Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Zweites Kapitel. nicht bloß nach der Geburt, sondern auch nach der Beschäfti-gung und dem Beruf; eine Theilung der Arbeit tritt ein. Dem Rechte wird freilich noch der innere Zusammenhang mit dem Wesen und Charakter des Volkes bewahrt; aber dieß ge- schieht vorzugsweise nur noch durch die Vermittlung besonde- rer Organe: die gesetzgebende Gewalt und der Juristenstand entwickeln jetzt ihre tief eingreifende Thätigkeit. -- "Das Ge- setz ist das Organ des Volksrechtes. Wollte man daran zweifeln, so müßte man den Gesetzgeber als außer der Nation stehend denken; er steht aber vielmehr in ihrem Mittelpunct, so daß er ihren Geist, ihre Gesinnungen, ihre Bedürfnisse in sich concentrirt, und daß wir ihn als wahren Vertreter des Volksgeistes anzusehen haben." (v. Savigny, System. I. S. 39). -- Der Einfluß des Gesetzgebers auf das Recht zeigt sich aber in zwiefacher Weise: als ergänzende Nachhülfe für das positive Recht und, was noch wichtiger ist, als Un- terstützung seines allmäligen Fortschreitens, indem die vom Volke gewichene oder doch in demselben geschwächte rechtsbil- dende Kraft von dem Gesetzgeber ersetzt wird. Nicht weniger bedeutend ist der Einfluß, den die Thätig- Zweites Kapitel. nicht bloß nach der Geburt, ſondern auch nach der Beſchaͤfti-gung und dem Beruf; eine Theilung der Arbeit tritt ein. Dem Rechte wird freilich noch der innere Zuſammenhang mit dem Weſen und Charakter des Volkes bewahrt; aber dieß ge- ſchieht vorzugsweiſe nur noch durch die Vermittlung beſonde- rer Organe: die geſetzgebende Gewalt und der Juriſtenſtand entwickeln jetzt ihre tief eingreifende Thaͤtigkeit. — „Das Ge- ſetz iſt das Organ des Volksrechtes. Wollte man daran zweifeln, ſo muͤßte man den Geſetzgeber als außer der Nation ſtehend denken; er ſteht aber vielmehr in ihrem Mittelpunct, ſo daß er ihren Geiſt, ihre Geſinnungen, ihre Beduͤrfniſſe in ſich concentrirt, und daß wir ihn als wahren Vertreter des Volksgeiſtes anzuſehen haben.“ (v. Savigny, Syſtem. I. S. 39). — Der Einfluß des Geſetzgebers auf das Recht zeigt ſich aber in zwiefacher Weiſe: als ergaͤnzende Nachhuͤlfe fuͤr das poſitive Recht und, was noch wichtiger iſt, als Un- terſtuͤtzung ſeines allmaͤligen Fortſchreitens, indem die vom Volke gewichene oder doch in demſelben geſchwaͤchte rechtsbil- dende Kraft von dem Geſetzgeber erſetzt wird. Nicht weniger bedeutend iſt der Einfluß, den die Thaͤtig- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0072" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Kapitel</hi>.</fw><lb/> nicht bloß nach der Geburt, ſondern auch nach der Beſchaͤfti-<lb/> gung und dem Beruf; eine Theilung der Arbeit tritt ein.<lb/> Dem Rechte wird freilich noch der innere Zuſammenhang mit<lb/> dem Weſen und Charakter des Volkes bewahrt; aber dieß ge-<lb/> ſchieht vorzugsweiſe nur noch durch die Vermittlung beſonde-<lb/> rer Organe: die geſetzgebende Gewalt und der Juriſtenſtand<lb/> entwickeln jetzt ihre tief eingreifende Thaͤtigkeit. — „Das Ge-<lb/> ſetz iſt das Organ des Volksrechtes. Wollte man daran<lb/> zweifeln, ſo muͤßte man den Geſetzgeber als außer der Nation<lb/> ſtehend denken; er ſteht aber vielmehr in ihrem Mittelpunct,<lb/> ſo daß er ihren Geiſt, ihre Geſinnungen, ihre Beduͤrfniſſe in<lb/> ſich concentrirt, und daß wir ihn als wahren Vertreter des<lb/> Volksgeiſtes anzuſehen haben.