Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.was er durch äussere Umstände von seinem Land, Volk, Zeitalter u. s. w. Es wird keinem Verständigen einfallen zu bestreiten, dass auch Ich will Buckle nicht in seinen weiteren Erörterungen über die was er durch äussere Umstände von seinem Land, Volk, Zeitalter u. s. w. Es wird keinem Verständigen einfallen zu bestreiten, dass auch Ich will Buckle nicht in seinen weiteren Erörterungen über die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0063" n="54"/> was er durch äussere Umstände von seinem Land, Volk, Zeitalter u. s. w.<lb/> hat und das verschwindend kleine x sein eigenes Zuthun, das Werk<lb/> seines freien Willens ist. Wie verschwindend klein immer dies x sein<lb/> mag, es ist von unendlichem Werth, sittlich und menschlich betrachtet<lb/> allein von Werth. Die Farben, der Pinsel, die Leinwand, welche<lb/> Raphael brauchte, waren aus Stoffen, die er nicht geschaffen; diese<lb/> Materialien zeichnend und malend zu verwenden hatte er von den und<lb/> den Meistern gelernt; die Vorstellung von der heiligen Jungfrau, von<lb/> den Heiligen, den Engeln fand er vor in der kirchlichen Ueberliefe-<lb/> rung; das und das Kloster bestellte ein Bild bei ihm gegen ange-<lb/> messene Bezahlung; — aber dass auf diesen Anlass, aus diesen ma-<lb/> teriellen und technischen Bedingungen, auf Grund solcher Ueberliefe-<lb/> rungen und Anschauungen die Sixtina wurde, das ist in der Formel<lb/> A = a + x das Verdienst des verschwindend kleinen x. Und ähnlich<lb/> überall. Mag immerhin die Statistik zeigen, dass in dem bestimmten<lb/> Lande so und so viele uneheliche Geburten vorkommen, mag in jener<lb/> Formel A = a + x dies a alle die Momente enthalten, die es „erklären“,<lb/> dass unter tausend Müttern 20, 30, wie viele es denn sind, unver-<lb/> heirathet gebären, — jeder einzelne Fall der Art hat seine Geschichte<lb/> und wie oft eine rührende und erschütternde, und von diesen 20, 30<lb/> Gefallenen wird schwerlich auch nur eine sich damit beruhigen, dass<lb/> das statistische Gesetz ihren Fall „erkläre“; in den Gewissensqualen<lb/> durchweinter Nächte wird sich manche von ihnen sehr gründlich<lb/> überzeugen, dass in der Formel A = a + x das verschwindend kleine x<lb/> von unermesslicher Wucht ist, dass es den ganzen sittlichen Werth<lb/> des Menschen, das heisst seinen ganzen und einzigen Werth um-<lb/> schliesst.</p><lb/> <p>Es wird keinem Verständigen einfallen zu bestreiten, dass auch<lb/> die statistische Betrachtungsweise der menschlichen Dinge ihren<lb/> grossen Werth habe; aber man muss nicht vergessen, was sie leisten<lb/> kann und leisten will. Gewiss haben viele, vielleicht alle menschlichen<lb/> Verhältnisse auch eine rechtliche Seite; aber darum wird man doch<lb/> nicht sagen wollen, dass man das Verständniss der Eroica oder des<lb/> Faust unter den juristischen Bestimmungen über das geistige Eigen-<lb/> thum suchen müsse.</p><lb/> <p>Ich will Buckle nicht in seinen weiteren Erörterungen über die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0063]
was er durch äussere Umstände von seinem Land, Volk, Zeitalter u. s. w.
hat und das verschwindend kleine x sein eigenes Zuthun, das Werk
seines freien Willens ist. Wie verschwindend klein immer dies x sein
mag, es ist von unendlichem Werth, sittlich und menschlich betrachtet
allein von Werth. Die Farben, der Pinsel, die Leinwand, welche
Raphael brauchte, waren aus Stoffen, die er nicht geschaffen; diese
Materialien zeichnend und malend zu verwenden hatte er von den und
den Meistern gelernt; die Vorstellung von der heiligen Jungfrau, von
den Heiligen, den Engeln fand er vor in der kirchlichen Ueberliefe-
rung; das und das Kloster bestellte ein Bild bei ihm gegen ange-
messene Bezahlung; — aber dass auf diesen Anlass, aus diesen ma-
teriellen und technischen Bedingungen, auf Grund solcher Ueberliefe-
rungen und Anschauungen die Sixtina wurde, das ist in der Formel
A = a + x das Verdienst des verschwindend kleinen x. Und ähnlich
überall. Mag immerhin die Statistik zeigen, dass in dem bestimmten
Lande so und so viele uneheliche Geburten vorkommen, mag in jener
Formel A = a + x dies a alle die Momente enthalten, die es „erklären“,
dass unter tausend Müttern 20, 30, wie viele es denn sind, unver-
heirathet gebären, — jeder einzelne Fall der Art hat seine Geschichte
und wie oft eine rührende und erschütternde, und von diesen 20, 30
Gefallenen wird schwerlich auch nur eine sich damit beruhigen, dass
das statistische Gesetz ihren Fall „erkläre“; in den Gewissensqualen
durchweinter Nächte wird sich manche von ihnen sehr gründlich
überzeugen, dass in der Formel A = a + x das verschwindend kleine x
von unermesslicher Wucht ist, dass es den ganzen sittlichen Werth
des Menschen, das heisst seinen ganzen und einzigen Werth um-
schliesst.
Es wird keinem Verständigen einfallen zu bestreiten, dass auch
die statistische Betrachtungsweise der menschlichen Dinge ihren
grossen Werth habe; aber man muss nicht vergessen, was sie leisten
kann und leisten will. Gewiss haben viele, vielleicht alle menschlichen
Verhältnisse auch eine rechtliche Seite; aber darum wird man doch
nicht sagen wollen, dass man das Verständniss der Eroica oder des
Faust unter den juristischen Bestimmungen über das geistige Eigen-
thum suchen müsse.
Ich will Buckle nicht in seinen weiteren Erörterungen über die
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