verstand und wobey mir unaufhörlich des simplicia¬ nisch-teutschen Michels verstümmeltes Sprach-Ge¬ präng im Sinne lag. Denn es waren deutsche Worte, spanische Konstrukzionen, wälsche Bilder, altdeutsche Redensarten, doch alles mit überaus feinem Firniß von Sanftmuth verschmiert. Ich gab ihm ernsthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬ schlaffe nur den Magen, worüber er sich entrüstet von mir wandte. -- Mit dem vom Hochmuthsteufel besessenen Dythirambisten aber bestand ich den schön¬ sten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle Seegel seines Witzes aufgespannt und kam mit vol¬ lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um mich Unpoetischen vor den Augen der Damen in den Grund zu bugsiren. Um mich zu retten, fieng ich zum Beweise meiner poetischen Belesenheit an, aus Shackspears: "Was ihr wollt," wo Junker To¬ bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: "Und be¬ sässe ihn eine Legion selbst, so will ich ihn doch an¬ reden." Er stutzte und fragte mich mit herablas¬ sender Genügsamkeit und kniffigem Gesichte, ob viel¬ leicht gar Shakspear mein Lieblingsautor sey? -- Ich ließ mich aber nicht stören, sondern fuhr mit Junker Tobias fort: "Ey, Freund, leistet dem Teu¬ fel Widerstand, er ist der Erbfeind der Menschen¬ kinder." Er fieng nun an sehr salbungsvolle, ge¬ nialische Worte über Shakespeare ergehen zu lassen, ich aber, da ich ihn sich so aufblasen sah, sagte wei¬ ter: "Sanftmüthig, sanftmüthig! Ey, was machst
verſtand und wobey mir unaufhörlich des ſimplicia¬ niſch-teutſchen Michels verſtümmeltes Sprach-Ge¬ präng im Sinne lag. Denn es waren deutſche Worte, ſpaniſche Konſtrukzionen, wälſche Bilder, altdeutſche Redensarten, doch alles mit überaus feinem Firniß von Sanftmuth verſchmiert. Ich gab ihm ernſthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬ ſchlaffe nur den Magen, worüber er ſich entrüſtet von mir wandte. — Mit dem vom Hochmuthsteufel beſeſſenen Dythirambiſten aber beſtand ich den ſchön¬ ſten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle Seegel ſeines Witzes aufgeſpannt und kam mit vol¬ lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um mich Unpoetiſchen vor den Augen der Damen in den Grund zu bugſiren. Um mich zu retten, fieng ich zum Beweiſe meiner poetiſchen Beleſenheit an, aus Shackſpears: „Was ihr wollt,“ wo Junker To¬ bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: „Und be¬ ſäſſe ihn eine Legion ſelbſt, ſo will ich ihn doch an¬ reden.“ Er ſtutzte und fragte mich mit herablaſ¬ ſender Genügſamkeit und kniffigem Geſichte, ob viel¬ leicht gar Shakſpear mein Lieblingsautor ſey? — Ich ließ mich aber nicht ſtören, ſondern fuhr mit Junker Tobias fort: „Ey, Freund, leiſtet dem Teu¬ fel Widerſtand, er iſt der Erbfeind der Menſchen¬ kinder.“ Er fieng nun an ſehr ſalbungsvolle, ge¬ nialiſche Worte über Shakeſpeare ergehen zu laſſen, ich aber, da ich ihn ſich ſo aufblaſen ſah, ſagte wei¬ ter: „Sanftmüthig, ſanftmüthig! Ey, was machſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0243"n="237"/>
verſtand und wobey mir unaufhörlich des ſimplicia¬<lb/>
niſch-teutſchen Michels verſtümmeltes Sprach-Ge¬<lb/>
präng im Sinne lag. Denn es waren deutſche<lb/>
