Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

zige direkte Steuer ist noch immer die Vermögenssteuer,
hie und da mit Elementen der Einkommensbesteuerung ver-
mischt. Sie wird zwar häufiger als in der vorigen Pe-
riode, immer aber noch nicht regelmäßig erhoben.

Die wirtschaftliche Herrschaft der Städte über das um-
liegende Land hat sich in Deutschland nur an einzelnen
Stellen zu einer politischen Herrschaft emporgeschwungen.
In Italien hat die gleiche Entwicklung zur Ausbildung
einer städtischen Tyrannis geführt; in Frankreich sind die
Anfänge zur Autonomie freier städtischer Kommunen von
den Königen mit Hilfe des Feudaladels früh niedergetreten
worden. Das kam daher, daß in Deutschland wie in
Frankreich alles, was außerhalb den städtischen Mauern
lag, von lehnsrechtlichen Bildungen überdeckt war. Die
großen Grundherrschaften hatten allerdings die Selbstbe-
wirtschaftung ihrer Fronhöfe längst aufgegeben; ihr Grund-
besitz war für den Herrn, ähnlich wie der städtische Grund-
und Häuserbesitz für die Geschlechter, zur bloßen Renten-
quelle geworden. Aber ihre anfängliche wirtschaftliche
Macht war zu einer politischen Macht, aus den Grund-
herren waren Landesfürsten geworden, und im Laufe dieses
Umwandlungsprozesses war eine vielverzweigte neue Klasse
kleiner adlicher Grundherren entstanden, deren Interesse an
das der Fürsten geknüpft und ein rein agrarisches war.
Daher in Deutschland jener scharfe Kampf zwischen Bürger-
tum und Adel, der die letzten Jahrhunderte des Mittel-

zige direkte Steuer iſt noch immer die Vermögensſteuer,
hie und da mit Elementen der Einkommensbeſteuerung ver-
miſcht. Sie wird zwar häufiger als in der vorigen Pe-
riode, immer aber noch nicht regelmäßig erhoben.

