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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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verstand und wobey mir unaufhörlich des simplicia¬
nisch-teutschen Michels verstümmeltes Sprach-Ge¬
präng im Sinne lag. Denn es waren deutsche
Worte, spanische Konstrukzionen, wälsche Bilder,
altdeutsche Redensarten, doch alles mit überaus
feinem Firniß von Sanftmuth verschmiert. Ich gab
ihm ernsthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten
Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬
schlaffe nur den Magen, worüber er sich entrüstet
von mir wandte. -- Mit dem vom Hochmuthsteufel
besessenen Dythirambisten aber bestand ich den schön¬
sten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle
Seegel seines Witzes aufgespannt und kam mit vol¬
lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um
mich Unpoetischen vor den Augen der Damen in den
Grund zu bugsiren. Um mich zu retten, fieng ich
zum Beweise meiner poetischen Belesenheit an, aus
Shackspears: "Was ihr wollt," wo Junker To¬
bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: "Und be¬
sässe ihn eine Legion selbst, so will ich ihn doch an¬
reden." Er stutzte und fragte mich mit herablas¬
sender Genügsamkeit und kniffigem Gesichte, ob viel¬
leicht gar Shakspear mein Lieblingsautor sey? --
Ich ließ mich aber nicht stören, sondern fuhr mit
Junker Tobias fort: "Ey, Freund, leistet dem Teu¬
fel Widerstand, er ist der Erbfeind der Menschen¬
kinder." Er fieng nun an sehr salbungsvolle, ge¬
nialische Worte über Shakespeare ergehen zu lassen,
ich aber, da ich ihn sich so aufblasen sah, sagte wei¬
ter: "Sanftmüthig, sanftmüthig! Ey, was machst

verſtand und wobey mir unaufhörlich des ſimplicia¬
niſch-teutſchen Michels verſtümmeltes Sprach-Ge¬
präng im Sinne lag. Denn es waren deutſche
Worte, ſpaniſche Konſtrukzionen, wälſche Bilder,
altdeutſche Redensarten, doch alles mit überaus
feinem Firniß von Sanftmuth verſchmiert. Ich gab
ihm ernſthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten
Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬
ſchlaffe nur den Magen, worüber er ſich entrüſtet
von mir wandte. — Mit dem vom Hochmuthsteufel
beſeſſenen Dythirambiſten aber beſtand ich den ſchön¬
ſten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle
Seegel ſeines Witzes aufgeſpannt und kam mit vol¬
lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um
mich Unpoetiſchen vor den Augen der Damen in den
Grund zu bugſiren. Um mich zu retten, fieng ich
zum Beweiſe meiner poetiſchen Beleſenheit an, aus
Shackſpears: „Was ihr wollt,“ wo Junker To¬
bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: „Und be¬
ſäſſe ihn eine Legion ſelbſt, ſo will ich ihn doch an¬
reden.“ Er ſtutzte und fragte mich mit herablaſ¬
ſender Genügſamkeit und kniffigem Geſichte, ob viel¬
leicht gar Shakſpear mein Lieblingsautor ſey? —
Ich ließ mich aber nicht ſtören, ſondern fuhr mit
Junker Tobias fort: „Ey, Freund, leiſtet dem Teu¬
fel Widerſtand, er iſt der Erbfeind der Menſchen¬
kinder.“ Er fieng nun an ſehr ſalbungsvolle, ge¬
nialiſche Worte über Shakeſpeare ergehen zu laſſen,
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[237/0243] verſtand und wobey mir unaufhörlich des ſimplicia¬ niſch-teutſchen Michels verſtümmeltes Sprach-Ge¬ präng im Sinne lag. Denn es waren deutſche Worte, ſpaniſche Konſtrukzionen, wälſche Bilder, altdeutſche Redensarten, doch alles mit überaus feinem Firniß von Sanftmuth verſchmiert. Ich gab ihm ernſthaft den Rath, alle Morgen gepfefferten Schnapps zu nehmen, denn der ewige Necktar er¬ ſchlaffe nur den Magen, worüber er ſich entrüſtet von mir wandte. — Mit dem vom Hochmuthsteufel beſeſſenen Dythirambiſten aber beſtand ich den ſchön¬ ſten Strauß. Er hatte mit pfiffiger Miene alle Seegel ſeines Witzes aufgeſpannt und kam mit vol¬ lem Winde der Eitelkeit auf mich losgefahren, um mich Unpoetiſchen vor den Augen der Damen in den Grund zu bugſiren. Um mich zu retten, fieng ich zum Beweiſe meiner poetiſchen Beleſenheit an, aus Shackſpears: „Was ihr wollt,“ wo Junker To¬ bias den Malvolio peinigt, zu rezitiren: „Und be¬ ſäſſe ihn eine Legion ſelbſt, ſo will ich ihn doch an¬ reden.“ Er ſtutzte und fragte mich mit herablaſ¬ ſender Genügſamkeit und kniffigem Geſichte, ob viel¬ leicht gar Shakſpear mein Lieblingsautor ſey? — Ich ließ mich aber nicht ſtören, ſondern fuhr mit Junker Tobias fort: „Ey, Freund, leiſtet dem Teu¬ fel Widerſtand, er iſt der Erbfeind der Menſchen¬ kinder.“ Er fieng nun an ſehr ſalbungsvolle, ge¬ nialiſche Worte über Shakeſpeare ergehen zu laſſen, ich aber, da ich ihn ſich ſo aufblaſen ſah, ſagte wei¬ ter: „Sanftmüthig, ſanftmüthig! Ey, was machſt

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/243>, abgerufen am 01.11.2024.