Worte, ſpaniſche Konſtrukzionen, wälſche Bilder,<lb/>
altdeutſche Redensarten, doch alles mit überaus<lb/>
feinem Firniß von Sanftmuth verſchmiert. Ich gab<lb/>
ihm ernſthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten<lb/>
Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬<lb/>ſchlaffe nur den Magen, worüber er ſich entrüſtet<lb/>
von mir wandte. — Mit dem vom Hochmuthsteufel<lb/>
beſeſſenen Dythirambiſten aber beſtand ich den ſchön¬<lb/>ſten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle<lb/>
Seegel ſeines Witzes aufgeſpannt und kam mit vol¬<lb/>
lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um<lb/>
mich Unpoetiſchen vor den Augen der Damen in den<lb/>
Grund zu bugſiren. Um mich zu retten, fieng ich<lb/>
zum Beweiſe meiner poetiſchen Beleſenheit an, aus<lb/>
Shackſpears: „Was ihr wollt,“ wo Junker To¬<lb/>
bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: „Und be¬<lb/>ſäſſe ihn eine Legion ſelbſt, ſo will ich ihn doch an¬<lb/>
reden.“ Er ſtutzte und fragte mich mit herablaſ¬<lb/>ſender Genügſamkeit und kniffigem Geſichte, ob viel¬<lb/>
leicht gar Shakſpear mein Lieblingsautor ſey? —<lb/>
Ich ließ mich aber nicht ſtören, ſondern fuhr mit<lb/>
Junker Tobias fort: „Ey, Freund, leiſtet dem Teu¬<lb/>
fel Widerſtand, er iſt der Erbfeind der Menſchen¬<lb/>
kinder.“ Er fieng nun an ſehr ſalbungsvolle, ge¬<lb/>
nialiſche Worte über Shakeſpeare ergehen zu laſſen,<lb/>
ich aber, da ich ihn ſich ſo aufblaſen ſah, ſagte wei¬<lb/>
ter: „Sanftmüthig, ſanftmüthig! Ey, was machſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[237/0243]
verſtand und wobey mir unaufhörlich des ſimplicia¬
niſch-teutſchen Michels verſtümmeltes Sprach-Ge¬
präng im Sinne lag. Denn es waren deutſche
Worte, ſpaniſche Konſtrukzionen, wälſche Bilder,
altdeutſche Redensarten, doch alles mit überaus
feinem Firniß von Sanftmuth verſchmiert. Ich gab
ihm ernſthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten
Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬
ſchlaffe nur den Magen, worüber er ſich entrüſtet
von mir wandte. — Mit dem vom Hochmuthsteufel
beſeſſenen Dythirambiſten aber beſtand ich den ſchön¬
ſten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle
Seegel ſeines Witzes aufgeſpannt und kam mit vol¬
lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um
mich Unpoetiſchen vor den Augen der Damen in den
Grund zu bugſiren. Um mich zu retten, fieng ich
zum Beweiſe meiner poetiſchen Beleſenheit an, aus
Shackſpears: „Was ihr wollt,“ wo Junker To¬
bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: „Und be¬
ſäſſe ihn eine Legion ſelbſt, ſo will ich ihn doch an¬
reden.“ Er ſtutzte und fragte mich mit herablaſ¬
ſender Genügſamkeit und kniffigem Geſichte, ob viel¬
leicht gar Shakſpear mein Lieblingsautor ſey? —
Ich ließ mich aber nicht ſtören, ſondern fuhr mit
Junker Tobias fort: „Ey, Freund, leiſtet dem Teu¬
fel Widerſtand, er iſt der Erbfeind der Menſchen¬
kinder.“ Er fieng nun an ſehr ſalbungsvolle, ge¬
nialiſche Worte über Shakeſpeare ergehen zu laſſen,
ich aber, da ich ihn ſich ſo aufblaſen ſah, ſagte wei¬
ter: „Sanftmüthig, ſanftmüthig! Ey, was machſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/243>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.