ich zu ihm ins Zimmer trat; er schien sehr heiterer Stimmung.
"Ich habe einen angenehmen Besuch gehabt, sagte er mir freudig entgegen, ein sehr hoffnungsvoller junger Mann, Meyer aus Westphalen, ist vorhin bey mir gewesen. Er hat Gedichte gemacht, die sehr viel er¬ warten lassen. Er ist erst achtzehn Jahre alt und schon unglaublich weit."
"Ich freue mich, sagte Goethe darauf lachend, daß ich jetzt nicht achtzehn Jahre alt bin. Als ich achtzehn war, war Deutschland auch erst achtzehn, da ließ sich noch etwas machen; aber jetzt wird unglaublich viel gefordert und es sind alle Wege verrannt."
"Deutschland selbst steht in allen Fächern so hoch, daß wir kaum alles übersehen können, und nun sollen wir noch Griechen und Lateiner seyn, und Engländer und Franzosen dazu! Ja obendrein hat man die Ver¬ rücktheit, auch nach dem Orient zu weisen und da muß denn ein junger Mensch ganz confus werden."
"Ich habe ihm zum Trost meine colossale Juno gezeigt, als ein Symbol, daß er bey den Griechen ver¬ harren und dort Beruhigung finden möge. Er ist ein prächtiger junger Mensch! Wenn er sich vor Zersplitte¬ rung in Acht nimmt, so kann etwas aus ihm werden."
"Aber, wie gesagt, ich danke dem Himmel, daß ich jetzt, in dieser durchaus gemachten Zeit, nicht jung bin. Ich würde nicht zu bleiben wissen. Ja selbst wenn
ich zu ihm ins Zimmer trat; er ſchien ſehr heiterer Stimmung.
„Ich habe einen angenehmen Beſuch gehabt, ſagte er mir freudig entgegen, ein ſehr hoffnungsvoller junger Mann, Meyer aus Weſtphalen, iſt vorhin bey mir geweſen. Er hat Gedichte gemacht, die ſehr viel er¬ warten laſſen. Er iſt erſt achtzehn Jahre alt und ſchon unglaublich weit.“
„Ich freue mich, ſagte Goethe darauf lachend, daß ich jetzt nicht achtzehn Jahre alt bin. Als ich achtzehn war, war Deutſchland auch erſt achtzehn, da ließ ſich noch etwas machen; aber jetzt wird unglaublich viel gefordert und es ſind alle Wege verrannt.“
„Deutſchland ſelbſt ſteht in allen Faͤchern ſo hoch, daß wir kaum alles uͤberſehen koͤnnen, und nun ſollen wir noch Griechen und Lateiner ſeyn, und Englaͤnder und Franzoſen dazu! Ja obendrein hat man die Ver¬ ruͤcktheit, auch nach dem Orient zu weiſen und da muß denn ein junger Menſch ganz confus werden.“
„Ich habe ihm zum Troſt meine coloſſale Juno gezeigt, als ein Symbol, daß er bey den Griechen ver¬ harren und dort Beruhigung finden moͤge. Er iſt ein praͤchtiger junger Menſch! Wenn er ſich vor Zerſplitte¬ rung in Acht nimmt, ſo kann etwas aus ihm werden.“
„Aber, wie geſagt, ich danke dem Himmel, daß ich jetzt, in dieſer durchaus gemachten Zeit, nicht jung bin. Ich wuͤrde nicht zu bleiben wiſſen. Ja ſelbſt wenn
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ich zu ihm ins Zimmer trat; er ſchien ſehr heiterer
Stimmung.
„Ich habe einen angenehmen Beſuch gehabt, ſagte
er mir freudig entgegen, ein ſehr hoffnungsvoller junger
Mann, Meyer aus Weſtphalen, iſt vorhin bey mir
geweſen. Er hat Gedichte gemacht, die ſehr viel er¬
warten laſſen. Er iſt erſt achtzehn Jahre alt und ſchon
unglaublich weit.“
„Ich freue mich, ſagte Goethe darauf lachend, daß
ich jetzt nicht achtzehn Jahre alt bin. Als ich achtzehn
war, war Deutſchland auch erſt achtzehn, da ließ ſich
noch etwas machen; aber jetzt wird unglaublich viel
gefordert und es ſind alle Wege verrannt.“
„Deutſchland ſelbſt ſteht in allen Faͤchern ſo hoch,
daß wir kaum alles uͤberſehen koͤnnen, und nun ſollen
wir noch Griechen und Lateiner ſeyn, und Englaͤnder
und Franzoſen dazu! Ja obendrein hat man die Ver¬
ruͤcktheit, auch nach dem Orient zu weiſen und da muß
denn ein junger Menſch ganz confus werden.“
„Ich habe ihm zum Troſt meine coloſſale Juno
gezeigt, als ein Symbol, daß er bey den Griechen ver¬
harren und dort Beruhigung finden moͤge. Er iſt ein
praͤchtiger junger Menſch! Wenn er ſich vor Zerſplitte¬
rung in Acht nimmt, ſo kann etwas aus ihm werden.“
„Aber, wie geſagt, ich danke dem Himmel, daß ich
jetzt, in dieſer durchaus gemachten Zeit, nicht jung bin.
Ich wuͤrde nicht zu bleiben wiſſen. Ja ſelbſt wenn
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/128>, abgerufen am 31.10.2024.
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