Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

Bild:
<< vorherige Seite

oder die Bekehrung.
drucker Bucephalus wurden beruffen, ihm nebenst
Bathyll Gesellschaft zu halten; sie blieben den gan-
zen Tag, und die halbe folgende Nacht bey ihm.
Wie sehr sich aber Strukaras Zwang anthat,
sah er beständig den gefallenen Ertzengel auf dem
trukenen Feuer stehen, und hörete beständig den
Schall seiner entsetzlichen Stimme.

Gegen den Morgen kam Phantasos das dritte
mahl ihn mit Schreckbildern zu plagen. Es
dünkete ihn, daß ein ansehnlicher Alter mit einem
majestätischen Angesichte, doch dunkeln Augen,
zu ihm sagte: Sieh mich an, Strukaras, ich bin
der Engelländer, der das epische Gedichte geschrie-
ben hat, gegen welches du eine so unsinnige Wuth
bezeigest. Du hast in der vorigen Nacht meine
Hölle und meine gefallenen Engel darinnen mit
deinen Augen gesehen, und vermuthlich erkennet,
daß es keine Schattengespenster oder Hexenmähr-
chen sind. Jch will dir iezo auch die Sünde und
den Tod zeigen, welche du vor leere und erdichtete
Gespenster ausgiebst. Vielleicht thun sie den glück-
lichen Eindruck auf dich, daß du dich hütest in ihre
Gewalt zu fallen, wenn du ihre abscheuliche Ge-
stalten mit deinen körperlichen Augen erblicken wirst.

Mit diesem Worte erhaschete er ihn bey einem
Schopfe Haare a, und führte ihn mit der Schnel-
ligkeit des Blizes über das Firmament und die
Wasser, die dasselbe umfliessen, hinaus, hernach
durch den Golfo, der zwischen dem Himmel und

der
a Ein augenscheinlicher Beweiß, daß Strukaras nicht,
wie einige argwöhnische vermeinen wollten, G. sey, weil die-
ser leztere mit fremden Haaren pranget.
E 5

oder die Bekehrung.
drucker Bucephalus wurden beruffen, ihm nebenſt
Bathyll Geſellſchaft zu halten; ſie blieben den gan-
zen Tag, und die halbe folgende Nacht bey ihm.
Wie ſehr ſich aber Strukaras Zwang anthat,
ſah er beſtaͤndig den gefallenen Ertzengel auf dem
trukenen Feuer ſtehen, und hoͤrete beſtaͤndig den
Schall ſeiner entſetzlichen Stimme.

Gegen den Morgen kam Phantaſos das dritte
mahl ihn mit Schreckbildern zu plagen. Es
duͤnkete ihn, daß ein anſehnlicher Alter mit einem
majeſtaͤtiſchen Angeſichte, doch dunkeln Augen,
zu ihm ſagte: Sieh mich an, Strukaras, ich bin
der Engellaͤnder, der das epiſche Gedichte geſchrie-
ben hat, gegen welches du eine ſo unſinnige Wuth
bezeigeſt. Du haſt in der vorigen Nacht meine
Hoͤlle und meine gefallenen Engel darinnen mit
deinen Augen geſehen, und vermuthlich erkennet,
daß es keine Schattengeſpenſter oder Hexenmaͤhr-
chen ſind. Jch will dir iezo auch die Suͤnde und
den Tod zeigen, welche du vor leere und erdichtete
Geſpenſter ausgiebſt. Vielleicht thun ſie den gluͤck-
lichen Eindruck auf dich, daß du dich huͤteſt in ihre
Gewalt zu fallen, wenn du ihre abſcheuliche Ge-
ſtalten mit deinen koͤrperlichen Augen erblicken wirſt.

Mit dieſem Worte erhaſchete er ihn bey einem
Schopfe Haare a, und fuͤhrte ihn mit der Schnel-
ligkeit des Blizes uͤber das Firmament und die
Waſſer, die daſſelbe umflieſſen, hinaus, hernach
durch den Golfo, der zwiſchen dem Himmel und

