Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

auf dem Berge recht hineindenke, ist mir zu Muthe,
als könnt' es mir manchmal auch so geh'n, wie dem
Studenten. --

Faber war unterdeß fortgegangen, um etwas
zu essen und zu trinken zu bestellen, und Friedrich
bemerkte dabey mit Verwunderung, daß die Leute,
wenn er mit ihnen sprach oder etwas forderte, ihm
ins Gesicht lachten oder einander heimlich zuwinkten
und die neugierigen Kinder furchtsam zurückzogen,
wenn er sich ihnen näherte. Leontin gestand, daß
er manchmal, wenn sie in einem Dorfe einkehrten,
vorauszueilen pflege und die Wirthsleute überrede,
daß der gute Mann, den er bey sich habe, nicht
recht bey Verstande sey, sie sollten nur recht auf
seine Worte und Bewegungen Acht haben, wenn er
nachkäme. Dieß gebe dann zu vielerley Lust und
Mißverständnisse Anlaß, denn wenn sich Faber ei¬
nige Zeit mit den Gesichtern abgebe, die ihn alle so
heimlich, furchtsam und bedauernd ansähen, hielten
sie sich am Ende wechselseitig alle für verrückt. --
Leontin brach schnell ab, denn Faber kam eben zu
ihnen zurück und schimpfte über die Dummheit des
Landvolks.

Friedrich mußte nun von seinem Abschiede auf
dem Schlosse des Herrn v. A. und seinen Aben¬
theuern in der Residenz erzählen. Er kam bald
auch auf die ästhetische Theegesellschaft und versicher¬
te, er habe sich dabey recht ohne alle Männlichkeit
gefühlt, etwa wie bey einem Spaziergange durch
die Lüneburger Ebne mit Aussicht auf Heydekraut.

auf dem Berge recht hineindenke, iſt mir zu Muthe,
als könnt' es mir manchmal auch ſo geh'n, wie dem
Studenten. —

Faber war unterdeß fortgegangen, um etwas
zu eſſen und zu trinken zu beſtellen, und Friedrich
bemerkte dabey mit Verwunderung, daß die Leute,
wenn er mit ihnen ſprach oder etwas forderte, ihm
ins Geſicht lachten oder einander heimlich zuwinkten
und die neugierigen Kinder furchtſam zurückzogen,
wenn er ſich ihnen näherte. Leontin geſtand, daß
er manchmal, wenn ſie in einem Dorfe einkehrten,
vorauszueilen pflege und die Wirthsleute überrede,
daß der gute Mann, den er bey ſich habe, nicht
recht bey Verſtande ſey, ſie ſollten nur recht auf
ſeine Worte und Bewegungen Acht haben, wenn er
nachkäme. Dieß gebe dann zu vielerley Luſt und
Mißverſtändniſſe Anlaß, denn wenn ſich Faber ei¬
nige Zeit mit den Geſichtern abgebe, die ihn alle ſo
heimlich, furchtſam und bedauernd anſähen, hielten
ſie ſich am Ende wechſelſeitig alle für verrückt. —
Leontin brach ſchnell ab, denn Faber kam eben zu
ihnen zurück und ſchimpfte über die Dummheit des
Landvolks.

