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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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daß die Karyaditen der Throne mit Menschengesich¬
tern und steinerner Brust, endlich auch warm werden
und sich beklagen.

Der gute Geist in Deutschland breitet sich im¬
mer mehr aus, auch unter den Offizieren und Un¬
ter-Offizieren. Und was dann? Die deutschen
Fürsten werden bald keine andere Macht haben, als
der Gerechtigkeit nachzugeben oder unterzugehen, und
selbst diese Wahl bleibt ihnen nicht lange mehr.

Sie brüten jetzt über die Wiederherstellung der
alten deutschen Reichsgerichte, aber in den alten Kessel
soll neues Gebräu kommen. Man spricht von deut¬
schen National-Gefängnissen, von hohen deutschen
Bundesthürmen die gebaut werden sollen. Ich weiß
das Nähere noch nicht, werde es aber bald erfahren.

In den Blättern die Sie mir geschickt, habe
ich von Weitzels "Politische Ansichten der Ge¬
genwart
" nur noch einige Bruchstücke gefunden;
ich hätte aber wahrscheinlich aus dem ganzen nicht
klug werden können. Wer hieß aber auch den Mann
schreiben in dieser Zeit und in seinen Verhältnissen?
Wenn er sagt: "Der Gedanke aber, jetzt in Europa
"der Monarchie, die sich mit der Aristokratie verbun¬
"den, ein Gegengewicht zu geben, kömmt um manche
"Jahrzehente zu früh" -- so will ich mich auf¬

daß die Karyaditen der Throne mit Menſchengeſich¬
tern und ſteinerner Bruſt, endlich auch warm werden
und ſich beklagen.

Der gute Geiſt in Deutſchland breitet ſich im¬
mer mehr aus, auch unter den Offizieren und Un¬
ter-Offizieren. Und was dann? Die deutſchen
Fürſten werden bald keine andere Macht haben, als
der Gerechtigkeit nachzugeben oder unterzugehen, und
ſelbſt dieſe Wahl bleibt ihnen nicht lange mehr.

Sie brüten jetzt über die Wiederherſtellung der
alten deutſchen Reichsgerichte, aber in den alten Keſſel
ſoll neues Gebräu kommen. Man ſpricht von deut¬
ſchen National-Gefängniſſen, von hohen deutſchen
Bundesthürmen die gebaut werden ſollen. Ich weiß
das Nähere noch nicht, werde es aber bald erfahren.

In den Blättern die Sie mir geſchickt, habe
ich von Weitzels „Politiſche Anſichten der Ge¬
genwart
“ nur noch einige Bruchſtücke gefunden;
ich hätte aber wahrſcheinlich aus dem ganzen nicht
klug werden können. Wer hieß aber auch den Mann
ſchreiben in dieſer Zeit und in ſeinen Verhältniſſen?
Wenn er ſagt: „Der Gedanke aber, jetzt in Europa
„der Monarchie, die ſich mit der Ariſtokratie verbun¬
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[76/0088] daß die Karyaditen der Throne mit Menſchengeſich¬ tern und ſteinerner Bruſt, endlich auch warm werden und ſich beklagen. Der gute Geiſt in Deutſchland breitet ſich im¬ mer mehr aus, auch unter den Offizieren und Un¬ ter-Offizieren. Und was dann? Die deutſchen Fürſten werden bald keine andere Macht haben, als der Gerechtigkeit nachzugeben oder unterzugehen, und ſelbſt dieſe Wahl bleibt ihnen nicht lange mehr. Sie brüten jetzt über die Wiederherſtellung der alten deutſchen Reichsgerichte, aber in den alten Keſſel ſoll neues Gebräu kommen. Man ſpricht von deut¬ ſchen National-Gefängniſſen, von hohen deutſchen Bundesthürmen die gebaut werden ſollen. Ich weiß das Nähere noch nicht, werde es aber bald erfahren. In den Blättern die Sie mir geſchickt, habe ich von Weitzels „Politiſche Anſichten der Ge¬ genwart“ nur noch einige Bruchſtücke gefunden; ich hätte aber wahrſcheinlich aus dem ganzen nicht klug werden können. Wer hieß aber auch den Mann ſchreiben in dieſer Zeit und in ſeinen Verhältniſſen? Wenn er ſagt: „Der Gedanke aber, jetzt in Europa „der Monarchie, die ſich mit der Ariſtokratie verbun¬ „den, ein Gegengewicht zu geben, kömmt um manche „Jahrzehente zu früh“ — ſo will ich mich auf¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/88>, abgerufen am 20.05.2024.