Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Schreibart
"wird man sehen, daß er in verschiedenen Wor-
"ten mit grosser Geschicklichkeit eine Sylbe ver-
"drückt, und andre mahl zweysylbigte Wörter
"in eine Sylbe zusammengedrungen, wodurch
"er seine Sprache erhöhet, und seinem Sylben-
"maasse ein verschiedeneres Aussehen mitgetheilet
"hat. Dieses hat er insonderheit in den Nah-
"men der Personen und der Länder gethan, in-
"dem er entweder den Nahmen einigermassen ge-
"ändert, oder einen gebraucht, der am wenig-
"sten bekannt war, damit er die Sprache des
"gemeinen Volckes desto besser vermiede."

Eben derselbe berichtet uns, daß Milton ver-
schiedene Wörter aus eigener Macht gepräget ha-
be, und verweiset den Leser, der sich daran är-
gerte, auf eine Schrift des Plutarchs, worin-
nen gezeiget wird, wie vielmahl Homer sich eben
dieser Freyheit bedienet habe. Wenn wir ihm
Glauben zustellen, so hat der Poet mittelst aller
dieser Hülfsmittel, und mittelst der trefflichsten
Wörter und Redensarten, so ihm die Englische
Sprache mittheilete, dieselbe zu einer grössern
Hoheit erhoben, als jemahls ein Englischer Poet
vor oder nach ihm gethan hat, und seine Schreib-
art eben so erhaben gemachet, als seine Gedan-
ken sind.

Die Herren Richardsonen, Vater und Sohn,
haben in ihrer Lobschrift des verlohrnen Paradieses
mit eben demselben Lobe von Miltons Schreibart
geredet. Und der Journaliste, der in der Britan-
nischen Bibliotheck im April 1737. I. Artick. einen
Auszug davon gemachet, giebt zu verstehen, daß

er
Von der Schreibart
„wird man ſehen, daß er in verſchiedenen Wor-
„ten mit groſſer Geſchicklichkeit eine Sylbe ver-
„druͤckt, und andre mahl zweyſylbigte Woͤrter
„in eine Sylbe zuſammengedrungen, wodurch
„er ſeine Sprache erhoͤhet, und ſeinem Sylben-
„maaſſe ein verſchiedeneres Ausſehen mitgetheilet
„hat. Dieſes hat er inſonderheit in den Nah-
„men der Perſonen und der Laͤnder gethan, in-
„dem er entweder den Nahmen einigermaſſen ge-
„aͤndert, oder einen gebraucht, der am wenig-
„ſten bekannt war, damit er die Sprache des
„gemeinen Volckes deſto beſſer vermiede.„

Eben derſelbe berichtet uns, daß Milton ver-
ſchiedene Woͤrter aus eigener Macht gepraͤget ha-
be, und verweiſet den Leſer, der ſich daran aͤr-
gerte, auf eine Schrift des Plutarchs, worin-
nen gezeiget wird, wie vielmahl Homer ſich eben
dieſer Freyheit bedienet habe. Wenn wir ihm
Glauben zuſtellen, ſo hat der Poet mittelſt aller
dieſer Huͤlfsmittel, und mittelſt der trefflichſten
Woͤrter und Redensarten, ſo ihm die Engliſche
Sprache mittheilete, dieſelbe zu einer groͤſſern
Hoheit erhoben, als jemahls ein Engliſcher Poet
vor oder nach ihm gethan hat, und ſeine Schreib-
art eben ſo erhaben gemachet, als ſeine Gedan-
ken ſind.

Die Herren Richardſonen, Vater und Sohn,
haben in ihrer Lobſchrift des verlohrnen Paradieſes
mit eben demſelben Lobe von Miltons Schreibart
geredet. Und der Journaliſte, der in der Britan-
niſchen Bibliotheck im April 1737. I. Artick. einen
Auszug davon gemachet, giebt zu verſtehen, daß