“ (v. Savigny, Syſtem. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> S. 39). — Der Einfluß des Geſetzgebers auf das Recht zeigt<lb/> ſich aber in zwiefacher Weiſe: als ergaͤnzende Nachhuͤlfe fuͤr<lb/> das poſitive Recht <choice><sic>und und</sic><corr>und</corr></choice>, was noch wichtiger iſt, als Un-<lb/> terſtuͤtzung ſeines allmaͤligen Fortſchreitens, indem die vom<lb/> Volke gewichene oder doch in demſelben geſchwaͤchte rechtsbil-<lb/> dende Kraft von dem Geſetzgeber erſetzt wird.</p><lb/> <p>Nicht weniger bedeutend iſt der Einfluß, den die Thaͤtig-<lb/> keit des Juriſtenſtandes auf das Recht ausuͤbt. „Es liegt in<lb/> dem natuͤrlichen Entwicklungsgang der Voͤlker, daß bei fort-<lb/> ſchreitender Bildung einzelne Thaͤtigkeiten und Kenntniſſe ſich<lb/> abſondern, und ſo den eigenthuͤmlichen Lebensberuf beſonderer<lb/> Staͤnde bilden. So auch wird das Recht, urſpruͤnglich Ge-<lb/> meingut des geſammten Volkes, durch die ſich mehr verzwei-<lb/> genden Verhaͤltniſſe des thaͤtigen Lebens ins Einzelne ausge-<lb/> bildet, daß es durch die im Volke gleichmaͤßig verbreitete<lb/> Kenntniß nicht mehr beherrſcht werden kann. Dann wird ſich<lb/> ein beſonderer Stand der Rechtskundigen bilden, welcher, ſelbſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0072]
Zweites Kapitel.
nicht bloß nach der Geburt, ſondern auch nach der Beſchaͤfti-
gung und dem Beruf; eine Theilung der Arbeit tritt ein.
Dem Rechte wird freilich noch der innere Zuſammenhang mit
dem Weſen und Charakter des Volkes bewahrt; aber dieß ge-
ſchieht vorzugsweiſe nur noch durch die Vermittlung beſonde-
rer Organe: die geſetzgebende Gewalt und der Juriſtenſtand
entwickeln jetzt ihre tief eingreifende Thaͤtigkeit. — „Das Ge-
ſetz iſt das Organ des Volksrechtes. Wollte man daran
zweifeln, ſo muͤßte man den Geſetzgeber als außer der Nation
ſtehend denken; er ſteht aber vielmehr in ihrem Mittelpunct,
ſo daß er ihren Geiſt, ihre Geſinnungen, ihre Beduͤrfniſſe in
ſich concentrirt, und daß wir ihn als wahren Vertreter des
Volksgeiſtes anzuſehen haben.“ (v. Savigny, Syſtem. I.
S. 39). — Der Einfluß des Geſetzgebers auf das Recht zeigt
ſich aber in zwiefacher Weiſe: als ergaͤnzende Nachhuͤlfe fuͤr
das poſitive Recht und, was noch wichtiger iſt, als Un-
terſtuͤtzung ſeines allmaͤligen Fortſchreitens, indem die vom
Volke gewichene oder doch in demſelben geſchwaͤchte rechtsbil-
dende Kraft von dem Geſetzgeber erſetzt wird.
Nicht weniger bedeutend iſt der Einfluß, den die Thaͤtig-
keit des Juriſtenſtandes auf das Recht ausuͤbt. „Es liegt in
dem natuͤrlichen Entwicklungsgang der Voͤlker, daß bei fort-
ſchreitender Bildung einzelne Thaͤtigkeiten und Kenntniſſe ſich
abſondern, und ſo den eigenthuͤmlichen Lebensberuf beſonderer
Staͤnde bilden. So auch wird das Recht, urſpruͤnglich Ge-
meingut des geſammten Volkes, durch die ſich mehr verzwei-
genden Verhaͤltniſſe des thaͤtigen Lebens ins Einzelne ausge-
bildet, daß es durch die im Volke gleichmaͤßig verbreitete
Kenntniß nicht mehr beherrſcht werden kann. Dann wird ſich
ein beſonderer Stand der Rechtskundigen bilden, welcher, ſelbſt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |