Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.in diesen Urwald von Ueberlieferungen zu bringen, erste Versuche Von den Griechen her datirt die Continuität der Wissenschaft[ - 1 Zeichen fehlt]n; Dass nach der genialen Historiographie der Marathonischen, der Weniger noch als in der Historiographie des sinkenden Alterthums Und wieder, als im ausgehenden Mittelalter der erneute Kampf ge- in diesen Urwald von Ueberlieferungen zu bringen, erste Versuche Von den Griechen her datirt die Continuität der Wissenschaft[ – 1 Zeichen fehlt]n; Dass nach der genialen Historiographie der Marathonischen, der Weniger noch als in der Historiographie des sinkenden Alterthums Und wieder, als im ausgehenden Mittelalter der erneute Kampf ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0085" n="76"/> in diesen Urwald von Ueberlieferungen zu bringen, erste Versuche<lb/> wirklicher Forschung.</p><lb/> <p>Von den Griechen her datirt die Continuität der Wissenschaft<gap unit="chars" quantity="1"/>n;<lb/> fast alle, die noch heute die Geister beschäftigen, haben dort ihre An-<lb/> fänge; namentlich das Gebiet, das man wohl als das der moralischen<lb/> Wissenschaften bezeichnet, ist mit Vorliebe von ihnen bestellt worden.<lb/> Aber neben der Ethik, Politik, Oekonomik u. s. w. haben sie keine<lb/> Historik.</p><lb/> <p>Dass nach der genialen Historiographie der Marathonischen, der<lb/> Perikleischen Zeit, deren letzter Repräsentant Thucydides ist, Isokrates<lb/> und nicht Aristoteles eine historische Schule bildete, hat die Historie<lb/> in Bahnen gebracht, von denen Polybius sich vergebens bemüht hat sie<lb/> zurückzuführen. Sie wurde und bei den Römern blieb sie, soweit nicht<lb/> die Philologie sich ihrer bemächtigte, ein Theil der Rhetorik, der „schö-<lb/> nen Literatur“. Und zwischen beiden, der Philologie und der Rhetorik,<lb/> gingen die Aufzeichnungen zu praktischen Zwecken, die encyclopädischen<lb/> und Schulbücher mit eingeschlossen, allmählig bis zur armseligsten Dürf-<lb/> tigkeit hinab.</p><lb/> <p>Weniger noch als in der Historiographie des sinkenden Alterthums<lb/> wird man in der des Mittelalters neue Triebe wissenschaftlichen Geistes<lb/> entdecken wollen, wenn man nicht den theologisch-constructiven, der<lb/> hier und da durchklingt, dafür will gelten lassen. Wohl aber hat der<lb/> und jener Historiker der Karolinger-, der Ottonenzeit sich seine stylisti-<lb/> schen Muster bei den Alten gesucht und seine Helden mit ihren rhe-<lb/> torischen Floskeln geschmückt.</p><lb/> <p>Und wieder, als im ausgehenden Mittelalter der erneute Kampf ge-<lb/> gen das Papstthum und die Hierarchie auch die historische Forschung<lb/> als Waffe ergriff, und den Untersuchungen über die angebliche Schen-<lb/> kung des Constantin historisch-kritische Angriffe auf die falschen Tra-<lb/> ditionen, die schriftwidrigen Institutionen, die canonischen Anmaassun-<lb/> gen der Kirche Schlag auf Schlag folgten, selbst da gewann über diese<lb/> bedeutenden wissenschwaftlichen Anläufe die Rhetorik zunächst in Ita-<lb/> lien rasch wieder den Vorsprung; und den letzten grossartigen Versuch<lb/> auf deutscher Seite, die gewonnenen Kenntnisse und Uebungen wissen-<lb/> schaftlich zusammenzufassen, — den Sebastian Franck’s — übertäubte<lb/> der Lärm des schon dogmatistischen Haders der Bekenntnisse.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0085]
in diesen Urwald von Ueberlieferungen zu bringen, erste Versuche
wirklicher Forschung.
Von den Griechen her datirt die Continuität der Wissenschaft_n;
fast alle, die noch heute die Geister beschäftigen, haben dort ihre An-
fänge; namentlich das Gebiet, das man wohl als das der moralischen
Wissenschaften bezeichnet, ist mit Vorliebe von ihnen bestellt worden.
Aber neben der Ethik, Politik, Oekonomik u. s. w. haben sie keine
Historik.
Dass nach der genialen Historiographie der Marathonischen, der
Perikleischen Zeit, deren letzter Repräsentant Thucydides ist, Isokrates
und nicht Aristoteles eine historische Schule bildete, hat die Historie
in Bahnen gebracht, von denen Polybius sich vergebens bemüht hat sie
zurückzuführen. Sie wurde und bei den Römern blieb sie, soweit nicht
die Philologie sich ihrer bemächtigte, ein Theil der Rhetorik, der „schö-
nen Literatur“. Und zwischen beiden, der Philologie und der Rhetorik,
gingen die Aufzeichnungen zu praktischen Zwecken, die encyclopädischen
und Schulbücher mit eingeschlossen, allmählig bis zur armseligsten Dürf-
tigkeit hinab.
Weniger noch als in der Historiographie des sinkenden Alterthums
wird man in der des Mittelalters neue Triebe wissenschaftlichen Geistes
entdecken wollen, wenn man nicht den theologisch-constructiven, der
hier und da durchklingt, dafür will gelten lassen. Wohl aber hat der
und jener Historiker der Karolinger-, der Ottonenzeit sich seine stylisti-
schen Muster bei den Alten gesucht und seine Helden mit ihren rhe-
torischen Floskeln geschmückt.
Und wieder, als im ausgehenden Mittelalter der erneute Kampf ge-
gen das Papstthum und die Hierarchie auch die historische Forschung
als Waffe ergriff, und den Untersuchungen über die angebliche Schen-
kung des Constantin historisch-kritische Angriffe auf die falschen Tra-
ditionen, die schriftwidrigen Institutionen, die canonischen Anmaassun-
gen der Kirche Schlag auf Schlag folgten, selbst da gewann über diese
bedeutenden wissenschwaftlichen Anläufe die Rhetorik zunächst in Ita-
lien rasch wieder den Vorsprung; und den letzten grossartigen Versuch
auf deutscher Seite, die gewonnenen Kenntnisse und Uebungen wissen-
schaftlich zusammenzufassen, — den Sebastian Franck’s — übertäubte
der Lärm des schon dogmatistischen Haders der Bekenntnisse.
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