Cailletet machte um diese Zeit die interessante Beobachtung, dass Schmiedeeisen Kohlenstoff aufnimmt, wenn es in Berührung mit Roheisen in geschlossenen Gefässen geglüht wird; hier findet also die Bildung von Cementstahl und Glühstahl gleichzeitig statt.
Für den günstigen Einfluss des Wolframs trat Caron 1864 ein.
1867 wendete man bereits mehr Puddelstahl als Cementstahl in der Tiegelgussstahlfabrikation an. Victor Gallet packte (1867) zer- schnittene Luppenstäbe in ein Gemisch von Kalk, Thon, Pottasche, Manganoxyd, Harz und Russ und schmolz die Masse in Tiegeln.
Bury & Co. in Sheffield hatten in der Pariser Weltausstellung 1867 Stahlwerkzeuge ausgestellt, die in der Weise hergestellt waren, dass in Tiegeln geschmolzenes flüssiges Eisen oder weicher Stahl in Formen der betreffenden Werkzeuge gegossen und diesen dann durch Cementation eine Oberflächenhärtung gegeben wurde.
In der italienischen Abteilung war 1867 unter dem Namen Glisentis-Gussstahl ein Produkt ausgestellt, das durch Zusammen- schmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt war. In Er- mangelung von Spiegeleisen schmolz man erst reines Roheisen mit einem Zusatz von 5 Prozent Mangan im Tiegel. Glisentis-Gussstahl fand besonders für Revolver Verwendung.
v. Mayr in Leoben hatte "Manganstahl" ausgestellt. Die Dar- stellung von Wolframstahl hatte er aufgegeben, weil derselbe sich angeblich im Feuer schlecht bewährte.
Die Schmelztiegel spielen eine wichtige Rolle bei der Gussstahl- bereitung, indem der Verschleiss derselben nach den Berechnungen von Gruner und Lan1) durchschnittlich mehr als ein Viertel der Erzeugungskosten (21 bis 36 Prozent) des Gussstahls ausmacht. Über die übliche Gestalt und die Masse der Tiegel verweisen wir auf Wedding-Percy (Bd. III, S. 160 etc.). In der Regel wurden die Tiegel mit der Hand geformt mittels Nonne und Mönch, doch fing man in jener Zeit bereits an, Maschinen zum Tiegelformen zu ver- wenden. Die älteste dieser Tiegelpressen war von Malmedie1); bei ihr wurde der Presskolben wie bei einer gewöhnlichen Münzpresse mittels einer Schraube bewegt.
Eine vollkommenere Maschine dieser Art, bei welcher der Press- kolben mit dem Kolben eines Dampfcylinders verbunden war, hat
1) Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
1) Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Cailletet machte um diese Zeit die interessante Beobachtung, daſs Schmiedeeisen Kohlenstoff aufnimmt, wenn es in Berührung mit Roheisen in geschlossenen Gefäſsen geglüht wird; hier findet also die Bildung von Cementstahl und Glühstahl gleichzeitig statt.
Für den günstigen Einfluſs des Wolframs trat Caron 1864 ein.
1867 wendete man bereits mehr Puddelstahl als Cementstahl in der Tiegelguſsstahlfabrikation an. Victor Gallet packte (1867) zer- schnittene Luppenstäbe in ein Gemisch von Kalk, Thon, Pottasche, Manganoxyd, Harz und Ruſs und schmolz die Masse in Tiegeln.
Bury & Co. in Sheffield hatten in der Pariser Weltausstellung 1867 Stahlwerkzeuge ausgestellt, die in der Weise hergestellt waren, daſs in Tiegeln geschmolzenes flüssiges Eisen oder weicher Stahl in Formen der betreffenden Werkzeuge gegossen und diesen dann durch Cementation eine Oberflächenhärtung gegeben wurde.
