Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch glaube, die amüsante Schilderung, die Dickens
in "Bleakhouse" von einer Verrückten giebt, die ihr
Leben der Bildung südafrikanischer Negerkinder gewidmet
hat, und darüber ihr Haus in Schmutz umkommen läßt,
hat nicht wenig zur Fixirung solcher Vorstellungsweise
beigetragen. Mir scheint es nun nicht gerade geboten,
eine interessante Jrrenhaus-Geschichte auf reale Ver-
hältnisse anzuwenden.

Diese absurde Vorstellung von dem Verkommen
des Hauswesens unter dem Regime einer berufsthätigen
Frau verdankt ihren Ursprung einer unmäßigen und
überaus kindischen Eitelkeit der Männer.

Jeder ist wohl darin mit mir einverstanden, daß im
Allgemeinen, je mehr die Jntelligenz eines Menschen
fortschreitet und sein Wirkungskreis wächst und steigt,
in demselben Grade sein Sinn für ästhetische Umgebung
zunehmen, sein Gaumen sich verfeinern wird.

Ja, bei Männern.

Und bei Frauen? Tritt das Gegentheil ein.

Je höher und vielseitiger sich ihre Jntelligenz, ihre
Talente und ihr Charakter bei der Bethätigung eines
Berufes entwickeln, je mehr wächst bei ihnen eine un-
bezähmbare Begierde nach zähem Fleisch, eine nicht zu
dämpfende Lust an zerrissenen Strümpfen, bestaubten
Möbeln, schmierigen Kindern, Cichorien und Wanzen.

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 9

Jch glaube, die amüsante Schilderung, die Dickens
in „Bleakhouse‟ von einer Verrückten giebt, die ihr
Leben der Bildung südafrikanischer Negerkinder gewidmet
hat, und darüber ihr Haus in Schmutz umkommen läßt,
hat nicht wenig zur Fixirung solcher Vorstellungsweise
beigetragen. Mir scheint es nun nicht gerade geboten,
eine interessante Jrrenhaus-Geschichte auf reale Ver-
hältnisse anzuwenden.

Diese absurde Vorstellung von dem Verkommen
des Hauswesens unter dem Regime einer berufsthätigen
Frau verdankt ihren Ursprung einer unmäßigen und
überaus kindischen Eitelkeit der Männer.

Jeder ist wohl darin mit mir einverstanden, daß im
Allgemeinen, je mehr die Jntelligenz eines Menschen
fortschreitet und sein Wirkungskreis wächst und steigt,
in demselben Grade sein Sinn für ästhetische Umgebung
zunehmen, sein Gaumen sich verfeinern wird.

Ja, bei Männern.

Und bei Frauen? Tritt das Gegentheil ein.

Je höher und vielseitiger sich ihre Jntelligenz, ihre
Talente und ihr Charakter bei der Bethätigung eines
Berufes entwickeln, je mehr wächst bei ihnen eine un-
bezähmbare Begierde nach zähem Fleisch, eine nicht zu
dämpfende Lust an zerrissenen Strümpfen, bestaubten
Möbeln, schmierigen Kindern, Cichorien und Wanzen.

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0137" n="129"/>
          <p>Jch glaube, die amüsante Schilderung, die Dickens<lb/>
in &#x201E;Bleakhouse&#x201F; von einer Verrückten giebt, die ihr<lb/>
Leben der Bildung südafrikanischer Negerkinder gewidmet<lb/>
hat, und darüber ihr Haus in Schmutz umkommen läßt,<lb/>
hat nicht wenig zur Fixirung solcher Vorstellungsweise<lb/>
beigetragen. Mir scheint es nun nicht gerade geboten,<lb/>
eine interessante Jrrenhaus-Geschichte auf reale Ver-<lb/>
hältnisse anzuwenden.</p><lb/>
          <p>Diese absurde Vorstellung von dem Verkommen<lb/>
des Hauswesens unter dem Regime einer berufsthätigen<lb/>
Frau verdankt ihren Ursprung einer unmäßigen und<lb/>
überaus kindischen Eitelkeit der Männer.</p><lb/>
          <p>Jeder ist wohl darin mit mir einverstanden, daß im<lb/>
Allgemeinen, je mehr die Jntelligenz eines Menschen<lb/>
fortschreitet und sein Wirkungskreis wächst und steigt,<lb/>
in demselben Grade sein Sinn für ästhetische Umgebung<lb/>
zunehmen, sein Gaumen sich verfeinern wird.</p><lb/>
          <p>Ja, bei Männern.</p><lb/>
          <p>Und bei Frauen? Tritt das Gegentheil ein.</p><lb/>
          <p>Je höher und vielseitiger sich ihre Jntelligenz, ihre<lb/>
Talente und ihr Charakter bei der Bethätigung eines<lb/>
Berufes entwickeln, je mehr wächst bei ihnen eine un-<lb/>
bezähmbare Begierde nach zähem Fleisch, eine nicht zu<lb/>
dämpfende Lust an zerrissenen Strümpfen, bestaubten<lb/>
Möbeln, schmierigen Kindern, Cichorien und Wanzen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Dohm</hi>, Der Jesuitismus im Hausstande. 9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0137] Jch glaube, die amüsante Schilderung, die Dickens in „Bleakhouse‟ von einer Verrückten giebt, die ihr Leben der Bildung südafrikanischer Negerkinder gewidmet hat, und darüber ihr Haus in Schmutz umkommen läßt, hat nicht wenig zur Fixirung solcher Vorstellungsweise beigetragen. Mir scheint es nun nicht gerade geboten, eine interessante Jrrenhaus-Geschichte auf reale Ver- hältnisse anzuwenden. Diese absurde Vorstellung von dem Verkommen des Hauswesens unter dem Regime einer berufsthätigen Frau verdankt ihren Ursprung einer unmäßigen und überaus kindischen Eitelkeit der Männer. Jeder ist wohl darin mit mir einverstanden, daß im Allgemeinen, je mehr die Jntelligenz eines Menschen fortschreitet und sein Wirkungskreis wächst und steigt, in demselben Grade sein Sinn für ästhetische Umgebung zunehmen, sein Gaumen sich verfeinern wird. Ja, bei Männern. Und bei Frauen? Tritt das Gegentheil ein. Je höher und vielseitiger sich ihre Jntelligenz, ihre Talente und ihr Charakter bei der Bethätigung eines Berufes entwickeln, je mehr wächst bei ihnen eine un- bezähmbare Begierde nach zähem Fleisch, eine nicht zu dämpfende Lust an zerrissenen Strümpfen, bestaubten Möbeln, schmierigen Kindern, Cichorien und Wanzen. Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/137
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/137>, abgerufen am 31.10.2024.