Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil genommen, und wobei nur ein einziger das
Leben verloren, hat sich durch sechszehen Monate
hingeschleppt, und die Pariser Insurrektion im Juni,
die den Umsturz der Monarchie bezweckte, woran
viele tausend Menschen Theil genommen, wobei
mehrere hundert das Leben verloren, war schon nach
vier Monaten gerichtet! Und gewiß könnte sich
weder der Staat beschweren, daß dem Gesetze nicht
völlige Genugthuung widerfahren, noch einer der
Angeschuldigten, daß er mit Unrecht verurtheilt
worden sei. Viele wurden zum Tode verurtheilt
und verdanken die Erhaltung ihres Lebens nur der
königlichen Begnadigung. Viele Schuldige, die dem
unerbittlichen Buchstaben des Gesetzes verfallen waren,
wurden von der Barmherzigkeit der Geschwornen,
die den Geist der Verhältnisse berücksichtigen, frei
gesprochen. So fanden Strenge und Milde den
ihnen gebührenden Platz, und vier Monate waren
genug, alle diese Verwirrungen zu schlichten.

Siebenpfeifer und Wirth, des Hochverraths
durch Preßvergehen beschuldigt, schmachten schon
zehen Monate im Gefängnisse, und ihr Urtheil ist
noch nicht gesprochen, und die Untersuchung wegen
des Pistolenschusses auf den König von Frankreich
war schon nach zwei Monaten und einigen Tagen

14 *

Theil genommen, und wobei nur ein einziger das
Leben verloren, hat ſich durch ſechszehen Monate
hingeſchleppt, und die Pariſer Inſurrektion im Juni,
die den Umſturz der Monarchie bezweckte, woran
viele tauſend Menſchen Theil genommen, wobei
mehrere hundert das Leben verloren, war ſchon nach
vier Monaten gerichtet! Und gewiß könnte ſich
weder der Staat beſchweren, daß dem Geſetze nicht
völlige Genugthuung widerfahren, noch einer der
Angeſchuldigten, daß er mit Unrecht verurtheilt
worden ſei. Viele wurden zum Tode verurtheilt
und verdanken die Erhaltung ihres Lebens nur der
königlichen Begnadigung. Viele Schuldige, die dem
unerbittlichen Buchſtaben des Geſetzes verfallen waren,
wurden von der Barmherzigkeit der Geſchwornen,
die den Geiſt der Verhältniſſe berückſichtigen, frei
geſprochen. So fanden Strenge und Milde den
ihnen gebührenden Platz, und vier Monate waren
genug, alle dieſe Verwirrungen zu ſchlichten.

Siebenpfeifer und Wirth, des Hochverraths
durch Preßvergehen beſchuldigt, ſchmachten ſchon
zehen Monate im Gefängniſſe, und ihr Urtheil iſt
noch nicht geſprochen, und die Unterſuchung wegen
des Piſtolenſchuſſes auf den König von Frankreich
war ſchon nach zwei Monaten und einigen Tagen

14 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="211"/>
Theil genommen, und wobei nur ein einziger das<lb/>
Leben verloren, hat &#x017F;ich durch &#x017F;echszehen Monate<lb/>
hinge&#x017F;chleppt, und die Pari&#x017F;er In&#x017F;urrektion im Juni,<lb/>
die den Um&#x017F;turz der Monarchie bezweckte, woran<lb/>
viele tau&#x017F;end Men&#x017F;chen Theil genommen, wobei<lb/>
mehrere hundert das Leben verloren, war &#x017F;chon nach<lb/>
vier Monaten gerichtet! Und gewiß könnte &#x017F;ich<lb/>
weder der Staat be&#x017F;chweren, daß dem Ge&#x017F;etze nicht<lb/>
völlige Genugthuung widerfahren, noch einer der<lb/>
Ange&#x017F;chuldigten, daß er mit Unrecht verurtheilt<lb/>
worden &#x017F;ei. Viele wurden zum Tode verurtheilt<lb/>
und verdanken die Erhaltung ihres Lebens nur der<lb/>
königlichen Begnadigung. Viele Schuldige, die dem<lb/>
unerbittlichen Buch&#x017F;taben des Ge&#x017F;etzes verfallen waren,<lb/>
wurden von der Barmherzigkeit der Ge&#x017F;chwornen,<lb/>
die den Gei&#x017F;t der Verhältni&#x017F;&#x017F;e berück&#x017F;ichtigen, frei<lb/>
ge&#x017F;prochen. So fanden Strenge und Milde den<lb/>
ihnen gebührenden Platz, und vier Monate waren<lb/>
genug, alle die&#x017F;e Verwirrungen zu &#x017F;chlichten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Siebenpfeifer</hi> und <hi rendition="#g">Wirth</hi>, des Hochverraths<lb/>
durch Preßvergehen be&#x017F;chuldigt, &#x017F;chmachten &#x017F;chon<lb/>
zehen Monate im Gefängni&#x017F;&#x017F;e, und ihr Urtheil i&#x017F;t<lb/>
noch nicht ge&#x017F;prochen, und die Unter&#x017F;uchung wegen<lb/>
des Pi&#x017F;tolen&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es auf den König von Frankreich<lb/>
war &#x017F;chon nach zwei Monaten und einigen Tagen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">14 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0223] Theil genommen, und wobei nur ein einziger das Leben verloren, hat ſich durch ſechszehen Monate hingeſchleppt, und die Pariſer Inſurrektion im Juni, die den Umſturz der Monarchie bezweckte, woran viele tauſend Menſchen Theil genommen, wobei mehrere hundert das Leben verloren, war ſchon nach vier Monaten gerichtet! Und gewiß könnte ſich weder der Staat beſchweren, daß dem Geſetze nicht völlige Genugthuung widerfahren, noch einer der Angeſchuldigten, daß er mit Unrecht verurtheilt worden ſei. Viele wurden zum Tode verurtheilt und verdanken die Erhaltung ihres Lebens nur der königlichen Begnadigung. Viele Schuldige, die dem unerbittlichen Buchſtaben des Geſetzes verfallen waren, wurden von der Barmherzigkeit der Geſchwornen, die den Geiſt der Verhältniſſe berückſichtigen, frei geſprochen. So fanden Strenge und Milde den ihnen gebührenden Platz, und vier Monate waren genug, alle dieſe Verwirrungen zu ſchlichten. Siebenpfeifer und Wirth, des Hochverraths durch Preßvergehen beſchuldigt, ſchmachten ſchon zehen Monate im Gefängniſſe, und ihr Urtheil iſt noch nicht geſprochen, und die Unterſuchung wegen des Piſtolenſchuſſes auf den König von Frankreich war ſchon nach zwei Monaten und einigen Tagen 14 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/223
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/223>, abgerufen am 20.05.2024.