und diese saubern Reden bekräftigten sie mit eben so albernen als fürchterlichen Flüchen; -- alles das um für Leute von Muth gehalten zu werden. Ein ungeheurer Irthum! und der sie in folgen- des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernst ist, was sie sagen, so sind sie Bestien; wo nicht, so sind sie Narren, daß sie's sagen. Und doch ist dieser Karakter unter jungen Leuten sehr gemein. Vermeide sorgfältig diese Seuche, und begnüge dich mit einer ruhigen, sanften, und doch festen Entschlossenheit, wenn du völlig überzeugt bist, daß du Recht hast; denn dis ist wahrer Muth.
Was man in der Welt gemeiniglich einen Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent, sind die abscheulichsten und verächtlichsten Ge- schöpfe unter der Sonne. Sie sind starköpfigt, zänkisch, neidisch, sie beleidigen ohne Ursach, und vertheidigen sich ohne Verstand. Ein Man dieses Gelichters gebraucht bei der geringsten Veranlas- sung sein Schwert, und ein Weib sogleich ihre Zunge; und es ist schwer zu sagen, welches von beiden das schädlichste Werkzeug sei.
Es
F 5
und dieſe ſaubern Reden bekraͤftigten ſie mit eben ſo albernen als fuͤrchterlichen Fluͤchen; — alles das um fuͤr Leute von Muth gehalten zu werden. Ein ungeheurer Irthum! und der ſie in folgen- des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernſt iſt, was ſie ſagen, ſo ſind ſie Beſtien; wo nicht, ſo ſind ſie Narren, daß ſie’s ſagen. Und doch iſt dieſer Karakter unter jungen Leuten ſehr gemein. Vermeide ſorgfaͤltig dieſe Seuche, und begnuͤge dich mit einer ruhigen, ſanften, und doch feſten Entſchloſſenheit, wenn du voͤllig uͤberzeugt biſt, daß du Recht haſt; denn dis iſt wahrer Muth.
Was man in der Welt gemeiniglich einen Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent, ſind die abſcheulichſten und veraͤchtlichſten Ge- ſchoͤpfe unter der Sonne. Sie ſind ſtarkoͤpfigt, zaͤnkiſch, neidiſch, ſie beleidigen ohne Urſach, und vertheidigen ſich ohne Verſtand. Ein Man dieſes Gelichters gebraucht bei der geringſten Veranlaſ- ſung ſein Schwert, und ein Weib ſogleich ihre Zunge; und es iſt ſchwer zu ſagen, welches von beiden das ſchaͤdlichſte Werkzeug ſei.
Es
F 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0095"n="89"/>
und dieſe ſaubern Reden bekraͤftigten ſie mit eben<lb/>ſo albernen als fuͤrchterlichen Fluͤchen; — alles<lb/>
das um fuͤr Leute von Muth gehalten zu werden.<lb/>
Ein ungeheurer Irthum! und der ſie in folgen-<lb/>
des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernſt<lb/>
iſt, was ſie ſagen, ſo ſind ſie Beſtien; wo nicht,<lb/>ſo ſind ſie Narren, daß ſie’s ſagen. Und doch iſt<lb/>
dieſer Karakter unter jungen Leuten ſehr gemein.<lb/>
Vermeide ſorgfaͤltig dieſe Seuche, und begnuͤge<lb/>
dich mit einer ruhigen, ſanften, und doch feſten<lb/>
Entſchloſſenheit, wenn du voͤllig uͤberzeugt biſt,<lb/>
daß du Recht haſt; denn dis iſt wahrer Muth.</p><lb/><p>Was man in der Welt gemeiniglich einen<lb/>
Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent,<lb/>ſind die abſcheulichſten und veraͤchtlichſten Ge-<lb/>ſchoͤpfe unter der Sonne. Sie ſind ſtarkoͤpfigt,<lb/>
zaͤnkiſch, neidiſch, ſie beleidigen ohne Urſach, und<lb/>
vertheidigen ſich ohne Verſtand. Ein Man dieſes<lb/>
Gelichters gebraucht bei der geringſten Veranlaſ-<lb/>ſung ſein Schwert, und ein Weib ſogleich ihre<lb/>
Zunge; und es iſt ſchwer zu ſagen, welches von<lb/>
beiden das ſchaͤdlichſte Werkzeug ſei.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig">F 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[89/0095]
und dieſe ſaubern Reden bekraͤftigten ſie mit eben
ſo albernen als fuͤrchterlichen Fluͤchen; — alles
das um fuͤr Leute von Muth gehalten zu werden.
Ein ungeheurer Irthum! und der ſie in folgen-
des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernſt
iſt, was ſie ſagen, ſo ſind ſie Beſtien; wo nicht,
ſo ſind ſie Narren, daß ſie’s ſagen. Und doch iſt
dieſer Karakter unter jungen Leuten ſehr gemein.
Vermeide ſorgfaͤltig dieſe Seuche, und begnuͤge
dich mit einer ruhigen, ſanften, und doch feſten
Entſchloſſenheit, wenn du voͤllig uͤberzeugt biſt,
daß du Recht haſt; denn dis iſt wahrer Muth.
Was man in der Welt gemeiniglich einen
Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent,
ſind die abſcheulichſten und veraͤchtlichſten Ge-
ſchoͤpfe unter der Sonne. Sie ſind ſtarkoͤpfigt,
zaͤnkiſch, neidiſch, ſie beleidigen ohne Urſach, und
vertheidigen ſich ohne Verſtand. Ein Man dieſes
Gelichters gebraucht bei der geringſten Veranlaſ-
ſung ſein Schwert, und ein Weib ſogleich ihre
Zunge; und es iſt ſchwer zu ſagen, welches von
beiden das ſchaͤdlichſte Werkzeug ſei.
Es
F 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/95>, abgerufen am 14.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.