der Mitthäter Alleinthäter wäre. -- Zur Begründung dieser Ansicht aber hätte vor allen Dingen dargelegt werden müssen, was denn unter einem Anfang der Ausführung der That, was unter einem von dem Delictsbegriff umfaßten Thatact, zu verstehen sei, und warum der Thäter absolut mit seinen geistigen und zugleich mit seinen eigenen körper- lichen Kräften für die That sich wirksam erwiesen haben müsse, eine bloße geistige Mitwirksamkeit für den Thäter- begriff aber nicht ausreiche. Namentlich in letzterer Beziehung hätte der Beweis umsoweniger unterbleiben sollen, als in m. cit. Abh. Gerichtssaal 1870 gegen Sch. "nothwendige Theilnahme" eingehend erörtert worden ist, daß der Thäter- begriff eine eigene körperliche Mitwirkung nicht voraussetze, daß insonderheit eine relevante Verschiedenheit zwischen dem Anstifter eines Zurechnungsfähigen und demjenigen eines Unzurechnungsfähigen nicht bestehe, daher auch der Anstifter eines Zurechnungsfähigen gerade so gut ein Thäter sei, als wenn er etwa einen Hund auf einen Menschen gehetzt habe (s. auch Binding Critik des Entwurfs des Nordd. Straf- gesetzbuchs).
Aber auch die Resultate der von Sch. l. c. aufgestellten Ansicht können unmöglich richtig sein. Es entscheidet nach derselben darüber, ob Mitthäterschaft oder Beihülfe anzu- nehmen sei, die objective Beschaffenheit der Handlung. Aus- drücklich wird in dieser Richtung sogar noch hinzugefügt, man müsse vernünftiger Weise aus dem Thatacte auf die Willensbestimmung schließen, nicht umgekehrt. Alle Hand- lungen also, welche nach ihrer objectiven Beschaffenheit als Ausführungshandlungen eines alleinstehenden Thäters anzu- sehen sein würden, begründen, wenn es sich um ein Zusammen- wirken Mehrerer handelt, Mitthäterschaft. -- Das Anlehnen der Leiter, um in diebischer Absicht durch ein Fenster ein-
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der Mitthäter Alleinthäter wäre. — Zur Begründung dieſer Anſicht aber hätte vor allen Dingen dargelegt werden müſſen, was denn unter einem Anfang der Ausführung der That, was unter einem von dem Delictsbegriff umfaßten Thatact, zu verſtehen ſei, und warum der Thäter abſolut mit ſeinen geiſtigen und zugleich mit ſeinen eigenen körper- lichen Kräften für die That ſich wirkſam erwieſen haben müſſe, eine bloße geiſtige Mitwirkſamkeit für den Thäter- begriff aber nicht ausreiche. Namentlich in letzterer Beziehung hätte der Beweis umſoweniger unterbleiben ſollen, als in m. cit. Abh. Gerichtsſaal 1870 gegen Sch. „nothwendige Theilnahme“ eingehend erörtert worden iſt, daß der Thäter- begriff eine eigene körperliche Mitwirkung nicht vorausſetze, daß inſonderheit eine relevante Verſchiedenheit zwiſchen dem Anſtifter eines Zurechnungsfähigen und demjenigen eines Unzurechnungsfähigen nicht beſtehe, daher auch der Anſtifter eines Zurechnungsfähigen gerade ſo gut ein Thäter ſei, als wenn er etwa einen Hund auf einen Menſchen gehetzt habe (ſ. auch Binding Critik des Entwurfs des Nordd. Straf- geſetzbuchs).
Aber auch die Reſultate der von Sch. l. c. aufgeſtellten Anſicht können unmöglich richtig ſein. Es entſcheidet nach derſelben darüber, ob Mitthäterſchaft oder Beihülfe anzu- nehmen ſei, die objective Beſchaffenheit der Handlung. Aus- drücklich wird in dieſer Richtung ſogar noch hinzugefügt, man müſſe vernünftiger Weiſe aus dem Thatacte auf die Willensbeſtimmung ſchließen, nicht umgekehrt. Alle Hand- lungen alſo, welche nach ihrer objectiven Beſchaffenheit als Ausführungshandlungen eines alleinſtehenden Thäters anzu- ſehen ſein würden, begründen, wenn es ſich um ein Zuſammen- wirken Mehrerer handelt, Mitthäterſchaft. — Das Anlehnen der Leiter, um in diebiſcher Abſicht durch ein Fenſter ein-
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der Mitthäter Alleinthäter wäre. — Zur Begründung
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Thatact, zu verſtehen ſei, und warum der Thäter abſolut mit
ſeinen geiſtigen und zugleich mit ſeinen eigenen körper-
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müſſe, eine bloße geiſtige Mitwirkſamkeit für den Thäter-
begriff aber nicht ausreiche. Namentlich in letzterer Beziehung
hätte der Beweis umſoweniger unterbleiben ſollen, als in
m. cit. Abh. Gerichtsſaal 1870 gegen Sch. „nothwendige
Theilnahme“ eingehend erörtert worden iſt, daß der Thäter-
begriff eine eigene körperliche Mitwirkung nicht vorausſetze,
daß inſonderheit eine relevante Verſchiedenheit zwiſchen dem
Anſtifter eines Zurechnungsfähigen und demjenigen eines
Unzurechnungsfähigen nicht beſtehe, daher auch der Anſtifter
eines Zurechnungsfähigen gerade ſo gut ein Thäter ſei, als
wenn er etwa einen Hund auf einen Menſchen gehetzt habe
(ſ. auch Binding Critik des Entwurfs des Nordd. Straf-
geſetzbuchs).
Aber auch die Reſultate der von Sch. l. c. aufgeſtellten
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derſelben darüber, ob Mitthäterſchaft oder Beihülfe anzu-
nehmen ſei, die objective Beſchaffenheit der Handlung. Aus-
drücklich wird in dieſer Richtung ſogar noch hinzugefügt,
man müſſe vernünftiger Weiſe aus dem Thatacte auf die
Willensbeſtimmung ſchließen, nicht umgekehrt. Alle Hand-
lungen alſo, welche nach ihrer objectiven Beſchaffenheit als
Ausführungshandlungen eines alleinſtehenden Thäters anzu-
ſehen ſein würden, begründen, wenn es ſich um ein Zuſammen-
wirken Mehrerer handelt, Mitthäterſchaft. — Das Anlehnen
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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/117>, abgerufen am 18.06.2024.
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