Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.Was ich liebte und vernommen, Was geklungen, Ist den eignen, tiefen WonnenSelig Wunder! Weiter folgendes Sonett: Ein Wunderland ist oben aufgeschlagen, Wo goldne Ströme geh'n und dunkel schallen Und durch ihr Rauschen tief' Gesänge hallen, Die möchten gern ein hohes Wort uns sagen. Viel goldne Brücken sind dort kühn geschlagen, Darüber alte Brüder sinnend wallen Und seltsam' Töne oft herunterfallen -- Da will tief Sehnen uns von hinnen tragen. Wen einmal so berührt die heil'gen Lieder: Sein Leben taucht in die Musik der Sterne, Ein ewig Zieh'n in wunderbare Ferne. Wie bald liegt da tief unten alles Trübe! Er kniet ewig bethend einsam nieder, Verklärt im heil'gen Morgenroth der Liebe. Er las noch einen Haufen Sonette mit einer Was ich liebte und vernommen, Was geklungen, Iſt den eignen, tiefen WonnenSelig Wunder! Weiter folgendes Sonett: Ein Wunderland iſt oben aufgeſchlagen, Wo goldne Ströme geh'n und dunkel ſchallen Und durch ihr Rauſchen tief' Geſänge hallen, Die möchten gern ein hohes Wort uns ſagen. Viel goldne Brücken ſind dort kühn geſchlagen, Darüber alte Brüder ſinnend wallen Und ſeltſam' Töne oft herunterfallen — Da will tief Sehnen uns von hinnen tragen. Wen einmal ſo berührt die heil'gen Lieder: Sein Leben taucht in die Muſik der Sterne, Ein ewig Zieh'n in wunderbare Ferne. Wie bald liegt da tief unten alles Trübe! Er kniet ewig bethend einſam nieder, Verklärt im heil'gen Morgenroth der Liebe. Er las noch einen Haufen Sonette mit einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0213" n="207"/> <lg n="5"> <l>Was ich liebte und vernommen,</l><lb/> <l rendition="#et">Was geklungen,</l><lb/> <l>Iſt den eignen, tiefen Wonnen</l><lb/> <l rendition="#et">Selig Wunder!</l><lb/> </lg> </lg> <p>Weiter folgendes Sonett:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein Wunderland iſt oben aufgeſchlagen,</l><lb/> <l rendition="#et">Wo goldne Ströme geh'n und dunkel ſchallen</l><lb/> <l rendition="#et">Und durch ihr Rauſchen tief' Geſänge hallen,</l><lb/> <l rendition="#et">Die möchten gern ein hohes Wort uns ſagen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Viel goldne Brücken ſind dort kühn geſchlagen,</l><lb/> <l rendition="#et">Darüber alte Brüder ſinnend wallen</l><lb/> <l rendition="#et">Und ſeltſam' Töne oft herunterfallen —</l><lb/> <l rendition="#et">Da will tief Sehnen uns von hinnen tragen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Wen einmal ſo berührt die heil'gen Lieder:</l><lb/> <l rendition="#et">Sein Leben taucht in die Muſik der Sterne,</l><lb/> <l rendition="#et">Ein ewig Zieh'n in wunderbare Ferne.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Wie bald liegt da tief unten alles Trübe!</l><lb/> <l rendition="#et">Er kniet ewig bethend einſam nieder,</l><lb/> <l rendition="#et">Verklärt im heil'gen Morgenroth der Liebe.</l><lb/> </lg> </lg> <p>Er las noch einen Haufen Sonette mit einer<lb/> Art von prieſterlicher Feyerlichkeit. Keinem derſel¬<lb/> ben fehlte es an irgend einem wirklich aufrichtigen<lb/> kleinen Gefühlchen, an großen Ausdrücken und<lb/> lieblichen Bildern. Alle hatten einen einzigen, bis<lb/> ins Unendliche breit auseinandergeſchlagenen Gedan¬<lb/> ken, ſie bezogen ſich alle auf den Beruf des Dich¬<lb/> ters und die Göttlichkeit der Poeſie, aber die Poe¬<lb/> ſie ſelber, das urſprüngliche, freye, tüchtige Leben,<lb/> das uns ergreift, ehe wir darüber ſprachen, kam<lb/> nicht zum Vorſchein vor lauter Komplimenten davor<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0213]
Was ich liebte und vernommen,
Was geklungen,
Iſt den eignen, tiefen Wonnen
Selig Wunder!
Weiter folgendes Sonett:
Ein Wunderland iſt oben aufgeſchlagen,
Wo goldne Ströme geh'n und dunkel ſchallen
Und durch ihr Rauſchen tief' Geſänge hallen,
Die möchten gern ein hohes Wort uns ſagen.
Viel goldne Brücken ſind dort kühn geſchlagen,
Darüber alte Brüder ſinnend wallen
Und ſeltſam' Töne oft herunterfallen —
Da will tief Sehnen uns von hinnen tragen.
Wen einmal ſo berührt die heil'gen Lieder:
Sein Leben taucht in die Muſik der Sterne,
Ein ewig Zieh'n in wunderbare Ferne.
Wie bald liegt da tief unten alles Trübe!
Er kniet ewig bethend einſam nieder,
Verklärt im heil'gen Morgenroth der Liebe.
Er las noch einen Haufen Sonette mit einer
Art von prieſterlicher Feyerlichkeit. Keinem derſel¬
ben fehlte es an irgend einem wirklich aufrichtigen
kleinen Gefühlchen, an großen Ausdrücken und
lieblichen Bildern. Alle hatten einen einzigen, bis
ins Unendliche breit auseinandergeſchlagenen Gedan¬
ken, ſie bezogen ſich alle auf den Beruf des Dich¬
ters und die Göttlichkeit der Poeſie, aber die Poe¬
ſie ſelber, das urſprüngliche, freye, tüchtige Leben,
das uns ergreift, ehe wir darüber ſprachen, kam
nicht zum Vorſchein vor lauter Komplimenten davor
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