilianhütte in Bayern, während die Erfolge<lb/>
in Neuberg und zu Hörde unbefriedigend blieben. In England machte<lb/><hirendition="#g">Watt</hi><noteplace="foot"n="2)">Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 64.</note> ähnliche vergleichende Versuche. <hirendition="#g">Watt</hi> und <hirendition="#g">Lielegg</hi> setzten<lb/>
dabei bestimmt voraus, daſs die betreffenden Liniengruppen von der<lb/>
Verbrennung des Kohlenstoffs herrührten, und sie wollten die Ab-<lb/>
weichungen von dem reinen Kohlenoxydgasspektrum durch die<lb/>
abweichenden Bedingungen der Entstehung des Kohlenoxydgases<lb/>
erklären. <hirendition="#g">Brunner</hi> in Neuberg wies aber 1868 darauf hin, daſs<lb/>
diese Linien weit eher dem Mangan und Eisen als dem Kohlenstoff<lb/>
zuzuschreiben seien. Dies gab eine neue Anregung zur Untersuchung<lb/>
und <hirendition="#g">Hasenöhrl</hi> zu Königshütte, Dr. <hirendition="#g">Wiechmann</hi> und v. <hirendition="#g">Lichtenfels</hi><lb/>
in Neuberg fanden 1869 <hirendition="#g">Brunners</hi> Vermutung bestätigt.</p><lb/><p>Im Jahre 1868 erregte ein Verfahren des Amerikaners <hirendition="#g">John<lb/>
Francis Bennett</hi> von Pittsburg die Aufmerksamkeit der Metallurgen,<lb/>
das darin bestand, mittels Durchleitens von Kohlensäure beim Bessemer-<lb/>
prozeſs Schwefel und Phosphor zu entfernen. <hirendition="#g">Bennett</hi> hatte schon<lb/>
1867 in Amerika ein Patent erworben und nahm am 12. August 1867<lb/>
und am 7. Januar 1867 zwei Patente in England durch Ch. D. <hirendition="#g">Abel</hi>.<lb/>
In dem letzteren beschreibt er sein Verfahren folgendermaſsen: Erst<lb/>
wird Luft durch das geschmolzene Roheisen im Konverter geblasen,<lb/>
bis der Kohlenstoff gröſstenteils abgeschieden ist, dann bläst man<lb/>
eine halbe Minute oder kürzer Kohlensäure durch die Masse und<lb/>
hierauf bläst man zum Schluſs nochmals etwa 15 Minuten Luft hin-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[165/0181]
Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
So miſslangen die Versuche, die man 1865 in Oberschlesien damit
anstellte, gänzlich. Viele verwarfen deshalb diese Methode. Professor
A. Lielegg 1) lieſs sich aber durch die ersten Miſserfolge nicht
abschrecken und studierte die sehr komplizierten Erscheinungen des
Spektrums der Bessemerflamme mit der gröſsten Ausdauer. Schon
1865 wies er auf bestimmte Liniengruppen, die in der Kochperiode im
Spektrum sichtbar werden, bei dem Eintritt in die Frischperiode
an Glanz und Deutlichkeit zunahmen und gegen das Ende derselben
abnahmen. Er sprach die Ansicht aus, daſs diese Linien von Kohlen-
oxydgas herrührten und daſs die Beobachtung derselben brauchbare
Anhaltspunkte zur Beurteilung des Bessemerprozesses geben werde.
Lielegg hatte seine Versuche auf dem Bessemerwerk zu Graz an-
gestellt, wo denn auch bald darauf die Beobachtung mit dem Spektrum
mit Erfolg angewendet wurde; dasselbe geschah zu Ternitz in Nieder-
österreich und auf der Maximilianhütte in Bayern, während die Erfolge
in Neuberg und zu Hörde unbefriedigend blieben. In England machte
Watt 2) ähnliche vergleichende Versuche. Watt und Lielegg setzten
dabei bestimmt voraus, daſs die betreffenden Liniengruppen von der
Verbrennung des Kohlenstoffs herrührten, und sie wollten die Ab-
weichungen von dem reinen Kohlenoxydgasspektrum durch die
abweichenden Bedingungen der Entstehung des Kohlenoxydgases
erklären. Brunner in Neuberg wies aber 1868 darauf hin, daſs
diese Linien weit eher dem Mangan und Eisen als dem Kohlenstoff
zuzuschreiben seien. Dies gab eine neue Anregung zur Untersuchung
und Hasenöhrl zu Königshütte, Dr. Wiechmann und v. Lichtenfels
in Neuberg fanden 1869 Brunners Vermutung bestätigt.
Im Jahre 1868 erregte ein Verfahren des Amerikaners John
Francis Bennett von Pittsburg die Aufmerksamkeit der Metallurgen,
das darin bestand, mittels Durchleitens von Kohlensäure beim Bessemer-
prozeſs Schwefel und Phosphor zu entfernen. Bennett hatte schon
1867 in Amerika ein Patent erworben und nahm am 12. August 1867
und am 7. Januar 1867 zwei Patente in England durch Ch. D. Abel.
In dem letzteren beschreibt er sein Verfahren folgendermaſsen: Erst
wird Luft durch das geschmolzene Roheisen im Konverter geblasen,
bis der Kohlenstoff gröſstenteils abgeschieden ist, dann bläst man
eine halbe Minute oder kürzer Kohlensäure durch die Masse und
hierauf bläst man zum Schluſs nochmals etwa 15 Minuten Luft hin-
1) Siehe Berichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867
und 1868.
2) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 64.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/181>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.