das wird nicht mehr bedacht. Es ist ihm nur ums Berühmtwerden zu thun; wil's nicht als Architekt gehen, der den Tempel baut: flugs wird das ruhmgierige Mänchen ein Herostratus, der ihn verbrent. Hat er sich doch so auch ver- ewiget!
Nun ist das Gefühl für jedes andere natür- lich gute, edle und große Vergnügen in seiner Brust erstorben. Todt ist ihm die ganze schöne Natur mit allen ihren Freuden; ekelhaft jede stille bescheidene Familienglükseeligkeit; trokken und abgeschmakt jedes noch so nüzliche Geschäft, wobei man nur nicht glänzen kan. Er hat forthin nur noch Einen Sin, den heillosen Sin für Lob und Ruhm! So lange dieser gekizelt wird, ist ihm die Welt ein Himmel, der Kizelnde ein Engel, er selbst ein Halbgott! Läßt der Kizel nach, wird er wohl gar an dieser seiner einzigen empfindlichen Stelle durch Tadel verwundet: in dem Augenblik ist ihm die Welt eine Hölle, jeder Mensch ein Teufel, er selbst ein Märtirer! So hat der Un- glükliche dem Vergnügen nur ein einziges schmales Pförtchen zu seinem Herzen offen gelassen, und dem
Misver-
das wird nicht mehr bedacht. Es iſt ihm nur ums Beruͤhmtwerden zu thun; wil’s nicht als Architekt gehen, der den Tempel baut: flugs wird das ruhmgierige Maͤnchen ein Heroſtratus, der ihn verbrent. Hat er ſich doch ſo auch ver- ewiget!
Nun iſt das Gefuͤhl fuͤr jedes andere natuͤr- lich gute, edle und große Vergnuͤgen in ſeiner Bruſt erſtorben. Todt iſt ihm die ganze ſchoͤne Natur mit allen ihren Freuden; ekelhaft jede ſtille beſcheidene Familiengluͤkſeeligkeit; trokken und abgeſchmakt jedes noch ſo nuͤzliche Geſchaͤft, wobei man nur nicht glaͤnzen kan. Er hat forthin nur noch Einen Sin, den heilloſen Sin fuͤr Lob und Ruhm! So lange dieſer gekizelt wird, iſt ihm die Welt ein Himmel, der Kizelnde ein Engel, er ſelbſt ein Halbgott! Laͤßt der Kizel nach, wird er wohl gar an dieſer ſeiner einzigen empfindlichen Stelle durch Tadel verwundet: in dem Augenblik iſt ihm die Welt eine Hoͤlle, jeder Menſch ein Teufel, er ſelbſt ein Maͤrtirer! So hat der Un- gluͤkliche dem Vergnuͤgen nur ein einziges ſchmales Pfoͤrtchen zu ſeinem Herzen offen gelaſſen, und dem
Misver-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0046"n="16"/>
das wird nicht mehr bedacht. Es iſt ihm nur<lb/>
ums <hirendition="#fr">Beruͤhmtwerden</hi> zu thun; wil’s nicht<lb/>
als Architekt gehen, der den Tempel baut: flugs<lb/>
wird das ruhmgierige Maͤnchen ein <hirendition="#fr">Heroſtratus</hi>,<lb/>
der ihn verbrent. Hat er ſich doch ſo auch ver-<lb/>
ewiget!</p><lb/><p>Nun iſt das Gefuͤhl fuͤr jedes andere natuͤr-<lb/>
lich gute, edle und große Vergnuͤgen in ſeiner<lb/>
Bruſt erſtorben. Todt iſt ihm die ganze ſchoͤne<lb/>
Natur mit allen ihren Freuden; ekelhaft jede<lb/>ſtille beſcheidene Familiengluͤkſeeligkeit; trokken<lb/>
und abgeſchmakt jedes noch ſo nuͤzliche Geſchaͤft,<lb/>
wobei man nur nicht glaͤnzen kan. Er hat forthin<lb/>
nur noch Einen Sin, den heilloſen Sin fuͤr Lob<lb/>
und Ruhm! So lange dieſer gekizelt wird, iſt<lb/>
ihm die Welt ein Himmel, der Kizelnde ein Engel,<lb/>
er ſelbſt ein Halbgott! Laͤßt der Kizel nach, wird<lb/>
er wohl gar an dieſer ſeiner einzigen empfindlichen<lb/>
Stelle durch Tadel verwundet: in dem Augenblik<lb/>
iſt ihm die Welt eine Hoͤlle, jeder Menſch ein<lb/>
Teufel, er ſelbſt ein Maͤrtirer! So hat der Un-<lb/>
gluͤkliche dem Vergnuͤgen nur ein einziges ſchmales<lb/>
Pfoͤrtchen zu ſeinem Herzen offen gelaſſen, und dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Misver-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[16/0046]
das wird nicht mehr bedacht. Es iſt ihm nur
ums Beruͤhmtwerden zu thun; wil’s nicht
als Architekt gehen, der den Tempel baut: flugs
wird das ruhmgierige Maͤnchen ein Heroſtratus,
der ihn verbrent. Hat er ſich doch ſo auch ver-
ewiget!
Nun iſt das Gefuͤhl fuͤr jedes andere natuͤr-
lich gute, edle und große Vergnuͤgen in ſeiner
Bruſt erſtorben. Todt iſt ihm die ganze ſchoͤne
Natur mit allen ihren Freuden; ekelhaft jede
ſtille beſcheidene Familiengluͤkſeeligkeit; trokken
und abgeſchmakt jedes noch ſo nuͤzliche Geſchaͤft,
wobei man nur nicht glaͤnzen kan. Er hat forthin
nur noch Einen Sin, den heilloſen Sin fuͤr Lob
und Ruhm! So lange dieſer gekizelt wird, iſt
ihm die Welt ein Himmel, der Kizelnde ein Engel,
er ſelbſt ein Halbgott! Laͤßt der Kizel nach, wird
er wohl gar an dieſer ſeiner einzigen empfindlichen
Stelle durch Tadel verwundet: in dem Augenblik
iſt ihm die Welt eine Hoͤlle, jeder Menſch ein
Teufel, er ſelbſt ein Maͤrtirer! So hat der Un-
gluͤkliche dem Vergnuͤgen nur ein einziges ſchmales
Pfoͤrtchen zu ſeinem Herzen offen gelaſſen, und dem
Misver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/46>, abgerufen am 13.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.