"wohner unserer Hauptstadt kommen 30,000 Juden "und 10,000 Deutsche. Diese Letztern ver¬ "stehen gar nicht, was das heißt, Vater¬ "land, weil sie vielleicht nirgends eines "haben. Sie kommen zu Tausenden nach Polen, "zehren von dessen Brode, und verlassen es, wenn "sie sich bereichert haben. Aber es hat keine "Gefahr mit ihnen; es sind größtentheils "Leute von schwachem aber ehrsamem Cha¬ "rakter, und man braucht sie nur starr an¬ "zublicken, um ihrer Treue versichert zu "seyn. ... Was die jüdische Bevölkerung "betrifft, früher so schlecht, hat sie seit "dem 29. November sehr große Fort¬ "schritte im Guten gemacht. Der Geist der "Verbrüderung fängt an, sie mit den wah¬ "ren Polen zu vereinigen, und ich kann "Sie versichern, daß, wenn die Vorsehung "unsere Waffen segnet, in einem Jahre "alle unsere Juden in Polen umgewandelt "seyn werden." Ist das nicht merkwürdig? Was, die schlechten, verachteten und die verächtlichen Juden, hinabgeknechtet seit zweitausend Jahren, brauchen nur ein einziges Jahr, um zum herrlichsten Volke der Erde, um Polen zu werden; nur ein ein¬
„wohner unſerer Hauptſtadt kommen 30,000 Juden „und 10,000 Deutſche. Dieſe Letztern ver¬ „ſtehen gar nicht, was das heißt, Vater¬ „land, weil ſie vielleicht nirgends eines „haben. Sie kommen zu Tauſenden nach Polen, „zehren von deſſen Brode, und verlaſſen es, wenn „ſie ſich bereichert haben. Aber es hat keine „Gefahr mit ihnen; es ſind größtentheils „Leute von ſchwachem aber ehrſamem Cha¬ „rakter, und man braucht ſie nur ſtarr an¬ „zublicken, um ihrer Treue verſichert zu „ſeyn. ... Was die jüdiſche Bevölkerung „betrifft, früher ſo ſchlecht, hat ſie ſeit „dem 29. November ſehr große Fort¬ „ſchritte im Guten gemacht. Der Geiſt der „Verbrüderung fängt an, ſie mit den wah¬ „ren Polen zu vereinigen, und ich kann „Sie verſichern, daß, wenn die Vorſehung „unſere Waffen ſegnet, in einem Jahre „alle unſere Juden in Polen umgewandelt „ſeyn werden.“ Iſt das nicht merkwürdig? Was, die ſchlechten, verachteten und die verächtlichen Juden, hinabgeknechtet ſeit zweitauſend Jahren, brauchen nur ein einziges Jahr, um zum herrlichſten Volke der Erde, um Polen zu werden; nur ein ein¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0181"n="167"/>„wohner unſerer <choice><sic>Haupſtadt</sic><corr>Hauptſtadt</corr></choice> kommen 30,000 Juden<lb/>„und 10,000 Deutſche. <hirendition="#g">Dieſe Letztern ver¬<lb/>„ſtehen gar nicht</hi>, <hirendition="#g">was das heißt</hi>, <hirendition="#g">Vater¬<lb/>„land</hi>, <hirendition="#g">weil ſie vielleicht nirgends eines<lb/>„haben</hi>. Sie kommen zu Tauſenden nach Polen,<lb/>„zehren von deſſen Brode, und verlaſſen es, wenn<lb/>„ſie ſich bereichert haben. <hirendition="#g">Aber es hat keine<lb/>„Gefahr mit ihnen</hi>; <hirendition="#g">es ſind größtentheils<lb/>„Leute von ſchwachem aber ehrſamem Cha¬<lb/>„rakter</hi>, <hirendition="#g">und man braucht ſie nur ſtarr an¬<lb/>„zublicken</hi>, <hirendition="#g">um ihrer Treue verſichert zu<lb/>„ſeyn</hi>. ... <hirendition="#g">Was die jüdiſche Bevölkerung<lb/>„betrifft</hi>, <hirendition="#g">früher ſo ſchlecht</hi>, <hirendition="#g">hat ſie ſeit<lb/>„dem 29</hi>. <hirendition="#g">November ſehr große Fort¬<lb/>„ſchritte im Guten gemacht</hi>. <hirendition="#g">Der Geiſt der<lb/>„Verbrüderung fängt an</hi>, <hirendition="#g">ſie mit den wah¬<lb/>„ren Polen zu vereinigen</hi>, <hirendition="#g">und ich kann<lb/>„Sie verſichern</hi>, <hirendition="#g">daß</hi>, <hirendition="#g">wenn die Vorſehung<lb/>„unſere Waffen ſegnet</hi>, <hirendition="#g">in einem Jahre<lb/>„alle unſere Juden in Polen umgewandelt<lb/>„ſeyn werden</hi>.<hirendition="#g">“</hi> Iſt das nicht merkwürdig?<lb/>
Was, die ſchlechten, verachteten und die verächtlichen<lb/>
Juden, hinabgeknechtet ſeit zweitauſend Jahren,<lb/>
brauchen nur ein einziges Jahr, um zum herrlichſten<lb/>
Volke der Erde, um Polen zu werden; nur ein ein¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0181]
„wohner unſerer Hauptſtadt kommen 30,000 Juden
„und 10,000 Deutſche. Dieſe Letztern ver¬
„ſtehen gar nicht, was das heißt, Vater¬
„land, weil ſie vielleicht nirgends eines
„haben. Sie kommen zu Tauſenden nach Polen,
„zehren von deſſen Brode, und verlaſſen es, wenn
„ſie ſich bereichert haben. Aber es hat keine
„Gefahr mit ihnen; es ſind größtentheils
„Leute von ſchwachem aber ehrſamem Cha¬
„rakter, und man braucht ſie nur ſtarr an¬
„zublicken, um ihrer Treue verſichert zu
„ſeyn. ... Was die jüdiſche Bevölkerung
„betrifft, früher ſo ſchlecht, hat ſie ſeit
„dem 29. November ſehr große Fort¬
„ſchritte im Guten gemacht. Der Geiſt der
„Verbrüderung fängt an, ſie mit den wah¬
„ren Polen zu vereinigen, und ich kann
„Sie verſichern, daß, wenn die Vorſehung
„unſere Waffen ſegnet, in einem Jahre
„alle unſere Juden in Polen umgewandelt
„ſeyn werden.“ Iſt das nicht merkwürdig?
Was, die ſchlechten, verachteten und die verächtlichen
Juden, hinabgeknechtet ſeit zweitauſend Jahren,
brauchen nur ein einziges Jahr, um zum herrlichſten
Volke der Erde, um Polen zu werden; nur ein ein¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/181>, abgerufen am 15.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.