In der italienischen Abteilung war 1867 unter dem Namen Glisentis-Guſsstahl ein Produkt ausgestellt, das durch Zusammen- schmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt war. In Er- mangelung von Spiegeleisen schmolz man erst reines Roheisen mit einem Zusatz von 5 Prozent Mangan im Tiegel. Glisentis-Guſsstahl fand besonders für Revolver Verwendung.
v. Mayr in Leoben hatte „Manganstahl“ ausgestellt. Die Dar- stellung von Wolframstahl hatte er aufgegeben, weil derselbe sich angeblich im Feuer schlecht bewährte.
Die Schmelztiegel spielen eine wichtige Rolle bei der Guſsstahl- bereitung, indem der Verschleiſs derselben nach den Berechnungen von Gruner und Lan1) durchschnittlich mehr als ein Viertel der Erzeugungskosten (21 bis 36 Prozent) des Guſsstahls ausmacht. Über die übliche Gestalt und die Masse der Tiegel verweisen wir auf Wedding-Percy (Bd. III, S. 160 etc.). In der Regel wurden die Tiegel mit der Hand geformt mittels Nonne und Mönch, doch fing man in jener Zeit bereits an, Maschinen zum Tiegelformen zu ver- wenden. Die älteste dieser Tiegelpressen war von Malmedie1); bei ihr wurde der Preſskolben wie bei einer gewöhnlichen Münzpresse mittels einer Schraube bewegt.
Eine vollkommenere Maschine dieser Art, bei welcher der Preſs- kolben mit dem Kolben eines Dampfcylinders verbunden war, hat
1) Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
1) Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0203"n="187"/><fwplace="top"type="header">Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.</fw><lb/><p><hirendition="#g">Cailletet</hi> machte um diese Zeit die interessante Beobachtung,<lb/>
daſs Schmiedeeisen Kohlenstoff aufnimmt, wenn es in Berührung<lb/>
mit Roheisen in geschlossenen Gefäſsen geglüht wird; hier findet<lb/>
also die Bildung von Cementstahl und Glühstahl gleichzeitig statt.</p><lb/><p>Für den günstigen Einfluſs des Wolframs trat <hirendition="#g">Caron</hi> 1864 ein.</p><lb/><p>1867 wendete man bereits mehr Puddelstahl als Cementstahl in<lb/>
der Tiegelguſsstahlfabrikation an. <hirendition="#g">Victor Gallet</hi> packte (1867) zer-<lb/>
schnittene Luppenstäbe in ein Gemisch von Kalk, Thon, Pottasche,<lb/>
Manganoxyd, Harz und Ruſs und schmolz die Masse in Tiegeln.</p><lb/><p><hirendition="#g">Bury & Co</hi>. in Sheffield hatten in der Pariser Weltausstellung<lb/>
1867 Stahlwerkzeuge ausgestellt, die in der Weise hergestellt waren,<lb/>
daſs in Tiegeln geschmolzenes flüssiges Eisen oder weicher Stahl in<lb/>
Formen der betreffenden Werkzeuge gegossen und diesen dann durch<lb/>
Cementation eine Oberflächenhärtung gegeben wurde.</p><lb/><p>In der italienischen Abteilung war 1867 unter dem Namen<lb/><hirendition="#g">Glisentis</hi>-Guſsstahl ein Produkt ausgestellt, das durch Zusammen-<lb/>
schmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt war. In Er-<lb/>
mangelung von Spiegeleisen schmolz man erst reines Roheisen mit<lb/>
einem Zusatz von 5 Prozent Mangan im Tiegel. <hirendition="#g">Glisentis</hi>-Guſsstahl<lb/>
fand besonders für Revolver Verwendung.</p><lb/><p>v. <hirendition="#g">Mayr</hi> in Leoben hatte „Manganstahl“ ausgestellt. Die Dar-<lb/>
stellung von Wolframstahl hatte er aufgegeben, weil derselbe sich<lb/>
angeblich im Feuer schlecht bewährte.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Schmelztiegel</hi> spielen eine wichtige Rolle bei der Guſsstahl-<lb/>
bereitung, indem der Verschleiſs derselben nach den Berechnungen<lb/>
von <hirendition="#g">Gruner</hi> und <hirendition="#g">Lan</hi><noteplace="foot"n="1)">Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.</note> durchschnittlich mehr als ein Viertel der<lb/>
Erzeugungskosten (21 bis 36 Prozent) des Guſsstahls ausmacht. Über<lb/>
die übliche Gestalt und die Masse der Tiegel verweisen wir auf<lb/><hirendition="#g">Wedding-Percy</hi> (Bd. III, S. 160 etc.). In der Regel wurden die<lb/>
Tiegel mit der Hand geformt mittels Nonne und Mönch, doch fing<lb/>
man in jener Zeit bereits an, Maschinen zum Tiegelformen zu ver-<lb/>
wenden. Die älteste dieser Tiegelpressen war von <hirendition="#g">Malmedie</hi><noteplace="foot"n="1)">Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.</note>; bei<lb/>
ihr wurde der Preſskolben wie bei einer gewöhnlichen Münzpresse<lb/>
mittels einer Schraube bewegt.</p><lb/><p>Eine vollkommenere Maschine dieser Art, bei welcher der Preſs-<lb/>
kolben mit dem Kolben eines Dampfcylinders verbunden war, hat<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[187/0203]
Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
Cailletet machte um diese Zeit die interessante Beobachtung,
daſs Schmiedeeisen Kohlenstoff aufnimmt, wenn es in Berührung
mit Roheisen in geschlossenen Gefäſsen geglüht wird; hier findet
also die Bildung von Cementstahl und Glühstahl gleichzeitig statt.
Für den günstigen Einfluſs des Wolframs trat Caron 1864 ein.
1867 wendete man bereits mehr Puddelstahl als Cementstahl in
der Tiegelguſsstahlfabrikation an. Victor Gallet packte (1867) zer-
schnittene Luppenstäbe in ein Gemisch von Kalk, Thon, Pottasche,
Manganoxyd, Harz und Ruſs und schmolz die Masse in Tiegeln.
Bury & Co. in Sheffield hatten in der Pariser Weltausstellung
1867 Stahlwerkzeuge ausgestellt, die in der Weise hergestellt waren,
daſs in Tiegeln geschmolzenes flüssiges Eisen oder weicher Stahl in
Formen der betreffenden Werkzeuge gegossen und diesen dann durch
Cementation eine Oberflächenhärtung gegeben wurde.
In der italienischen Abteilung war 1867 unter dem Namen
Glisentis-Guſsstahl ein Produkt ausgestellt, das durch Zusammen-
schmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt war. In Er-
mangelung von Spiegeleisen schmolz man erst reines Roheisen mit
einem Zusatz von 5 Prozent Mangan im Tiegel. Glisentis-Guſsstahl
fand besonders für Revolver Verwendung.
v. Mayr in Leoben hatte „Manganstahl“ ausgestellt. Die Dar-
stellung von Wolframstahl hatte er aufgegeben, weil derselbe sich
angeblich im Feuer schlecht bewährte.
Die Schmelztiegel spielen eine wichtige Rolle bei der Guſsstahl-
bereitung, indem der Verschleiſs derselben nach den Berechnungen
von Gruner und Lan 1) durchschnittlich mehr als ein Viertel der
Erzeugungskosten (21 bis 36 Prozent) des Guſsstahls ausmacht. Über
die übliche Gestalt und die Masse der Tiegel verweisen wir auf
Wedding-Percy (Bd. III, S. 160 etc.). In der Regel wurden die
Tiegel mit der Hand geformt mittels Nonne und Mönch, doch fing
man in jener Zeit bereits an, Maschinen zum Tiegelformen zu ver-
wenden. Die älteste dieser Tiegelpressen war von Malmedie 1); bei
ihr wurde der Preſskolben wie bei einer gewöhnlichen Münzpresse
mittels einer Schraube bewegt.
Eine vollkommenere Maschine dieser Art, bei welcher der Preſs-
kolben mit dem Kolben eines Dampfcylinders verbunden war, hat
1) Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
1) Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/203>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.