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0082" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Schreibart</hi></fw><lb/>
&#x201E;wird man &#x017F;ehen, daß er in ver&#x017F;chiedenen Wor-<lb/>
&#x201E;ten mit gro&#x017F;&#x017F;er Ge&#x017F;chicklichkeit eine Sylbe ver-<lb/>
&#x201E;dru&#x0364;ckt, und andre mahl zwey&#x017F;ylbigte Wo&#x0364;rter<lb/>
&#x201E;in eine Sylbe zu&#x017F;ammengedrungen, wodurch<lb/>
&#x201E;er &#x017F;eine Sprache erho&#x0364;het, und &#x017F;einem Sylben-<lb/>
&#x201E;maa&#x017F;&#x017F;e ein ver&#x017F;chiedeneres Aus&#x017F;ehen mitgetheilet<lb/>
&#x201E;hat. Die&#x017F;es hat er in&#x017F;onderheit in den Nah-<lb/>
&#x201E;men der Per&#x017F;onen und der La&#x0364;nder gethan, in-<lb/>
&#x201E;dem er entweder den Nahmen einigerma&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
&#x201E;a&#x0364;ndert, oder einen gebraucht, der am wenig-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ten bekannt war, damit er die Sprache des<lb/>
&#x201E;gemeinen Volckes de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er vermiede.&#x201E;</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Eben der&#x017F;elbe berichtet uns, daß Milton ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Wo&#x0364;rter aus eigener Macht gepra&#x0364;get ha-<lb/>
be, und verwei&#x017F;et den Le&#x017F;er, der &#x017F;ich daran a&#x0364;r-<lb/>
gerte, auf eine Schrift des Plutarchs, worin-<lb/>
nen gezeiget wird, wie vielmahl Homer &#x017F;ich eben<lb/>
die&#x017F;er Freyheit bedienet habe. Wenn wir ihm<lb/>
Glauben zu&#x017F;tellen, &#x017F;o hat der Poet mittel&#x017F;t aller<lb/>
die&#x017F;er Hu&#x0364;lfsmittel, und mittel&#x017F;t der trefflich&#x017F;ten<lb/>
Wo&#x0364;rter und Redensarten, &#x017F;o ihm die Engli&#x017F;che<lb/>
Sprache mittheilete, die&#x017F;elbe zu einer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Hoheit erhoben, als jemahls ein Engli&#x017F;cher Poet<lb/>
vor oder nach ihm gethan hat, und &#x017F;eine Schreib-<lb/>
art eben &#x017F;o erhaben gemachet, als &#x017F;eine Gedan-<lb/>
ken &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Die Herren Richard&#x017F;onen, Vater und Sohn,<lb/>
haben in ihrer Lob&#x017F;chrift des verlohrnen Paradie&#x017F;es<lb/>
mit eben dem&#x017F;elben Lobe von Miltons Schreibart<lb/>
geredet. Und der Journali&#x017F;te, der in der Britan-<lb/>
ni&#x017F;chen Bibliotheck im April 1737. <hi rendition="#aq">I.</hi> Artick. einen<lb/>
Auszug davon gemachet, giebt zu ver&#x017F;tehen, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0082] Von der Schreibart „wird man ſehen, daß er in verſchiedenen Wor- „ten mit groſſer Geſchicklichkeit eine Sylbe ver- „druͤckt, und andre mahl zweyſylbigte Woͤrter „in eine Sylbe zuſammengedrungen, wodurch „er ſeine Sprache erhoͤhet, und ſeinem Sylben- „maaſſe ein verſchiedeneres Ausſehen mitgetheilet „hat. Dieſes hat er inſonderheit in den Nah- „men der Perſonen und der Laͤnder gethan, in- „dem er entweder den Nahmen einigermaſſen ge- „aͤndert, oder einen gebraucht, der am wenig- „ſten bekannt war, damit er die Sprache des „gemeinen Volckes deſto beſſer vermiede.„ Eben derſelbe berichtet uns, daß Milton ver- ſchiedene Woͤrter aus eigener Macht gepraͤget ha- be, und verweiſet den Leſer, der ſich daran aͤr- gerte, auf eine Schrift des Plutarchs, worin- nen gezeiget wird, wie vielmahl Homer ſich eben dieſer Freyheit bedienet habe. Wenn wir ihm Glauben zuſtellen, ſo hat der Poet mittelſt aller dieſer Huͤlfsmittel, und mittelſt der trefflichſten Woͤrter und Redensarten, ſo ihm die Engliſche Sprache mittheilete, dieſelbe zu einer groͤſſern Hoheit erhoben, als jemahls ein Engliſcher Poet vor oder nach ihm gethan hat, und ſeine Schreib- art eben ſo erhaben gemachet, als ſeine Gedan- ken ſind. Die Herren Richardſonen, Vater und Sohn, haben in ihrer Lobſchrift des verlohrnen Paradieſes mit eben demſelben Lobe von Miltons Schreibart geredet. Und der Journaliſte, der in der Britan- niſchen Bibliotheck im April 1737. I. Artick. einen Auszug davon gemachet, giebt zu verſtehen, daß er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/82
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/82>, abgerufen am 31.10.2024.