"Jn einem Staate, sagt Frau v. Stael, wo man einer Frau im Jnteresse des Staates den Hals ab- schneidet, müßte sie doch wenigstens wissen warum?" Die Männer antworten auf dergleichen naseweise Fragen niemals.
Warum sollten sie auch? Die Stimmen der Besitz- und Machtlosen verschlingt die Welle des großen Lebens- stroms - echolos. Erst wenn die Frauen das Stimm- recht erlangt haben, wird ihr Wille, ihr Glück und ihre Meinung in die Wagschale fallen an den Stätten, wo man die Geschicke der Klassen und Nationen abwägt.
Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. Die Thatsache der Herrschaft ist aber kein Recht. Gesetzlich bestimmen sie alle die Maßregeln, Gebräuche und Ord- nungen, die zur Unterdrückung des weiblichen Geschlechts dienen und nennen diese Arrangements dann einen Rechts- zustand. Das Unrecht wird aber nicht geringer, wenn ein Gesetz es sanktionirt hat, die Unterdrückung nicht weniger nichtswürdig, sondern nur um so furchtbarer, wenn sie einen universellen, einen weltgeschichtlichen Cha- rakter trägt. Es giebt kein Recht des Unrechtes oder sollte doch kein's geben. So lange es heißt: der Mann will und die Frau soll, leben wir nicht in einem Rechts-, sondern in einem Gewaltstaat.
„Jn einem Staate, sagt Frau v. Stael, wo man einer Frau im Jnteresse des Staates den Hals ab- schneidet, müßte sie doch wenigstens wissen warum?‟ Die Männer antworten auf dergleichen naseweise Fragen niemals.
Warum sollten sie auch? Die Stimmen der Besitz- und Machtlosen verschlingt die Welle des großen Lebens- stroms – echolos. Erst wenn die Frauen das Stimm- recht erlangt haben, wird ihr Wille, ihr Glück und ihre Meinung in die Wagschale fallen an den Stätten, wo man die Geschicke der Klassen und Nationen abwägt.
Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. Die Thatsache der Herrschaft ist aber kein Recht. Gesetzlich bestimmen sie alle die Maßregeln, Gebräuche und Ord- nungen, die zur Unterdrückung des weiblichen Geschlechts dienen und nennen diese Arrangements dann einen Rechts- zustand. Das Unrecht wird aber nicht geringer, wenn ein Gesetz es sanktionirt hat, die Unterdrückung nicht weniger nichtswürdig, sondern nur um so furchtbarer, wenn sie einen universellen, einen weltgeschichtlichen Cha- rakter trägt. Es giebt kein Recht des Unrechtes oder sollte doch kein's geben. So lange es heißt: der Mann will und die Frau soll, leben wir nicht in einem Rechts-, sondern in einem Gewaltstaat.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0170"n="162"/><p>„Jn einem Staate, sagt Frau v. Stael, wo man<lb/>
einer Frau im Jnteresse des Staates den Hals ab-<lb/>
schneidet, müßte sie doch wenigstens wissen warum?‟<lb/>
Die Männer antworten auf dergleichen naseweise<lb/>
Fragen niemals.</p><lb/><p>Warum sollten sie auch? Die Stimmen der Besitz-<lb/>
und Machtlosen verschlingt die Welle des großen Lebens-<lb/>
stroms – echolos. Erst wenn die Frauen das Stimm-<lb/>
recht erlangt haben, wird ihr Wille, ihr Glück und ihre<lb/>
Meinung in die Wagschale fallen an den Stätten, wo<lb/>
man die Geschicke der Klassen und Nationen abwägt.</p><lb/><p>Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die<lb/>
Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. Die<lb/>
Thatsache der Herrschaft ist aber kein Recht. Gesetzlich<lb/>
bestimmen sie alle die Maßregeln, Gebräuche und Ord-<lb/>
nungen, die zur Unterdrückung des weiblichen Geschlechts<lb/>
dienen und nennen diese Arrangements dann einen Rechts-<lb/>
zustand. Das Unrecht wird aber nicht geringer, wenn<lb/>
ein Gesetz es sanktionirt hat, die Unterdrückung nicht<lb/>
weniger nichtswürdig, sondern nur um so furchtbarer,<lb/>
wenn sie einen universellen, einen weltgeschichtlichen Cha-<lb/>
rakter trägt. Es giebt kein Recht des Unrechtes oder sollte<lb/>
doch kein's geben. So lange es heißt: der Mann <hirendition="#g">will</hi><lb/>
und die Frau <hirendition="#g">soll</hi>, leben wir nicht in einem Rechts-,<lb/>
sondern in einem Gewaltstaat.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[162/0170]
„Jn einem Staate, sagt Frau v. Stael, wo man
einer Frau im Jnteresse des Staates den Hals ab-
schneidet, müßte sie doch wenigstens wissen warum?‟
Die Männer antworten auf dergleichen naseweise
Fragen niemals.
Warum sollten sie auch? Die Stimmen der Besitz-
und Machtlosen verschlingt die Welle des großen Lebens-
stroms – echolos. Erst wenn die Frauen das Stimm-
recht erlangt haben, wird ihr Wille, ihr Glück und ihre
Meinung in die Wagschale fallen an den Stätten, wo
man die Geschicke der Klassen und Nationen abwägt.
Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die
Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. Die
Thatsache der Herrschaft ist aber kein Recht. Gesetzlich
bestimmen sie alle die Maßregeln, Gebräuche und Ord-
nungen, die zur Unterdrückung des weiblichen Geschlechts
dienen und nennen diese Arrangements dann einen Rechts-
zustand. Das Unrecht wird aber nicht geringer, wenn
ein Gesetz es sanktionirt hat, die Unterdrückung nicht
weniger nichtswürdig, sondern nur um so furchtbarer,
wenn sie einen universellen, einen weltgeschichtlichen Cha-
rakter trägt. Es giebt kein Recht des Unrechtes oder sollte
doch kein's geben. So lange es heißt: der Mann will
und die Frau soll, leben wir nicht in einem Rechts-,
sondern in einem Gewaltstaat.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-04-07T16:13:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-04-07T16:13:32Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/170>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.