der
a Ein augenſcheinlicher Beweiß, daß Strukaras nicht,
wie einige argwoͤhniſche vermeinen wollten, G. ſey, weil die-
ſer leztere mit fremden Haaren pranget.
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">oder die Bekehrung.</hi></fw><lb/>
drucker Bucephalus wurden beruffen, ihm neben&#x017F;t<lb/>
Bathyll Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu halten; &#x017F;ie blieben den gan-<lb/>
zen Tag, und die halbe folgende Nacht bey ihm.<lb/>
Wie &#x017F;ehr &#x017F;ich aber Strukaras Zwang anthat,<lb/>
&#x017F;ah er be&#x017F;ta&#x0364;ndig den gefallenen Ertzengel auf dem<lb/>
trukenen Feuer &#x017F;tehen, und ho&#x0364;rete be&#x017F;ta&#x0364;ndig den<lb/>
Schall &#x017F;einer ent&#x017F;etzlichen Stimme.</p><lb/>
        <p>Gegen den Morgen kam <hi rendition="#fr">Phanta&#x017F;os</hi> das dritte<lb/>
mahl ihn mit Schreckbildern zu plagen. Es<lb/>
du&#x0364;nkete ihn, daß ein an&#x017F;ehnlicher Alter mit einem<lb/>
maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;chen Ange&#x017F;ichte, doch dunkeln Augen,<lb/>
zu ihm &#x017F;agte: Sieh mich an, Strukaras, ich bin<lb/>
der Engella&#x0364;nder, der das epi&#x017F;che Gedichte ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben hat, gegen welches du eine &#x017F;o un&#x017F;innige Wuth<lb/>
bezeige&#x017F;t. Du ha&#x017F;t in der vorigen Nacht meine<lb/>
Ho&#x0364;lle und meine gefallenen Engel darinnen mit<lb/>
deinen Augen ge&#x017F;ehen, und vermuthlich erkennet,<lb/>
daß es keine Schattenge&#x017F;pen&#x017F;ter oder Hexenma&#x0364;hr-<lb/>
chen &#x017F;ind. Jch will dir iezo auch die <hi rendition="#fr">Su&#x0364;nde</hi> und<lb/>
den <hi rendition="#fr">Tod</hi> zeigen, welche du vor leere und erdichtete<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;ter ausgieb&#x017F;t. Vielleicht thun &#x017F;ie den glu&#x0364;ck-<lb/>
lichen Eindruck auf dich, daß du dich hu&#x0364;te&#x017F;t in ihre<lb/>
Gewalt zu fallen, wenn du ihre ab&#x017F;cheuliche Ge-<lb/>
&#x017F;talten mit deinen ko&#x0364;rperlichen Augen erblicken wir&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Mit die&#x017F;em Worte erha&#x017F;chete er ihn bey einem<lb/>
Schopfe Haare <note place="foot" n="a">Ein augen&#x017F;cheinlicher Beweiß, daß Strukaras nicht,<lb/>
wie einige argwo&#x0364;hni&#x017F;che vermeinen wollten, G. &#x017F;ey, weil die-<lb/>
&#x017F;er leztere mit fremden Haaren pranget.</note>, und fu&#x0364;hrte ihn mit der Schnel-<lb/>
ligkeit des Blizes u&#x0364;ber das Firmament und die<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, die da&#x017F;&#x017F;elbe umflie&#x017F;&#x017F;en, hinaus, hernach<lb/>
durch den Golfo, der zwi&#x017F;chen dem Himmel und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0075] oder die Bekehrung. drucker Bucephalus wurden beruffen, ihm nebenſt Bathyll Geſellſchaft zu halten; ſie blieben den gan- zen Tag, und die halbe folgende Nacht bey ihm. Wie ſehr ſich aber Strukaras Zwang anthat, ſah er beſtaͤndig den gefallenen Ertzengel auf dem trukenen Feuer ſtehen, und hoͤrete beſtaͤndig den Schall ſeiner entſetzlichen Stimme. Gegen den Morgen kam Phantaſos das dritte mahl ihn mit Schreckbildern zu plagen. Es duͤnkete ihn, daß ein anſehnlicher Alter mit einem majeſtaͤtiſchen Angeſichte, doch dunkeln Augen, zu ihm ſagte: Sieh mich an, Strukaras, ich bin der Engellaͤnder, der das epiſche Gedichte geſchrie- ben hat, gegen welches du eine ſo unſinnige Wuth bezeigeſt. Du haſt in der vorigen Nacht meine Hoͤlle und meine gefallenen Engel darinnen mit deinen Augen geſehen, und vermuthlich erkennet, daß es keine Schattengeſpenſter oder Hexenmaͤhr- chen ſind. Jch will dir iezo auch die Suͤnde und den Tod zeigen, welche du vor leere und erdichtete Geſpenſter ausgiebſt. Vielleicht thun ſie den gluͤck- lichen Eindruck auf dich, daß du dich huͤteſt in ihre Gewalt zu fallen, wenn du ihre abſcheuliche Ge- ſtalten mit deinen koͤrperlichen Augen erblicken wirſt. Mit dieſem Worte erhaſchete er ihn bey einem Schopfe Haare a, und fuͤhrte ihn mit der Schnel- ligkeit des Blizes uͤber das Firmament und die Waſſer, die daſſelbe umflieſſen, hinaus, hernach durch den Golfo, der zwiſchen dem Himmel und der a Ein augenſcheinlicher Beweiß, daß Strukaras nicht, wie einige argwoͤhniſche vermeinen wollten, G. ſey, weil die- ſer leztere mit fremden Haaren pranget. E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/75
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/75>, abgerufen am 08.06.2024.