Die wirtſchaftliche Herrſchaft der Städte über das um-
liegende Land hat ſich in Deutſchland nur an einzelnen
Stellen zu einer politiſchen Herrſchaft emporgeſchwungen.
In Italien hat die gleiche Entwicklung zur Ausbildung
einer ſtädtiſchen Tyrannis geführt; in Frankreich ſind die
Anfänge zur Autonomie freier ſtädtiſcher Kommunen von
den Königen mit Hilfe des Feudaladels früh niedergetreten
worden. Das kam daher, daß in Deutſchland wie in
Frankreich alles, was außerhalb den ſtädtiſchen Mauern
lag, von lehnsrechtlichen Bildungen überdeckt war. Die
großen Grundherrſchaften hatten allerdings die Selbſtbe-
wirtſchaftung ihrer Fronhöfe längſt aufgegeben; ihr Grund-
beſitz war für den Herrn, ähnlich wie der ſtädtiſche Grund-
und Häuſerbeſitz für die Geſchlechter, zur bloßen Renten-
quelle geworden. Aber ihre anfängliche wirtſchaftliche
Macht war zu einer politiſchen Macht, aus den Grund-
herren waren Landesfürſten geworden, und im Laufe dieſes
Umwandlungsprozeſſes war eine vielverzweigte neue Klaſſe
kleiner adlicher Grundherren entſtanden, deren Intereſſe an
das der Fürſten geknüpft und ein rein agrariſches war.
Daher in Deutſchland jener ſcharfe Kampf zwiſchen Bürger-
tum und Adel, der die letzten Jahrhunderte des Mittel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="66"/>
zige direkte Steuer i&#x017F;t noch immer die Vermögens&#x017F;teuer,<lb/>
hie und da mit Elementen der Einkommensbe&#x017F;teuerung ver-<lb/>
mi&#x017F;cht. Sie wird zwar häufiger als in der vorigen Pe-<lb/>
riode, immer aber noch nicht regelmäßig erhoben.</p><lb/>
          <p>Die wirt&#x017F;chaftliche Herr&#x017F;chaft der Städte über das um-<lb/>
liegende Land hat &#x017F;ich in Deut&#x017F;chland nur an einzelnen<lb/>
Stellen zu einer politi&#x017F;chen Herr&#x017F;chaft emporge&#x017F;chwungen.<lb/>
In Italien hat die gleiche Entwicklung zur Ausbildung<lb/>
einer &#x017F;tädti&#x017F;chen Tyrannis geführt; in Frankreich &#x017F;ind die<lb/>
Anfänge zur Autonomie freier &#x017F;tädti&#x017F;cher Kommunen von<lb/>
den Königen mit Hilfe des Feudaladels früh niedergetreten<lb/>
worden. Das kam daher, daß in Deut&#x017F;chland wie in<lb/>
Frankreich alles, was außerhalb den &#x017F;tädti&#x017F;chen Mauern<lb/>
lag, von lehnsrechtlichen Bildungen überdeckt war. Die<lb/>
großen Grundherr&#x017F;chaften hatten allerdings die Selb&#x017F;tbe-<lb/>
wirt&#x017F;chaftung ihrer Fronhöfe läng&#x017F;t aufgegeben; ihr Grund-<lb/>
be&#x017F;itz war für den Herrn, ähnlich wie der &#x017F;tädti&#x017F;che Grund-<lb/>
und Häu&#x017F;erbe&#x017F;itz für die Ge&#x017F;chlechter, zur bloßen Renten-<lb/>
quelle geworden. Aber ihre anfängliche wirt&#x017F;chaftliche<lb/>
Macht war zu einer politi&#x017F;chen Macht, aus den Grund-<lb/>
herren waren Landesfür&#x017F;ten geworden, und im Laufe die&#x017F;es<lb/>
Umwandlungsproze&#x017F;&#x017F;es war eine vielverzweigte neue Kla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
kleiner adlicher Grundherren ent&#x017F;tanden, deren Intere&#x017F;&#x017F;e an<lb/>
das der Für&#x017F;ten geknüpft und ein rein agrari&#x017F;ches war.<lb/>
Daher in Deut&#x017F;chland jener &#x017F;charfe Kampf zwi&#x017F;chen Bürger-<lb/>
tum und Adel, der die letzten Jahrhunderte des Mittel-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0080] zige direkte Steuer iſt noch immer die Vermögensſteuer, hie und da mit Elementen der Einkommensbeſteuerung ver- miſcht. Sie wird zwar häufiger als in der vorigen Pe- riode, immer aber noch nicht regelmäßig erhoben. Die wirtſchaftliche Herrſchaft der Städte über das um- liegende Land hat ſich in Deutſchland nur an einzelnen Stellen zu einer politiſchen Herrſchaft emporgeſchwungen. In Italien hat die gleiche Entwicklung zur Ausbildung einer ſtädtiſchen Tyrannis geführt; in Frankreich ſind die Anfänge zur Autonomie freier ſtädtiſcher Kommunen von den Königen mit Hilfe des Feudaladels früh niedergetreten worden. Das kam daher, daß in Deutſchland wie in Frankreich alles, was außerhalb den ſtädtiſchen Mauern lag, von lehnsrechtlichen Bildungen überdeckt war. Die großen Grundherrſchaften hatten allerdings die Selbſtbe- wirtſchaftung ihrer Fronhöfe längſt aufgegeben; ihr Grund- beſitz war für den Herrn, ähnlich wie der ſtädtiſche Grund- und Häuſerbeſitz für die Geſchlechter, zur bloßen Renten- quelle geworden. Aber ihre anfängliche wirtſchaftliche Macht war zu einer politiſchen Macht, aus den Grund- herren waren Landesfürſten geworden, und im Laufe dieſes Umwandlungsprozeſſes war eine vielverzweigte neue Klaſſe kleiner adlicher Grundherren entſtanden, deren Intereſſe an das der Fürſten geknüpft und ein rein agrariſches war. Daher in Deutſchland jener ſcharfe Kampf zwiſchen Bürger- tum und Adel, der die letzten Jahrhunderte des Mittel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/80
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/80>, abgerufen am 21.05.2024.