Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Feststellung des Gegenstandes. Dahin gehören die vielen Fälle, in welchen die Rechtsregel ir-gend eine Zahl in sich schließt, und wobei innerhalb gewisser Extreme stets ein großer Spielraum der Willkühr übrig bleibt, wie bei den Verjährungszeiten; eben so die Rechtsregeln, die bloß die äußere Form eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben. In allen Fällen dieser Art werden wir, mit unsrem früheren Denken und Wollen, eine Autorität für uns selbst in jeder späteren Anwendung, und so kann allerdings die Ge- wohnheit als solche auf die Rechtsbildung Einfluß haben. Es wirkt hier das Gesetz der Continuität menschlicher Gesinnun- gen, Handlungen und Zustände: ein Gesetz, welches auch in manchen einzelnen Rechtsinstituten von ausgedehntem Einfluß ist." (A. a. O. S. 36). Verweilen wir nun erst einmal bei dieser allgemeinen Feſtſtellung des Gegenſtandes. Dahin gehoͤren die vielen Faͤlle, in welchen die Rechtsregel ir-gend eine Zahl in ſich ſchließt, und wobei innerhalb gewiſſer Extreme ſtets ein großer Spielraum der Willkuͤhr uͤbrig bleibt, wie bei den Verjaͤhrungszeiten; eben ſo die Rechtsregeln, die bloß die aͤußere Form eines Rechtsgeſchaͤfts zum Gegenſtand haben. In allen Faͤllen dieſer Art werden wir, mit unſrem fruͤheren Denken und Wollen, eine Autoritaͤt fuͤr uns ſelbſt in jeder ſpaͤteren Anwendung, und ſo kann allerdings die Ge- wohnheit als ſolche auf die Rechtsbildung Einfluß haben. Es wirkt hier das Geſetz der Continuitaͤt menſchlicher Geſinnun- gen, Handlungen und Zuſtaͤnde: ein Geſetz, welches auch in manchen einzelnen Rechtsinſtituten von ausgedehntem Einfluß iſt.“ (A. a. O. S. 36). Verweilen wir nun erſt einmal bei dieſer allgemeinen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0075" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Feſtſtellung des Gegenſtandes</hi>.</fw><lb/> Dahin gehoͤren die vielen Faͤlle, in welchen die Rechtsregel ir-<lb/> gend eine Zahl in ſich ſchließt, und wobei innerhalb gewiſſer<lb/> Extreme ſtets ein großer Spielraum der Willkuͤhr uͤbrig bleibt,<lb/> wie bei den Verjaͤhrungszeiten; eben ſo die Rechtsregeln, die<lb/> bloß die aͤußere Form eines Rechtsgeſchaͤfts zum Gegenſtand<lb/> haben. In allen Faͤllen dieſer Art werden wir, mit unſrem<lb/> fruͤheren Denken und Wollen, eine Autoritaͤt fuͤr uns ſelbſt in<lb/> jeder ſpaͤteren Anwendung, und ſo kann allerdings die Ge-<lb/> wohnheit als ſolche auf die Rechtsbildung Einfluß haben. Es<lb/> wirkt hier das Geſetz der Continuitaͤt menſchlicher Geſinnun-<lb/> gen, Handlungen und Zuſtaͤnde: ein Geſetz, welches auch in<lb/> manchen einzelnen Rechtsinſtituten von ausgedehntem Einfluß<lb/> iſt.“ (A. a. O. S. 36).</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Verweilen wir nun erſt einmal bei dieſer allgemeinen<lb/> Darſtellung der hiſtoriſchen Rechtslehre, ehe wir uns zu der<lb/> Betrachtung der beſonderen deutſchen Zuſtaͤnde wenden. Ge-<lb/> wiß hat v. Savigny einen tiefen Blick in das innere Rechts-<lb/> leben gethan, wie es ſich bei edlen Voͤlkern in ſeinen erſten<lb/> Anfaͤngen geſtaltet; auch liegt in der Art, wie die weitere Ent-<lb/> wicklung deſſelben geſchildert wird, viel Treffendes und Wah-<lb/> res. Koͤnnte man auch vielleicht geneigt ſeyn, den Einfluß,<lb/> welchen die Gewohnheit auf die Rechtsbildung auszuuͤben<lb/> pflegt, fuͤr zu gering angeſchlagen zu halten, ſo wird dieſer<lb/> Einwand doch da, wo es ſich von der Darlegung eines ganz<lb/> normalen, ohne beſondere aͤußere Stoͤrungen organiſch vor ſich<lb/> gehenden Proceſſes handelt, kaum gerechtfertigt erſcheinen. Da-<lb/> gegen laͤßt ſich in Beziehung auf einen andern Punct ſchon<lb/> hier ein Widerſpruch erheben, der in folgender Betrachtung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0075]
Feſtſtellung des Gegenſtandes.
Dahin gehoͤren die vielen Faͤlle, in welchen die Rechtsregel ir-
gend eine Zahl in ſich ſchließt, und wobei innerhalb gewiſſer
Extreme ſtets ein großer Spielraum der Willkuͤhr uͤbrig bleibt,
wie bei den Verjaͤhrungszeiten; eben ſo die Rechtsregeln, die
bloß die aͤußere Form eines Rechtsgeſchaͤfts zum Gegenſtand
haben. In allen Faͤllen dieſer Art werden wir, mit unſrem
fruͤheren Denken und Wollen, eine Autoritaͤt fuͤr uns ſelbſt in
jeder ſpaͤteren Anwendung, und ſo kann allerdings die Ge-
wohnheit als ſolche auf die Rechtsbildung Einfluß haben. Es
wirkt hier das Geſetz der Continuitaͤt menſchlicher Geſinnun-
gen, Handlungen und Zuſtaͤnde: ein Geſetz, welches auch in
manchen einzelnen Rechtsinſtituten von ausgedehntem Einfluß
iſt.“ (A. a. O. S. 36).
Verweilen wir nun erſt einmal bei dieſer allgemeinen
Darſtellung der hiſtoriſchen Rechtslehre, ehe wir uns zu der
Betrachtung der beſonderen deutſchen Zuſtaͤnde wenden. Ge-
wiß hat v. Savigny einen tiefen Blick in das innere Rechts-
leben gethan, wie es ſich bei edlen Voͤlkern in ſeinen erſten
Anfaͤngen geſtaltet; auch liegt in der Art, wie die weitere Ent-
wicklung deſſelben geſchildert wird, viel Treffendes und Wah-
res. Koͤnnte man auch vielleicht geneigt ſeyn, den Einfluß,
welchen die Gewohnheit auf die Rechtsbildung auszuuͤben
pflegt, fuͤr zu gering angeſchlagen zu halten, ſo wird dieſer
Einwand doch da, wo es ſich von der Darlegung eines ganz
normalen, ohne beſondere aͤußere Stoͤrungen organiſch vor ſich
gehenden Proceſſes handelt, kaum gerechtfertigt erſcheinen. Da-
gegen laͤßt ſich in Beziehung auf einen andern Punct ſchon
hier ein Widerſpruch erheben, der in folgender Betrachtung
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