Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Erstes Kapitel. land jetzt wieder, wie früher durch den Sachsenspiegel, be-herrschten, haben dem gemeinen Sachsenrecht eine außerordent- liche Bedeutung verschafft, und dasselbe zu dem Kern gemacht, an den sich später das jus commune germanicum (jus germanicum privatum) ansetzte. Während so dem römischen Recht und dessen absoluter Erſtes Kapitel. land jetzt wieder, wie fruͤher durch den Sachſenſpiegel, be-herrſchten, haben dem gemeinen Sachſenrecht eine außerordent- liche Bedeutung verſchafft, und daſſelbe zu dem Kern gemacht, an den ſich ſpaͤter das jus commune germanicum (jus germanicum privatum) anſetzte. Waͤhrend ſo dem roͤmiſchen Recht und deſſen abſoluter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Kapitel</hi>.</fw><lb/> land jetzt wieder, wie fruͤher durch den Sachſenſpiegel, be-<lb/> herrſchten, haben dem gemeinen Sachſenrecht eine außerordent-<lb/> liche Bedeutung verſchafft, und daſſelbe zu dem Kern gemacht,<lb/> an den ſich ſpaͤter das <hi rendition="#aq">jus commune germanicum (jus<lb/> germanicum privatum)</hi> anſetzte.</p><lb/> <p>Waͤhrend ſo dem roͤmiſchen Recht und deſſen abſoluter<lb/> Geltung gegenuͤber das einheimiſche Recht wieder auftauchte,<lb/> und zwar unverkennbar von dem noch in der Tiefe der Na-<lb/> tion wurzelnden Volksrechte getragen, brach im Laufe des 17.<lb/> Jahrhunderts in Deutſchland jener ſchreckliche Buͤrgerkrieg aus,<lb/> welcher die beſten Kraͤfte zerſtoͤrte, und namentlich die letzten<lb/> Traͤger der deutſchen Freiheit, die Ritterſchaft und die Staͤdte,<lb/> in ihrem Wohlſtande und ihrer politiſchen Bedeutung unend-<lb/> lich zuruͤckſetzte. Die nationale Entwicklung Deutſchlands ward<lb/> nun fuͤr lange Zeit gelaͤhmt; an die Stelle eines friſchen<lb/> Volkslebens, das ſich wenigſtens noch in einzelnen Territorien<lb/> und Communen erhalten hatte, trat das Zeitalter Ludwig <hi rendition="#aq">XIV.</hi><lb/> mit ſeiner Despotie und ſeiner polizeilichen Bevormundung des<lb/> Volkes, freilich auch mit der Entfaltung des feudaliſtiſch ge-<lb/> gliederten ſtaͤndiſchen Weſens zur modernen Staatseinheit,<lb/> welche vor Allem in dem großen Churfuͤrſten von Branden-<lb/> burg und ſeinen Nachfolgern eine bewußte Vertretung fand.<lb/> Dadurch ward freilich fuͤr die Geſetzgebung ein groͤßerer Ein-<lb/> fluß begruͤndet; aber die mehr innerliche Ausbildung des Rechts<lb/> im Gegenſatz zum beſchraͤnkten Romanismus ſchien doch we-<lb/> ſentlich bedroht zu ſeyn. Wenn ſie dennoch ihren ſicheren<lb/> Fortgang genommen hat, ſo iſt dieß vor Allem die Folge ei-<lb/> ner freieren und tuͤchtigeren Richtung in der Jurisprudenz<lb/> ſelbſt geweſen, indem die Wiſſenſchaft auch hier ihre ſelbſtaͤn-<lb/> dige Kraft bewaͤhrte. Damit ſoll freilich nicht geſagt ſeyn,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0060]
Erſtes Kapitel.
land jetzt wieder, wie fruͤher durch den Sachſenſpiegel, be-
herrſchten, haben dem gemeinen Sachſenrecht eine außerordent-
liche Bedeutung verſchafft, und daſſelbe zu dem Kern gemacht,
an den ſich ſpaͤter das jus commune germanicum (jus
germanicum privatum) anſetzte.
Waͤhrend ſo dem roͤmiſchen Recht und deſſen abſoluter
Geltung gegenuͤber das einheimiſche Recht wieder auftauchte,
und zwar unverkennbar von dem noch in der Tiefe der Na-
tion wurzelnden Volksrechte getragen, brach im Laufe des 17.
Jahrhunderts in Deutſchland jener ſchreckliche Buͤrgerkrieg aus,
welcher die beſten Kraͤfte zerſtoͤrte, und namentlich die letzten
Traͤger der deutſchen Freiheit, die Ritterſchaft und die Staͤdte,
in ihrem Wohlſtande und ihrer politiſchen Bedeutung unend-
lich zuruͤckſetzte. Die nationale Entwicklung Deutſchlands ward
nun fuͤr lange Zeit gelaͤhmt; an die Stelle eines friſchen
Volkslebens, das ſich wenigſtens noch in einzelnen Territorien
und Communen erhalten hatte, trat das Zeitalter Ludwig XIV.
mit ſeiner Despotie und ſeiner polizeilichen Bevormundung des
Volkes, freilich auch mit der Entfaltung des feudaliſtiſch ge-
gliederten ſtaͤndiſchen Weſens zur modernen Staatseinheit,
welche vor Allem in dem großen Churfuͤrſten von Branden-
burg und ſeinen Nachfolgern eine bewußte Vertretung fand.
Dadurch ward freilich fuͤr die Geſetzgebung ein groͤßerer Ein-
fluß begruͤndet; aber die mehr innerliche Ausbildung des Rechts
im Gegenſatz zum beſchraͤnkten Romanismus ſchien doch we-
ſentlich bedroht zu ſeyn. Wenn ſie dennoch ihren ſicheren
Fortgang genommen hat, ſo iſt dieß vor Allem die Folge ei-
ner freieren und tuͤchtigeren Richtung in der Jurisprudenz
ſelbſt geweſen, indem die Wiſſenſchaft auch hier ihre ſelbſtaͤn-
dige Kraft bewaͤhrte. Damit ſoll freilich nicht geſagt ſeyn,
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