bezog, die ganze Stadt als eine monumentale Einheit behandelt wissen wollte.
Fragen wir nun: wo ist diese Denkweise zum erstenmal klar und folgerichtig entwickelt und als die höchste Forderung bau- licher Schönheitsvollendung verkündet worden? In den Theorien L. B. Albertis. Und wo ist ihr zum erstenmal praktisch entsprochen worden? In den Bauplänen Nikolaus' V.
Hierbei muß der geschichtliche Zeitpunkt noch in besondere Erwägung gezogen werden. Ein Menschenalter später war die in Rede stehende Anschauung Gemeingut des gebildeten Italiens geworden, und ein uns etwa begegnender Parallelismus ähnlich dem oben bezeichneten würde nicht mehr auf direkte Abhängig- keit zu schließen nötigen. Wohl aber in unserem Fall. Damals, um die Mitte des Jahrhunderts, ist es noch ein leicht zu über- sehender Kreis von Architekten, in dem der neue Stil gepflegt wurde; sie hatten die ihnen gestellten Aufgaben als echte Künstler ganz konkret erfaßt, und keine derselben war danach beschaffen gewesen, das genannte große Prinzip zum Ausdruck zu bringen. L. B. Alberti ist der erste der Renaissancearchitekten, welcher, der praktischen Entwicklung vorausgreifend, die in der Künstler- welt halb unbewußt keimenden Anschauungen in energischem Gedankenprozeß durchgearbeitet, als Begriffe und Gesetze for- muliert, sie systematisch geordnet, und dann mit seiner auf die Alten, den oft zitierten Plato zumal, gegründeten allgemeinen Weltansicht in Einklang zu bringen gesucht hat. Alberti ist der einzige, müssen wir gleich hinzufügen, unter den Architekten jener Zeit, dem es vermöge seiner Bildungsvoraussetzungen (archäo- logische und philosophische Studien führten ihn erst zur Kunst) überhaupt möglich war, zu einem so hohen und umfassenden Begriff von den künstlerischen Zielen des Bauwesens vorzudringen. Das römische Projekt aber, wie es uns geschildert wird, bezeugt durch sich selbst, daß es im Kopfe eines Mannes entsprungen ist, welcher nicht nur die antiken Monumente, sondern auch die an- tiken Schriftsteller gut gekannt hat. Zum Überfluß versichert Manetti ausdrücklich, man habe "die alten Lehren bewährter Architekten" treulich befolgt. Vitruv! wird hier sogleich ein jeder
Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
bezog, die ganze Stadt als eine monumentale Einheit behandelt wissen wollte.
Fragen wir nun: wo ist diese Denkweise zum erstenmal klar und folgerichtig entwickelt und als die höchste Forderung bau- licher Schönheitsvollendung verkündet worden? In den Theorien L. B. Albertis. Und wo ist ihr zum erstenmal praktisch entsprochen worden? In den Bauplänen Nikolaus' V.
Hierbei muß der geschichtliche Zeitpunkt noch in besondere Erwägung gezogen werden. Ein Menschenalter später war die in Rede stehende Anschauung Gemeingut des gebildeten Italiens geworden, und ein uns etwa begegnender Parallelismus ähnlich dem oben bezeichneten würde nicht mehr auf direkte Abhängig- keit zu schließen nötigen. Wohl aber in unserem Fall. Damals, um die Mitte des Jahrhunderts, ist es noch ein leicht zu über- sehender Kreis von Architekten, in dem der neue Stil gepflegt wurde; sie hatten die ihnen gestellten Aufgaben als echte Künstler ganz konkret erfaßt, und keine derselben war danach beschaffen gewesen, das genannte große Prinzip zum Ausdruck zu bringen. L. B. Alberti ist der erste der Renaissancearchitekten, welcher, der praktischen Entwicklung vorausgreifend, die in der Künstler- welt halb unbewußt keimenden Anschauungen in energischem Gedankenprozeß durchgearbeitet, als Begriffe und Gesetze for- muliert, sie systematisch geordnet, und dann mit seiner auf die Alten, den oft zitierten Plato zumal, gegründeten allgemeinen Weltansicht in Einklang zu bringen gesucht hat. Alberti ist der einzige, müssen wir gleich hinzufügen, unter den Architekten jener Zeit, dem es vermöge seiner Bildungsvoraussetzungen (archäo- logische und philosophische Studien führten ihn erst zur Kunst) überhaupt möglich war, zu einem so hohen und umfassenden Begriff von den künstlerischen Zielen des Bauwesens vorzudringen. Das römische Projekt aber, wie es uns geschildert wird, bezeugt durch sich selbst, daß es im Kopfe eines Mannes entsprungen ist, welcher nicht nur die antiken Monumente, sondern auch die an- tiken Schriftsteller gut gekannt hat. Zum Überfluß versichert Manetti ausdrücklich, man habe »die alten Lehren bewährter Architekten« treulich befolgt. Vitruv! wird hier sogleich ein jeder
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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
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Fragen wir nun: wo ist diese Denkweise zum erstenmal klar
und folgerichtig entwickelt und als die höchste Forderung bau-
licher Schönheitsvollendung verkündet worden? In den Theorien
L. B. Albertis. Und wo ist ihr zum erstenmal praktisch
entsprochen worden? In den Bauplänen Nikolaus' V.
Hierbei muß der geschichtliche Zeitpunkt noch in besondere
Erwägung gezogen werden. Ein Menschenalter später war die in
Rede stehende Anschauung Gemeingut des gebildeten Italiens
geworden, und ein uns etwa begegnender Parallelismus ähnlich
dem oben bezeichneten würde nicht mehr auf direkte Abhängig-
keit zu schließen nötigen. Wohl aber in unserem Fall. Damals,
um die Mitte des Jahrhunderts, ist es noch ein leicht zu über-
sehender Kreis von Architekten, in dem der neue Stil gepflegt
wurde; sie hatten die ihnen gestellten Aufgaben als echte Künstler
ganz konkret erfaßt, und keine derselben war danach beschaffen
gewesen, das genannte große Prinzip zum Ausdruck zu bringen.
L. B. Alberti ist der erste der Renaissancearchitekten, welcher,
der praktischen Entwicklung vorausgreifend, die in der Künstler-
welt halb unbewußt keimenden Anschauungen in energischem
Gedankenprozeß durchgearbeitet, als Begriffe und Gesetze for-
muliert, sie systematisch geordnet, und dann mit seiner auf die
Alten, den oft zitierten Plato zumal, gegründeten allgemeinen
Weltansicht in Einklang zu bringen gesucht hat. Alberti ist der
einzige, müssen wir gleich hinzufügen, unter den Architekten jener
Zeit, dem es vermöge seiner Bildungsvoraussetzungen (archäo-
logische und philosophische Studien führten ihn erst zur Kunst)
überhaupt möglich war, zu einem so hohen und umfassenden
Begriff von den künstlerischen Zielen des Bauwesens vorzudringen.
Das römische Projekt aber, wie es uns geschildert wird, bezeugt
durch sich selbst, daß es im Kopfe eines Mannes entsprungen ist,
welcher nicht nur die antiken Monumente, sondern auch die an-
tiken Schriftsteller gut gekannt hat. Zum Überfluß versichert
Manetti ausdrücklich, man habe »die alten Lehren bewährter
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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/211>, abgerufen am 17.06.2024.
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