Friedrich mußte nun von ſeinem Abſchiede auf
dem Schloſſe des Herrn v. A. und ſeinen Aben¬
theuern in der Reſidenz erzählen. Er kam bald
auch auf die äſthetiſche Theegeſellſchaft und verſicher¬
te, er habe ſich dabey recht ohne alle Männlichkeit
gefühlt, etwa wie bey einem Spaziergange durch
die Lüneburger Ebne mit Ausſicht auf Heydekraut.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="235"/>
auf dem Berge recht hineindenke, i&#x017F;t mir zu Muthe,<lb/>
als könnt' es mir manchmal auch &#x017F;o geh'n, wie dem<lb/>
Studenten. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Faber war unterdeß fortgegangen, um etwas<lb/>
zu e&#x017F;&#x017F;en und zu trinken zu be&#x017F;tellen, und Friedrich<lb/>
bemerkte dabey mit Verwunderung, daß die Leute,<lb/>
wenn er mit ihnen &#x017F;prach oder etwas forderte, ihm<lb/>
ins Ge&#x017F;icht lachten oder einander heimlich zuwinkten<lb/>
und die neugierigen Kinder furcht&#x017F;am zurückzogen,<lb/>
wenn er &#x017F;ich ihnen näherte. Leontin ge&#x017F;tand, daß<lb/>
er manchmal, wenn &#x017F;ie in einem Dorfe einkehrten,<lb/>
vorauszueilen pflege und die Wirthsleute überrede,<lb/>
daß der gute Mann, den er bey &#x017F;ich habe, nicht<lb/>
recht bey Ver&#x017F;tande &#x017F;ey, &#x017F;ie &#x017F;ollten nur recht auf<lb/>
&#x017F;eine Worte und Bewegungen Acht haben, wenn er<lb/>
nachkäme. Dieß gebe dann zu vielerley Lu&#x017F;t und<lb/>
Mißver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e Anlaß, denn wenn &#x017F;ich Faber ei¬<lb/>
nige Zeit mit den Ge&#x017F;ichtern abgebe, die ihn alle &#x017F;o<lb/>
heimlich, furcht&#x017F;am und bedauernd an&#x017F;ähen, hielten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich am Ende wech&#x017F;el&#x017F;eitig alle für verrückt. &#x2014;<lb/>
Leontin brach &#x017F;chnell ab, denn Faber kam eben zu<lb/>
ihnen zurück und &#x017F;chimpfte über die Dummheit des<lb/>
Landvolks.</p><lb/>
          <p>Friedrich mußte nun von &#x017F;einem Ab&#x017F;chiede auf<lb/>
dem Schlo&#x017F;&#x017F;e des Herrn v. A. und &#x017F;einen Aben¬<lb/>
theuern in der Re&#x017F;idenz erzählen. Er kam bald<lb/>
auch auf die ä&#x017F;theti&#x017F;che Theege&#x017F;ell&#x017F;chaft und ver&#x017F;icher¬<lb/>
te, er habe &#x017F;ich dabey recht ohne alle Männlichkeit<lb/>
gefühlt, etwa wie bey einem Spaziergange durch<lb/>
die Lüneburger Ebne mit Aus&#x017F;icht auf Heydekraut.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0241] auf dem Berge recht hineindenke, iſt mir zu Muthe, als könnt' es mir manchmal auch ſo geh'n, wie dem Studenten. — Faber war unterdeß fortgegangen, um etwas zu eſſen und zu trinken zu beſtellen, und Friedrich bemerkte dabey mit Verwunderung, daß die Leute, wenn er mit ihnen ſprach oder etwas forderte, ihm ins Geſicht lachten oder einander heimlich zuwinkten und die neugierigen Kinder furchtſam zurückzogen, wenn er ſich ihnen näherte. Leontin geſtand, daß er manchmal, wenn ſie in einem Dorfe einkehrten, vorauszueilen pflege und die Wirthsleute überrede, daß der gute Mann, den er bey ſich habe, nicht recht bey Verſtande ſey, ſie ſollten nur recht auf ſeine Worte und Bewegungen Acht haben, wenn er nachkäme. Dieß gebe dann zu vielerley Luſt und Mißverſtändniſſe Anlaß, denn wenn ſich Faber ei¬ nige Zeit mit den Geſichtern abgebe, die ihn alle ſo heimlich, furchtſam und bedauernd anſähen, hielten ſie ſich am Ende wechſelſeitig alle für verrückt. — Leontin brach ſchnell ab, denn Faber kam eben zu ihnen zurück und ſchimpfte über die Dummheit des Landvolks. Friedrich mußte nun von ſeinem Abſchiede auf dem Schloſſe des Herrn v. A. und ſeinen Aben¬ theuern in der Reſidenz erzählen. Er kam bald auch auf die äſthetiſche Theegeſellſchaft und verſicher¬ te, er habe ſich dabey recht ohne alle Männlichkeit gefühlt, etwa wie bey einem Spaziergange durch die Lüneburger Ebne mit Ausſicht auf Heydekraut.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/241
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/241>, abgerufen am 01.11.2024.