Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Schreibart
mit seiner Ordnung, und Zusammensetzung gelie-
fert.(*) Sie haben in ihre Uebersetzungen
nicht nur die Gedancken Miltons, sondern auch
seine Sprache hinübergebracht, welche die Form
und das Siegel der Gedancken ist. Und nie-
mand hat ihnen vorgeworffen, daß sie damit den
Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache
verletzet, oder dieselbe dunkel, anstössig, unzier-
lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß
man sich in der Englischen Sprache eben derglei-
chen Fertigkeit und Vermögen vorstellen, die
glücklichen Eigenschaften andrer Sprachen nach-
zuahmen. Man muß denn Milton eben so viel
in seiner Sprache erlauben, als seine Jtalieni-
schen Uebersezer sich in der ihrigen erlaubet haben,
und auch niemand von ihren geschicktesten Landes-
leuten ihnen verübelt hat.

Wir können selbst in unsrer Sprache eine weit
grössere Fähigkeit wahrnehmen, die Mundarten
und Manieren fremder Sprachen an sich zu neh-
men, und nachzumachen, als die französische
besizet. Die deutsche Mundart hat wahrhaftig
keine ekelnde Abneigung gegen einigen von diesen
Hülfsmitteln selbst, welche die alten Kunstlehrer
so sehr angepriesen haben, die Rede helle, kurtz,
genau, nachdrücklich und erhaben zu machen.

Es
(*) Derselbe Salvini hat eben dieses mit Homer
und den besten griechischen Poeten gethan, und Maffei
hat das erste Buch der Jlias mit einem noch weit genau-
ern Einschlagen in die Worte, die Form, die Fügung
und Ordnung der griechischen Sprache in der Jtalienischen
übersetzet.

Von der Schreibart
mit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie-
fert.(*) Sie haben in ihre Ueberſetzungen
nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch
ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form
und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie-
mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den
Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache
verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier-
lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß
man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei-
chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die
gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach-
zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel
in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni-
ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben,
und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes-
leuten ihnen veruͤbelt hat.

Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit
groͤſſere Faͤhigkeit wahrnehmen, die Mundarten
und Manieren fremder Sprachen an ſich zu neh-
men, und nachzumachen, als die franzoͤſiſche
beſizet. Die deutſche Mundart hat wahrhaftig
keine ekelnde Abneigung gegen einigen von dieſen
Huͤlfsmitteln ſelbſt, welche die alten Kunſtlehrer
ſo ſehr angeprieſen haben, die Rede helle, kurtz,
genau, nachdruͤcklich und erhaben zu machen.

Es
(*) Derſelbe Salvini hat eben dieſes mit Homer
und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei
hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau-
ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung
und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen
uͤberſetzet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Schreibart</hi></fw><lb/>
mit &#x017F;einer Ordnung, und Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung gelie-<lb/>
fert.<note place="foot" n="(*)">Der&#x017F;elbe Salvini hat eben die&#x017F;es mit Homer<lb/>
und den be&#x017F;ten griechi&#x017F;chen Poeten gethan, und Maffei<lb/>
hat das er&#x017F;te Buch der Jlias mit einem noch weit genau-<lb/>
ern Ein&#x017F;chlagen in die Worte, die Form, die Fu&#x0364;gung<lb/>
und Ordnung der griechi&#x017F;chen Sprache in der Jtalieni&#x017F;chen<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;etzet.</note> Sie haben in ihre Ueber&#x017F;etzungen<lb/>
nicht nur die Gedancken Miltons, &#x017F;ondern auch<lb/>
&#x017F;eine Sprache hinu&#x0364;bergebracht, welche die Form<lb/>
und das Siegel der Gedancken i&#x017F;t. Und nie-<lb/>
mand hat ihnen vorgeworffen, daß &#x017F;ie damit den<lb/>
Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache<lb/>
verletzet, oder die&#x017F;elbe dunkel, an&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, unzier-<lb/>
lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß<lb/>
man &#x017F;ich in der Engli&#x017F;chen Sprache eben derglei-<lb/>
chen Fertigkeit und Vermo&#x0364;gen vor&#x017F;tellen, die<lb/>
glu&#x0364;cklichen Eigen&#x017F;chaften andrer Sprachen nach-<lb/>
zuahmen. Man muß denn Milton eben &#x017F;o viel<lb/>
in &#x017F;einer Sprache erlauben, als &#x017F;eine Jtalieni-<lb/>
&#x017F;chen Ueber&#x017F;ezer &#x017F;ich in der ihrigen erlaubet haben,<lb/>
und auch niemand von ihren ge&#x017F;chickte&#x017F;ten Landes-<lb/>
leuten ihnen veru&#x0364;belt hat.</p><lb/>
        <p>Wir ko&#x0364;nnen &#x017F;elb&#x017F;t in un&#x017F;rer Sprache eine weit<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Fa&#x0364;higkeit wahrnehmen, die Mundarten<lb/>
und Manieren fremder Sprachen an &#x017F;ich zu neh-<lb/>
men, und nachzumachen, als die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
be&#x017F;izet. Die deut&#x017F;che Mundart hat wahrhaftig<lb/>
keine ekelnde Abneigung gegen einigen von die&#x017F;en<lb/>
Hu&#x0364;lfsmitteln &#x017F;elb&#x017F;t, welche die alten Kun&#x017F;tlehrer<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr angeprie&#x017F;en haben, die Rede helle, kurtz,<lb/>
genau, nachdru&#x0364;cklich und erhaben zu machen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0090] Von der Schreibart mit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie- fert. (*) Sie haben in ihre Ueberſetzungen nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie- mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier- lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei- chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach- zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni- ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben, und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes- leuten ihnen veruͤbelt hat. Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit groͤſſere Faͤhigkeit wahrnehmen, die Mundarten und Manieren fremder Sprachen an ſich zu neh- men, und nachzumachen, als die franzoͤſiſche beſizet. Die deutſche Mundart hat wahrhaftig keine ekelnde Abneigung gegen einigen von dieſen Huͤlfsmitteln ſelbſt, welche die alten Kunſtlehrer ſo ſehr angeprieſen haben, die Rede helle, kurtz, genau, nachdruͤcklich und erhaben zu machen. Es (*) Derſelbe Salvini hat eben dieſes mit Homer und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau- ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen uͤberſetzet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/90
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/90>, abgerufen am 31.10.2024.