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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Um mich in den lichten Tagen
Durch die Welt sich fröhlich hauten,
Strecken steinern nun die Glieder,
Eingehüllt in ihre Fahnen,
Sind seitdem so alt geworden,
Nur ich bin so jung wie damals. --
Von der Welt kann ich nicht lassen,
Liebeln nicht von fern mit Reden,
In den Arm lebendig fassen! --
Laß mich lieben, laß mich leben!"

Nun verliebt die Augen gehen
Ueber ihres Gartens Mauer,
War so einsam dort zu sehen
Schimmernd Land und Ström' und Auen.
Und wo ihre Augen giengen:
Quellen aus der Grüne sprangen,
Berg und Wald verzaubert standen
Tausend Vögel schwirrend sangen.
Golden blitzt es über'm Grunde,
Seltne Farben irrend schweiffen,
Wie zu lang entbehrtem Feste
Will die Erde sich bereiten.
Und nun kamen angezogen
Freyer bald von allen Seiten,
Federn bunt im Winde flogen,
Jäger schmuck im Walde reiten.
Hörner munter drein erschallen
Auf und munter durch das Grüne,
Pilger fromm dazwischen wallen,
Die das Heymathsfieber spüren.
Auf vielsonn'gen Wiesen flöten
Schäfer bey Schneeflock'gen Schafen,
Ritter in der Abendröthe
Knien auf des Berges Hange,

Um mich in den lichten Tagen
Durch die Welt ſich fröhlich hauten,
Strecken ſteinern nun die Glieder,
Eingehüllt in ihre Fahnen,
Sind ſeitdem ſo alt geworden,
Nur ich bin ſo jung wie damals. —
Von der Welt kann ich nicht laſſen,
Liebeln nicht von fern mit Reden,
In den Arm lebendig faſſen! —
Laß mich lieben, laß mich leben!“

Nun verliebt die Augen gehen
Ueber ihres Gartens Mauer,
War ſo einſam dort zu ſehen
Schimmernd Land und Ström' und Auen.
Und wo ihre Augen giengen:
Quellen aus der Grüne ſprangen,
Berg und Wald verzaubert ſtanden
Tauſend Vögel ſchwirrend ſangen.
Golden blitzt es über'm Grunde,
Seltne Farben irrend ſchweiffen,
Wie zu lang entbehrtem Feſte
Will die Erde ſich bereiten.
Und nun kamen angezogen
Freyer bald von allen Seiten,
Federn bunt im Winde flogen,
Jäger ſchmuck im Walde reiten.
Hörner munter drein erſchallen
Auf und munter durch das Grüne,
Pilger fromm dazwiſchen wallen,
Die das Heymathsfieber ſpüren.
Auf vielſonn'gen Wieſen flöten
Schäfer bey Schneeflock'gen Schafen,
Ritter in der Abendröthe
Knien auf des Berges Hange,
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[213/0219] Um mich in den lichten Tagen Durch die Welt ſich fröhlich hauten, Strecken ſteinern nun die Glieder, Eingehüllt in ihre Fahnen, Sind ſeitdem ſo alt geworden, Nur ich bin ſo jung wie damals. — Von der Welt kann ich nicht laſſen, Liebeln nicht von fern mit Reden, In den Arm lebendig faſſen! — Laß mich lieben, laß mich leben!“ Nun verliebt die Augen gehen Ueber ihres Gartens Mauer, War ſo einſam dort zu ſehen Schimmernd Land und Ström' und Auen. Und wo ihre Augen giengen: Quellen aus der Grüne ſprangen, Berg und Wald verzaubert ſtanden Tauſend Vögel ſchwirrend ſangen. Golden blitzt es über'm Grunde, Seltne Farben irrend ſchweiffen, Wie zu lang entbehrtem Feſte Will die Erde ſich bereiten. Und nun kamen angezogen Freyer bald von allen Seiten, Federn bunt im Winde flogen, Jäger ſchmuck im Walde reiten. Hörner munter drein erſchallen Auf und munter durch das Grüne, Pilger fromm dazwiſchen wallen, Die das Heymathsfieber ſpüren. Auf vielſonn'gen Wieſen flöten Schäfer bey Schneeflock'gen Schafen, Ritter in der Abendröthe Knien auf des Berges Hange,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/219>, abgerufen am 31.10.2024.