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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von selbst
kräftiger und sicherer zusammenführt.

So erinnerte sich auch Friedrich, daß er ein
Empfehlungsschreiben an den hiesigen Minister P.,
den er von einsichtsvollen Männern als ein Wunder
von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey sich ha¬
be. Er zog es hervor und überlas bey dieser Ge¬
legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiseplan,
den er bey seinem Auszuge von der Universität sorg¬
fältig in seine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es
rührte ihn, wie da alle Wege so genau vorausbe¬
stimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬
kommen war, wie das innere Leben überall durch¬
dringt und, sich an keine vorberechneten Pläne keh¬
rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬
voller Werkstatt seine Aeste nach allen Richtungen
hinstreckt und treibt und erst als Ganzes einen Plan
und Ordnung erweißt.

Unter solchen Gedanken erreichte er des Mini¬
sters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und
führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von
Zimmern, die alle fast bis zur Einförmigkeit einfach
und schmucklos waren. Erstaunt blieb er stehen,
als ihm endlich an der letzten Thüre der Minister
selbst entgegenkam. Er hatte sich nach alle dem Er¬
hebenden, was er von seinem großen Streben ge¬
hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬
gen Mann vorgestellt, und fand eine lange, hage¬
re, schwarzgekleidete Gestalt, die ihn mit unhöflicher

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Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von ſelbſt
kräftiger und ſicherer zuſammenführt.

So erinnerte ſich auch Friedrich, daß er ein
Empfehlungsſchreiben an den hieſigen Miniſter P.,
den er von einſichtsvollen Männern als ein Wunder
von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey ſich ha¬
be. Er zog es hervor und überlas bey dieſer Ge¬
legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiſeplan,
den er bey ſeinem Auszuge von der Univerſität ſorg¬
fältig in ſeine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es
rührte ihn, wie da alle Wege ſo genau vorausbe¬
ſtimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬
kommen war, wie das innere Leben überall durch¬
dringt und, ſich an keine vorberechneten Pläne keh¬
rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬
voller Werkſtatt ſeine Aeſte nach allen Richtungen
hinſtreckt und treibt und erſt als Ganzes einen Plan
und Ordnung erweißt.

Unter ſolchen Gedanken erreichte er des Mini¬
ſters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und
führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von
Zimmern, die alle faſt bis zur Einförmigkeit einfach
und ſchmucklos waren. Erſtaunt blieb er ſtehen,
als ihm endlich an der letzten Thüre der Miniſter
ſelbſt entgegenkam. Er hatte ſich nach alle dem Er¬
hebenden, was er von ſeinem großen Streben ge¬
hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬
gen Mann vorgeſtellt, und fand eine lange, hage¬
re, ſchwarzgekleidete Geſtalt, die ihn mit unhöflicher

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[195/0201] Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von ſelbſt kräftiger und ſicherer zuſammenführt. So erinnerte ſich auch Friedrich, daß er ein Empfehlungsſchreiben an den hieſigen Miniſter P., den er von einſichtsvollen Männern als ein Wunder von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey ſich ha¬ be. Er zog es hervor und überlas bey dieſer Ge¬ legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiſeplan, den er bey ſeinem Auszuge von der Univerſität ſorg¬ fältig in ſeine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es rührte ihn, wie da alle Wege ſo genau vorausbe¬ ſtimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬ kommen war, wie das innere Leben überall durch¬ dringt und, ſich an keine vorberechneten Pläne keh¬ rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬ voller Werkſtatt ſeine Aeſte nach allen Richtungen hinſtreckt und treibt und erſt als Ganzes einen Plan und Ordnung erweißt. Unter ſolchen Gedanken erreichte er des Mini¬ ſters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von Zimmern, die alle faſt bis zur Einförmigkeit einfach und ſchmucklos waren. Erſtaunt blieb er ſtehen, als ihm endlich an der letzten Thüre der Miniſter ſelbſt entgegenkam. Er hatte ſich nach alle dem Er¬ hebenden, was er von ſeinem großen Streben ge¬ hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬ gen Mann vorgeſtellt, und fand eine lange, hage¬ re, ſchwarzgekleidete Geſtalt, die ihn mit unhöflicher 13 *

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/201>, abgerufen am 31.10.2024.